E-Book, Deutsch, 164 Seiten
Desczyk Brücken und Heilige
2. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7583-7597-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mittelalterlicher Brückenbau im christlichen Abendland
E-Book, Deutsch, 164 Seiten
ISBN: 978-3-7583-7597-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Warum stehen auf alten europäischen Brücken oftmals ein oder mehrere Heiligenstatuen? Dieses reich bebilderte Buch schildert die mythischen und religiösen Bedeutungen des antiken Brückenbaus und deren Übergang in das "Christliche Abendland". Dabei wird auch der geistige, wirtschaftliche und politische Einfluss der Kirche in jenen Zeiten auf den Brückenbau behandelt. Diese Aspekte spielen im modernen und eher unchristlichen Europa zwar keine Rolle mehr, aber sie sind Teil unserer historischen Entwicklung und erklären viele auch heute noch existierende Verhältnisse und Traditionen. Auch die schon lange in Vergessenheit geratenen Lebensgeschichten und Legenden der Heiligen hatten seinerzeit eine Wirklichkeit und Wirkung. An dreißig Brücken aus ganz Europa werden diese Einflüsse auf ihre Baugeschichte beispielhaft beschrieben - ein geschichtliches, reich illustriertes Lesebuch.
Dipl. Ing. Dieter Desczyk ist Brückenbauingenieur und hat als der beim Berliner Senat für den Bauentwurf Zuständige bisher neben vielen Fachartikeln auch als Co-Autor drei Bücher über die Geschichte und Gestaltung der Berliner Brücken veröffentlicht. Sein weitergehendes Interesse auch für die globale frühere Entwicklung seiner Profession führte ihn ins Altertum und Mittelalter mit den damaligen Verbindungen zwischen Kirche und Brückenbau. Da er zu Brückenheiligen keine spezielle Publikation fand, studierte er umfangreiche Sekundärliteratur (Verzeichnis) und verfasste vorliegenden Bericht über die verschütteten Wurzeln unserer und der Brückengeschichte.
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Deutschland / Schweiz Tschechien / Slowenien Frankreich Spanien / Portugal England ROM Totenbrücke des Imperators wird Pilgerbrücke zum Petrusgrab Auf den ersten Blick vermitteln die barock beschwingten Engelsstatuen auf der gleichnamigen schönsten Tiberbrücke eine heitere Stimmung, besonders in der Morgensonne! Nur bei näherem Hinsehen erkennt der Romtourist, dass die fröhlichen Engelschar die Marterwerkzeuge Christi zeigt und wird sich kaum bewusst sein, dass sie die frühe Form eines Kreuzweges darstellt. Vor den Engeln hat hier sogar der Scharfrichter die abgeschlagenen Köpfe der Hingerichteten gezeigt, deren Zahl man mit den Melonen auf dem benachbarten Markt verglich (53). Aber auch das war nur eine Episode in der langen Geschichte dieser Brücke, die als einzige der hier vorgestellten nicht aus dem Mittelalter stammt. Im Jahr 134 hatte der Imperator Aelius Hadrianus sich von seinem Baumeister Demetrianus diesen Zugang zu seinem eigenen überdimensionalen Mausoleum bauen lassen. Sie führte mit zwei Rampen und drei 18 m weit spannenden Bogen aus der Stadt der Lebenden über den mythischen Fluss in das Haus des Todes am anderen Ufer. Sie war über den Pfeilern mit bronzenen geflügelten Genien geschmückt, die die Siege Hadrians verherrlichten. Unter den römischen Christenverfolgungen im 3. Jh. hat man wohl auch von dort verurteilte ungenannte Christen mit Steinen beschwert in den Fluss gestürzt, der pons Aelius wurde zur ersten Märtyrerbrücke wie später die Brücken in Lorch (Florian) und noch später in Prag (Nepomuk). Der Engel mit dem Sudarium, Statue von Cosimo Francelle auf dem Ponte S. Angelo. Das Schweißtuch war eine der Pilgerattraktionen im Reliquienschatz des Vatikans. Unter Constantin d. Gr. wird dann im 4. Jh. über dem Petrusgrab etwas westlich des Hadrianmausoleums eine Kirche gebaut, die sich allmählich zu d e m Wallfahrtsort neben Jerusalem entwickelte. Der einzige Zugang von der Stadt dorthin war über die Brücke, sie war das Ende nicht aller Wege nach Rom aber aller Wege von Rom nach St. Peter, alle Pilger und fast alle Kaiser und Könige haben sie benutzt. Mit dem Niedergang des Imperium Romanum und besonders der Verlegung des Kaisersitzes nach Konstantinopel verfiel auch die alte Hauptstadt, in den unsicheren Zeiten bauten sich die Päpste – die damals noch südlich des Tibers im Lateran residierten – das Hadriansmausoleum zu einer Fluchtburg aus. Seit dem Ende des 6. Jhs. heißt der Bau Engelsburg, weil der Erzengel Michael dem Papst (Gregor d. Große) auf der Burgspitze erschienen war und die Stadt Rom vor der Pest gerettet hatte. Die Brücke haben die Römer jedoch erst seit dem 15. Jh. Ponte S. Angelo genannt, vorher im Mittelalter wohl wegen des starken Pilgerbezuges Pons Sancti Petri (153). Je nach Bedrohungslage wurde sie auch zeitweise mit Wehrtürmen bestückt. Die Engelsbrücke in ihrer alten Form vor der Tiberregulierung. Die heutigen zusätzlichen Rundbogenformen sind gestrichelt angedeutet. Nach einem Stich von Piranesi. Im Heiligen Jahr 1450 ereignete sich bei einem Menschengedränge eine Panik, das (marode?) Geländer brach und 200 Pilger ertranken im Tiber. Zum Gedenken an diese Katastrophe und für das Seelenheil der plötzlich Verunglückten entstanden am südlichen Aufgang zur Brücke zwei flankierende Kapellen, geweiht der Hl. Maria Magdalena und den Unschuldigen Kindern. Praktischerweise schuf man auch gleich einen Vorplatz und führte auf der nur 11 m breiten und durch Fischbuden noch verstellten Brücke den Einbahnstraßenverkehr ein. Um 1500 erwies sich der freigeräumte Platz vor der Brücke auch als geeigneter Ort für öffentliche Hinrichtungen, die Leichname hingen dann zur Abschreckung am Geländer; 1510 ging auch ein kleiner Augustinermönch Martin aus Erfurt nach monatelangem Fußmarsch im Winterregen über diese erschreckende Brücke, der regierende Papst Julius II. hatte den passenden Beinamen „il terrible“. Diese unchristlichen Zustände fanden ihren Tiefpunkt im berüchtigten Sacco di Roma von 1527, als die deutschen und spanischen Landsknechte des allerchristlichsten Kaisers Karl V. Rom monatelang verwüsteten und im Schutz der beiden Kapellen den in der Engelsburg verschanzten Papst bombardierten, der natürlich zurückschießen ließ. Die Reste der beiden strategisch nachteiligen Kapellenruinen hat die Kurie 1534 abtragen lassen und dafür die weniger Deckung bietenden Statuen des Hl. Petrus und des Hl. Paulus, der Schutzheiligen Roms, aufgestellt. Das hat der unguten Sitte mit den abgeschlagenen Köpfen aber keinen Abbruch getan, um 1600 konnte man solchen Schmuck auf der Wallfahrt zum Petrusgrab immer noch bewundern, die Hinrichtungen hatte der Papst aber diskreter in die Engelsburg verlegt. Clemens IX. beauftragte dann 1668 den greisen Bernini mit dem Entwurf der zehn Engelsfiguren. Sie präsentieren die teilweise als Reliquien in Rom gezeigten Werkzeuge (arma) der Passion Christi und stellen von Süd nach Nord chronologisch ihren Verlauf von der Geißelung (Säule) bis zum Todesbeweis (Lanze) dar, ein früher Kreuzweg (76). Mit der Aufstellung der weißen Marmorstatuen war die Dekoration der Brücke bis heute wesentlich und glücklich bestimmt und kein Platz mehr für blutige Köpfe. Die seitliche Ansicht der heutigen Brücke geht auf die große Tiberregulierung am Ende des 19. Jhs. zurück, als man die früheren Rampen und kleinen Seitenbögen durch zwei mit den Mittelbögen gleichgroße Bögen ersetzte und die Gesamtlänge auf 130 m brachte (90). St. Petrus Apostel Märtyrer lebte als Simon, Chef einer Fischerkooperative und ehemaliger Jünger Johannis des Täufers am See Genezareth, als ihm Jesus begegnete und ihn zum Apostelältesten und Menschenfischer machte. Dem zupackenden Mann (Ohrabschläger) vertraute er auch die Führung seiner Kirche an (Petrus der Fels), wobei sich dieser Anspruch für seine Nachfolger erst allmählich festigen sollte. Er unternahm verschiedene Missionsreisen bei den Juden und erlitt im Jahr 67 als Führer der römischen Gemeinde (obwohl er nur schlechtes Latein sprach) im Zuge der Neronischen Christenverfolgung das Martyrium; die hagiograhische Kreuzigung mit dem Kopf nach unten aus Erfurcht vor Christus ist wohl legendenhaft, genauso wie seine Quo-vadisBegegnung mit Jesus auf der Via Appia. Sein Grab auf der Flanke des Vatikanischen Hügels ist aber geschichtlich und von Anfang an ein Ort der frommen Verehrung gewesen, über dem Constantin dann 324 die große Pilgerbasilika errichten ließ. Als „erster Papst“ und Apostelfürst wurde Petrus einer der Hauptheiligen des Mittelalters, natürlich auch Schutzpatron Roms (zusammen mit Paulus) aber auch der Fischer und als Pontifex natürlich der Brückenbauer. So war er ein beliebter Brückenheiliger im ganzen Abendland und nicht nur auf den Pilgerstraßen nach Rom – wohin ja bekanntlich alle Wege führten. Auf der Engelsbrücke hat sein 217. Nachfolger seine Statue jedoch erst dann aufgestellt, als die Brücke ihren tausendjährigen Petrusnamen verloren und den des Engels angenommen hatte. St. Petrus mit Buch und Schlüsseln auf dem Ponte Sant’Angelo. Nach der Statue von Lorenzotto. Seine Attribute sind das bärtige breite Fischergesicht mit lockigem weißen Haar, in der Hand bis zu drei Schlüssel (des Himmelreiches, Math. 16.18), das kopfstehende Kreuz des Martyriums und die Papst-Tiara (die seit 1310 übliche Papstkrone ist seit 1963 abgelegt). St. Paulus Völkerapostel, Märtyrer ist kein Brückenheiliger und auch kein Pilgerheiliger, obgleich er wegen seiner vielen Reisen eigentlich dafür prädestiniert wäre: „Ich war oft auf Reisen, gefährdet durch die Flüsse, gefährdet durch Räuber, gefährdet durch das eigene Volk, gefährdet durch Heiden, gefährdet in der Stadt, gefährdet in der Wüste, gefährdet auf dem Meer …“ (2. Kor. II) Er ist auch kein originärer Apostel trotz seiner Bezeichnung als Apostelfürst und wiewohl er in der römischen Gemeinde mindestens die gleiche Wertschätzung wie Petrus genoss (77) und gemeinsam mit Petrus das Stadtpatronat hat. Er war eigentlich immer ein Gegensatz zum Älteren, den er aber in der Kombination perfekt ergänzte, deshalb auch ihre gemeinsame Verehrung am Hochfest „Peter und Paul“. St. Paulus mit Buch und Schwert. Nach der Brückenstatue von Paolo Romano auf der Ponte San Angelo. Von Hause aus ein pharisäischer Jude mit...




