E-Book, Deutsch, Band 1, 421 Seiten
Reihe: Golden Heart
Penninger Golden Heart 1: Die Kriegerin des Prinzen
20001. Auflage 2020
ISBN: 978-3-646-60629-4
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gefühlvoller Fantasy-Liebesroman
E-Book, Deutsch, Band 1, 421 Seiten
Reihe: Golden Heart
ISBN: 978-3-646-60629-4
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tanja Penninger wurde 1992 in Ried im Innkreis (Oberösterreich) geboren, hat Lehramt für Volksschule studiert und arbeitet nun als Lehrerin. In ihrer Freizeit spielt sie Querflöte in einem Musikverein und schreibt Geschichten. Derzeit wohnt sie im Bezirk Braunau (Oberösterreich).
Autoren/Hrsg.
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»WER HAT DICH GESCHICKT?«
Zwanzig Jahre waren seit dem Attentat vergangen. Ich hatte weder auf die Schelte meines Vaters noch auf das Flehen meiner Tante gehört. Selbst die Traurigkeit meiner Schwester Katga war nicht genug gewesen, um mich davon abzuhalten, das Land zu verlassen und mich in die Ausbildung zur Goldenen Schwester zu begeben.
Mein Vater brachte mich in eine Schule im Nachbarreich Gondra. Warum er mich hatte gehen lassen, war mir bis heute ein Rätsel.
Ich musste mich einer eisernen Ausbildung unterwerfen – Wochen, Monate, Jahre, in denen ich meinen Traum verbissen verfolgte und mich von nichts und niemandem von diesem Weg abbringen ließ.
Das Ausbildungszentrum war eine Burg, die hoch oben auf einem Felsen thronte. Prunkvoll und erhaben prangte der raue Stein zwischen sattgrünen Nadelbäumen.
Am Tag meiner Ankunft regnete es und die Luft roch nach feuchter Erde. Ich weiß noch, wie ich an der Hand meines Vaters aus der finsteren Kutsche stieg und auf dem Burghof stehen blieb. Doch anstatt mich vor den schweren Tropfen zu verstecken, schloss ich meine Augen, lächelte und reckte mein Gesicht hinauf zum Himmel.
»Beeil dich, du wirst nass«, zeterte mein Vater.
Mir war das einerlei. Ich war glücklich, fühlte mich angekommen.
Die Zeit auf Burg Gedeleen war gleichermaßen wunderschön und anstrengend. Obwohl ich von Anfang an das Gefühl hatte, an diesen Ort zu gehören, war ich eine Außenseiterin. Die anderen Mädchen waren älter als ich und in diesem Land geboren. Ich war die erste Einwohnerin Kandlots, die sich zu einem Leben als Goldene Schwester entschlossen hatte.
Freundinnen fand ich zunächst nicht, da ich in den Anfangsmonaten Schwierigkeiten mit der fremden Sprache hatte. Das Erlernen der neuen Begriffe fiel mir jedoch zunehmend leicht, da das Vokabular dem Kandlots sehr ähnlich war. Nach einem Jahr beherrschte ich die neue Sprache fließend.
Leider fand ich dennoch kaum Zugang zu den Mädchen, da diese lieber unter sich blieben und hofften, eines Tages am Hofe der gondrischen Monarchin, der Schwester der Herrscherin von Kandlot, zu dienen. Ich war die Einzige, die sich den Goldenen Schwestern am kandischen Hof anschließen wollte.
Später, wenn ich erwachsen war und selbst über mein Leben entscheiden konnte, würde ich alle vier Länder unseres Kontinents bereisen. Besonders Kandlot, in dem ich geboren worden war, und das südliche Gondra, da ich hier meine Ausbildung genoss. Aber auch Noredellä ganz im Norden, das für seine prächtigen Mohnblumenfelder und Vulkane bekannt war, wollte ich erkunden. Oder Enghor, dessen Dörfer in unmittelbarer Nähe zu Burg Gedeleen lagen. Doch noch hatte ich eine lange Zeit der Ausbildung vor mir.
Nach fünf weiteren Jahren trafen Mädchen aus meiner Heimat in der Schule ein. Genau wie ich träumten sie davon, irgendwann Königin Valerie treu zur Seite stehen zu dürfen. Dank dieser Gemeinsamkeit entstand nach einigen Monaten eine Bindung, die man als Freundschaft bezeichnen konnte. Viele Gelegenheiten zum Scherzen oder Plaudern ließen uns die Goldenen Schwestern aber nicht.
Von früh bis spät wurden wir auf unsere Zukunft vorbereitet. Wir lernten Lesen und Schreiben, wurden in Geografie und Geschichte unterrichtet, trainierten mit Schwertern sowie Pfeil und Bogen umzugehen. Von Zeit zu Zeit stand sogar der Umgang mit Schusswaffen auf dem Lehrplan.
Obwohl es mir auf Burg Gedeleen an nichts fehlte, vermisste ich meine Familie. Besonders meine kleine Schwester Katga, der ich jeden Monat einen Brief schickte. Die bittere Erkenntnis, dass diese nie beantwortet wurden, löschte meine Motivation zu schreiben nicht aus.
Während die meisten Mädchen hier regelmäßig Besuch von ihrer Familie bekamen, blieb ich stets allein. Nicht einmal Tante Ida war ich es wert, sich auf den Weg zu machen. Wäre sie die Schwester meiner verstorbenen Mutter und nicht die meines Vaters gewesen, wäre sie vielleicht einmal gekommen.
Jedenfalls versuchte ich mir das einzureden. Umso mehr sehnte ich die Zeit herbei, wo ich am königlichen Hof in der Gemeinschaft der Goldenen Schwestern leben und dienen durfte.
In meiner Zeit auf Burg Gedeleen gab es viele Nächte, in denen ich mich schlaflos im Bett hin- und herwälzte. Ich wusste, dass ich eine Enttäuschung für meinen Vater war. In doppelter Hinsicht. Zum einen war ich kein Sohn. Und zum anderen wollte ich ausgerechnet jener Frau dienen, die er aus tiefster Seele verachtete.
Dieses Wissen hatte aber nie etwas an meinem felsenfesten Entschluss geändert – und so war mein Ziel näher und näher gerückt.
***
Schließlich war endlich der Moment gekommen, in dem mich meine Ausbilderinnen mit der goldenen Kampfkleidung und einem funkelnden Schwert ausstatteten.
»Du hast alle Prüfungen bestanden, Inga«, verkündete Schwester Odine in samtenem Ton und umarmte mich kurz. »Du bist nun eine von uns, eine Goldene Schwester. Nutze all deine Talente und Fähigkeiten, um deiner Königin, Valerie Vanhaag, bis zum Tod zu dienen. Schwörst du deiner Herrin bis zum letzten Atemzug treu zu sein?«
Eine gefühlte Ewigkeit hatte ich auf diesen Höhepunkt meines Lebens gewartet. Auf den Moment, endlich »Ja« zur Zukunft am Hofe Kandlots zu sagen.
Jetzt, wo er endlich gekommen war, spürte ich, wie meine Brust vor Stolz anschwoll. Aufrecht und selbstbewusst stand ich vor meinen drei Ausbildnerinnen, die mich in den letzten zwanzig Jahren zu der Person geformt hatten, die ich heute war.
»Ja«, antwortete ich mit klarer Stimme und reckte das Kinn wie zur Bestätigung in die Höhe. »Ja, ich schwöre es.«
Schwester Odine nickte zufrieden und reichte mir noch einen Silberdolch, den ich ebenfalls stets bei mir tragen sollte. Sein Griff war mit funkelnden Edelsteinen verziert und lag so gut in meiner Hand, als wäre die Waffe seit Jahren ein Teil von mir gewesen. Tatsächlich aber war dieses Schmuckstück erst vor wenigen Wochen angefertigt worden. Alle Mädchen, die ihre Abschlussprüfung mit Bravour bestanden, erhielten dieses Geschenk von der gondrischen Königin. Auch ich, obwohl ich gar nicht an deren Hof, sondern an jenem ihrer Schwester dienen wollte.
Kaum umschlossen meine rauen Finger den eleganten Schaft des Dolches, blitzte die helle Morgensonne zum Fenster herein und tauchte den goldenen Festsaal von Burg Gedeleen in oranges Licht. Für mich war dieser Moment wie ein Zeichen Dions. Offenbar wollte unser Herr und Schöpfer, dass ich Königin Valerie diente.
Der Applaus der anderen Mädchen klang wie Musik in meinen Ohren. Lächelnd drehte ich mich um und hielt den glänzenden Dolch siegessicher in die Höhe. Ich war die erste kandische Goldene Schwester und würde den Kreis der fünf am Hof von Ivan Isgehart – nach dem Opfer von Schwester Reselie beim Attentat vor zwanzig Jahren – wieder komplett machen. Bestimmt erwartete mich Königin Valerie bereits sehnsüchtig, denn unser Monarch hatte es seiner Gattin untersagt, weitere »ausländische« Schwestern zu sich an den Hof zu rufen. Er wollte verhindern, dass sich fremde Gebräuche einschlichen, stattdessen sollte sich seine Frau den Traditionen Kandlots unterwerfen. Geheiratet hatte er nicht aus Liebe, warum sonst, wusste ich nicht.
Ich aber war keine Fremde, sondern eine Bürgerin Kandlots. Mich würde der König nicht vertreiben können.
»Deine Kutsche wartet, Schwester Inga«, erinnerte mich Schwester Odine, woraufhin der Applaus meiner Mitschülerinnen abebbte. So sehr ich mich auf das höfische Leben an der Seite meiner Königin freute, niemand hatte mich auf die Gefühle vorbereitet, die ich jetzt beim Abschied empfand.
Fast zwanzig Jahre hatte ich hier verbracht. Monate, in denen ich gelacht, geweint und gelitten hatte. Doch jetzt, am Tag nach meiner Prüfung, war es Zeit, Lebewohl zu sagen.
»Dion schütze dich«, wisperte mir Odine noch zu, ehe ich schlussendlich die Hallen Gedeleens verließ und mich hinaus auf den Hof begab, wo eine Kutsche bereitstand.
Genau wie bei meiner Ankunft regnete es auch heute wie aus Eimern. Wieder hielt ich mein Gesicht gen Himmel und lächelte. Dieses Mal vermischten sich die Wassertropfen mit Tränen. Ein Gefühl von Heimweh packte mich, obwohl ich noch nicht einmal ans Einsteigen dachte.
Ein kühler Luftzug ließ mich frösteln und als der Wind auch noch unbarmherzig an meinen rotblonden Haaren zerrte, gab ich mich geschlagen und marschierte auf das Gefährt zu, das mich innerhalb von zwei Tagen an den kandischen Hof bringen sollte.
Der in Mausgrau gekleidete Kutscher winkte, doch entgegen kam mir eine Frau, die ich unmittelbar als Goldene Schwester erkannte. Die brünette Kriegerin strahlte eine solche Stärke aus, dass mich ihr Auftreten erbeben ließ. Aber anstatt mir einzugestehen, dass meine Knie weich wurden, straffte ich meine Schultern und erwiderte den durchdringenden Blick der um einige Jahre älteren Frau. Die zarten Fältchen um ihre grauen Augen verrieten ihr Alter. Laut meinen Berechnungen müsste sie in den Vierzigern sein.
»Inga Ericson?«, fragte sie, kaum dass wir uns auf zwei Meter Entfernung gegenüberstanden.
Die Stimme der Goldenen Schwester klang genauso kraftvoll, wie ihr Körperbau wirkte. Neben ihr sah ich aus wie ein schmächtiges Püppchen, obwohl ich täglich meine Muskeln stählte.
Ein heiseres »Ja?« entschlüpfte meinen trockenen Lippen. Ich erinnerte mich nun ganz klar, dass ich die Kriegerin vor zwanzig Jahren am Balkon des Schlosses gesehen hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihr Haar lang und glatt getragen. Jetzt kringelten sich die hellbraunen Strähnen auf Schulterhöhe.
»Mein Name ist Mercedes. Königin Valerie schickt mich. Ich soll dich sicher an den Hof Kandlots...