Zymny Henry Frottey - Sein erster Fall: Teil 2 - Das Ende der Trilogie: Ein Roman in Schwarzweiß
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-95461-023-5
Verlag: Lektora GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 43, 404 Seiten
Reihe: Prosa bei Lektora
ISBN: 978-3-95461-023-5
Verlag: Lektora GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der gebürtige Wuppertaler Jan Philipp Zymny (Jahrgang 93, Spätlese, Südhang) ist seit März 2010 erfolgreicher Poetry Slammer und Autor. 2012 veröffentlichte er nicht nur sein erstes Buch unter dem Titel 'Hin und zurück - nur bergauf!', sondern errang auch bei den Deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry Slam den Vizetitel. Bereits ein Jahr später erreichte er dort den ersten Platz und wurde mit dem NightWash Talent Award in einem Waschsalon ausgezeichnet. Zymny verdingt sich als Löwenbändiger, Gehirnchirurg für sehr kleine Außerirdische und als Versuchsperson, um einen echten Robocop zu erschaffen. Sein größter Erfolg bleibt, so sagt er selbst, die Einladung zum RTL Comedy Grand Prix abgelehnt zu haben ... zweimal!
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 1: Mord in the Jugendherberge
Da war er nun – der berühmte Privatdetektiv Henry Frottey erwachte in dieser altehrwürdigen Jugendherberge – und fühlte sich erst mal doof.
Seine Gedanken rasten immer noch nach den Ereignissen der letzten Tage. Ob er wohl lieber von einem Dutzend entengroßer Pferde oder von einer pferdegroßen Ente niedergetrampelt werden wollen würde? Leider kam er zu keinem befriedigenden Ergebnis und musterte missmutig sein Zimmer.
Anscheinend war alles zu seiner vollsten Zufriedenheit hergerichtet worden, sogar die dreihundert Ü-Eier und die eine Million Snickers hatte man ihm in die Minibar gelegt, genau wie er es angeordnet hatte. Henry dachte nicht daran, auch nur eine der Süßigkeiten tatsächlich zu essen. Nein, er wollte sie nur in seiner Nähe wissen, falls er plötzlich die Schlacht der Spartaner gegen die Perser bei den Thermopylen nachspielen wollte. Das Wiederaufführen historischer Schlachten mit Süßkram gehörte zu seinen liebsten Hobbys. Nur dafür hatte er überhaupt Urlaub genommen …
Doch halt! Was war das?! War das etwa ein Mord?! – Nein, „das“ war nur eine Visitenkarte, die auf seinem Hochbett lag. Darauf stand:
Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Der Privatdetektiv ärgerte sich, dass sein Name wie Handtücher klang.
Zornig blickte er aus dem Fenster, um sich abzulenken. Auf der Straße fuhr ein Käfer vorbei und Henry wunderte sich, denn so was sah man heute nicht mehr häufig. Der Käfer steuerte einen grauen Citroën 2CV, im Volksmund auch als „Ente“ bekannt, über die Fahrbahn.
Hm, dachte der Privatdetektiv und wollte gerade diese aufmüpfige Visitenkarte zerknüllen, da hörte er einen Schrei. Einen Schrei, wie ihn ein Mädchen mit dem Vornamen Sändi ausstieß, das sich gerade im Gemeinschaftsbad die Zähne putzen wollte, dann aber überraschend von einer 1,86 Meter großen, dreiundsiebzig Kilogramm schweren Person mit schwarzgefärbten Haaren mit einem Nagelknipser das Rückgrat durchgeknipst bekam.
Henry konnte über neuntausend verschiedene Mordszenarien am Geräusch unterscheiden, quasi jedes Instrument aus der Symphonie des Todes heraushören.
Kurz überlegte Henry, ob er der Person helfen sollte, die da geschrien hatte. Er legte sich wieder auf sein Hochbett, um schärfer nachdenken zu können und eventuell schon mal Kräfte zu sammeln für eine gezielte kriminalistische Aktion wie eine Verhaftung, eine Verfolgungsjagd oder eine Untersuchung des Tatorts. Kurz darauf war er eingeschlafen. Jemandem, der so einen Schrei ausstieß, war auch nicht mehr zu helfen, da brachte es gar nichts, wenn er jetzt rumstresste.
Als er wieder erwachte, fühlte er sich ganz kribbelig. Er hatte auf seinem Arm gelegen, daraufhin war erst dieser eingeschlafen und dann sein restlicher Körper. Außerdem hatte er geträumt, dass er auf dem Gasometer in Oberhausen stand und auf einem irrwitzig kleinen Dudelsack „Pokerface“ von Lady Gaga spielte. Dann hatte es angefangen, Batterien und Döner zu regnen, worauf Henry die Hose runterließ, im Kreis pinkelte und rief: „Tsk! Tsk! Tsk! Ich bin ein Rasensprenger!“
Henry träumte immer einen Kack, das war unglaublich. Ob das wohl damit zusammenhing, dass er als Kind so häufig Bronchitis gehabt hatte? Damals hatte er oft mit einem Handtuch über einer dampfenden Schüssel gehangen und inhaliert. Er konnte sich allerdings nicht dafür verbürgen, was seine Mutter ihm sonst noch hineingemischt hatte. Die war nämlich ein komischer Vogel. In Wahrheit war seine Mutter ein weiblicher Albatros – eine Albatrine –, aber das tut jetzt nichts zur Sache, dachte der Detektiv.
Er sah auf die Uhr. Mist, gleich neun! Er musste sich beeilen, wenn er rechtzeitig im Speisesaal ankommen wollte. Sein Rhythmus durfte nicht gestört werden. Henry aß nämlich stündlich, ganz egal was, damit, wenn jemand ertrank, er sagen konnte, dass er noch nicht wieder ins Wasser dürfe. Immerhin war er Privatdetektiv und nicht David Hasselhoff.
Hastig verließ er sein Zimmer. Vor dem Klo auf dem Flur hatte sich eine Traube aus Gästen der Jugendherberge gebildet. Sie schmeckte vorzüglich. Die Leute starrten in den Waschraum, in dem eine Frauenleiche lag. Jemand rief: „Ist ein Arzt anwesend?“
„Ja!“, kam es aus der Menge.
„Gott sei dank“, sagte der Erste, holte ein Klemmbrett hervor, machte einen Haken darauf und fragte: „Ist ein Maurer anwesend?“
„Hier! Hier! Hier! Ich! Aber ich bin auch Rennfahrer“, meldete sich ein Mann. Er hatte keine Arme und Beine. Wie meldete der sich dann eigentlich?
Henry verfolgte im Hintergrund, wie die Anwesenheit einiger Berufsgruppen geprüft wurde. Auch selbstständige Landschaftsarchitekten, Raketenwissenschaftler und Hausmeister waren ordnungsgemäß vertreten. Wie hypnotisiert starrte er auf die Blutlache, die sich wie der Phlegethon über den grau gekachelten Grund des Gemeinschaftsbades ergoss.
Das arme, arme Mädchen. Da muss jemand gerechtigkeitsfördernd aktiv werden – oh, es wird Zeit zu essen, dachte Henry und wollte sich unauffällig aus der Gruppe entfernen. Jedoch erkannte ihn ein x-beliebiger Mitbürger: „Entschuldigung, sind Sie nicht der berühmte Privatdetektiv Henry Frottey?“
„Pfff … ungern“, sagte Henry und ärgerte sich, dass sein Name wie Bademantel klang.
Vollkommen unbemerkt schlich er weiter, bis er den Frühstücksraum erreicht hatte. Am Tisch gegenüber lästerten zwei Frauen über ihn, aber es war okay, denn sie benutzten die Gebärdensprache und Henry verstand nicht. Trotzdem regte er sich auf! Er schrie durch den Raum: „Wer gebärt, der lügt!“, dann fiel ihm jedoch ein, dass sie ihn ja gar nicht hören konnten. Wütend bewarf er sie mit Islam und – zack! – Burkas. Die Frauen waren nun verhüllt und konnten nicht mehr verstehen, was sie sich deuteten. Es ist, als würden zwei schwarze Gespenster einen komplizierten Ghettohandschlag aufführen, dachte der Detektiv und machte sich auf zur Bushaltestelle vor dem Haus. Warum, blieb auch ungeklärt.
Lange Zeit stand er da, ohne dass ein Bus sich näherte. Gerade, als der Privatdetektiv ausrasten wollte, ging eine sehr, sehr hässliche Frau vorbei und Henry dachte: Hoffentlich … macht die das nicht noch mal.
Sie ließ es. Erleichtert atmete der Privatdetektiv auf. Plötzlich schoss ein Wagen mit verdunkelten Scheiben um die Ecke und hielt mit quietschenden Reifen vor ihm. Die Beifahrertüre flog auf und der Fahrer, ein Mann in Anzug, Hut und Sonnenbrille, rief Henry zu: „Steigen Sie ein! Keine Zeit für Erklärungen!“
Die Nackenhaare des erfahrenen Ermittlers stellten sich wie elektrisiert auf. Lange Zeit hatte er auf diesen Moment gewartet und viele Jahre mit der Vorbereitung verbracht. Nun wusste er, was zu tun war und reagierte sofort. Er brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um die Situation richtig einzuschätzen und dementsprechend weiter zu verfahren. Zögern war weder angebracht noch erforderlich. Wenn sich einem eine derart einmalige Chance bot, musste man sie unverzüglich ergreifen. Man durfte nicht zaudern, nicht lamentieren und keine Unsicherheit zeigen, sondern musste im selben Augenblick handeln; quasi keine Sekunde ungenutzt verstreichen lassen. Welchen Sinn hätte es gehabt, zu verzögern oder gar Zeit zu schinden? Viele Anfänger brauchten einfach zu lange, weil sie sich in unnötigen Eitelkeiten ergingen, wie unauffällig nach links und rechts zu schauen oder den Mantelkragen hochzustellen. Aber er nicht. Nicht Henry Frottey! Er war Profi, darum handelte er auch unfassbar schnell. So schnell, dass es einem unerfahrenen Beobachter vorkommen mochte, als habe der Privatdetektiv überhaupt keine Reaktionszeit. Aktion – Reaktion. Der Impuls machte gar nicht erst den Umweg über sein Gehirn, sondern äußerte sich direkt in einem Wort:
„Nein!“, brüllte Henry und knallte die Wagentüre zu, genau so, wie es seine Mutter ihm damals beigebracht hatte. Nur Anfänger stiegen zu fremden Männern in Autos mit verdunkelten Scheiben. Henry lebte nach drei einfachen Regeln: 1. Niemals zu einem Fremden ins Auto steigen. 2. Alle Angestellten müssen sich die Hände waschen. Und die 3. Regel … fiel ihm gerade nicht ein, aber sie war wohl mit Abstand die wichtigste, dessen war er sich absolut sicher.
In dem Moment offenbarte die geschulte Beobachtungsgabe des Detektivs ihm eine Frau im roten Cocktailkleid. Ein rotes Kleid? Das verwunderte ihn.1
Die Frau war aber sehr dick. Tatsächlich trug sie das Cocktailkleid nur am linken kleinen Finger. Henry stieg in die Dicke ein.2
Er hatte sie mit dem Bus verwechselt.3
Das tat...




