E-Book, Deutsch, 291 Seiten, eBook
Imbusch Jugendliche als Täter und Opfer von Gewalt
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-531-91996-6
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 291 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-531-91996-6
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Das Buch präsentiert Beiträge, die sich mit dem Phänomen der Jugendgewalt vornehmlich in Entwicklungsländern auseinandersetzen. Es beleuchtet Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Jugendgewalt zwischen 'Erster' und 'Dritter Welt'; es fragt nach den unterschiedlichen Kontexten der Gewalt; es setzt sich mit der schwierigen Lebens- und Überlebenssituation von Jugendlichen unter gewalttätigen gesellschaftlichen Bedingungen auseinander; es beleuchtet angesichts geringer Partizipationsmöglichkeiten die Rolle von Jugendlichen in Nachkriegsgesellschaften; und es zeichnet verunsichernde Diskurs- und Sicherheitsstrategien im Umgang mit Jugendlichen nach, welche die Jugendlichen eher diskriminieren als dazu beitragen, ihre Handlungen und Verhaltensweisen zu verstehen.
Die beispielhaften Auseinandersetzungen mit der Thematik Jugend und Gewalt werden eingerahmt von Überlegungen zu den Hintergründen und Ursachen von Jugendgewalt sowie eher konzeptionellen Überlegungen zu den Innovationen der Gewaltforschung, die am Beispiel jugendlicher Amokläufer und School Shooter exemplifiziert werden.
PD Dr. Peter Imbusch ist Privatdozent für Soziologie und wissenschaftlicher Angestellter am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld.
Zielgruppe
Professional/practitioner
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;5
2;Einleitung;6
3;Jugendgewalt in Entwicklungsländern – Hintergründe und Erklärungsmuster;10
3.1;1. Einflihrung;10
3.1.1;1.1 Wer sind die Jugendlichen ?;11
3.1.2;1.2 Die Probleme Lugendlicher VOT dem Hintergrund der demographischen Entwicldung;13
3.1.3;1.3 Jugend und Gewalt;18
3.1.4;1.4 Um welche Gewalt geht es?;19
3.1.5;1.5 Umfang und Formen der Gewalt;21
3.1.6;1.6 Konsequenzen der Gewalt;23
3.2;2. Erscheinungsforrnen und Hintergründe;25
3.3;3. Ursachen der Gewalt;30
3.4;4. Theorien über Jugendgewalt;35
3.4.1;4.1 Psychologische Aggressions- und Triebtheorien;35
3.4.2;4.2 Gewaltaneignung in der Sozialisation und durch Lenen;40
3.4.3;4.3 Subkulturen, Protest, intrinsische Gewalt;46
3.4.4;4.4 Modernisierungstheorien;49
3.4.5;4.5 Theorien relativer sozialer Deprivation;53
3.4.6;4.6 Die Desintegrationstheorie;58
3.4.7;4.7 Demographie, Männlichkeit und Gewalt;62
3.4.8;4.8 Feministische Erklärungen von Gewalt;66
3.5;5. Bekämpfungsmöglichkeiten von Jugendgewalt;70
3.5.1;5.1 Präventions- und Interventionsma?nahmen;71
3.5.2;5.2 Der Beitrag internationaler Organisationen;75
3.5.3;5.3 Repressionsstrategien;80
3.6;6. Schlussfolgerungen;81
3.7;Literaturverzeichnis;86
4;Zwischen Akzeptanz und Widerstand Jugendliche Lebenswelten im kolumbianischen Bürgerkrieg;94
4.1;1. Vor der Gewalt getlohen? Von der Gewalt eingeholt!;94
4.2;2. Sündenböcke und Unschuldslämmer;97
4.3;3. Konfliktpanorama Kolumbien;98
4.3.1;3.1 Genese und historische Einbettung des Konflikts;99
4.3.2;3.2 Gewaltmärkte als zweckrationale Handlungsräume;100
4.3.3;3.3 Die Akteure im bewaffneten Konflikt;102
4.3.4;3.4 Binnenvertreibung als Strategie der Gewalt;102
4.3.5;3.5 Jugendliche im kolumbianischen Konflikt;104
4.3.6;3.6 Die Verlagerung des Konflikts auf die urbane Peripherie und die Reproduktion der Gewaltsituation;105
4.3.7;3.7 Geboren werden viele, erwachsen werden nur wenige...;107
4.4;4. Jugendliche Lebenssituationen;108
4.4.1;4.1 Wahrnehmung von Gesellschaft und Familie durch die Jugendlichen;108
4.4.2;4.2 Partizipation durch Konsum;112
4.4.3;4.3 ,,Limpieza Social" als Instrument der Repression;114
4.4.4;4.4 Zwischen Traum(a) und Realität;117
4.5;5. Strategien im Umgang mit Gewalt: Akzeptanz, Flucht und Widerstand;119
4.5.1;5.1 Akzeptanz: Pandillas zwischen Gewalt und Familienersatz.;119
4.5.2;5.2 Flucht:,,Einfach normal";121
4.5.3;5.3 Widerstand:Jugendliche als engagierte Akteure trotz Repression;123
4.6;6. Resümee: Gewaltfreie Alternativen der Jugendlichen im lokalen Raum;128
4.7;Bibliographie;129
5;Jugend, Gewalt und sozialer Wandel in Afrika;132
5.1;1. Einführung: Afrikas Jugend im Kontext unterschiedlicher Debatten;132
5.2;2. Zur Kategorie der Jugend;137
5.2.1;2.1 Jugend als Phase des Übergangs;137
5.2.2;2.2 Jugend als Subkultur;139
5.2.3;2.3 Jugend als soziale Konstruktion;140
5.3;3. Jungsein in Afrika;143
5.3.1;3.1 Die Jugend Afrikas – ein historischer Abriss über Hoffnungsträger und Unruhestifter;143
5.3.2;3.2 Zur gegenwärtigen Lage: jugend als „Stigma" und „Ressource";149
5.4;4. Erklärungsmuster für Jugendgewalt in Afrika: Eine Auseinandersetzung mit der These vom „Generationenkonflikt";152
5.4.1;4.1 Afrikanische Jugendliche als instrumentalisierte Opfer oder entfremdeteTäter?;153
5.4.2;4.2 Jugend als „ Stigma" und „ Ressource" – eine alternative Perspektive auf den „Generationenkonflikt";158
5.5;5. Fazit;165
5.6;Bibliographie;168
6;Jngendliche in Nachkriegsgesellschaften – Kontinnität und Wandel von Gewalt*;174
6.1;1. Jugendliche in Gewaltkonflikten, Jugendgewalt und Gewalt in Nachkriegsgesellschaften – drei unverbundene Forschungsfelder;176
6.1.1;1.1 Jugendliche in Gewaltkonflikten;178
6.1.2;1.2 Jugendgewalt jenseits des Krieges;180
6.1.3;1.3 Gewalt in Nachkriegsgesellschaften - mehr als der Rückfall in den Krieg;181
6.1.4;1.4 Die Schnittstellen zwischen den Debatten;182
6.2;2. Nachkriegsgesellschaften als sozialer Raum;183
6.2.1;2.1 Nachkriegsgesellschaften heute – ein Analyserahmen;186
6.2.2;2.2. Jugendliche im Spannungsfeld aktueller Nachkriegsgesellschaften;189
6.3;3. Jugendliche Gewalt in Nachkriegsgesellschaften;193
6.3.1;3.1 Gewaltkontrolle in Nachkriegsgesellschajten;193
6.3.2;3.2 Formen der Gewalt;197
6.3.3;3.3 Jugendliche und Gewalt - einige empirische Befunde;198
6.4;4. Muster von Jugendgewalt;200
6.5;5.Spezifika von Jugendgewalt im Nachkrieg – offene Fragen;205
6.6;Literatur;208
7;Jugendbanden in Zentralamerika – Zur sozialen Konstruktion einer teuflischen Tätergruppe;212
7.1;1. Einleitung;212
7.2;2. Machtvolle Diskurse über zentralamerikanische Jugendbanden;217
7.2.1;2.1 Der politische Diskurs;218
7.2.2;2.2 Der Pressediskurs;223
7.3;3. Über die Heterogenität von Gewaltdiskursen im zentralamerikanischen Alltag;226
7.4;4. Juristische Materialisierungen und wissenschaftliche Hysterie;232
7.5;5. Schlussbetrachtung;237
7.6;Literatur;238
8;School Shootings und Amok – Perspektiven der Gewaltforschung;241
8.1;1. Einleitung;241
8.2;2. Der Gewaltbegriff;242
8.3;3. „Mainstreamer" vs, „Innovateure";243
8.3.1;3.1 Entstehung der Debatte;244
8.3.2;3.2 Die „Mainstreamer";245
8.3.2.1;3.2.1 Der Gewaltbegriff;246
8.3.2.2;3.2.2 Erklärungsansätze und Prävention;248
8.3.2.3;3.2.3 Menschenbild;249
8.3.2.4;3.2 .4 Theoretisch-methodologisches Konzept;250
8.3.2.5;3.2.5 Erkenntnisinteresse;251
8.3.3;3.3 Die „lnnovateure“;251
8.3.3.1;3.3.1 Kritik am „Mainstream";252
8.3.3.2;3.3.2 Der Gewaltbegriff;253
8.3.3.3;3.3.3 Menschenbilder;256
8.3.3.4;3.3.4 Theoretisch-methodologisches Konzept;259
8.3.3.5;3.3.5 Erkenntnisinteresse;260
8.3.4;3.4 Zusammenfassung;261
8.4;4. School Shootings als Amokform unter Jugendlichen;262
8.4.1;4.1 Das Beispiel Erfurt;263
8.4.1.1;4.1.1 Definitorische Herleitung;264
8.4.2;4.2 Die „Mainstreamer";265
8.4.3;4.3 Die „Innovateure";271
8.4.4;4.4 Zusammenfassung;276
8.5;5. Schlussbetrachtung;276
8.5.1;5.1 Die Kritik der „lnnovateure" und ihre Folgen für die Gewaltforschung;277
8.5.1.1;5.1.1 Gegensätzlichkeit?;277
8.5.1.2;5.1.2 Auseinandersetzung über die Krilik ?;279
8.5.1.3;5.1.3 Neue Impulse durch die Kritik der „Jnnovateure"?;280
8.5.2;5.2 Ergebnisse;280
8.5.2.1;5.2.1 Die „Mainslreamer ";280
8.5.2.2;5.2.2 Die „Innovaieure";281
8.5.3;5.3 Praktischer Nutzen;281
8.5.4;5.4 Gefahren und Problematiken;283
8.5.5;5.5 Vereinbarkeit;284
8.5.6;Literatur;286
9;Über die Autorinnen und Autoren;290
Jugendgewalt in Entwicklungsländern – Hintergründe und Erklärungsmuster.- Zwischen Akzeptanz und Widerstand Jugendliche Lebenswelten im kolumbianischen Bürgerkrieg.- Jugend, Gewalt und sozialer Wandel in Afrika.- Jugendliche in Nachkriegsgesellschaften – Kontinuität und Wandel von Gewalt.- Jugendbanden in Zentralamerika – Zur sozialen Konstruktion einer teuflischen Tätergruppe.- School Shootings und Amok – Perspektiven der Gewaltforschung.
Jugendbanden in Zentralamerika- Zur sozialen Konstruktion elner teuflischen Tiitergruppe (S. 213-214)
Sebastian Huhn, Anika Denier und Peter Peetz
1. Einleitung
Über ein Jahrzehnt nach dem Ende des letzten Biirgerkriegs in Zentralamerika verbindet die intemationale Offe ntlichkeit nach wie vor hauptsiichlich Gewalt und Unsicherheit mit der Region. Eines der wichtigsten und promi nentesten Themen sind in diesem Zusammenhang seit einigen Ja hren krimine lle Jugendbanden , vor aHem die so genannten maras, eine spezielle Form von Jugendgangs in EI Salvador, Honduras und Guatemala (Huhn/Oett lerlPeelz 2008a).
Krimi nelle und gewalttatige Jugendliche werden in und au8erhalb der Region als ein Hauptfaktor fur Unsicherheit diskuti ert. Die gesicherten Erkenntnisse iiber die Gangs, ihre GroBenord nung, ihre Organisationsstrukturen oder das von ihnen tatsachlich ausgehende GewaltmaB sind jedoch gering (Huhn/Oettler 2006 ; Huhn/Oettler/Peetz 2oo8a; Bellanger/ Roc ha 2(09). Yemach lassigt wird auch die Analyse der offentlichen Auseina ndersetzung tiber soziale Ursachen, den angemessenen kollektiven Umgang und die gesellsc haftlichen Folgen von Jugendgewalt in Zentralamerika. Thema dieses Beitrages, der auf ein Forschu ngsprojekt zu ..Offentlic hkeiten und Gewalt in Zentralamerika" zuruckgeht, ist die Frage, wer Jugendbanden als Hauptproblem der Inneren Sicherheit oder der gesellschaftlichen Entwicklung wahrnimmt beziehungsweise darstellt. Wir konzentrieren uns dabei auf Costa Rica, El Salvador und Nica ragua.
Ausgehend von der grundsatz lichen Einsicht, dass Wirklichkeit gesellschaftlich konstruiert ist (Berger/Luckmann 1969), gilt es, Jugendgewalt und -kriminalitat auch als gesellschaftlich konstruierte und nicht ausschlieBlich als objektiv vorliegende und eindeutige GroBen zu untersuchen. Ein Einverstandnis über Gewalt und Kriminalitat sowie tiber ihre gese llschaft liche Bewertung und angebrachte GegenmaBnahmen wird haufig zu Unrecht vorausgesetzt. So bleib t unhinterfragt, wer was in welcher Weise und warum als Bedrohung wahmimmt.
Der Diskurs tiber Gewalt und Krimi nalitat ist jedoch häufig entscheide nder dafiir, wie eine Gesellschaft Gewalt und Krimi nalita t empfindet und auf sie reagiert, als ein Gewaltakt selbst. So wurde gewalttatiges Verhalten von Jugendlichen je nach Epoche nicht nur in Zentralamerika unterschiedlich wahrgenommen. Auch die deutsche Offentlichkeit hatte vieles von dem, was sie heute als Jugendgewalt diskutiert, in den 1950er Jahren eher als (argerliches oder zu beliichelndes) Verhalten Halbstarker interpret iert oder wahrend der Studentenproteste in den 1970er Jahren als (legitimer oder iIlegitimer) Protest einer Generation gegen ihre Eltem und Gro6eltem wahrgenommen.