Conrad | Die vielen Leben der Paula Fox | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 345 Seiten

Conrad Die vielen Leben der Paula Fox


1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-406-61260-2
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 345 Seiten

ISBN: 978-3-406-61260-2
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Alles begann mit einem eher erfolglosen Künstlerpaar, das sein Kind kurz nach der Geburt weggab: Für Paula Fox war 1923 ein Findelhaus in Manhattan die erste Station einer dramatischen Lebensreise, die sie in den folgenden zwanzig Jahren zu wechselnden Orten und Ersatzeltern einmal quer durch Amerika führen sollte. Viel später entstand aus dem verstörenden Abenteuer dieser Jahre ein schriftstellerisches Werk, dem niemand Geringerer zur Wiederentdeckung und zum internationalen Durchbruch verhalf als Jonathan Franzen. Bernadette Conrad, Autorin und Literaturkritikerin, die sich mit Paula Fox und ihrem Werk intensiv beschäftigt hat, geht mit Jonathan Franzen auf Cape Cod spazieren, sie trifft Paula Fox' Tochter in Oregon und sucht in New Orleans nach Schauplätzen des Romans «Der Gott der Alpträume». In San Francisco besucht sie das Krankenhaus, in dem Paula Fox zwanzigjährig ihr erstes Kind bekam - und zur Adoption freigab. Vor allem aber sitzt sie immer wieder mit Paula Fox am Tisch ihres Brooklyner Hauses und forscht einem Leben nach, das selbst wie ein Roman ist. Einmal quer durch Amerika und bis nach Europa hat sich die Autorin auf die Spur eines Lebens und Werks begeben, das auf unvergleichliche Weise nicht nur von einer persönlichen Geschichte Zeugnis ablegt, sondern vom Leben in Amerika im 20.Jahrhundert.

Bernadette Conrad, 1963 geboren, studierte Literaturwissenschaft und Sozialpädagogik. Seit fünfzehn Jahren als Literaturkritikerin und freie Journalistin tätig, schreibt sie, vor allem aus dem englischsprachigen Raum, literarische Porträts und Reportagen für DIE ZEIT, Die Neue Zürcher Zeitung und Die Welt. Eine Sammlung dieser Reportagen ist 2006 unter dem Titel «Nomaden im Herzen» erschienen. Sie lebt mit ihrer Tochter in Konstanz.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;3
3;Impressum;4
4;Widmung;5
5;Inhalt;7
6;Das ganze fließende Leben;9
7;Alles nur geliehen;19
8;In der Ferne Lady Liberty;20
9;Wo sonst die Geschichten beginnen;26
10;Die Scham der Findelkinder;30
11;Diese Liebe zum Ozean habe ich von meinem Vater;36
12;Von Kriegen hierhin und dorthin geführt;42
13;There was Gala in the Air;45
14;Wie Vater und Mutter zugleich;51
15;Schauen Sie, wie er mich hält! Dabei gibt es in Provincetown gar keine Wellen;65
16;Die scharfe Klinge des Lebens;75
17;Wie niemandes Kind;89
18;California Dreaming;105
19;Dieser Zauber der Fremdheit;117
20;Ich war so leicht zu belügen damals. Nach einer Weile bin ich entkommen;134
21;Was ist hinter den Sternen?;152
22;Ich dachte, ich könnte ihn öffnen;166
23;Die Dämonen sind niemals so schlimm, wie du glaubst;176
24;Sie hatte so einen Glanz um sich;191
25;These glorious days;198
26;So viele Sachen!;210
27;Alle wilden Katzen von Brooklyn;224
28;Gefährliche Reisende;237
29;Ich schreibe für das vernachlässigte Kind in mir selbst;245
30;Die wirklichen Zusammenhänge sind anderswo;255
31;Con amore per Paula;269
32;Wir erkannten uns sofort;279
33;Verrückt! Sie war zwei Wochen in den Top Ten;296
34;Leben und Tod und Leben;306
35;Ich verstehe nicht, aber ich sehe;315
36;Ihre Beziehung ist wie das Haus, in dem sie leben;326
37;Die Spuren des Windes;331
38;Anhang;333
38.1;Anmerkungen;334
38.2;Bildnachweis;337
38.3;Werkverzeichnis Paula Fox;338
38.4;Zeittafel;340
38.5;Danksagung;344
39;Zum Buch;345



Sie stand an der Spüle und füllte die zweite Vase mit Wasser. Ich fragte: «Wie geht es Ihnen?» Und sie sagte: «Well – there are more endings than beginnings now.» Mehr Dinge, die zu Ende gehen als Dinge, die anfangen.

Ich hatte angerufen, ob ich zum Tee vorbeikommen könne. Wir kannten einander seit drei Jahren, schrieben uns ab und zu. Jetzt saß ich wieder in der Brooklyner Küche, die Katze Lucy sprang auf den Stuhl, Paula Fox hatte die Blumen in eine Vase gestellt, nur um ein paar Minuten später wieder aufzuspringen, eine doppelt so große Vase zu holen und die Blumen umzuräumen: «So, jetzt kriege ich besser Luft!» Ein breites Lachen: «Wie schön, dass Sie da sind!»

More endings than beginnings. Das wurde dann der Anfang dieses Buches. Wann, wenn nicht jetzt, dachte ich: anfangen mit Einsammeln. Momente einfangen. Sätze notieren. Von einem Menschen, in dessen literarisches Werk eine unerhörte Lebensgeschichte eingenäht ist. Das war 2008. Paula Fox war 85 Jahre alt.

*

Wo fängt eine Geschichte an? Welches Bild gehört zuerst erzählt? Wohin greift man, wenn man «Anfang» sagt?

Wirklich angefangen hatte meine Geschichte mit Paula Fox sieben Jahre vorher.

Dorthin ziehen Paula Fox’ Geschichten: an Orte unter die Oberfläche der Dinge. Vielleicht passierte etwas Ähnliches mit mir, wie es mit Helen passierte, der jungen Heldin in Paula Fox’ letztem Roman «Der Gott der Alpträume», als sie im Haus eines jungen Schriftstellerpaares zur Untermiete wohnte:

Helen, die kurz zuvor erstmalig ihre Mutter und ihr Zuhause im Norden verlassen hat, sieht sich in New Orleans eingeführt in Räume, innerhalb derer für sie erstmalig etwas wie «eigenes Leben» spürbar wird. Oder wie es das Wort «Initiation» sagt: Alles Mögliche passiert «zum ersten Mal».

Helen wird die, die sie liebt, verlieren, auf die eine oder andere Weise. Durch Tod, Trennung, Verrat – Begriffe, die in dem Moment, als sie sich für sie erst zu bilden scheinen, doch schon älteres Erfahrungsmaterial mit sich führen; Tod, Trennung, Verrat und Liebe –, die sie schon erlebt hatte, bevor sie nach New Orleans gekommen war. Es passiert eben nicht alles zum ersten Mal – auch wenn Helen das gern hätte: dass ihr Leben überhaupt erst in New Orleans beginnt; dass der gerade entdeckte neue Ton radikalen Liebenkönnens der Grundton ihres Lebens sein und bleiben wird. «… Das sagt Nina, Helens Freundin, die gleichaltrig ist und wissender als Helen; ein Satz als Vorgriff auf Verluste aller Art, auf Geschichten, die sie «herausschneiden» werden aus dem Leben.

*

Ich erfuhr, dass Paula Fox selbst heftig von der gezeichnet worden war: Ihre Eltern hatten sie kurz nach der Geburt verlassen. Wie ein Mädchen im Märchen – abgegeben, ausgesetzt der Willkür eines Schicksals, für das sie sich weigerten, Verantwortung zu übernehmen.

Dass die so früh erfahrene «scharfe Klinge des Lebens» etwas zu tun haben musste mit der scharfen Klinge, mit der diese Autorin ihr Material Sprache bearbeitete, daran bestand für mich kein Zweifel.

Zusammenhänge, die natürlich so kompliziert sein würden wie ein ganzes Leben. Nicht simpel, keinesfalls einfach zu erfassen. Und wie konnte es überhaupt sein, dass ein Mensch, der so früh von seinen Wurzeln abgeschnitten, «herausgeschnitten», wird aus dem, was der Zusammenhang seines Lebens hätte werden können – dass so ein Mensch schreibend, erzählend auf außergewöhnliche Weise verbindend und zusammenhangstiftend werden konnte?

Denn dass Paula Fox’ Bücher das vermögen, fand nicht nur ich. Die schockhafte Kraft, mit der ihre Texte sich ins eigene Leben einschreiben können, hatte zehn Jahre zuvor Jonathan Franzen erlebt. Im berühmt gewordenen «Harper’s Essay» erzählt er eindrücklich davon: wie er, der junge arrivierte Romanautor und Intellektuelle, in einer Krise seines Lebens zufällig an den mehr als zwanzig Jahre alten, längst vergriffenen Roman «Was am Ende bleibt» der ihm unbekannten Paula Fox gerät und wie dieser ihn durch das Gesellschaftspanorama einer anderen Zeit hindurch im Hier und Jetzt seines aktuellen Lebens 1991 erfasst: «[1] Franzen wird das Buch wieder und wieder lesen; er wird über seine immer neuen Lektüren im Vorwort einer Neuauflage des Romans berichten und er wird nicht zögern, ihm über sein persönliches Leseerlebnis hinaus eine Bewertung zukommen zu lassen: «Desperate Characters» schiene ihm [2]

Durch das Engagement von Franzen und, später, durch das des jungen Verlegers Tom Bissell, folgt nicht nur die Neuauflage aller Romane, folgen hymnische Artikel in allen großen amerikanischen Zeitungen, folgen Preise, folgen schließlich vielfache Übersetzungen und eine internationale Aufmerksamkeit für die Autorin – und so hatte dann auch ich Paula Fox auf dem deutschen Buchmarkt finden können.

Zusammenhänge überall. Auch darüber hat Paula Fox geschrieben: , heißt es an einer Stelle im Roman «Lauras Schweigen», an der über die Sinnlosigkeit des Festhaltens am Prinzip Familie reflektiert wird – im Falle einer Familie, die nie eine war:

Ich war infiziert; auf die Spur gesetzt.

Nach Jahren der Lektüre, verstreuter Artikel über die Romane oder zu ihrem achtzigsten Geburtstag, reiste ich schließlich selbst nach Cobble Hill, Brooklyn, New York; versehen mit dem Auftrag einer großen Zeitung, ein Portrait zu schreiben. Wir vereinbaren den 26. Februar 2005.

*

Ein Fenster geht auf, eine Stimme ruft: «Wir nehmen immer den unteren Eingang!» Vor den dreistöckigen Brownstones in der friedlichen Brooklyner Wohnstraße im Stadtteil Cobble Hill liegt Schnee; Schneereste auf den Mülltonnen und Pflanzen in den kleinen Vorgärten, die wie Vorzimmer unter freiem Himmel zwischen Gehweg und Häusern sind. Ich laufe die acht Steinstufen der Eingangstreppe wieder hinunter und öffne das Törchen in den Vorgarten. Von dort aus geht es zwei Stufen hinunter ins Basement, die halb unter Straßenniveau gesetzte Etage. Eine Gittertür trennt draußen und drinnen. Erst hier sagt das Klingelschild, handgeschrieben und verwittert: «P. Fox M. Greenberg». Drinnen höre ich Schritte, ein Schlüssel dreht sich im Schloss, eine große Frau mit kurzem grauem Haar öffnet.

Ein Lachen, das in allen Falten des Gesichts zu sitzen scheint; umwerfend herzlich: «Kommen Sie herein!» Ich folge ihr durch einen dunklen Essraum an der geschwungenen Treppe in die oberen Etagen vorbei bis in die Küche. Auf leisen Pfoten kommt mir eine Katze entgegen, «hey, Lucy!», Lucy hat ein eingerissenes Ohr – «Nachbarn haben sie mir irgendwann gebracht. Bei mir landen immer die Streuner von der...


Bernadette Conrad, 1963 geboren, studierte Literaturwissenschaft und Sozialpädagogik. Seit fünfzehn Jahren als Literaturkritikerin und freie Journalistin tätig, schreibt sie, vor allem aus dem englischsprachigen Raum, literarische Porträts und Reportagen für DIE ZEIT, Die Neue Zürcher Zeitung und Die Welt. Eine Sammlung dieser Reportagen ist 2006 unter dem Titel 'Nomaden im Herzen' erschienen. Sie lebt mit ihrer Tochter in Konstanz.



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