Keller / Schneider / Viehöver | Diskurs - Macht - Subjekt | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 266 Seiten, eBook

Reihe: Interdisziplinäre Diskursforschung

Keller / Schneider / Viehöver Diskurs - Macht - Subjekt

Theorie und Empirie von Subjektivierung in der Diskursforschung
2012
ISBN: 978-3-531-93108-1
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

Theorie und Empirie von Subjektivierung in der Diskursforschung

E-Book, Deutsch, 266 Seiten, eBook

Reihe: Interdisziplinäre Diskursforschung

ISBN: 978-3-531-93108-1
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Michel Foucaults umstrittene metaphorische Prophezeiung vom 'Verschwinden des Menschen, wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand' hat - im Zusammenklang mit seiner 'Archäologie des Wissens' - der Diskursforschung die Auszeichnung oder den Vorwurf eingebracht, sie betreibe (nichts als) eine Analyse subjektloser diskursiver Strukturen. Gleichwohl haben die Irritationen, Zustimmungen und Ablehnungen, die von dieser Provokation ausgingen, im Feld der Diskursforschung - in der Tradition von Foucault, aber auch darüber hinausgehend - eine lebhafte, spannende und kontroverse Debatte zur Frage nach dem Subjekt und seiner Einbindung in Diskurse und Machtrelationen angestoßen. Der vorliegende Band präsentiert aktuelle theoretische Positionen und empirische Forschungen: zum Verhältnis von Diskurs und Macht, Subjekt und Akteur, Handeln und Praxis.

Dr. Reiner Keller ist Professor für Soziologie an der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau.
Dr. Werner Schneider ist Professor für Soziologie/Sozialkunde an der Universität Augsburg.
Dr. Willy Viehöver arbeitet am Lehrstuhl für Soziologie der Universität Augsburg.

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Weitere Infos & Material


1;Inhalt;5
2;Theorie und Empirie der Subjektivierung in der Diskursforschung;7
2.1;1 Das Forschungsprogramm Foucaults;11
2.2;Zu den Beiträgen;15
2.3;Literatur;19
3;Abseits des Akteurs-Subjekts;21
3.1;1 Subjekt;21
3.2;2 Mensch;22
3.3;3 Ethik;23
3.4;4 Erkenntnis des Selbst;25
3.5;5 Existenz und wahres Sprechen;26
3.6;6 Parrhesia;28
3.7;7 Handlung;30
3.8;8 Subjektivierung in der Diskursforschung;32
3.9;Literatur;32
4;Nicht Herr im eigenen Hause und doch nicht eines anderen Knecht;34
4.1;1 Freiheit zwischen Macht und Herrschaft;35
4.2;2 Ausdifferenzierung der Existenz: die „Sorge um sich“;40
4.3;3 Selbstbehauptung zwischen Aussage und Artikulation;44
4.4;4 Performativität: Individuen und der Eintritt der Abweichung in der Wiederholung;47
4.5;Literatur;49
5;Subjektivitäten als (inter)diskursive Ereignisse;51
5.1;1 Subjektivitäten als (inter)diskursive Ereignisse;51
5.2;2 Ein Fallbeispiel;59
5.3;Literatur;65
6;Der menschliche Faktor;66
6.1;1 Der Poststrukuralismus und das Gespenst der Freiheit: Über schwierige Verhältnisse von Diskursen und Akteuren4;69
6.1.1;1.1 Zwischen Determination und Freiheit;69
6.1.2;1.2 Selbstdekonstruktion der Signi;71
6.1.3;1.3 Poststrukturalistische Subjekttheorien: Anrufung, Dezentrierung und Widerständigkeit des Subjekts;73
6.1.4;1.4 Grenzen der poststrukturalistischen Philosophie – Erkenntnismöglichkeiten der interpretativen (Wissens-)Soziologie;79
6.2;2 Foucault, Soziologie und Subjekt;84
6.3;3 Vom menschlichen Makel zum menschlichen Faktor: Analytische Konzepte der WDA;89
6.3.1;3.1 Das Bewusstsein als soziale Struktur;92
6.3.2;3.2 Soziale Akteure;94
6.3.3;3.3 Sprecherpositionen;95
6.3.4;3.4 Personal der Diskursproduktion und der Weltintervention;96
6.3.5;3.5 Subjektpositionen;97
6.3.6;3.6 Subjektivierungsweisen – Tatsächliche Subjektivierungen;99
6.4;4 Ausblick;100
6.5;Literatur;101
7;Die Freiheit des Subjekts im Diskurs;105
7.1;1 Einleitung;105
7.2;2 Subjekte und Akteure in der politikwissenschaftlichen Einführungsliteratur;107
7.2.1;2.1 Das Gegenteil des passiven Objekts: ein spezi;108
7.2.2;2.2 Akteure zwischen Handlungsfreiheit und Einbindung in Strukturen;109
7.3;3 Foucault – der Subjektzertrümmerer ?;116
7.4;4 Subjekt und Diskurs – einige systematische Überlegungen15;117
7.4.1;4.1 Gleichursprünglichkeit von Subjekt und Diskurs;118
7.4.2;4.2 Die Freiheit des Subjekts im Diskurs;119
7.4.3;4.3 Temporalität und Kontextualität des Subjekts;122
7.5;5 Schluss;123
7.6;Literatur20;124
8;Der Ruf des Polizisten;127
8.1;1 Konturen des unternehmerischen Selbst;127
8.2;2 Paradoxien der Subjektivierung;128
8.3;3 Figuren der Anrufung;130
8.4;4 Be different !;132
8.5;5 Enthusiasten, Ironiker, Melancholiker;134
8.6;6 Anders anders sein;136
8.7;Literatur;139
9;Das unternehmerische Selbst: Subjektivierungsform oder Subjektivierungsweise ?*;141
9.1;1 Die Erosion der organisierten Moderne und ihrer Kerninstitutionen;143
9.2;2 Das unternehmerische Selbst – eine Begriffsklärung;145
9.3;3 Differenzierung zwischen Subjektformierung und Subjektivierungsweise;147
9.4;4 Die Erforschung eines möglichen Wandels moderner Subjektivierungsweisen;150
9.5;5 Stand der Dinge: Forschungsfragen und Forschungsbefunde;153
9.6;6 Fazit;156
9.7;Literatur;157
10;Äußerungsszene und Subjektivität1;161
10.1;1 Über die „französische Diskursanalyse“;162
10.1.1;1.1 Die zwei Seiten der französischen Diskursanalyse;162
10.1.2;1.2 Verschiedene Haltungen zur Subjektivität;165
10.2;2 Äußerungsszene und Ethos;167
10.2.1;2.1 Die Äußerungsszene;167
10.2.2;2.2 Ethos;169
10.3;3 Aphorisierungen;174
10.4;4 Abschließende Bemerkungen;183
10.5;Literatur;184
11;Narrative Diskurse, personale Identitäten und die ästhetisch-plastische Chirurgie;186
11.1;1 Einleitung;186
11.2;2 Die Körpertechniken der ästhetischen Chirurgieund der Konflikt der Interpretationen;189
11.3;3 Körper und Diskurse;191
11.4;4 Narrative Diskurse, personale Identitäten und die ästhetisch-plastische Chirurgie;197
11.4.1;4.1 Komponenten narrativer Diskurse: Narrativ und Diskurs;198
11.4.2;4.2 Narrative Identitäten, Identität der Erzähl;201
11.4.2.1;4.2.1 Narrative Identität;201
11.4.2.2;4.2.2 Identität der Erzählfigur: der schöne Körper und seine Figurenin den Erzählungen der Ratgeber;204
11.4.2.3;4.2.3 Das refi gurierte Selbst: Aneignungsweisen ästhetisch-chirurgischerKörperpraktiken;211
11.5;5 Das Ethos des schönen Körpers als Quelle der Herrschaft ?;215
11.6;Literatur;219
12;Den Diskurs lernen – Lesarten bilden;223
12.1;Lernen als Bilden von Lesarten;224
12.2;Produktion und Konsumption;225
12.3;Semiotik und rhizomatische Polysemie;227
12.4;Modell-Leser und Rezipient / innen;230
12.5;Diskursive Praktiken;232
12.6;Die Regierung der Lesarten;235
12.7;Produktion und Konsumption;237
12.8;Literatur;237
13;Der Topos der Spiritualität1;240
13.1;1 Überblick;240
13.2;2 Diskurs und Kommunikation;240
13.3;3 Topik;244
13.4;4 Von der alternativen Spiritualität zur populären Spiritualität;246
13.5;5 Die doppelte Subjektivierung;252
13.6;6 Kommunikation und Macht;253
13.7;Literatur;255
14;Autorinnen und Autoren;258


Nicht Herr im eigenen Hause und doch nicht eines anderen Knecht - Individuelle Agency und Existenz in einer pragmatisierten Diskurstheorie  (S. 35-36)

Joachim Renn

Intro: Wo steht das Subjekt ?

Die auf das Werk von Michel Foucault zurückgehende diskurstheoretische Tradition gibt einer alten Geschichte einen anderen Anstrich: Das individuelle Bewusstsein ist nicht Herr im eigenen Hause. Diese Botschaft wird als die nach der heliozentrischen Kosmologie und nach der Evolutionstheorie Darwins dritte dezentrierende Kränkung der humanen Selbsteinschätzung der Freudschen Psychoanalyse zugeschrieben. Das ist mittlerweile die alte Geschichte. Die Diskurstheorie ergänzt diese kränkende Einsicht dadurch, dass sie subjektive Selbstverhältnisse auf den Effekt von Dispositiven und von diskursiven „Subjektivierungen“ zurückführt und damit auch noch die individuelle Autonomie, die das Ziel einer erfolgreichen Psychoanalyse („wo Es war, soll Ich sein“) wäre, als einen historisch voraussetzungsvollen Schein entzaubert (Foucault 1989). Die scheinhafte Autonomie, hinter der sich bestenfalls auferlegte Formen der Selbstdisziplinierung, der verhohlenen Unterwerfung unter ein äußeres Gesetz der Selbstkontrolle verbergen, machen das Bewusstsein auf den ersten Blick vom Herrn über sich selbst zu einem Knecht äußerer Verhältnisse. Aber wessen Knecht soll das „Ich“, das individuelle Selbst, das nur glaubt, über sich zu verfügen, sein, wenn die Macht über das Selbst keiner Person, sondern anonymen Diskursen zukommt, wenn überdies die subtilste wie nachhaltigste Verknechtung in der Form subjektiver Selbstbeherrschung besteht, also in der Delegation an ein Agens, das immerhin agieren muss, um beherrscht zu werden ?

In der jüngeren Diskussion um die Foucaultsche Diskurstheorie sind Vorbehalte gegen die starke Version diskursiver Subjektivierung vernehmbar geworden, die das Misstrauen gegen die Souveränität des „Subjekts“ nicht länger als das letzte Wort der Diskurstheorie gelten lassen wollen; nicht nur hat sich der Fokus der Arbeiten Foucaults von der Disziplinar- zur „Pastoralmacht“ fortbewegt, sondern neuere Diskurstheorien weben Fäden der Aufmerksamkeit für die kontrolltranszendenten Praktiken und Spielräume der Personen in den Text der Machtanalytik ein.

Die folgenden Überlegungen untersuchen die Implikationen der gegenwärtig viel diskutierten Stichworte der „Performativität“, des „postsouveränen Subjekts“ und der „resigni &##1048767; zierenden Praktiken“ (etwa Butler 1998; de Certeau 1988) aus der Perspektive einer pragmatisierten Diskurstheorie. Eine solche Diskurstheorie rechnet auf der Basis handlungstheoretischer Motive des amerikanischen Pragmatismus bei der Analyse diskursiver Ereignisse die Abhängigkeit diskursiver „Ordnung“ von der Ebene des „Vollzuges“ stärker ein als es die gängigen Lesarten der Diskurstheorie als einer „post-subjektivistischen“ Kon zeption erlauben wollen. Der Vollzug von Diskursen mag dabei selbst wieder auf anonyme Sequenzformate wie „Praktiken“ zugerechnet werden; das subjektive Moment der Intentionalität muss aber in pragmatistischer Lesart notwendig schon von vornherein wirksam (nicht unbedingt: seiner selbst gewiss) sein, bevor es durch Diskurse „erzeugt“ bzw. suggeriert wird, ohne dass dabei souveräne Subjekte, Akteure oder Sprecher frei von Abhängigkeiten unterstellt werden müssten. Wenn das Verhältnis zwischen Diskurs und Bewusstsein (Renn 2005) als eine „Übersetzung“ zwischen diskursiven Formaten und intentionalen Vollzügen einer mehrdimensionalen „Selbstbehauptung“ betrachtet werden kann, dann stellt sich die Konstellation zwischen Diskurs und empirischen Subjekten anders dar, als es das etablierte Konzept der „Subjektivierung“ vermuten lässt. Aus einer konstitutionstheoretischen Einbahnstrasse wird ein dynamisches, als solches aber noch weitgehend ungeklärtes Verhältnis.

Die diskurstheoretische Frage nach dem Bewusstsein berührt unter der Voraussetzung einer entsprechenden Akzentverschiebung die eher soziologische Diskussion über das Verhältnis zwischen Struktur und Akteur oder auch „agency“ (Archer 1988). In beiden Traditionen – in der Foucaultschen wie in den Debatten über die „Dualität“ der Struktur (Giddens 1995, 1997; vgl. Joas 1997) – wird allerdings noch immer als Kontrastbild und Kritikadressat ein rationalistisches Modell des agierenden Subjektes und seines (vorzugsweise propositional strukturierten) Bewusstseins mitgeschleppt. Genau daraus folgt häu&##1048767; g der Zwang, die Konstitutionsrichtung einfach umzukehren und „Subjekte“ zu bloßen Effekten zu verdünnen.

Im Gegensatz zu einer solchen statischen Konfrontation zwischen Diskurs und Subjekt führt die Rekonstruktion der performativen Gestalt personaler Identität zur Analyse spezifischer „Übersetzungsverhältnisse“ zwischen Intentionalität, Existenz und diskursiver Forma tion. Diese in den folgenden Passagen angedeutete Rekonstruktion ist hier weitgehend als Lektüre der Foucaultschen „Subjekt-Theorie“ angelegt, gestützt auf die Vermutung, dass eine „pragmatisierte“ Diskurstheorie keineswegs gegen die Intuition und die systematische Botschaft Foucaults formuliert werden muss, sondern sich im Gegenteil auf eine geradezu recht verstandene Foucaultsche Machtanalyse berufen darf, sofern diese selbst – weitgehend unbemerkt und häufig vom Autor widersprochen – innerhalb der post-ontologischen Theorielandschaft in der Tat existentialistische Motive am Leben erhält.


Dr. Reiner Keller ist Professor für Soziologie an der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau. Dr. Werner Schneider ist Professor für Soziologie/Sozialkunde an der Universität Augsburg. Dr. Willy Viehöver arbeitet am Lehrstuhl für Soziologie der Universität Augsburg.



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