E-Book, Deutsch, 239 Seiten, eBook
König Simulation und Visualisierung der Dynamik räumlicher Prozesse
2010
ISBN: 978-3-531-92270-6
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Wechselwirkungen zwischen baulichen Strukturen und sozialräumlicher Organisation städtischer Gesellschaften
E-Book, Deutsch, 239 Seiten, eBook
Reihe: Computersimulationen in den Sozialwissenschaften
ISBN: 978-3-531-92270-6
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Seit längerem und mit wachsendem Nachdruck wird für die Raumplanung ein Übergang vom Denken in Zuständen zu einem Denken in Prozessen gefordert. Die Eigendynamik der Gesellschaftsprozesse und das Phänomen der allgemeinen Beschleunigung lassen es immer abwegiger erscheinen, dass die räumliche P- nung an der Gewohnheit festhält, ihren Gegenstand durch die einfache Geg- überstellung eines momentanen Ist-Zustandes und eines künftigen Soll- Zustandes zu repräsentieren. Der räumliche und der zeitliche Bezug sind für die Raumplanung von gleich wesentlicher Bedeutung. Es kann nicht dabei bleiben, dass der grundsätzlich prozessuale Charakter des Gebildes 'Stadt' und dessen grundsätzlich dynamische Natur vernachlässigt werden. Allerdings erweist sich der Übergang vom Denken in Zuständen zum D- ken in Prozessen nun eben auch schwieriger als erwartet. Die Einbeziehung der zeitlichen Dimension multipliziert die Zustände, die es zu betrachten gilt, Sie bringt es mit sich, dass die Komplexität der Beschreibung förmlich explodiert. Diese Zunahme der Komplexität ist kontraproduktiv, denn wir können die Wi- lichkeit nur im Rahmen unserer kognitiven Möglichkeiten fassen. Wir können nur planen, wenn wir die überkomplexe Wirklichkeit durch Modelle beschr- ben, die wir intellektuell durchschauen. Deshalb gilt der Grundsatz, dass wir entweder einfache oder gar keine brauchbaren Modelle haben.
Dr. Reinhard König ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Informatik in der Architektur an der Bauhaus-Universität Weimar.
Zielgruppe
Research
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Geleitwort;6
2;Danksagung;8
3;Inhalt;9
4;Abbildungen;13
5;Tabellen;16
6;1 Einleitung;17
6.1;1.1 Fragestellungen;19
6.2;1.2 Aufbau der Arbeit;20
7;2 Theorien und Methoden;22
7.1;2.1 Die Stadt als komplexes System;22
7.2;2.2 Die Anfänge urbaner Modellierung;26
7.3;2.3 Lees Kritik umfassender urbaner Modelle;27
7.4;2.4 Dokumentation und mathematische Modellierung;29
7.5;2.5 Grundstruktur der Simulationsmodelle;30
7.5.1;2.5.1 Multi-Agenten-Systeme (MAS);33
7.5.2;2.5.2 Zelluläre Automaten (ZA);34
7.6;2.6 Graphen und Netzwerke;37
7.7;2.7 Relevante Algorithmen;38
7.7.1;2.7.1 Diffusion;39
7.7.2;2.7.2 Hill-Climbing;39
7.7.3;2.7.3 Roulette-Wheel;40
7.7.4;2.7.4 Random-Walk;41
7.7.5;2.7.5 Doppelt verkettete Liste;41
7.7.6;2.7.6 A-Stern-Algorithmus;42
7.7.7;2.7.7 Genetischer Algorithmus;43
7.8;2.8 Messverfahren;45
7.8.1;2.8.1 Konnektivität;46
7.8.2;2.8.2 Fraktale Dimension;46
7.8.3;2.8.3 Rang-Größen-Regel;47
7.8.4;2.8.4 Dissimilaritätsund Segregationsindex;48
7.9;2.9 Statistische Kennwerte;49
8;3 Wege, Graphen und Verkehr;51
8.1;3.1 Gravitationsmodell;52
8.2;3.2 Agentenbasiertes Interaktionsmodell;53
8.3;3.3 Generatives Erschließungssystem;56
8.3.1;3.3.1 Selbstorganisation bei Wegesystemen;58
8.3.2;3.3.2 Quellen und Ziele der Bewegungen;60
8.3.3;3.3.3 Optimale Wegesysteme;62
8.4;3.4 Erschließungsgraph und Verkehrsmodell;64
8.4.1;3.4.1 Generieren eines Erschließungsgraphen;65
8.4.2;3.4.2 Wegenutzung und das Finden kürzester Pfade;68
8.4.3;3.4.3 Verkehrsaufkommen;69
8.4.4;3.4.4 Erweiterter Erschließungsgraph;72
8.5;3.5 Zusammenfassung und Ausblick;75
9;4 Bodenmarkt und Standortwahl;77
9.1;4.1 Grundlegende Modelle;79
9.1.1;4.1.1 Zentralität und zentrale Orte;79
9.1.2;4.1.2 Die Thünenschen Ringe;81
9.1.3;4.1.3 Verhandlungsmodell für die Landnutzung nach v. Thünen;82
9.1.4;4.1.4 Alonsos Modell der Standortwahl für Betriebe;85
9.1.5;4.1.5 Skalenerträge;87
9.2;4.2 Selbstorganisation bei der Standortwahl;90
9.2.1;4.2.1 Separation durch Standortpräferenzen;90
9.2.2;4.2.2 Dynamische Entwicklung verschiedener Flächennutzungen;92
9.3;4.3 Umwelteinflüsse auf den Bodenmarkt;99
9.4;4.4 Zusammenfassung, Diskussion und Ausblick;100
10;5 Residentielle Segregation;102
10.1;5.1 Kulturanthropologischer Hintergrund;103
10.2;5.2 Grundlegendes Modell;105
10.2.1;5.2.1 Segregation durch Standortwahl;107
10.2.2;5.2.2 Segregation durch Eigenschaftsanpassung;108
10.3;5.3 Sensitivitätsanalyse;110
10.3.1;5.3.1 Der Toleranzschwellenwert;111
10.3.2;5.3.2 Die Nachbarschaftsgröße k;112
10.3.3;5.3.3 Die Dichte – Anzahl Agenten NA;113
10.4;5.4 Phasenübergänge;116
10.5;5.5 Mietpreisdynamik;120
10.6;5.6 Konkurrenz um zentrale Orte;127
10.7;5.7 Interaktionsmodell Standortwahl und Skalenerträge;129
10.8;5.8 Wirkung von Straßen auf die Segregation;130
10.9;5.9 Modell Circle City;135
10.9.1;5.9.1 Nachbarschaftsdefinition über Erschließung;136
10.9.2;5.9.2 Modellbeschreibung;137
10.9.3;5.9.3 Kritische Bereiche;141
10.10;5.10 Effekte verschiedener baulicher Strukturen;145
10.10.1;5.10.1 Anzahl der Straßen Ns;146
10.10.2;5.10.2 Anzahl Häuser pro Straße Nh;150
10.10.3;5.10.3 Anzahl der Wohnungen pro Haus Nf;152
10.10.4;5.10.4 Gewichtung der Straßen &s;155
10.10.5;5.10.5 Gewichtung der Häuser &h;161
10.10.6;5.10.6 Analyse der Verknüpftheit des Wegenetzes;166
10.11;5.11 Diskussion;166
10.12;5.12 Zusammenfassung;169
11;6 Wachstumsmodell urbaner Strukturen;170
11.1;6.1 Stand der Forschung;172
11.2;6.2 Stadtentwicklungstheorie;175
11.3;6.3 Bausteine der Simulation;177
11.4;6.4 Flächenentwicklung;177
11.4.1;6.4.1 Cluster-Modell;179
11.4.2;6.4.2 Vernetzer-Modell;180
11.4.3;6.4.3 Zufallswert 0;182
11.4.4;6.4.4 Zentripetale und zentrifugale Kräfte;182
11.5;6.5 Bebauungsstruktur;184
11.6;6.6 Beispiele;187
11.6.1;6.6.1 Cluster-Typ;187
11.6.2;6.6.2 Vernetzer-Typ;190
11.6.3;6.6.3 Bebauungsstrukturen;192
11.7;6.7 Analysen;194
11.7.1;6.7.1 Analyse der Flächenentwicklung;197
11.7.2;6.7.2 Analyse der Bebauungsstruktur;199
11.8;6.8 Diskussion;202
11.9;6.9 Zusammenfassung;205
12;7 Bewertung und Ausblick;207
12.1;7.1 Zusammenfassung;207
12.2;7.2 Validierung der Modelle & Grenzen der Methode;215
12.3;7.3 Datenverfügbarkeit;217
12.4;7.4 Fachlicher Nutzen & mögliche Anwendungen;219
13;Formale Konventionen;222
14;Literatur;224
Theorien und Methoden.- Wege, Graphen und Verkehr.- Bodenmarkt und Standortwahl.- Residentielle Segregation.- Wachstumsmodell urbaner Strukturen.- Bewertung und Ausblick.
6 Wachstumsmodell urbaner Strukturen (S. 175-176)
“Perhaps one day people will interpret the question ‚Can you explain it?’ as asking ‚Can you grow it?’”.
(J. M. Epstein und R. Axtell 1996: 20)
Für die Beschreibung der Entwicklung von Siedlungsflächen existieren bereits gut ausgearbeitete Modelle (vgl. 6.1). Allerdings wurde den Wechselwirkungen zwischen Siedlungsausbreitung und Erschließungssystem sowie der Integration feingliedriger innerstädtischer Strukturen bisher wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Im Folgenden stellen wir eine Methode vor, die auf einem Dielectric Breakdown Modell in Verbindung mit einem Zellulären Automaten beruht und zur Generierung detaillierter städtischer Strukturen herangezogen werden kann. Durch die Verwendung eines Potentialfelds (2.7.1), welches die Besiedlungsdichte in der Nachbarschaft angibt, kann die Standortwahl unter Berücksichtigung individueller Zentralitätspräferenzen simuliert werden (Abbildung 84).
Nach der Darstellung des Stands der Forschung (6.1) und der Stadtentwicklungstheorie (6.2) steht eine Auseinandersetzung mit der wechselseitigen Abhängigkeit vom Wegesystem und Flächenentwicklung (6.4). Die Verwendung des Modells zur Generierung eines Erschließungsgraphen (3.4.1) erlaubt die präzise Steuerung der Vernetzung des Erschließungssystems, dessen Erweiterung von der Siedlungsstruktur abhängt.
Ausgehend von den generierten Siedlungsflächen wird eine weitere Differenzierung vorgenommen, welche mittels der spezifischen Regeln eines Zellulären Automaten die kleinmaßstäbliche Bebauungsstruktur definiert (6.5). Auf Grundlage der theoretischen Modelle finden sich in Abschnitt 6.6 Beispiele für generierte Strukturen, die in Abschnitt 6.7 anhand verschiedener Kennwerte analysiert und miteinander verglichen werden. Abschließend wird reflektiert, welche theoretischen Einsichten zur Dynamik von Stadtentwicklungsprozessen durch das Modell gefördert werden können (6.8).
Die meisten Modelle, welche sich mit urbanen Strukturen befassen, gehen auf Theorien der Wirtschaftsgeographie zurück (M. Fujita und J.-F. Thiesse 2002) und beruhen auf einem Maßstab, der nicht bis zum gebauten architektonischen Raum herabreicht. Die Stadtökonomie, welche die stadtgeographische Theoriebildung in weiten Teilen dominiert, betrachtet die Stadt aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive. Aus wirtschaftsgeographischer Sicht werden Siedlungsstrukturen auf der regionalen Ebene als Resultat komplexer Interaktionen individueller, ökonomischer und ökologischer Faktoren erklärt.
Bisher publizierte generative Modelle suchen also in erster Linie nach Erklärungen für Prozesse auf gesamtstädtischer oder regionaler Ebene und behandeln daher Entwicklungsprozesse auf einem relativ hoch aggregierten Maßstab (M. Batty und Y. Xie 1994, L. Benguigui 1995, F. Schweitzer und J. Steinbrink 2002, R. White und G. Engelen 1993).




