Zucca Alles eine Frage der Sterne
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-641-16596-3
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman - Das Buch zur neuen Netflix-Serie „Astrologischer Leidfaden für gebrochene Herzen“
E-Book, Deutsch, 560 Seiten
ISBN: 978-3-641-16596-3
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Alice ist 36 Jahre alt und wurde nicht nur von ihrer großen Liebe verlassen, sondern ist auch drauf und dran, ihren Job zu verlieren. Als würde das nicht schon genügen, blamiert sie sich rettungslos vor Davide, dem gutaussehenden Unternehmensberater, der ihrem maroden TV-Sender wieder auf die Beine helfen soll. Erst ihre Begegnung mit Tio, einem Experten in Sachen Sterne, bringt die entscheidende Wendung: Die beiden entwickeln ein neues Sendekonzept, eine astrologische Gebrauchsanweisung für gebrochene Herzen. Das Format wird ein Riesenhit und beschert Alice auch privat großes Glück …
Silvia Zucca hat englische Literaturwissenschaften studiert und war genau wie ihre Protagonistin jahrelang bei einem kleinen TV-Sender in Mailand angestellt. Heute arbeitet sie als Autorin und Übersetzerin und widmet ihre ganze Zeit dem Schreiben. Die Rechte an ihrem Debüt „Alles eine Frage der Sterne“ haben sich noch vor Erscheinen in 16 Länder verkauft.
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Prolog
Sternzeichen auf Standby
Es gibt Tage, da spürst du es in den Knochen. Du wachst auf und weißt genau, dass alles schiefgehen wird, dass du besser im Bett bleiben, dich auf die Seite drehen und dir die Decke über den Kopf ziehen solltest.
In einem Film würde man jetzt meine Stimme aus dem Off sagen hören, dass ich keine Lust habe aufzustehen, sondern es Zeit für mein SURVIVAL-KIT unter dem Bett ist.
Dort lagern in einer Kiste neben einem Foto des Sixpacks von Hugh Jackman Marshmallows, ein Päckchen Puffmais zum Popcorn Selbermachen und diverse Spielfilme, natürlich auf VHS-Kassetten, von deren Existenz der Videothekar meines Vertrauens, vor dem ich die Cineastin mime, auf keinen Fall erfahren darf.
Denn statt der drei großen K, die in diesem Fall nicht für den Ku-Klux-Klan, sondern für Kubrick, Kiarostami und Kusturica stehen, deren Filme ich in vorderster Front in meinem Billy-Regal im Wohnzimmer stehen habe, verstecke ich unter dem Bett Streifen wie Notting Hill, Dirty Dancing, Pretty Woman und Ghost …
Ich gebe es zu: Immer wenn in meinem Leben etwas total danebengeht, dann gebe ich mir eine Überdosis Schnulzen. Nur warum müssen es ausgerechnet diese romantischen Komödien aus den 1980ern und 1990ern sein? Warum werde ich nicht erwachsen und diese Filme bleiben schwärmerische Erinnerungen an meine Kindheit, wie die Madeleines bei Marcel Proust? Ich habe keine Chance. Kaum flimmern die ersten Bilder über den Schirm, kehre ich in die geschützte und sichere Welt aus Kindertagen zurück, die mir vorgaukelt, im Leben hätte alles seine Ordnung, und auch wenn zwischenzeitlich alles schiefgeht, wartet immer ein Happy End, punktgenau bei Minute 120, gerade rechtzeitig vor dem Abspann.
Heute ist einer dieser Tage. Das ist mir klar, kaum dass mich das Schrillen des Weckers aus dem Schlaf gerissen hat. Ich bin in Versuchung, in großer sogar, dem nachzugeben, doch ganz offensichtlich haben meine Survival-Kit-Tage die Tendenz, bevorzugt montags aufzutreten, immer dann, wenn bei der Arbeit ein ultrawichtiges Meeting angesetzt ist, nur vergleichbar mit einem UNO-Gipfel.
Ich wusste schon gestern Abend, dass die volle Dröhnung Vergiss mein nicht! keine gute Idee war. Zumindest ab dem Moment, als ich mich entschloss, meine aufkommende Melancholie in einer Flasche Louis Roederer zu ertränken. Mit dem Champagner wollten wir eigentlich unser Einjähriges feiern, wozu es nicht mehr gekommen ist.
Es gibt Momente im Leben, in denen du dir mit voller Absicht wehtun willst. Einer davon war gestern Abend, und so gesehen, endete er erfolgreich: über der Kloschüssel.
Während ich die Decke zur Seite schiebe und mich in die Küche schleppe, in der Hoffnung, dass ein massiver Koffeinschub wahre Wunder wirken und mich wieder zum Leben erwecken wird, schalte ich wie in Trance das Radio ein, um die Nachrichten zu hören und mich daran zu erfreuen, dass es anderen noch schlechter geht als mir.
Schließlich raffe ich mich auf und schlurfe ins Bad. O mein Gott. Aus dem Spiegel starrt mich eine weibliche Version von Dorian Gray im Pyjama an. Mit den Augenringen ähnele ich einem Panda mit Perücke.
Carlo, ich hasse dich. Mit diesem Gefühl sammele ich die Reste meines Selbst zusammen, genau wie die Überbleibsel meiner gestrigen Fressorgie, die noch überall herumliegen.
Carlo ist mein Ex-Verlobter. Fünf gemeinsame Jahre. Fünf Jahre, sieben Monate, zwölf Tage und vier Stunden (jedenfalls ungefähr) haben wir zusammengewohnt, bis vor zwei Jahren. Sicher, in zwei Jahren kann man sich ein neues Leben aufbauen, und das habe ich auch gemacht. Oder besser, ich habe es versucht, wenn ich mir die Liste seiner Nachfolger so durch den Kopf gehen lasse (der letzte war Giorgio, von ihm stammt übrigens der Champagner). Das Problem ist, dass die anderen kamen und gingen, während Carlo geblieben ist. Auch wenn wir nicht mehr zusammen waren. Ich habe immer geglaubt, dass unsere Beziehung etwas ganz Besonderes war, mehr als die übliche Liebe, etwas Komplexeres, eine Art Seelenverwandtschaft. Wie in Harry und Sally.
Immer dann, wenn mir wieder mal einer dieser Typen das Herz gebrochen hatte, habe ich mich auf Carlos Sofa geflüchtet. Umgekehrt war es genauso, denn auch er heulte sich bei mir über seine flüchtigen Eroberungen aus. Immer in dem Bewusstsein, dass sie genau das bleiben: vergänglich.
Und jetzt das: Carlo wird heiraten. In drei Monaten. Woher ich das weiß? Durch Facebook. Diese blöde Gans von Cristina hat es auf ihrem Profil der ganzen Welt verkündet. Ich bin schwanger, Carlo und ich werden im September heiraten, an meinem Geburtstag!
Er war wahrscheinlich zu feige, um es zu posten. Na toll. Gratulation. Meine allerherzlichsten Glückwünsche. Und dazu einen Arschtritt, so gewaltig wie der Mailänder Dom. Dabei habe ich sie anfangs für eine Freundin gehalten.
Nicht, dass ich an Cristinas Stelle sein möchte. Gott bewahre! Es ist nur so, dass eigentlich ich als Erste heiraten sollte. Nicht Carlo. »Ladies first«, heißt es doch immer, oder?
Damit kommen wir zu meinem dringendsten Problem: mein Alter. Ich bin nicht mehr ganz taufrisch, die dreißig liegen schon eine Weile hinter mir. Ich möchte endlich den Richtigen kennenlernen, mich ernsthaft verlieben (und ebenfalls geliebt werden, so der Plan), eine Familie gründen. Stattdessen komme ich mir vor, als müsste ich mich für den Ball der einsamen Herzen anmelden, so trostlos ist mein Liebesleben.
»… mehrere Gewerkschaften ihre Teilnahme an dem für heute angesetzten Streik des öffentlichen Nahverkehrs bestätigt. Streikbeginn ist heute um Viertel vor neun, Streikschluss bei Fahrplanende, mit einer kurzen Unterbrechung von fünfzehn bis achtzehn Uhr …«
Ich sitze auf der Toilette, den Kopf auf den Knien, als ich aus dem Hintergrund die Stimme des Radiosprechers höre.
»Oh, verdammt!«
Die Nachricht wirkt auf meine Nerven wie eine Adrenalindusche. Das Meeting beginnt um halb zehn, und mein Auto ist noch bis Mittwoch in der Werkstatt.
Alice, komm in die Gänge! Wie konntest du das vergessen? Es ist bereits 8:04 Uhr, wenn die Uhr im Bad richtig geht. Von hier bis zur Straßenbahnhaltestelle dauert es etwa zehn Minuten, damit bleiben mir nicht einmal mehr zwanzig, um mich von Des Satans jüngster Tochter Carrie in eine Low-Budget-Version der Miss Italia zu verwandeln.
Ade Dusche, ade Glätteisen. Ade Nagellack. Den werfe ich aber in die Handtasche, wer weiß, vielleicht habe ich im Büro noch etwas Zeit, mich ein wenig aufzuhübschen. Ich schalte den Turbo ein und greife zu einem meiner Standardoutfits, um nicht auch noch über Klamotten nachdenken zu müssen.
Schneller als eine Einhundertmeterläuferin sprinte ich durch die Wohnung, stehe nach exakt zehn Minuten auf der Straße und verfluche mein chronisches Chaos, weswegen ich von vornherein darauf verzichtet habe, nach einem Schirm zu suchen.
Im sintflutartigen Regen rase ich zur Haltestelle, wo ich auf einige schlecht gelaunte Fahrgäste treffe, die dicht gedrängt auf die Ankunft der Linie 4 warten.
Es ist 8:16 Uhr, und die Vermutung macht die Runde, dass die letzte noch fahrende Bahn es nicht rechtzeitig bis zum Anschlusszug schaffen wird. Ich rechne in Gedanken nach. Von hier bis zum Bahnhof dauert es zu Fuß eine Viertelstunde … Schon überquere ich mit eiligen Schritten die Straße und versuche mich nicht darüber aufzuregen, dass mir der Regen in den Jackenkragen läuft und meine Frisur endgültig ruiniert.
»Was für ein Scheißtag! So ein Scheißtag!«, fluche ich in Endlosschleife.
An einer roten Fußgängerampel ernte ich einen missbilligenden Blick von einer rüstigen Achtzigjährigen, die mit ihrem Einkaufsroller neben mir steht. »Wissen Sie nicht, dass Schimpfwörter nicht in den Mund einer Dame gehören, mein Fräulein? Wie wollen Sie denn so einen Ehemann finden?«
Mir liegt eine patzige Antwort auf der Zunge, aber ich konzentriere mich auf die Ampel, und als sie auf Grün springt, spare ich mir den Atem und renne weiter.
Während meine bunt geringelte Strumpfhose allmählich bis zu den Knien feucht wird, denke ich mit Bedauern an mein Survival-Kit, besonders an Ghost. Da ist wenigstens klar, dass Patrick Swayze am Ende nicht noch mal seine Meinung ändert, Demi Moore verlässt und eine andere schwängert.
»Meine Damen und Herren, es tut mir leid, aber der letzte Zug ist schon durch«, sagt der Bahnbedienstete, der gerade das Rolltor schließt.
Das kann doch nicht wahr sein. Ein Albtraum. Womit habe ich das nur verdient? Was habe ich in meinem letzten Leben Schreckliches getan? Habe ich etwa kleine Kinder auf dem Oktoberfest frittiert oder wertvolle Gemälde zerstückelt? Oder dem durchgeknallten Produzenten von Highlander II eins übergezogen?
Ich klammere mich an den letzten Strohhalm und suche im Adressbuch meines Handys nach der Nummer der Taxizentrale. Nach einer weiteren Viertelstunde im strömenden Regen naht mein rettender Engel: Wapiti 28 47.
»Guten Tag«, begrüße ich den Taxifahrer ohne allzu große Überzeugung.
Der braungebrannte Typ, der glatt als Double von Crocodile Dundee durchgehen könnte, mustert mich einen Moment und zeigt dann auf die zusammengefaltete Tageszeitung auf dem Rücksitz. »Gnädige Frau, könnten Sie sich bitte auf die Zeitung setzen? Sonst machen Sie mir das Polster nass.«
Sicher. Klar....