E-Book, Deutsch, 176 Seiten, eBook
Ratajczak / Arbeitsgemeinschaft / Stegers Globalisierung in der Medizin
2005
ISBN: 978-3-540-26927-4
Verlag: Springer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Der Einbruch der Kulturen in das deutsche Gesundheitswesen
E-Book, Deutsch, 176 Seiten, eBook
Reihe: MedR Schriftenreihe Medizinrecht
ISBN: 978-3-540-26927-4
Verlag: Springer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Zielgruppe
Research
Weitere Infos & Material
Besonderheiten bei der Versorgung von zugewanderten Patientinnen Ergebnisse aktueller Studien und praktische Erfahrungen in Frauenheilkunde und Geburtshilfe.- Praxisbericht eines Krankenhausarztes Behandlung ausländischer Patienten im Krankenhaus.- Diskussion.- Gesundheits- und Krankheitsverständnis der Muslime als Herausforderung für das deutsche Rechtswesen.- Die soziokulturelle Dimension des Behandlungsstandards.- Ist der medizinische Standard global?.- Diskussion.- Aufklärung, Verständnishorizont und Compliance beim ausländischen Patienten aus medizinischer Sicht.- Verständnishorizont, Aufklärung und Compliance von ausländischen Patienten aus rechtlicher Sicht.- Organisationsanforderungen bei der Behandlung ausländischer Patienten aus medizinischer Sicht.- Organisationsanforderungen bei der Behandlung ausländischer Patienten aus rechtlicher Sicht.- Diskussion.- Behandlung des ausländischen Patienten in der Wirtschaftlichkeitsprüfung.- Diskussion.
Die soziokulturelle Dimension des Behandlungsstandards (S. 55)
Thomas Ratajczak
Bei den Überlegungen zur Auswahl des diesjährigen Symposiumthemas spielten folgende Fälle eine Rolle.
1. Vor mehr als 10 Jahren fiel ein Allgemeinarzt griechischer Abstammung in einer süddeutschen Stadt in der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfimg dadurch unangenehm auf, dass er bei den damals im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für kassenärztliche Leistungen (EBM) noch vorhandenen Gebührenpositionen für Injektionen, insbesondere der Nr. 252, weit über dem Fachgruppendurchschnitt seiner Vergleichsgruppe lag. Seine Praxisbesonderheit bestand darin, dass er fast ausschließlich Patienten türkischer, genauer anatolischer Herkunft behandelte, weil er neben seiner Heimatsprache und deutsch auch fließend türkisch sprach. Die damals noch weit verbreiteten Animositäten zwischen griechischen und türkischen Staatsangehörigen spielten in seiner Praxis keine Rolle.
In der Wirtschaftlichkeitsprüfung wurde ihm vorgeworfen, dass er die Medikamente, welche er per Injektion verabreichte, ohne weiteres auch in Tablettenform hätte verordnen können. Das sei in Deutschland der erforderliche Behandlungsstandard bei der Art der in seinen Fällen vorliegenden Erkrankungen. Er habe die Injektion nur gewählt, weil er hierfür zusätzliches ärztliches Honorar erhalte. Es gab damals für die Gebührenziffer 252 EBM zwar nur 40 Punkte, also rund 2 Euro. Einer 10er Packung Tabletten entsprach aber u.U. auch eine 10er Packung Ampullen.
Da konnte schon einiges zusammenkommen. Der Arzt verteidigte sich damit, dass er darauf hinwies, seine Patienten, insbesondere die Patienten aus den osttürkischen Landesteilen, betrachteten die Verordnung eines Arzneimittels per Rezept zum oralen Einnehmen nicht als eine ärztliche Behandlung. Sei seien nach ihrer Herkunft gewöhnt, dass der Arzt sich persönlich um sie kümmere und sie würden - im Gegensatz zu deutschen Patienten - die Gabe der Spritze als unmittelbare ärztliche Zuwendung empfinden, was den Heilerfolg fördere. Außerdem gäbe es bei der Spritze keinerlei Probleme mit der Compliance.
Die Überprüfung, ob der Patient die Medikamente erhalte, die er brauche, würde bei der Injektion durch ihn selbst vorgenommen, während er bei der Abgabe von Medikamenten fast sicher sein könne, dass diese nicht eingenommen würden. Patienten über Behandlungsmethoden aufzuklären, die diese nicht als ärztliche Behandlung empfinden, sei vergeblich. Sie würden auch nicht akzeptieren, dass er aus Kostengründen eine Behandlung wählen müsse, die ihnen fremdartig vorkomme und die sie nicht als ärztliche Behandlung empfänden. Die Verfahren gingen vor Gericht - das können Sie sich sicher denken - zu Ungunsten des Arztes aus.
Generell stellt sich seit Jahren in der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung die Frage, ob ein hoher Ausländeranteil eine Praxisbesonderheit darstellt. Dies wird in der Regel verneint, sofern sich nicht gegenüber der Behandlung von Patienten inländischer Herkunft ein deutlich erhöhter Behandlungsbedarf ableiten und nachweisen lässt.52 Mit dieser spezifischen Problematik wird sich zum Abschluss des heutigen Tages der Vortrag von Herrn Kollegen Peikert befassen. Ihm will ich nicht vorgreifen. In diesem Zusammenhang sei nur schon einmal die Frage aufgeworfen, ob denn das Anknüpfen an den Ausländerstatus überhaupt der richtige Anknüpfungspunkt sein kann? Ist der Reisepass eine die Wirksamkeit medizinischer Therapieverfahren beeinflussende Variante oder eher das Herkommen des Patienten, sein - auf den Begriff gehe ich später noch ein - soziokultureller Status?
2. Der zweite Fall ereignete sich vor wenigen Jahren an einem sehr großen deutschen Krankenhaus. Dort wurde ein Kind geboren, was an und für sich nichts Ungewöhnliches ist.