E-Book, Deutsch, 355 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Keller / Ott Touchpoint Live
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-648-15033-7
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Praxistest: Kaufentscheidungen und Kundenbeziehungen mit Hilfe von TPM erfolgreich managen
E-Book, Deutsch, 355 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-15033-7
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Bernhard Keller ist Sozialwissenschaftler und enthusiastischer Marketingforscher. Für ihn stand schon immer der Mensch im Mittelpunkt der Forschung - als Wähler, als Kunde und als engagierter Bürger.Die Praxis der Meinungs- und Marktforschung hat er bereits im Studium in wissenschaftlichen Forschungsgruppen kennengelernt (u.a. European Election Study, Forschungsgruppe Wahlen e.V.). Nach seinem Studium war er in verschiedenen Positionen an den Universitäten Mannheim, Waterloo (Kanada) und Augsburg tätig, bevor er in die kommerzielle Marktforschung (u. a. GfK-Gruppe, Emnid, TNS Infratest, MaritzCX) wechselte. Seit nunmehr 30 Jahren schreibt und spricht er zu Themen mit dem Menschen und Kunden im Fokus.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Bereichsspezifisches Management Marketing
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Bereichsspezifisches Management Kundenbeziehungsmanagement, Kundenpflege
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Bereichsspezifisches Management E-Commerce, E-Business, E-Marketing
Weitere Infos & Material
1 Einleitung zum Buch: Touchpoint Management im digitalen Zeitalter
Ohne Marktforschung geht es nicht
Bernhard Keller und Cirk Sören Ott
Gliederung
1.1 Der aktuelle Entwicklungsstand
1.2 Voraussetzungen für die Umsetzung einer gelebten Kundenorientierung (Innensicht)
1.3 Ansätze eines praktizierten TPM mit direktem Blick auf den Kunden
1.4 Praktiziertes TPM mit Blick auf den Kunden: Anwendungsbeispiele in der Digitalisierung
1.5 Praktiziertes TPM mit Blick auf den Kunden: besondere Tools und Methoden
Das Managen der Kundenzufriedenheit begleitet uns Herausgeber schon seit Beginn unserer oft gemeinsamen Berufsarbeit. Weil die Kundenzufriedenheit zu den zentralen Themen unserer marktforscherischen Tätigkeit gehört und natürlich auch, weil zumeist nur die zufriedenen Kundinnen und Kunden uns wieder beauftragt haben.1
Es gab jedoch einen Scheitelpunkt, auf dem die Kunden zwar noch mit unserer Arbeit zufrieden waren, aber nur noch eingeschränkt mit den Erkenntnissen daraus. Die Limitierungen waren schnell auszumachen: Was nutzt unserem Kunden, einer Bank oder einem Händler, die Erkenntnis, dass die eigene Kundschaft nur teilweise zufrieden ist, wenn nicht klar ist, mit welchem Teil?
Mit der zunehmenden Computerisierung in den 90er Jahren konnten wir die Fragen nach der genauen Quelle der Unzufriedenheit exakter beantworten: Fragebögen werden im Telefon- oder Online-Interview so programmiert, dass zuletzt genutzte Touchpoints vom Kunden benannt und in allen Facetten analysiert werden konnten.
Leider war das zunächst nur für sehr unpräzise definierte Zielgruppen wie beispielsweise nach Altersspannen, Einkommen oder Nutzungsintensität möglich. Erst die technologischen Entwicklungen in den 2000er Jahren und die rasante Verbreitung der Smartphones ermöglichten den Unternehmen, praktisch an jedem Kontaktpunkt und zu jedem Zeitpunkt von jedem Menschen eine Rückmeldung zur Customer Journey (z. B. zu einer gerade genutzten Dienstleistung oder zu einer kurzen Produktbewertung) zu erhalten.2 Das Managen von Kaufentscheidungen wurde so professioneller und steuerbarer.
Was zu Anfang wie die Erfüllung eines CEO-Traums aussah (welcher Mitarbeiter hat an welcher Stelle der Customer Journey, zu welcher Uhrzeit, welchem Kunden gegenüber optimal bzw. auch falsch gehandelt?), entwickelte sich schnell zu einer sehr komplexen, langwierig zu implementierenden und im Unternehmen gegen vielerlei Hindernisse zu etablierenden »Maschine«. Dabei waren Marktforscher nur am Rande beteiligt, IT-Spezialisten übernahmen zunehmend Vertrieb und Steuerung. Softwaresysteme mit Kontroll-Dashboards wurden implementiert, aber nur wenige Anwender wussten, wie sie die Maschine steuern mussten. Daher wurden mit viel Trial and Error die ersten eigenen Erfahrungen gemacht, und wo dafür die Kapazitäten fehlten, wurden Berater eingesetzt. In Akademien wurde die Aus- und Weiterbildung organisiert und schleichend war eine neue Branche entstanden – die CX-Branche, die viele eigene Titel für die diversen CX-Manager und CX-Zertifizierungen schuf, Wettbewerbe organisierte und das Zeitalter der Customer Centricity ausrief. Hochschulen schufen Forschungsbereiche,3 Professorinnen und Professoren fanden neue Tätigkeitsfelder und zeitgleich wurden immer neue Dienstleistungsunternehmen gegründet, die mit innovativen Methoden oder Programmen ein Stück des CX-Kuchens ergattern wollen. Oftmals ging es dabei weniger um CX als um die Optimierung und/oder Kostenreduzierung von einzelnen Touchpoints (z. B. ein Call Center). Hier fehlte nicht selten der Bezug zum Rest des Unternehmens, zum großen Ganzen – zum Management.
Und der Kunde? Was hat der davon, ständig neue Feedback-Fragebögen zu erhalten und in den immer gleichen nervtötenden Hotlines hängenzubleiben? Selbst E-Mail-Adressen fungieren immer mehr als Dead-End-Kanal. Manche Unternehmen nutzen Q&A als »Self-Service-Innovation«, die den Kundinnen und Kunden schneller die benötigte Antwort zu ihren Anfragen liefern soll. Aber die vielgepriesene KI kann Fragen abseits des Mainstreams auf der Q&A-Seite nicht beantworten. Dann konterkariert Automation die zuweilen Hoffnung weckende Ankündigung, dass Menschen »… die beste Erfahrung machen, die es überhaupt gibt, damit sie glücklich sind«.4
Als wir 2017 unser erstes Buch »Touchpoint Management« herausbrachten, konstatierten wir einen hohen Bedarf an Informationen zum Thema und waren optimistisch, mit dem Fachwissen unserer Autorinnen und Autoren gezielt zur organisatorischen und inhaltlichen Weiterentwicklung der Thematik beitragen zu können. Mit unserer Feststellung, dass gerade größere Unternehmen und Konzerne sich des Themas angenommen haben, publizierten wir 2020 den Band »Touchpoint Culture«. Da die Zahl der Kongresse schnell zunahm, konnten wir auch auf neue und vor allem weiter entwickelte Prozesse zugreifen. In Theorie und Praxis wurden Probleme aufgegriffen, erörtert und Ergebnisse geteilt. Die neue Branche ist jung und agil, vertraulich im Umgang, es scheint, als sei der Hype in eine neue Bewegung übergegangen.
(Gelernte) Marktforscher werden dazu scheinbar nur noch am Rande benötigt, dafür aber dort umso dringender. Die frühere Marktforschung und das neue CX lernen langsam, dass sie einander brauchen – weil die zahlenfixierten CX-Manager immer noch das dahinterliegende »Warum« beantworten müssen. Und die (früheren) Marktforscher haben gelernt, mit den Methoden und Programmen der CX-Branche ihr Kundenportfolio zu erweitern. Dafür stehen die vielen Beiträge in unserem vorliegenden Buch sowie die Ergebnisse aus unserer Webdiskussion mit CX- und Marktforschungsexperten im März 2021.5 Exemplarisch formulierte dort Marcus Wegmann, Director CX der BASF, CX und MRX hätten »… ein gemeinsames Ziel: Beide Fraktionen versuchen zu verstehen, was ein Unternehmen für seine Kunden machen muss, um im Markt weiterhin wettbewerbsfähig zu sein.« Dem gemeinsamen Ziel stimmte Kai Stahr (Union Investment) zu. Für ihn gibt es keine genauen Abgrenzungen zwischen CX und MRX. »Ich bin Marktforscher, sehe mich selbst aber auch als CX-Forscher«, so Stahr. Marktforschung sei im Unternehmen oft einfach länger etabliert und stoße somit auf ein klareres Verständnis, während Customer Experience oft mit neuen Themen wie Digitalisierung einhergeht, bei deren Integration sich viele Unternehmen schwertun.« (Müßigmann 2021). Die Unterschiede: »CX misst bei uns den Puls und den Blutdruck, während das Röntgenbild eher durch eine Marktforschung gemacht werden kann«, erklärt Wegmann. Um die Customer Journey zu optimieren, sei man bei BASF auf schnelle Feedbacks angewiesen, welche die CX liefere. Auch bei Samsung komme laut Marcus Neßler die Marktforschung eher in den jährlichen oder quartalsweisen standardisierten Analysen zum Einsatz. Für Ad-hoc-Analysen, die zeitnah geliefert werden müssen, nutze das Unternehmen Tools aus der CX« (Müßigmann 2021).
Vieles spricht dafür, dass CX-Messung in Echtzeit einiges über Bord werfen muss, was der Marktforschung bzw. dem Qualitätsanspruch in der Marktforschung heilig ist. Aber: Wenn Unternehmen steuern wollen, wo man anfangen sollte, das Kundenerlebnis zu verbessern, wo ein positives Kundenerlebnis besonders wichtig ist; wenn wir wissen wollen, wo der Kunde seine Entscheidung trifft, welche Touchpoints für verschiedene Zielgruppen die höchste Bedeutung haben, dann wird die Marktforschung benötigt bzw. deren Instrumente. Dafür reicht ein bisschen Customer Journey Mapping nicht aus. Es kommt hinzu, dass es immer wichtiger wird, die Touchpoint-Qualität zu ermitteln (als Ausgangspunkt für eine positive CX, die z. B. nach der Erlebnisintensität fragt), statt allein auf die Touchpoint-Quantität (als reine Reichweite) abzuzielen.
Aktuell verschmelzen CX und Marktforschung immer mehr – mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Touchpoint Management mit seinen Metriken wird dabei immer stärker zur Steuerung von Vertriebsprozessen (Außenwirkung) und Unternehmensentwicklung (Innenwirkung) genutzt. TPM ist also auch ein Instrument für Veränderungen im Unternehmen geworden: Change-Management in allen Bereichen – um sich erfolgreich am Markt zu behaupten.
Mit den Beiträgen in diesem Buch können wir die Entwicklung unter dem Etikett »Touchpoint Live« dokumentieren. Fast alle Beiträge sind Schilderungen aus dem laufenden Betrieb. Manche stehen noch am Anfang, andere sind schon weiter fortgeschritten. Die unter dem Label »CX« dokumentierten Aktivitäten dienen jedoch vielfach nicht dem komplexen Umbau des Unternehmens zu umfassender Customer Centricity, vielmehr wird der...