Leuthner | Maslaukes Transformation | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 180 Seiten

Leuthner Maslaukes Transformation

Kurzgeschichten
2. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7534-3006-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kurzgeschichten

E-Book, Deutsch, 180 Seiten

ISBN: 978-3-7534-3006-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Hier geht es um das Suchen. Fast alle Menschen suchen. Manche nur nach einem Puzzle-Stein oder andere nach einem neuen Weg (dem richtigen?). Manche suchen nach einer Erklärung oder nach Zusammenhängen. Es gibt auch welche, die nach Erleuchtung suchen. Finden ist möglich. Aber wenn es kein Zufallsfund ist, ist man in der Regel lange unterwegs. In dem vorliegenden Bändchen sind Geschichten aus fast zwanzig Jahren versammelt. Fast alle beschäftigen sich mit dem Unterwegssein, also auch mit dem Suchen.

Werner Leuthner ist 1942 in München geboren und dort aufgewachsen. Er durchlief drei Ausbildungsstufen: zum Maschinenschlosser, zum Wirtschaftsingenieur und zum Diplompädagogen (Schwerpunkt: außerschulische Jugend- und Erwachsenenbildung). Sein Berufsleben verbrachte er bei Krauss-Maffei in München-Allach, Siemens in München und dann in der Stadtverwaltung Villingen-Schwenningen. (VHS, Ausbildungswesen, Personalrat). Die letzten zehn Jahre war er als Studienberater in einer Außenstelle der FernUniversität Hagen tätig. Diese Tätigkeiten ermöglichten ihm einen breiten Einblick in die Lebensumstände der verschiedensten Menschen. Richtig zu schreiben begonnen hat er mit seinem Renteneintritt 2002. An der Schreibwerkstatt in Villingen-Schwenningen und in der Schreibwerkstatt an der PH-Freiburg hat er Austausch und Anregung gefunden. Im vorliegenden Band sind 35 seiner Kurzgeschichten versammelt, gegliedert in die Sparten Beziehungen, Gesellschaft, Komisch, Krimi und Mysteriös. Im Schluss geht es um das Wesen der Kurzgeschichte.

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5.
Adieu,
mon Amour
Missmutig kramte Winfried Starol in dem Trog mit den Socken- Sonderangeboten: jeweils im Fünferpack, preislich günstig, aber mit hässlichen Mustern oder so hohem Kunststoffanteil, dass er allein beim Befühlen schon Widerwillen verspürte. Er wandte sich wieder dem Ständer mit den Markensocken zu und ärgerte sich hier über Preise von 12 oder mehr Euro pro Paar. So wechselte er mehrfach unentschlossen zwischen dem Trog und dem Ständer hin und her. Durch einen heftigen Wortwechsel an der Rolltreppe abwärts wurde er abgelenkt: offensichtlich hatte ein Jugendlicher überholen wollen und dabei eine ältere, dicke Frau angerempelt. Diese hatte den Jugendlichen an seinem Parka gepackt und hielt ihm nun eine Standpauke. Da die beiden den Zugang zur Rolltreppe blockierten, kam es zum Stau. Schon sechs oder sieben weitere Kaufhausbesucher warteten ungeduldig, einige schimpften. Winfried musterte die kleine Ansammlung, als er einen Stich verspürte: die etwa 55-jährige Frau, die er von der Seite sah, kam ihm bekannt vor. Sofort wusste er, wem sie ähnlich sah: sie sah aus wie Massoudeh, seine studentische Freundin und Geliebte vor langen Jahren. Natürlich nicht wie die 22-jährige Massoudeh von damals, sondern entsprechend älter. Immer wieder hatte er an sie gedacht… Winfried warf das Sockenbündel, das er in der Hand hielt, auf den Wühltisch zurück und hastete auf die Gruppe an der Rolltreppe zu. Sein Blick fraß sich geradezu in der Frau fest: die leicht gelockten, dunklen Haare, inzwischen mit einem grauen Schimmer, der dunkle Teint, die elegante Erscheinung… so musste die älter gewordenen Massoudeh aussehen, es musste sie sein. Die Frau war inzwischen auf Winfried aufmerksam geworden, der sie so ungeniert anstarrte. Sie hielt seinem Blick stand, aber schüttelte dabei missbilligend den Kopf. Inzwischen hatte die Dicke den Jungen freigegeben und dieser rannte die fahrenden Stufen hinunter. Ohne Pfropf löste sich der Stau schnell auf. Auch Massoudeh drehte sich um und betrat die Rolltreppe. Winfried war blockiert. Als sie schon nicht mehr zu sehen war, brach es laut krächzend aus ihm heraus: »Massoudeh«. Einige Kunden sahen ihn verwundert an. Da löste sich seine Lähmung, er eilte zum Zugang und drängte sich von der Seite an den Wartenden vorbei auf die Rolltreppe. »Rücksichtslos« und ähnliche Ausrufe hörte er hinter sich, die er nicht beachtete. Wie der Jugendliche vor ihm, lief er die fahrende Treppe hinunter, allerdings nicht ohne seine Hände auf den dicken Gummibändern entlang gleiten zu lassen, die mit der Treppe laufen und so einen Halt geben. Im Stockwerk darunter hielt er kurz inne und suchte die nähere Umgebung ab. Da er Massoudeh nicht erdeckte, rannte er zur Rückseite der Treppenanlage, um die nächste, nach unten führende Rolltreppe zu erreichen. Erst im Erdgeschoss entdeckte Winfried sie; sie strebte dem Ausgang zu. »Massoudeh« brüllte er, viele der Kaufhausbesucher sahen sich nach ihm um, auch sie und als sie ihn geradewegs auf sich zulaufen sah, blieb sie stehen. »Sie müssen mich mit jemandem verwechseln«, sagte sie zu Winfried in akzentfreiem Deutsch, als er sie erreichte »oder stehen sie auf ausländisch aussehende Frauen und das ist ihre besondere Art der Anmache?« »Nein. Ganz bestimmt nicht!« Und nach einer kurzen Pause fuhr Winfried fort: »Sie sind Massoudeh Tabalani, geboren in Meshed im Norden vom Iran, Sie lebten in Teheran, bevor Sie in München ihr Studium aufnahmen. Dort an der Uni, an den pädagogischen Instituten lernten wir uns kennen, später sogar gut kennen. Ich war damals Assistent am Lehrstuhl für Empirische Pädagogik – ich bin Winfried.« Winfried sah sie erwartungsvoll an. »Wir stören hier die Passanten, treten wir zur Seite!« »Wollen wir uns nicht in ein Café setzen?« schob Winfried nach. »Gut, Ihre Geschichte klingt interessant – das nächste Café ist das hier im 6. Stock dieses Kaufhauses. Wir nehmen den Lift!« Massoudeh ging voraus. Sie bewegten sich mühsam dem Strom von Menschen entgegen, die dem Ausgang zustrebten, an der Information vorbei, bis sie seitlich abbiegen konnten zum Lift. Im Lift sprachen sie kein Wort miteinander. Winfried kamen Zweifel – vielleicht hatte er sich doch geirrt und eine Doppelgängerin angesprochen. Oben im Café angekommen, knöpfte Massoudeh ihren Mantel auf und setzte sich an den nächsten freien Tisch. Sogar ihr Handtäschchen behielt sie umgehängt. Winfried wickelte umständlich seinen langen roten Schal ab, schlüpfte aus seinem dunklen Mantel und legte beides auf den freien Stuhl. Mit einem Seufzen nahm er Platz. Sie sahen sich beide an. Sie bestellte ein Tässchen Mokka und er ein kleines Bier. Sie unterbrach das Schweigen: »Nun, erzählen Sie weiter! Was war dann mit der jungen Iranerin, die sie Massoudeh nennen?« Winfried antwortete ganz verstört: »Sie müssen es doch wissen. Sie sind doch Massoudeh, oder? Du« und das ›Du‹ betonte er besonders, »bist doch Massoudeh!« Als sie nicht darauf reagierte, fuhr er nach einer Pause fort: »Du bist doch schon als 16-Jährige verheiratet worden. Deine Eltern und Deine künftigen Schwiegereltern hatten die Ehe arrangiert. Im Nachhinein hattest Du diese Verbindung mit dem Ausspruch ›Geld zu Geld‹ beschrieben. Aufgrund der gutsituierten und westlich orientierten Familie konntest Du auch als junge Ehefrau Dein Abitur machen und am Goethe-Institut Deutsch lernen. Mit neunzehn Jahren – so hast Du es mir erzählt und ich kann mich an all das genau erinnern – brach diese Deine kinderlos gebliebene Ehe auseinander. Du gingst wieder zu Deinen Eltern zurück und hast Dich mit dem Alphabetisierungsprogramm des Schahs in ländlichen Regionen beschäftigt. Als Du zwanzig Jahre alt geworden warst, hattest Du Deinen Eltern ein Studium im Ausland abgetrotzt. Und so bist Du nach München gekommen…« Während seines Erzählens war sich Winfried wieder sicher geworden: diese Gesichtszüge – es musste Massoudeh sein. Außerdem, wer würde sich sonst schon so eine Geschichte anhören? Gut sah sie aus: unter dem Mantel trug sie einen dunkelgrauen Hosenanzug mit dünnen weißen Streifen und eine dunkelrote Bluse mit einem weiten Kragen, der über dem Kragen ihres Jacketts lag. Gelegentlich spielte sie mit dem Ring, der am Mittelfinger ihrer linken Hand steckte. Der Ring hielt einen großen, rechteckig geschliffenen und violetten Stein. Er erinnerte sich an ihre Vorliebe für Amethyst. Massoudeh bemerkte, wie er sie musterte. »Wie ging es dann an der Uni in München weiter?« Winfried räusperte sich. »Du warst eine sehr strebsame Studentin. Du wolltest viel über Erwachsenenbildung in Deutschland, besonders über berufliche Weiterbildung wissen und da ich zu diesem Thema ein Seminar abhielt, kamen wir in Kontakt. Mir hat Deine Zielstrebigkeit imponiert, anfangs habe ich nur die Studentin in Dir gesehen und auf einmal auch die Frau, die gutaussehende, exotische Frau. Dir ist der Wandel in meiner Wahrnehmung aufgefallen und Dich hat mein Dilemma sehr amüsiert. Mir ist es schwergefallen, aber ich habe Dich weiter freundlich und hilfsbereit, aber distanziert behandelt. Da hast Du mich mal zu Dir in Deine Studentenbude in die Nederlinger Straße eingeladen. Zuerst wollte ich Dir Blumen mitbringen, habe es dann doch bleiben lassen. Ich sollte Deine Seminararbeit Korrektur lesen. Wir saßen beide auf der Couch nebeneinander. Dann passierte es, aber die Initiative ging von Dir aus, was mich ganz verwirrte…« Winfried blickte prüfend in Massoudehs Gesicht, konnte aber keine Regung erkennen. »Von da an waren wir ein Liebespaar. Am Institut musste ich meinen Umgang mit Dir verbergen, Du weißt schon, intim mit jemandem Abhängigen zu sein – es hätte auch Dir geschadet, wenn es herausgekommen wäre. Dir wären Leistungsnachweise aberkannt worden. Ja, so war das damals. Trotz unseres Verhältnisses hast Du Dein Studium nie vernachlässigt und ich war immer wieder mal eifersüchtig auf die Nummer ›Eins‹ in Deinem Leben, Dein Studium. Deshalb hast Du auch unsere Kontakte rationiert, wir haben uns privat selten mehr als einmal pro Woche getroffen.« »Sie fühlten sich zurückgesetzt?« unterbrach ihn Massoudeh. »Ja, ich glaube, ich war damals sehr abhängig von Dir, von meiner exotischen Droge. Kannst Du Dich an das wackelige Bett in Deiner Studentenbude erinnern: einmal ist der Rost so auf den seitlichen Auflagen des Rahmens verrutscht, dass er mit der Matratze und uns oben drauf zu Boden krachte und zwar auf meiner Seite. Ich war unten eingeklemmt und Du lagst auf mir. Nach zwei Schrecksekunden hast Du losgeprustet vor Lachen und wolltest damit gar nicht mehr aufhören. Und ich habe inständig gehofft, dass Deine Vermieterin nicht zu uns hochkommt, um nachzusehen… Knappe zwei Jahre waren wir so zusammen und plötzlich warst Du weg. »Plötzlich weg?« »Ja, Deine Vermieterin sagte mir, Du habest gekündigt und seiest noch am gleichen Tag verreist oder weggezogen,...



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