E-Book, Deutsch, Band 3, 268 Seiten
Reinalter Reform, Restauration und Revolution (1740-1848/49)
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7065-6371-0
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Darstellung – Forschungsüberblick – Quellen und Literatur
E-Book, Deutsch, Band 3, 268 Seiten
Reihe: Handbuch zur neueren Geschichte Österreichs
            ISBN: 978-3-7065-6371-0 
            Verlag: Studien Verlag
            
 Format: EPUB
    Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Geb. 1943 in Innsbruck, Studium der Geschichte und Philosophie an den Universitäten Innsbruck (1964-1970) und Sorbonne I in Paris (1967), Promotion zum Dr. phil. 1971, Habilitation in Innsbruck für Geschichte der Neuzeit und Politische Philosophie 1978, von 1981 bis 2009 Prof. für Geschichte der Neuzeit und Politische Philosophie in Innsbruck, von 1981 bis 2000 Leiter der internationalen Forschungsstelle 'demokratische Bewegungen' an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät, 1999 Teilzuordnung zum Institut für Philosophie und seit 2000 Leiter des Privatinstituts für Ideengeschichte in Innsbruck, 2009 Pensionierung, seit 2009 auch Dekan der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste und 2012 Mitbegründer der Johann Wolfgang von Goethe-Privatuniversität in Bratislava, mehrere Gastprofessuren in Aix-en-Provence, Columbia University New York, Universität Krakau und Universität Salzburg sowie Mitgliedschaften in wissenschaftlichen Akademien, seit 1998 Mitglied des Club of Rome / Chapter Österreich und 2015 Ehrendoktorat der IBC Cambridge. Herausgeber mehrerer wissenschaftlicher Reihen und der Zeitschrift für Internationale Freimaurer-Forschung (IF).
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. Zum Charakter der Epoche: Aufklärung – Französische Revolution – Restauration – Vormärz – Revolution 1848/49
1.1 Die Aufklärung
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann allmählich auch in Mitteleuropa, die technisch-industrielle Entwicklung die altständisch-aristokratische Ordnung mit ihren ausgeprägten personalen Herrschaftsbindungen abzulösen und den nationalen, bürokratisch-institutionellen Flächenstaat auszubilden. Die auf diese Weise entstehende neue Gesellschaft war mit Problemen der wachsenden Bevölkerung, der Landflucht und Teuerung von Agrarprodukten konfrontiert. Die Grenzen zwischen dem noch dominierenden Hof- und Beamtenadel, dem aufstrebenden Bürgertum und den wohlhabenden bäuerlichen Schichten wurden fließender, so dass sich die alten Gesellschafts-, Herrschafts- und Wirtschaftsstrukturen durch eine stufenweise Emanzipations- und Säkularisierungsbewegung auflösten.
Im Vergleich zu den westeuropäischen Großmächten war der Habsburgerstaat zu Beginn der Regierung Maria Theresias in der Entwicklung zu einem modernen Flächenstaat steckengeblieben. Dieses Defizit war besonders durch die militärischen Auseinandersetzungen mit Preußen klar geworden, als sich kurz nach dem Regierungsantritt der Monarchin zeigte, dass Preußen in organisatorischer, militärischer und finanzieller Hinsicht der Habsburgermonarchie überlegen war. Maria Theresia und ihre Ratgeber erkannten, dass sich in der Struktur Europas eine einschneidende Veränderung vollzogen hatte, die ihre Wirkungen auch in der Habsburgermonarchie fühlbar werden ließ: die traditionell immer noch wirksame universale Idee musste nun durch die Staatsidee ersetzt werden.
Zu dieser Zeit entstand mit einiger Verspätung gegenüber den westeuropäischen Staaten auch hier das moderne Bürgertum, das sich jedoch weder ökonomisch noch politisch so stark profilieren konnte, um den feudalabsolutistischen Staat durch eine konstitutionelle Monarchie oder gar durch eine Republik ersetzen zu können. Die zurückgebliebenen sozialen und politischen Strukturen erzwangen in der Habsburgermonarchie, die noch vorwiegend agrar-feudal und ein in zahlreiche Nationalitäten zersplitterter Staat war, Reformen, die in anderen Ländern von der Aufklärung in Bewegung gesetzt wurden. Daher ist in diesem Zusammenhang zu Recht betont worden, dass in der Habsburgermonarchie nicht die Philosophie zur Reform aufrief, sondern die Praxis der Aufklärung für die Durchführung von Neuerungsmaßnahmen entscheidend war. Die Philosophie bildete gleichsam die „geistige Nachhut“ bereits mit Erfolg realisierter Reformen. So übertrugen sich im Habsburgerstaat die Beziehungen zwischen Aufklärung und Reform wegen der herrschenden religiösen und noch weithin halbfeudalen gesellschaftlichen Verhältnisse in einem umgekehrten Sinn als anderswo. Stand die Philosophie der Aufklärung mit dem österreichischen Staatsgedanken daher nur in einem sehr losen Zusammenhang, so zeigte andererseits dieses Denken eine enge Beziehung zur Praxis der Aufklärung.
Mit der Aufklärung bekam die frühe demokratische und liberale Bewegung neuen Auftrieb, weil sie sich u.a. auch mit Problemen der gesellschaftlichen und politischen Ordnung auseinandersetzte, wie z.B. mit der Staatsform und Rechtsordnung, mit dem Gerichtswesen und dem Strafvollzug, mit der Polizei und Wirtschaft, mit dem Verhältnis der Stände zueinander und der öffentlichen Moral. Während der Aufklärung entstanden auch Ansätze zu einer wissenschaftlichen Begründung von Politik. Im späteren 18. Jahrhundert wurde der schon vorher eingeleitete Politisierungsprozess durch die Polarisierung der Öffentlichkeit und die daraus resultierende Aufspaltung in verschiedene ideologisch-politische Strömungen noch verstärkt. Der frühe Liberalismus ging durch seine starken Reformbestrebungen und konstitutionellen Ansätze über den Spätabsolutismus hinaus und die frühen Demokraten und Sozialkritiker fassten die Beseitigung des Spätabsolutismus als Ziel ins Auge. Ein wesentlicher Faktor der Aufklärung und für die frühe demokratische Bewegung war das Entstehen einer politischen Öffentlichkeit. Dazu zählten nicht nur die Zeitschriften, Buchproduktionen und Broschüren, sondern auch die verschiedensten Formen aufgeklärter Sozietäten. Die bürgerliche Welt- und Lebensanschauung manifestierte sich in neuen Geselligkeits- und Vergesellschaftungsformen, wie in den verschiedenen Aufklärungsgesellschaften.
Die Aufklärung setzte sich auch mit Problemen der politischen Ordnung auseinander, wobei die konstitutionelle Monarchie als bevorzugte Staatsform im Vordergrund stand. In Zentraleuropa wurden die Theorien von Montesquieu und Rousseau zumindest in Ansätzen reflektiert, wobei es in erster Linie um die Theorie der Gewaltenteilung, um die Lehre von den Gouvernements und um die Volkssouveränität ging. Auch die Amerikanische Revolution beeinflusste die demokratische Bewegung in Mitteleuropa. Zweifelsohne haben dann auch die Französische Revolution mit ihren Ergebnissen, die nach 1789 als politische Idee Teil der modernen politischen Praxis geworden sind, wie der tatsächlich hohe Grad von Rechtsgleichheit, die Beweglichkeit des Grundbesitzes, die Verfügbarkeit allen Besitzes für die Industrie, die Parität der Konfessionen, die Strukturen einer neuen politischen Kultur sowie die schriftliche Legitimation von Herrschaft in Form geschriebener Verfassungen die demokratische Entwicklung vorangetrieben.
1.2 Die Französische Revolution
Die Demokratie wurde seit der Französischen Revolution auch in Mitteleuropa als mögliche Gestaltungsform großer Staaten, als ein die Gegenwart unmittelbar bestimmender politischer Machtfaktor angesehen. Sie war nicht mehr nur eine Staatsform, die höchstens in unbedeutenden Randzonen der großen Mächte eingeführt war, sondern eine bedeutsame zentrale geschichtliche Bewegung.
An der Entstehung der Jakobinerbewegung in Mitteleuropa hatte die Aufklärung einen nicht zu unterschätzenden Anteil, da sie die ideologischen Grundlagen für den Politisierungs- und Emanzipationsprozess der literarischen und philosophischen Intelligenz bildete. Der Jakobinismus litt in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz besonders an fehlenden materiellen Voraussetzungen für eine Revolution. Er erhielt seine Impulse in erster Linie aus Frankreich und aus der Einsicht in die Notwendigkeit einer Veränderung der gesellschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse. So blieben die verschiedenen jakobinischen Bewegungen Ende des 18. Jahrhunderts und die spontanen Hungerrevolten letztlich regional begrenzt und konnten keine überregionale revolutionäre Umwälzung bewirken.
Zwar hatte der Jakobinismus durch seine Ausrichtung auf Frankreich, auf naturrechtliche Normen der Aufklärung und die eigenen sozialen Erfahrungen ein in Ansätzen ideologisches Gerüst, das aber durch mangelnde organisatorische Voraussetzungen zu keiner allgemeinen Revolutionierung führen konnte. Dazu kamen noch die ökonomische und gesellschaftliche Rückständigkeit und das im Vergleich zu England und Frankreich sich erst mit Verspätung konstituierende Bürgertum. Ein revolutionäres Bewusstsein bestand bei den Volksmassen kaum, da in den zersplitterten Territorien noch schwierige Lebensbedingungen herrschten. So mussten die Jakobiner in Mitteleuropa unter diesen ungünstigen Voraussetzungen erst den Versuch unternehmen, eine Revolution in Gang zu setzen. Wie schwierig diese Aufgabe war, beschrieb Georg Forster 1792. Forster erschien aus der Erkenntnis der politischen, sozialökonomischen Lage unter moralischer Unvollkommenheit des Bürgertums ein Umsturz als ein großes Unglück in Deutschland. Wenn er bedauert, dass Deutschland zur Revolution und Freiheit noch nicht reif sei, so verstand er darunter, dass das Volk noch zu wenig innerlich moralisch frei sei, um die äußere, politische Freiheit durch eine Revolution erreichen zu können.
1.3 Restauration, Vormärz und Revolution
Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Hoffnungen der meisten mitteleuropäischen Jakobiner durch die Herrschaft Napoleons endgültig zerstört. Unter den Enttäuschten fanden sich vorwiegend Intellektuelle und Studenten, die sich ab 1815 in Geheimzirkeln zusammenschlossen. Ihr Ziel war, Wege und Möglichkeiten zu finden, ihr Vaterland zu regenerieren. In der nachrevolutionären Phase waren besonders die Universitäten Zentren des demokratischen Radikalismus. Im Ideengehalt dieser Gruppen zeigten sich neue Tendenzen, die sich nicht mehr auf das Gedankengut der Aufklärung, sondern auf das Denken der politischen Romantik stützten. Alle neuen politischen Ansätze wurden aber sehr bald durch die Karlsbader Beschlüsse zum Scheitern gebracht. Diese Reaktion auf „demokratische Umtriebe“, die auch die liberale Verfassungsbewegung, die Universitäten und die Presse betraf, bewirkte eine Änderung der Verfassungsstruktur des Deutschen Bundes. Hatte Metternich zunächst die Form des Staatenbundes prinzipiell nicht abgelehnt, so war er nun bestrebt, diese Souveränität einzuschränken, um die Einheitsbewegung in ihrer Wirkung abzuschwächen.
Nach vorübergehender...





