E-Book, Deutsch, 972 Seiten, Format (B × H): 130 mm x 220 mm, Gewicht: 1250 g
Zinn Eine Geschichte des amerikanischen Volkes
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7550-5011-7
Verlag: März Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 972 Seiten, Format (B × H): 130 mm x 220 mm, Gewicht: 1250 g
ISBN: 978-3-7550-5011-7
Verlag: März Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Howard Zinn, geboren am 24. August 1922 in Brooklyn, war Hochschullehrer, Historiker und sein Leben lang politischer Aktivist. Nach seiner Promotion an der Columbia University lehrte er viele Jahre lang am Spelman College, einer Hochschule für Schwarze Frauen, und beteiligte sich am Civil Rights Movement. Zu dieser Zeit begann seine Überwachung durch das FBI, das ihn zunächst verdächtigte, Mitglied der Kommunistischen Partei zu sein. Er unterrichtete an der Boston University. Für seine wissenschaftliche Arbeit, seine wichtigen Beiträge zur intellektuellen Bildung der amerikanischen Öffentlichkeit sowie für seinen Aktivismus wurde er vielfach ausgezeichnet.
Weitere Infos & Material
»In einem fahrenden Zug kann man nicht neutral sein«: Howard Zinn
Eine Einführung von Norbert Finzsch
Howard Zinn (24. August 1922 – 27. Januar 2010) war ein überaus produktiver amerikanischer Historiker, Dramatiker, Philosoph, sozialistischer Denker und Veteran des Zweiten Weltkriegs. Er war aber auch ein streitbarer Aktivist, der als Public Intellectual in die politischen Kämpfe seiner Zeit eingriff. Zinn wuchs in Brooklyn in einem jüdischen Arbeiterhaushalt auf. Sein Vater arbeitete während der Depression als Grabenausheber und Fensterputzer. Die Eltern betrieben eine kurze Zeit lang einen Süßwarenladen in der Nachbarschaft und kamen gerade so über die Runden. Viele Jahre lang war sein Vater Mitglied der Kellnergewerkschaft und arbeitete als Kellner bei Hochzeiten und Bar-Mitzwas.
Mit 18 Jahren wurde Zinn Schiffsschlosser und ging dann zur Luftwaffe, wo er während des Zweiten Weltkriegs Bombeneinsätze flog. Diese Erfahrungen prägten seine Ablehnung des Krieges und seinen festen Glauben an die Bedeutung von Geschichtskenntnissen.
Nachdem er mit der G.I. Bill das College besucht hatte, arbeitete er als Lagerhausarbeiter und promovierte an der Columbia University in Geschichte. Von 1956 bis 1963 unterrichtete er am Spelman College in Atlanta, Georgia, wo er in der Bürgerrechtsbewegung aktiv wurde. Nachdem er von Spelman wegen seiner Unterstützung für protestierende Student:innen entlassen worden war, wurde Zinn Professor für Politikwissenschaft an der Boston University, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1988 lehrte.
Zinn war der Autor von Dutzenden von Büchern, darunter A People's History of the United States (1980 bzw. dt. Eine Geschichte des amerikanischen Volkes, 2006), das Theaterstück Marx in Soho: A Play in History (1999), Vietnam. The Logic of Withdrawal (1967) und SNCC: The New Abolitionists (1964).
Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter etwa den Lannan Literary Award for Nonfiction, den Eugene V. Debs Award für seine schriftstellerische Tätigkeit und seinen politischen Aktivismus sowie den Ridenhour Courage Prize. Er schrieb ausführlich über die Bürgerrechtsbewegung, die Anti-Kriegsbewegung und die Geschichte der Arbeiterbewegung in den Vereinigten Staaten. Der Titel seiner Memoiren You Can't Be Neutral on a Moving Train1 (Beacon Press, 1994) wurde auch zum Titel eines Dokumentarfilms über Zinns Leben und Werk aus dem Jahr 2004. Zinn starb 2010 im Alter von 87 Jahren.
Nach der 2012 durchgeführten Online-Abstimmung des History News Network (HNN) zu urteilen, verabscheuen viele amerikanische Historiker:innen Howard Zinns Geschichte des amerikanischen Volkes.2 Mehr als 600 Historiker:innen, die an dieser merkwürdigen Abstimmung teilnahmen, erklärten Zinns radikale Geschichte zum zweitunglaubwürdigsten Geschichtsbuch, das im Druck ist. Die Kommentare der Teilnehmer:innen an der HNN-Abstimmung lassen dabei stark vermuten, dass dieses negative Urteil über Zinns Werk eine politische und ideologische Dimension hatte. Zinns »Betrachtung der amerikanischen Geschichte durch eine marxistische Linse ist eine schmerzhafte Übung in gequälter Argumentation«, beklagte ein Online-Kritiker, während ein anderer die Geschichte des amerikanischen Volkes als »absolut grässlichen Agitprop« anprangerte. Mein Doktorvater Erich Angermann, der Nestor der U.S.-Geschichte in Deutschland, verstieg sich zu folgendem Urteil: »Ein neues Geschichtsbild? Nein – eine melodramatische, auch gedanklich und sprachlich primitivisierte Negativfassung des alten.«3 Solche Kommentare veranlassten die New York Times im Juli 2012 zu der Schlussfolgerung, dass zwar »die politische Richtung des Landes bis nach den Präsidentschaftswahlen im November offen sein mag«, dass aber mit dem Verdikt der Kolleg:innen gegen Zinn »die Rechte einen vorläufigen Sieg« in der Geschichtswissenschaft errungen habe. Das Zinn-Bashing ist keineswegs ein neues Phänomen. Schon bald nach der Veröffentlichung der Geschichte des amerikanischen Volkes im Jahr 1980 empörten sich prominente Historiker, die glühende Gegner der radikalen Geschichtswissenschaft waren, wie der Harvard-Historiker Oscar Handlin, sowohl über die »idyllische« Sicht auf das Leben der Afrikaner und der amerikanischen Ureinwohner als auch über die »aufgewühlte Qualität« von Zinns Erzählung, die die traditionelle Sichtweise der aufgeklärten Europäer, die Amerika zivilisierten, über Bord warf und die Leser stattdessen glauben ließ, dass es, in Handlins Worten, »nur noch bergab ging«, nachdem »die zerstörerischen weißen Fremden kamen«. Oscar Handlin prangerte Eine Geschichte des amerikanischen Volkes als ein »gestörtes Märchen« an. Michael Kammen, Historiker der Amerikanischen Revolution an der Cornell University, bezeichnete Zinns Darstellung Amerikas als »einseitig und einfältig«, da er die USA »nicht als ein Land der Freiheit, sondern als ein Land der unerbittlichen Ausbeutung und Heuchelei« zeigte. In Anspielung auf Zinns Rolle als prominenter Anti-Kriegs- und Bürgerrechtsaktivist in den 1960er-Jahren, dessen radikale Denkweise der Text widerspiegelt, bezeichnete Joseph Conlin Zinn als »einen der größten Gurus der ›Bewegung‹ der 1960er-Jahre« und nannte das Buch »ein Museumsstück dieser Zeit, wie LSD auf einem Zuckerwürfel«.4
Es besteht kein Zweifel daran, dass Zinns Text einige sachliche Fehler enthält. So behauptete er im Zusammenhang mit der Bombardierung Dresdens 1945, der alliierte Bombenangriff habe 135.000 Menschenleben gekostet. Wie wir heute wissen, ist die Zahl von ca. 25.000 Toten realistischer.5 Andererseits war Zinns Buch der Forschung in vielen Bereichen voraus: Zinn verstand den Charakter des Kriegs von 1812 viel besser als die Kritikaster, nämlich als einen in Teilen expansionistischen Krieg, der amerikanisches Territorium auf Kosten von Kanada und Florida arrondieren sollte.6Es wäre jedoch ein Fehler, Eine Geschichte des amerikanischen Volkes vordringlich oder gar ausschließlich auf der Grundlage solcher Kritik arrivierter weißer männlicher Konsensushistoriker zu beurteilen. Historiker:innen betreiben nur selten empirische Unterrichtsforschung und scheinen oft nicht in der Lage zu sein, sich daran zu erinnern, wie Leser:innen, die neu in der Geschichte sind, die Lektüre von Einführungstexten erleben. Leser:innen, für die die Geschichte der geschilderten Streiks neu und unbekannt ist, nehmen Zinns Narrativ so wahr, wie er es beabsichtigt hatte – als aufregende Geschichte eines heroischen Kampfes. Sie werden durch den Widerstand inspiriert und nicht durch das Ergebnis demoralisiert. Hinzu kommt, dass Zinns Geschichte des amerikanischen Volkes nicht für Historiker:innen, sondern für Highschool-Schüler:innen und andere Noviz:innen geschrieben wurde, um sie in eine radikale, andere Sicht auf die amerikanische Vergangenheit einzuführen.
Die Herren Kollegen können sich nicht erklären, warum ein Buch, das als Geschichtswerk angeblich so mangelhaft war, in der Öffentlichkeit, bei Lehrer:innen und Schüler:innen so einflussreich wurde – und vielen Menschen viel Geschichte beibrachte. Tatsächlich hat Zinns Geschichte des amerikanischen Volkes mehr Bewunderer als Kritiker. Es stand in der Endauswahl für den American Book Award und gehörte damit 1981 zu den zehn besten Sachbüchern in den Vereinigten Staaten, eine fast beispiellose Ehre für ein einführendes historisches Handbuch. Nur wenige Historiker seiner Generation – und ganz sicher keine radikalen Historiker – waren erfolgreicher als Zinn, wenn es darum ging, Leser:innen jenseits der College-Tore zu erreichen. Eine Geschichte des amerikanischen Volkes hat sich mit mehr als zwei Millionen Exemplaren seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1980 erstaunlich gut verkauft. Bis 2010 stiegen die jährlichen Verkaufszahlen, was umso bemerkenswerter ist, als die Veröffentlichung dieser »von unten nach oben« gerichteten, antikapitalistischen, antirassistischen und kriegsfeindlichen Geschichte der Vereinigten Staaten mit dem Rechtsruck der USA in der Reagan-Ära zusammenfiel. Die öffentliche Wirkung des Buches war so beeindruckend, dass die Popularität von Zinns Werk nach einer weiteren Erklärung schreit. Einige Hinweise für eine solche Erklärung lassen sich aus den Papieren Howard Zinns in der Tamiment Library and Robert F. Wagner Labor Archive in New York gewinnen. Die Leserberichte über das Zinn-Manuskript auf dem Weg zur Veröffentlichung, insbesondere die Einschätzung des Architektur-Historikers an der CUNY, Robert C. Twombly, sind hier...




