E-Book, Deutsch, 139 Seiten
Brandstetter / Dobler / Ittstein Mensch und Künstliche Intelligenz
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7398-0132-2
Verlag: UVK Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Herausforderungen für Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft
E-Book, Deutsch, 139 Seiten
ISBN: 978-3-7398-0132-2
Verlag: UVK Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nicole Brandstetter hat Anglistik und Romanistik an der Universität Regensburg und der Université de la Bretagne Occidentale in Brest studiert. Während ihrer Promotion beschäftigte sie sich in einem interdisziplinären Graduiertenkolleg mit Formen der Ästhetischen Lüge. Anschließend betreute sie als PR-Beraterin Projekte und Kunden aus verschiedenen Bereichen und arbeitete viele Jahre an einer privaten Bildungsinstitution. Dort war sie als Mitglied der Leitungsebene für Organisations- und Unterrichtsentwicklung, Personalfragen sowie Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. Im September 2015 erhielt sie den Ruf an die Hochschule für angewandte Wissenschaften München. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Narrative in der digitalen Gesellschaft, Authentizitäts- und Inauthentizitätsdiskurse in der Literatur sowie Lehr-Lernforschung. Josephine D'Ippolito ist Doktorandin an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg mit dem Thema 'Anthropomorphisierung und Geschlechtsrollenzuweisung Künstlicher Intelligenzen in der Science Fiction'. Ihr Anglistikstudium beendete sie 2018 mit einem Master of Arts an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg mit dem Thema 'Gendering and Anthropomorphising Robots in Exemplary Fiction and Film'. Ihren Bachelor of Arts erhielt sie 2012 zu dem Thema 'Simulation and Surveillance in Disney's Theme Parks'. Von 2011 bis 2018 arbeitete sie als wissenschaftliche Hilfskraft der Institutsleitung für das Frauhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF Magdeburg. Seit 2018 ist sie zudem als kommunale Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Schöningen tätig. Ralph-Miklas Dobler hat Kunstgeschichte, klassische Archäologie und Religionswissenschaften in Tübingen, Venedig und Berlin studiert. Seine Promotion an der FU Berlin untersuchte aus einer sozialgeschichtlichen Perspektive kirchliche Stiftungstätigkeit und Memoria im nachtridentinischen Rom. Die Habilitationsschrift an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn befasste sich in grundlegender Weise mit der fotografischen Inszenierung von Staatsbesuchen in europäischen Diktaturen. Nach langjähriger Praxis als Wissenschaftler bei der Max-Planck-Gesellschaft sowie Lehrtätigkeit an den Universitäten Tübingen, Dresden, Freiburg und Bonn erfolgte 2016 der Ruf auf die Professur für Kunst- und Medienwissenschaften an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München. Forschungsschwerpunkte: Visueller Diskurs, Digitale Medien, Kulturelles Erbe und Erinnerung. Philip Hauser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Medienwissenschaft an der Universität Konstanz. Er studierte Medien-, Literatur- und Kunstwissenschaft sowie Deutsche Literatur und Philosophie. In seiner Forschung setzt er sich mit sich verändernden Denkweisen unter den Bedingungen von KI auseinander. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen darüber hinaus störenden Spielweisen in und mit Computerspielen, Fehlerökologien und künstlerische Forschungsweisen. Martin Hennig ist Medienkulturwissenschaftler an der Universität Passau. 2016 promovierte er mit der Arbeit Spielräume als Weltentwürfe. Kultursemiotik des Videospiels (Marburg: Schüren 2017). Seit 2016 ist er Postdoc am DFG-Graduiertenkolleg 1681/2 'Privatheit und Digitalisierung' und vertrat 2019-2020 den Lehrstuhl für Medienkulturwissenschaft (Schwerpunkt: Digitale Kulturen) in Passau. Aktueller Forschungsschwerpunkt: Narrative der Digitalisierung (KI, Simulationen, Überwachung) in fiktionalen und faktualen Mediendiskursen. Arbeitsbereiche: Digitale Kulturen, Narratologie, transmediales und serielles Erzählen, Medien- und Kultursemiotik, mediale Entwürfe von Gender und kultureller Identität, Raum- und Subjekttheorie. Daniel Jan Ittstein is
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
2Künstliche Intelligenzen im Film
2.1Einführung
Maschinenmenschen und Künstliche Intelligenzen (KI) zählen seit Fritz Langs (1927) als visionäres Element berühmter Blockbuster. Die Fiktion vermag es dabei Zukunftsvorstellungen, Hoffnungen und Ängste narrativ zu verarbeiten und dadurch ein Bild zu generieren, wie die Welt später aussehen könnte. Dabei hat die Technik in den Science-Fiction-Filmen kaum etwas mit der realen Arbeit von KI-Forschern zu tun. Die Fiktion ermöglicht es jedoch, die allgemeine Wahrnehmung technischer Errungenschaften aufzugreifen, in die Zukunft zu projizieren und ihrer gegenwärtigen "Unmöglichkeit" zu berauben. Der Einfluss der Science-Fiction auf die Realität ist dabei nicht zu unterschätzen. Science-Fiction-Filme dienen oftmals als Initialzündung für die Forschung, seien es Tablets oder Smartphones, die bspw. in schon seit den 1960er Jahren auf der Kinoleinwand zu sehen sind. So wurde 2017, in Anlehnung an den Film RoboCop aus dem Jahr 1987, der weltweit erste Robocop in Dubai vorgestellt, welcher die Polizeikräfte unterstützen soll (vgl. Deulgaonkar, 2017). Zudem zeigen die Ergebnisse einer deutschlandweiten Umfrage der Gesellschaft für Informatik e. V. (GI) zum Thema KI, dass der Großteil der Befragten bekannte Roboter aus Science-Fiction-Filmen mit Künstlichen Intelligenzen assoziiert (vgl. Gesellschaft für Informatik, 2019). Die meisten Teilnehmer*innen nannten R2D2 und den Terminator, wenn sie sich Maschinen mit KI vorstellen sollten. Dieses Ergebnis verdeutlicht die Notwendigkeit der näheren Betrachtung von KI im Film, da beide in vielen Köpfen unmittelbar miteinander verknüpft sind. Zudem bedienen sich Science-Fiction-Filme oftmals irrationaler Ängste vor der menschlichen Unterlegenheit gegenüber der KI. So imaginiert die Science-Fiction etwa ein posthumanistisches Zeitalter, in dem Menschen nicht mehr die Vormachtstellung über alles Leben innehaben. Dies sind jedoch lediglich Zerrbilder der Realität, so wird Künstliche Intelligenz immer wieder mystifiziert.
In dem folgenden Kapitel wird anhand verschiedener Filmbeispiele diskursiv das Verhältnis und der Einfluss von Filmen auf die Mensch-Maschine-Kooperation diskutiert, indem die Fragen gestellt werden, Wer? Wen? Wozu? baut.
2.2Ausgewählte Filmbeispiele zu KI im Film
Die Utopie der Erschaffung eines künstlichen Menschen hat ihren literarischen Ursprung bereits zu Zeiten der griechischen Antike. Ihre mythischen Anfänge zeigen sich in Publius Ovidius Nasos (Ovid) Darstellungen des Prometheus und des Pygmalion, in der medizinisch-okkulten Beschreibung des Homunculus durch Theophrastus Bombast von Hohenheim (Paracelsus), gehen über die radikal aufklärerischen Thesen des Julien Offray de La Mettrie (1747) in zu romantisch-fantastischen Erzählungen, wie Mary Shelleys (1818), bis hin zu modernen Science-Fiction-Filmen wie bspw. (2019). Die Fiktion bildet somit die Möglichkeit des Menschen sich selbst zu erweitern. Der Film als expressives Medium vermag es dabei das Motiv visuell zu reproduzieren und ein Gefühl von Authentizität zu suggerieren. Nachfolgend wird die Darstellung ausgewählter Androiden und deren Beziehung zum Menschen, dementsprechend ausführlicher betrachtet. Die ausgewählten Beispiele zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen großen Einfluss auf die Populärkultur hatten bzw. immer noch haben, das Bild von KI maßgeblich geprägt haben oder gar in der Debatte über die Mensch-Maschine-Kooperation neue Perspektiven eröffneten.
2.2.1Maschinen-Mensch in Fritz Langs (1927)
Der expressionistische Film Films ist ein berühmter Klassiker aufgrund seiner weltweit erstmaligen Darstellung von KI in der körpergebundenen Form einer intelligenten Androidin namens Maschinen-Mensch. Das revolutionäre Produktionsdesign im Stil des Art-Deco sollte später wegweisend für berühmte Science-Fiction-Produktionen, wie bspw. sein (vgl. Seabrook 1999). Die Figur Maschinen-Mensch hat einen anthropomorphisierten Körper, welcher gänzlich aus poliertem Metall besteht und mit klaren Linien und Ornamenten verziert ist. Der Maschinencharakter ist dabei deutlich zu erkennen, sodass sie optisch zunächst leicht von den Menschen unterschieden werden kann. Die Alterität der KI wird von Lang durch ihr Aussehen pointiert. Sie steht zu Beginn in starken Kontrast zu den Menschen, die sie geschaffen haben. Hinsichtlich der Fragestellungen Wer? Wen? Wozu? baut, lässt sich zusammenfassen, dass der männliche Wissenschaftler Rotwang sich die Androidin nach dem Abbild seiner verflossenen und verstorbenen großen Liebe Hel baute. Er konnte die einseitige Liebe, den Tod und den damit verbundenen Verlust Hels nicht akzeptieren und erschuf sich eigenmächtig eine künstliche Version von ihr. In der ist eben dieser Ablauf in seiner Essenz zusammengefasst: Ein Mann trifft eine Frau, er verliert sie und sieht als einzigen Ausweg aus seinem Unglück die Schöpfung einer künstlichen Frau. Hinzukommt, dass Rotwang seinen Maschinen-Menschen, im Gegensatz zu der menschlichen Hel, unweigerlich an sich binden kann. Der Wissenschaftler bezeichnet die Androidin zwar als Menschen der Zukunft, dennoch gleicht sie einer Sklavin ohne eigenen Willen oder gar Identität. Maschinen-Mensch kann zwar autonom agieren, ist aber den menschlichen – insbesondere Rotwangs – Gesetzen unterworfen. Eine Illusion der vermeintlich perfekten heteronormativen Beziehung des Mannes und seiner (künstlichen) untergebenen Partnerin. Ein „simulacrum of perfect lover and perfect wife – whose representation serves to maintain this absence“ (Hollinger 127).
Die Androidin tritt im Verlauf des Films noch in einer weiteren Erscheinungsform auf. Während der Transformationsszene nimmt Maschinen-Mensch das Aussehen der weiblichen Protagonistin Maria an. Der metallische Körper ist nun mit Haut und Haaren überzogen und ist nicht mehr von den Menschen zu unterscheiden. Die einzigen Unterscheidungsmerkmale sind das betont geschminkte Gesicht und die lasziven Bewegungen der künstlichen Maria. Als soll sie die Bevölkerung verführen und gegen seinen Erzfeind und Herrscher über Metropolis Freder aufbringen. Als falsche Maria hetzt sie die Massen nach Rotwangs Anweisungen auf, emanzipiert sich schlussendlich aber von ihrem Schöpfer, wodurch sie außer Kontrolle gerät. Die Subjektwerdung der Maschine resultiert in der Katastrophe, durch die fast alle Einwohner*innen von Metropolis vernichtet werden. Diese negative Darstellung von Maschinen-Mensch bekräftigt die Auffassung der Nachkriegszeit, Technik sei der Untergang der Menschheit, welche in Literatur und Film aus jener Epoche fast ausschließlich vorzufinden ist und das Verhältnis zu Maschinen viele Jahre maßgeblich prägte.
2.2.2Die Stepford-Frauen in Forbes (1975) und Ozs (2004)
ist der Titel eines 1972 erschienen satirischen Romans des amerikanischen Schriftstellers Ira Levin. In den Filmadaptionen von 1975 und 2004 folgt die Geschichte größtenteils der literarischen Vorlage. In der Geschichte werden die Frauen der eponymen Stadt Stepford von ihren Ehemännern durch Roboterkopien ersetzt. Die Hybris der Männer resultiert letztlich in dem Austausch der Frauen durch die Personifikation des konservativen Frauenideals in Form einer Maschine. Im Gegensatz zu sind die Roboter in jedoch kaum mehr als solche zu erkennen. Die künstlichen Maschinenfrauen sind äußerlich nicht vom Menschen zu unterscheiden. Diese Darstellung der Androidinnen ist ein entscheidender Faktor für den filmischen Effekt. Das Doppelgängermotiv wird häufig in Literatur und Film verwendet und geht meist mit der Angst um Identitätsverlust einher. Die Protagonistin Joanna erkennt das Muster, welche Funktion und Bedeutung die Frauen in Stepford haben und wie sich ihre Interessen verschieben, wenn sie durch eine künstliche Doppelgängerin ausgetauscht werden. Joanna offenbart in der Filmadaption von 2004 ihre Furcht einer Psychiaterin mit den passenden Worten: „There will be somebody with my name. She'll cook and clean like crazy, but she won't take pictures and she won't be me. […] She will be like one of those robots in Disneyland“ (01:31:17). Die autonomen Androidinnen...