E-Book, Deutsch, Band 34, 516 Seiten
Reihe: edition pace
Mühsam / Bürger Das große Morden
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8192-7128-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Texte gegen Militarismus und Krieg
E-Book, Deutsch, Band 34, 516 Seiten
Reihe: edition pace
ISBN: 978-3-8192-7128-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Erich Kurt Mühsam (geboren am 6. April 1878 in Berlin; ermordet am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg): Anarchist, Dichter, Publizist und Antimilitarist. "Als Sohn eines jüdischen Apothekerehepaars in Berlin geboren, betätigte sich Erich Mühsam ab 1901 als freier Schriftsteller und Literat" (anarchismus.at). "Als politischer Aktivist war er 1919 maßgeblich an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt, wofür er zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt wurde, aus der er nach 5 Jahren im Rahmen einer Amnestie freikam. In der Weimarer Republik setzte er sich vorübergehend in der Roten Hilfe für die Freilassung politischer Gefangener ein. Seine politische Heimat fand er seit Mitte der 1920er Jahre in der 'Anarchistischen Vereinigung'. - In der Nacht des Reichstagsbrandes wurde er von Nationalsozialisten verhaftet, und am 10. Juli 1934 wurde er von der SS-Wachmannschaft des KZ Oranienburg ermordet" (wikipedia.org; 15.05.2025). Mühsam war befreundet u.a. mit Gustav Landauer (ermordet 1919), Heinrich Mann, Frank Wedekind und Lion Feuchtwanger. Er gab die Zeitschriften "Kain" (1911-1914, 1918/19) und "Fanal" (1926-1931) heraus. Seine streitbaren Texte wider Militarismus und Krieg finden sich in Lyrik-Bänden, den politischen Essays, Tagebuchaufzeichnungen, der Schrift "Abrechnung" (1916/17) und dem unvollendeten Roman "Ein Mann des Volkes" (1921-1923).
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
„Wir töten, wie man uns befahl, …
für Vaterland und Kapital,
für Kaiser und Profit“
Gedichte gegen Krieg und Knechtung
O WELCHE LUST, SOLDAT ZU SEIN
1903
Soldat sein heißt: Zu jeder Zeit
an gottgefällig reinem Leben
an Sitte und Gehorsamkeit
der Welt ein gutes Beispiel geben;
und unbedingt muß weit und breit
die Stimme man zum Lob erheben,
wenn man vernimmt, was Preußens Staat
für prächtige Soldaten hat.
Ein jeder Knopf ist blank geputzt,
ein jedes Beinkleid stramm gefaltet,
ein jeder Schnurrbart forsch gestutzt –
das kommt nur, weil so schneidig waltet
der Vorgesetzte, wenn beschmutzt
er einen Rock sieht und veraltet.
In diesem Fall steht’s bombenfest:
Der Übeltäter kriegt Arrest!
Denn der Herr Hauptmann ist gewillt,
daß tadellos sei seine Truppe.
Ist’s nicht der Fall, der Zorn ihm schwillt.
Die Füsilier genannte Puppe
sei darum unentwegt gedrillt
wie es geschieht, das ist ihm schnuppe,
dafür weiß ja der Herr Sergeant
manch Mittel, das sonst unbekannt.
Der Große, Warnecke und Kisch,
die Hüssener und andre Leute,
die zeigten uns, wie jugendfrisch
der Militärgeist ist von heute.
Was jüngst an der Gerichte Tisch
Verhandelt ward – wen das nicht freute,
dem fehlt der rechte Sinn und Geist
für das, was Schneid und Ehre heißt.
Was liegt an einem Magenpuff,
an einem Stoß der Degenscheide?
Was liegt daran, trifft dich ein Puff
In eine Lende oder beide?
Und wenn auch wirklich wer im Suff
Durchpikt dir deine Eingeweide –
so wolln wir doch begeistert schrein:
O welche Lust, Soldat zu sein!
D | Der Wahre Jacob, 28. Juli 1903.
DER FRIEDLICHE MICHEL
1904
Hört man nicht in allen Reden
feierlich den Krieg befehden?
Und besonders bei Visiten
an den Höfen fremder Fürsten –
fühlt man in den Redeblüten
nicht die Welt nach Frieden dürsten?
Stets gebärdet Michel sich
ringsherum freundnachbarlich.
Ja, das Deutsche Reich entschieden
ist beflissen auf den Frieden.
Doch – wenn die Hereros wollen
nicht gehorchen bis aufs Jota,
sie die Frechheit büßen sollen,
und man schickt den Herrn von Trotha!
Dennoch aber sag’ ich euch:
Friede sinnt das Deutsche Reich!
Ja, der Kriegsgott liegt am Bändel,
und wir suchen nirgends Händel.
Dieses ward jüngst in Saarbrücken,
in Karlsruh’ und Mainz gepredigt,
und wir sehn, wie mit Entzücken
alles friedlich sich erledigt.
Kriegsschiff und Kanone ruht –
wenn der Andre uns nichts tut!
Doch, da haben wir den Haken!
Unterm weißen Friedenslaken
schlummern so geheime Kräfte,
wo wir niemals wissen können,
ob man nicht als Flintenschäfte
sie wird eines Tags erkennen. – –
Drum, ob man auch milde spricht –
Ich – trau diesem Frieden nicht!
D | Der Wahre Jacob, 14. Juni 1904.
ICH BIN EIN PILGER …
1904
Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt;
der Feuer sieht und weiß nicht, wo es brennt;
vor dem die Welt in fremde Sonnen rennt.
Ich bin ein Träumer, den ein Lichtschein narrt;
der in dem Sonnenstrahl nach Golde scharrt;
der das Erwachen flieht, auf das er harrt.
Ich bin ein Stern, der seinen Gott erhellt;
der seinen Glanz in dunkle Seelen stellt;
der einst in fahle Ewigkeiten fällt.
Ich bin ein Wasser, das nie mündend fließt;
das tauentströmt in Wolken sich ergießt;
das küßt und fortschwemmt weint und froh genießt.
Wo ist, der meines Wesens Namen nennt?
Der meine Welt von meiner Sehnsucht trennt?
Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt.
D | Das literarische Echo, Heft vom 1.12.1904, S. 336.
WEIHNACHTSBETRACHTUNG
1904
In Asien liegen in dichtem Knäuel
Bluttriefend erschlagene Leichen.
Das sind des Krieges furchtbare Gräuel,
Die täglich tausende bleichen.
In Afrika bringen die Weißen Kultur
Mit Feuer und Schwert dem Herero,
Es lastet Entsetzen auf weiter Flur
Der Deutsche wütet gleich Nero.
In Rußland mordet im eignen Land
Die Knute die freien Geister,
Und eh’ nicht dem Volk der Befreier erstand,
Wird keiner der Schrecknisse Meister.
In Innsbruck schlagen einander tot
Die haßerfüllten Nationen,
Die ganze Welt erbebt in Not
Und Angst vor Kruppschen Kanonen.
So treten wir unter den Weihnachtsbaum
– Sofern wir einen haben! –
Denn vielen bleibt ein frommer Traum
Das Fest mit seinen Gaben.
Und mancher steht am Straßenrand
Von aller Welt verlassen
Und blickt auf der Reichen Lichterstand –
Und ins Herz zieht ihm grimmiges Hassen.
Indeß bei Gebet und Litanei
Die Kirchenglocken erschallen;
Man predigt, daß Frieden auf Erden sei
Und den Menschen ein Wohlgefallen!
D | Der Wahre Jakob, 13.12.1904 (Zweite Beilage).
ZUM NEUEN JAHRE!
1905
Mit großen Worten und Waffenklirren,
so zieht das neue Jahr herauf.
Die ganze Welt voll banger Wirren.
Was birgt der nächsten Zeiten Lauf?
Gelingt’s, den Frieden zu erhalten?
Er hängt an einem Seidenhaar!
Glückt’s, sich der herrschenden Gewalten
zu wehren gegen die Gefahr?
Denn sie, die nur die Köpfe zählen,
die als Kanonenfutter gut,
sie scheun sich nicht, den Krieg zu wählen,
sie wägen nicht des Volkes Blut.
Es ist des Volkes eigne Sache,
besorgt auf seiner Hut zu sein.
Das Proletariat halt Wache!
Im eignen Land – die Wacht am Rhein!
Der Feind wohnt nicht im Nachbarlande;
der Feind heißt Ausbeutung und Not!
Krieg gilt es gegen Knechtschaftsbande,
Krieg gilt für Freiheit es und Brot!
Trotz grauer Winternebelflocken –
auch uns scheint einst die Sonne klar!
Drum: Schwert geschliffen! Pulver trocken!
Und dann: Glück auf zum neuen Jahr!
D | Der Wahre Jacob, 27. Dezember 1905.
KAIN
April 1911
Eure geballten Fäuste schrecken mich nicht,
noch eure strengen, satzunggebundenen Ruten.
Ihr – ich erkenn es – seid die Gerechten und Guten,
und nur euch strahlt lächelnd das Sonnenlicht.
Speit mich an! Verachtet mich! Werft mich mit Steinen!
Zeigt euern Kindern mein häßliches Gottesmal!
Lehrt sie, daß ich ihn erschlug, den vortrefflichen Abel,
meinen Bruder, erkeimt an dem nämlichen Nabel!
Lehrt sie mich hassen, um meine Niedrigkeit greinen!
Heißt sie Gott fürchten und seinen Rachestrahl! …
Ach, wie war er so fromm, so zufrieden und brav!
Betend kniet er inbrünstig vor Gottes Altar,
dankend des Herrn allumfangender Güte.
Aber ich, ein Zweifelnder ganz und gar,
sah, wie der Blitz in ragende Bäume traf,
sah junges Leben zerknicken in hoffender Blüte,
wanderte einsam und sann allem Werden nach. –
Und ich sah, wie der Bruder Reiser vom Strauche brach,
junge grünende Reiser vom sprießenden Strauch;
wie er sie zärtlich zum Scheiterhauf schichtete,
wie er ein unschuldig Lamm zur Opferstatt trug,
sah, wie aus Steinen ein Funk in das Reisigwerk schlug.
Auf zum Himmel stieg säulengrade der Rauch,
rot von der Glut, die zitternd die Erde belichtete.
Gräßlich hört ich des Lamms Blöken und Angstgeschrei. –
Abel, mein Bruder, sang freudige Lieder dabei.
„Sieh, wie mein Opfer gefällt!“ rief er mir zu.
„Aufrecht lodert die Flamme zum Himmel.
Sieh! Siehe den Lohn! Dem Herrn sei ewiger Dank!
Sieh meine fetten Weiden, mein munteres Vieh! –
Deine Früchte sind welk, deine Lämmer krank.
Spende dem Schöpfer! Kain, opfre auch du!“– –
Da sah ich Abels Feld üppig in Ähren stehn
und seine Herde lustig im Grünen weiden.
Aber mein Acker war kahl und trocken und steinigt.
Dürsten sah ich mein Vieh und Entbehrung leiden.
Kann es – so dacht ich – durch Gottes Ratschluß geschehn,
daß sich der Boden entsteint, daß das Wasser sich reinigt,
soll meines Feuers Rauch gleichfalls zum Himmel steigen.
Kann Gott Gnaden verleihen, mag er sie zeigen! –
Und ich sammelte mürbes Holz von der Erde,
weil ich den lebenden Zweigen nicht weh tun wollte;
und dann wählt ich aus meiner armseligen Herde
ein vom Leben zerbrochenes krankes Rind,
daß es der Schöpfer als Opfer empfangen sollte.
Schlafend...