E-Book, Deutsch, 342 Seiten
Pallaver / Weber / Jenny Kommunalwahlen in Vorarlberg 1950–2020
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7065-6447-2
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Fakten, Prozesse, Perspektiven
E-Book, Deutsch, 342 Seiten
ISBN: 978-3-7065-6447-2
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Günther Pallaver, em. Univ.-Prof. DDr., Inst. f. Vergleichende Föderalismusforschung, Eurac Research, Bozen; Inst. für Politikwissenschaft und Inst. für Medien, Gesellschaft u. Kommunikation, Univ. Innsbruck.
Wolfgang Weber, Priv.-Doz. Mag. Dr., MA, MAS, Gastprofessor am Fachbereich Soziales & Gesundheit der FH Vorarlberg.
Marcelo Jenny, Univ.-Prof. Dr. Mag., Inst. f. Politikwissenschaft, Univ. Innsbruck.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Günther Pallaver Die Gemeinden Vorarlbergs Raum, Bevölkerung, Erwerbstätigkeit
1. Einleitung
Gemeindegröße, Bevölkerungs- und Wirtschaftsdaten, Bildungsniveau sind für Wahlsysteme und seine Regeln wie für Wahlen insgesamt äußerst relevant. Das gilt auch für Vorarlberg. Von der Einwohnerzahl hängt beispielsweise die Anzahl der Mandate in der Gemeindevertretung ab. Durch die Zunahme oder Abnahme der Bevölkerung in einer Gemeinde kommt es zu einer Vergrößerung oder zu einer Verkleinerung des Kommunalparlaments. Die Mandatszahl ist somit eine relative Größe, da sich in ihr das Verhältnis zwischen den zu vergebenden Sitzen und der Bevölkerung ausdrückt (Karlhofer/Pallaver 2013, 14). Die Gemeindegröße hat wiederum Auswirkungen auf die Anzahl der wahlwerbenden Listen. Je kleiner eine Gemeinde, umso geringer die Anzahl der wahlwerbenden Gruppen und umgekehrt. Da es in Vorarlberg wie in ganz Österreich auf kommunaler Ebene keine Prozenthürden für den Einzug in die Gemeindevertretung gibt, sind bei einer größeren Zahl der Mandate kleinere Listen begünstigt. In flächenmäßig kleineren Gemeinden mit einer relativ geringen Bevölkerung kommt in Vorarlberg noch immer die „Mehrheitswahl“ zur Anwendung. Die Gemeindegröße hat auch Auswirkungen auf die Parteiendominanz. Konservative Parteien erzielen in der Regel in kleineren Gemeinden einen größeren elektoralen Konsens als in größeren (ebda, 18 und 22). Außerdem sinkt in größeren Gemeinden im Vergleich zu kleineren die Wahlbeteiligung (vgl. Heinisch/Mühlböck 2016). Personen, die in Vorarlberg einen Hauptwohnsitz haben, aber keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, müssen in EU-Bürger/-innen und Bürger/-innen aus Drittländern unterteilt werden. EU-Bürger/-innen besitzen nämlich auf kommunaler Ebene das aktive und passive Wahlrecht bei der Wahl für die Gemeindevertretung, allerdings nicht für den Gemeindevorstand und für das Bürgermeister/-innenamt. Bürger/-innen aus Drittländern steht hingegen kein Wahlrecht zu, weder ein aktives noch ein passives. Immerhin weist Vorarlberg auch eine relativ hohe Anzahl von Personen mit Migrationshintergrund auf, was Auswirkungen auf das Wahlverhalten haben kann (vgl. oesterreich.gv.at 2023). Die Wahlforschung beschäftigt sich mit Fragen, aus welchen Gründen und wie Individuen wählen, welche Kontexte Wahlverhalten beeinflussen und wie stabil Individuen in ihrem Wahlverhalten sind (vgl. Roth 2008, 12). Die soziologischen bzw. sozialstrukturellen Ansätze zur Erklärung des Wahlverhaltens kann man in mikrosoziologische nach Paul F. Lazarsfeld et al. und makrosoziologische Erklärungsmodelle nach Seymour Martin Lipset und Stein Rokkan unterteilen, die sich eher in den angewandten Methoden unterscheiden. Beide Ansätze gehen davon aus, dass sozialstrukturelle Determinanten individuelles Wahlverhalten beeinflussen (z. B. sozioökonomische, sozialpsychologische, institutionelle Determinanten) (vgl. Lazarsfeld et al. 2021; Lipset/Rokkan 1967). In den letzten Jahrzehnten sind mannigfaltige Erosionsprozesse eingetreten, die das Wahlverhalten signifikant verändert haben. Gesellschaftliche Transformationsprozesse, neue ideologische und organisatorische Ausrichtungen der Parteien sind beispielsweise Gründe dafür (vgl. Detterbeck 2011, 75). Auf jüngere Wähler/-innen wirkt wiederum der postmaterielle Wertewandel stärker ein (vgl. Inglehart 1997). Deshalb sind Hinweise auf ökonomische Rahmenbedingungen genauso von Bedeutung wie auf konfessionelle Einstellungen, auf das Bildungsniveau oder auf die Präsenz von Migrant/-innen. Einige wesentliche Faktoren werden in den folgenden Kapiteln überblicksmäßig und im Wesentlichen deskriptiv behandelt. 2. Raum und Raumgliederung
Österreich weist eine Fläche von rund 83.900 km² auf. Das flächenmäßig größte Bundesland ist Niederösterreich mit 19.179,84 km², gefolgt von der Steiermark mit 16.399,51 km² und Tirol mit 12.648,42 km². Das kleinste Bundesland ist die Stadt Wien mit 414,84 km². Vorarlberg liegt an vorletzter Stelle mit einer Gesamtfläche von 2.601,68 km² (260.169 Hektar). Davor liegen im Ranking Oberösterreich (11.982,7), Kärnten (9.536,64), Salzburg (7.154,5) und das Burgenland (3.965,22) (statista 2022). Die Nutzung der Vorarlberger Landesfläche unterteilt sich wie folgt: 1850 gab es in Vorarlberg 106 Gemeinden (mit der „Judengemeinde Hohenems“, die bis 1878 als politische Personalgemeinde bestand, dann eingemeindet wurde). Im Jahre 1900 waren es 103, 1937 nach einigen Fusionierungen 99, 1946 lag die Anzahl bei 90, um sich 1946 bis heute bei 96 zu stabilisieren (Nachbaur 2008, 13). 40 Gemeinden liegen im Bezirk Bregenz, drei im Bezirk Dornbirn, 24 im Bezirk Feldkirch und 29 im Bezirk Bludenz. Die Gemeinden unterscheiden sich größenmäßig relativ stark, auch wenn sich ihre Grundstruktur kleinteilig präsentiert. Dabei ist die Debatte über die ideale Gemeindegröße müßig. Ihrer Struktur nach ist nicht nur Vorarlberg, sondern ganz Österreich relativ klein aufgebaut. Diese Konfiguration bleibt auch nach der Gemeindestrukturreform in Österreich aufrecht. Die Anzahl der Gemeinden lag am 1. Jänner 2015 bei 2.354, am 1. Jänner 2023 bei 2.093. Nur wenige Gemeinden österreichweit haben mehr als ein paar tausend Einwohner/-innen. Vorarlberg bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Tab. 1: Nutzung der Landesfläche Vorarlbergs Art der Flächen Hektar Prozent Alpen 60.581 23,3 Baufläche und Garten 9.668 3,7 Gewässer 7.194 2,8 Landwirtschaftlich genutzt 41.000 15,8 Sonstige 47.976 18,4 Wald 93.734 36,0 Weingarten 11 0,0 Quelle: Wirtschaftskammer Vorarlberg 2022, 7. Tab. 2: Anzahl der Gemeinden nach Bundesländern (2023) Niederösterreich 573 Oberösterreich 438 Steiermark 286 Tirol 277 Kärnten 132 Burgenland 171 Salzburg 119 Vorarlberg 96 Wien (Gemeinde und Bundesland) Quelle: Österreichischer Gemeindebund 2024 Mit Stand 2023 gibt es in Österreich im Durchschnitt 4.283 Einwohner/-innen pro Gemeinde (ohne Wien). 1.362 Gemeinden haben weniger als 2.500 Einwohner/-innen. In Vorarlberg liegt der Durchschnitt bei 4.249 Einwohner/-innen pro Gemeinde. Damit liegt das Land gleichauf wie Gesamtösterreich. Die flächenmäßig größte Gemeinde Vorarlbergs ist Gaschurn mit 175,38 km², allerdings mit nur 1.507 Bewohner/-innen. An zweiter Stelle liegt St. Gallenkirch mit 128,07 km². Beide Gemeinden liegen im Bezirk Bludenz. Flächenmäßig an dritter Stelle liegt die an Einwohner/-innen größte Stadt Dornbirn mit 120,92 km². Flächenmäßig die kleinste Gemeinde ist Röns im Bezirk Feldkirch mit einer Fläche von 1,45 km². An zweiter Stelle liegt Stallehr im Bezirk Bludenz mit einer Fläche von 1,64 km². Es folgt die Gemeinde Röthis im Bezirk Feldkirch mit 2,73 km² (vgl. Vorarlberger Gemeindeverband 2023; Amt der Vorarlberger Landesregierung/ Landesstelle für Statistik 2023, 24–26). Zwei Gemeinden, Hard (398) und Fußach (399), liegen unter 400 Metern Meereshöhe. Warth liegt mit 1.495 Metern am höchsten, vor Lech (1.444) und Damüls (1.427). Die größte Anzahl an Gemeinden, insgesamt 22, liegt zwischen 400 und 500 Metern Meereshöhe, 12 Gemeinden über 1.000 Metern, der Rest zwischen 500 und 1.000 Metern Meereshöhe (vgl. Amt der Vorarlberger Landesregierung/ Landesstelle für Statistik 2023a). Abb. 1: Die Gemeinden Vorarlbergs
Quelle: Land Vorarlberg 2015 Bei der Selbstverwaltung der Gemeinden spielt ihre Größe eine relevante Rolle. Je größer eine Gemeinde ist, umso umfangreicher sind die Finanztransfers zu ihren Gunsten. Je kleiner, umso größer ist administrative Hilfe, ist zwischengemeindliche Kooperation, sind Beratungsdienste notwendig (Karlhofer/Pallaver 2013, 10). Trotz der Kleinteiligkeit der Gemeinden steht das Thema Gemeindezusammenlegung nicht auf der politischen Tagesordnung. Solche gab es in der Zwischenkriegszeit. 1919 kam etwa Rieden zu Bregenz. Eine...