E-Book, Deutsch, 448 Seiten
Gist Die widerspenstige Braut
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-96122-430-2
Verlag: Gerth Medien
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman.
E-Book, Deutsch, 448 Seiten
ISBN: 978-3-96122-430-2
Verlag: Gerth Medien
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Immer wieder schafft es Deeanne Gist, mit ihren Büchern die Bestsellerlisten zu erklimmen. Ihr Erfolgsrezept: gründlich recherchierte historische Romane in Verbindung mit viel Humor und Liebe. Bislang wurde sie für vier RITA-Awards nominiert - eine renommierte Auszeichnung für Liebesromane - und gewann zwei Christy-Awards. Sie hat vier mittlerweile erwachsene Kinder und lebt mit ihrem Mann in Houston, Texas.
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Kapitel 1
Kolonie Virginia
Zwei Monate später
Das Kleid, das man ihr gegeben hatte, war viel zu eng und spannte. Mit demütigender Deutlichkeit zeichnete sich ihre Figur ab, aber vielleicht diente das sogar zu ihrem Vorteil. Sie hatte so stark abgenommen, dass zweifellos kein Farmer Geld in eine so krank aussehende Frau investieren würde.
Mehrere Tabakpflanzer waren schon an Bord gewesen, um sich die „Ladung“ anzuschauen. Auf einer Seite des Oberdecks waren die Männer angekettet, auf der anderen die Frauen. Die Männer wurden je nach Höhe ihres Strafmaßes für sieben oder vierzehn Jahre als Schuldknechte verkauft.
Die Frauen hingegen mussten eine lebenslängliche Strafe verbüßen. Sie sollten als Bräute verkauft werden. Eine Braut im Tausch für 120 Pfund Tabakblätter, die Währung der Kolonie.
Alle Frauen mit Ausnahme von Constance, die alleine oben auf dem Halbdeck stand. Ihre Handgelenke und Knöchel waren angekettet, während der Erste Maat rechts hinter ihr stand und sie bewachte. Für sie verlangte der Kapitän zweihundert Pfund Tabak. Lächerlich.
Ihr Blick wanderte über die Schuldknechte. Onkel Skelly war natürlich nicht darunter. Wie sollte er auch?
Nur zweimal während der gesamten Überfahrt hatte der Kapitän den Frauen erlaubt, aufs Oberdeck zu gehen, um frische Luft zu schnappen. Beim ersten Mal war sie auf dem Mitteldeck an Onkel Skelly vorübergegangen. Mit einem Kragen aus Eisen um den Hals hatten sie ihn nicht nur an ein Brett, sondern auch noch an drei der abstoßendsten Kreaturen gekettet, die sie je gesehen hatte. Einer dieser drei litt an hohem Fieber.
Als sie das zweite Mal an Deck durfte, war Onkel Skellys Platz an dem Brett bedrückend leer gewesen. Der Erste Maat, Cooper, hatte ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Skelly Morrow war gestorben.
Constance schluckte die Tränenflut mühsam hinunter, die ihr bei der Erinnerung an diesen schmerzlichen Verlust auch jetzt wieder die Kehle zuschnürte.
„Schau nicht so finster, Mädchen. Hier kommt jemand“, knurrte Cooper.
Sie versteifte sich, als ein junger Farmer von höchstens zwanzig Jahren sich dem Halbdeck näherte. Er sah Cooper an, nickte leicht und wandte sich dann an sie.
Sie wich zurück, als er eine ihrer Haarsträhnen zwischen seine langen, von der Feldarbeit rauen Finger nahm. Der Kapitän hatte ihr nicht erlaubt, an diesem Morgen ein Kopftuch zu tragen.
Diese Zurschaustellung war reine Blasphemie. Die Haare einer Frau waren heilig und ein Symbol dafür, dass sie noch unberührt war, und sollten nur offen getragen werden, wenn sie ihr Ehegelübde ablegte.
Sie hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nie so nackt gefühlt. Ihre Haare waren nicht weich und seidig wie die von anderen Frauen. Sie waren wild und dick mit vielen kleinen Löckchen, die sich zu vermehren schienen, wenn sie nicht zusammengebunden waren.
Der leichte Wind in der Bucht wurde stärker und wehte ihr die Haare ins Gesicht. Sie versuchte erneut, sich vom Griff dieses Mannes zu befreien.
„Ruhig, mein Fräulein. Ich tue dir nicht weh“, versuchte dieser sie zu beruhigen.
Seine Stimme war freundlich, genauso wie seine Augen. Er beleidigte sie nicht mit unverschämten Blicken und behandelte sie auch nicht grob. Aber falls er auf die Idee kommen sollte, ihre Zähne sehen zu wollen, indem er sie in die Wange kniff, würde er erleben, dass sie ausgesprochen unkooperativ sein konnte.
In diesem Augenblick erregten zwei Männer, die unter ihr standen, ihre Aufmerksamkeit. Einer war ein dunkelhaariger Farmer, der einen Strohhut in der Hand hielt. Der andere hatte blonde Haare und war bereits während der Überfahrt an Bord des Schiffes gewesen. Er war weder ein Gefangener gewesen noch hatte er zur Schiffsmannschaft gehört. Sie hatte gehört, dass er einen hohen Preis für die Überfahrt in die Kolonie bezahlt hatte, wo er angeblich zu Hause war.
Die beiden Männer entschieden sich für Mary, die Frau, die während der Überfahrt neben Constance angekettet gewesen war. Sie sprachen mit Mary, kontrollierten ihre Zähne und ließen sie der Länge nach über das Deck und wieder zurück gehen.
Der Kapitän trat zu ihnen. Worte wurden gewechselt. Das Feilschen hatte begonnen. Nach wenigen Minuten wurden Mary die Fesseln abgenommen, und sie verließ mit dem blonden Mann das Schiff, während der dunkelhaarige Farmer für den Kapitän einen Beleg unterschrieb.
Constance hatte Mühe, ihre Panik zu unterdrücken. Mary war mehr als eine Mitgefangene für sie gewesen. Sie war ihre einzige Freundin.
Plötzlich deutete der Kapitän zu Constance und der Farmer wandte sich in ihre Richtung. Er kniff die Augen zusammen und beendete in Ruhe sein Geschäft mit dem Kapitän, bevor er sich zum Halbdeck begab.
Sie konzentrierte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den jungen Mann vor ihr. Er hielt ihre Haare immer noch in der Hand, sprach aber mit Cooper.
„… eine echte Dame ist sie“, erklärte der Erste Maat dem Interessenten gerade.
„Warum wurde sie dann hierher gebracht?“, wollte der Mann wissen.
„Haben wir nicht gefragt. Es ist nicht unsere Aufgabe, Fragen zu stellen.“
Sie verdrehte die Augen.
„Haben Sie Papiere für sie?“
„Nein, hat er nicht“, mischte sich Constance ein.
Cooper ergriff ihren Arm. „Sei still, Fräuleinchen, oder du wirst es bitter bereuen.“
„Bist du auf der Suche nach einer Braut, Gerald?“ Der dunkelhaarige Farmer hatte das Halbdeck betreten.
Der Mann, der augenscheinlich Gerald sein musste, ließ rasch ihre Haare los und sprang einen Schritt zurück. „Drew! Nein, das käme doch gar nicht für mich infrage.“
„Steht sie zum Verkauf?“, erkundigte sich der Dunkelhaarige bei Cooper.
„Ja.“
„Als Tabakbraut?“
„Ja.“
Der Dunkelhaarige wandte sich wieder zu Gerald herum und zog eine Augenbraue in die Höhe.
„Nein, Drew, es ist nicht so, wie du denkst. Ich war nur neugierig.“
„Du hast das Recht, neugierig zu sein, aufgegeben, als du meine Schwester geheiratet hast.“
Geralds Gesicht lief dunkelrot an. „Eigentlich hatte ich an dich gedacht“, stotterte er.
Jetzt zog der andere beide Brauen fragend in die Höhe.
Gerald schluckte. „Ich, äh, dachte nur, wenn du eine finden würdest, die, äh, akzeptabel wäre, würde dich das vielleicht interessieren.“
„Und du hältst diese Frau für akzeptabel?“
Gerald schwieg kurz. „Sie soll eine Adelige sein, Drew.“
„Sie hat rote Haare und ich verabscheue rote Haare.“
Constance versteifte sich und warf ihm einen wütenden Blick zu. Auch Geralds Gesicht glühte. Obwohl ihre Haare eher goldbraun waren, waren Geralds Haare fast orange, so sehr leuchteten sie.
„Entschuldige. Das wusste ich nicht.“
„So, so, so. Was haben wir denn hier? Auf der Suche nach einer Braut, Master O’Connor?“ Ein dürrer, schlampig gekleideter Mann mit mehr Zahnlücken als Zähnen betrat schwankend das Halbdeck.
Die Spannung, die zwischen den drei Männern herrschte, war beinahe greifbar. Drew setzte seinen Hut auf, sah Constance an und tippte an seine Hutkrempe. „Wenn Sie uns entschuldigen würden, Miss.“ Zusammen mit seinem Schwager schritt er an ihr vorüber und an dem Mann mit den Zahnlücken sowie an zwei anderen Farmern vorbei, die jetzt auf das Halbdeck kamen.
Der dürre Mann schaute ihnen nach und spuckte etwas Tabakfarbenes auf die Holzplanken, während er ihnen mit zusammengekniffenen Augen nachblickte.
„Emmett“, grüßte einer der näher kommenden Farmer ihn. Er und sein Begleiter hatten beide einen dicken, buschigen, schwarzen Bart, ein fröhliches Gesicht und einen runden Bauch. Vielleicht waren sie miteinander verwandt.
„Woodrum“, entgegnete Emmett mit einem Nicken. Dann drehte er sich zu ihr herum, griff ihre Wangen und drückte so fest, dass sie unweigerlich den Mund öffnete. „Schaut euch nur diese Zähne an! Sie hat einen ganzen Mund voll davon. Wie ist der Rest von ihr, Cooper? Hast du sie angefasst?“
Constance wich zurück und versuchte, seinen Arm zurückzudrängen, aber die Ketten um ihre Handgelenke und ihren Leib schränkten ihre Bewegungsfreiheit ein. Der Gestank, den er verbreitete, raubte ihr schier den Atem.
„Beschädige die Ware nicht, Mann, solange du sie nicht gekauft hast“, knurrte Cooper. „Du kannst sie anfassen, so viel du willst, aber hinterlasse ja keine Spuren.“
Constance versteifte sich erneut. Emmett ließ sie los und versetzte ihr einen unsanften Stoß. Sie wäre nach hinten gefallen, wenn der kräftige Mann, den der Erste Maat mit „Woodrum“ angesprochen hatte, sie nicht am Ellbogen festgehalten hätte. Sobald sie wieder festen Halt unter den Füßen hatte, lockerte er seinen Griff und ließ sie schließlich ganz los.
Emmett ließ seinen Blick anzüglich über ihren ganzen Körper gleiten und rieb mit der Hand nachdenklich über seine mickrige Brust. „Warum ist sie hier oben und nicht unten bei den anderen Bräuten?“
„Sie ist eine Adlige“, antwortete Cooper. „Und sie kostet dich ein paar Tabakblätter mehr als die anderen.“
„Kannst du das beweisen? Das ist doch eine bloße Behauptung. Ich sage dir, sie ist nicht mehr als eine Schwalbe, die in Londons Gassen eingefangen wurde.“ Er beäugte sie erneut. „Sie hat eindeutig das, was sie für diese Arbeit braucht, aber ich werde bestimmt nicht ein ganzes Fass...




