E-Book, Deutsch, 92 Seiten
Schneider Seit iech e Ruheständler bie
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7578-9593-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Neue heitere Geschichten
E-Book, Deutsch, 92 Seiten
ISBN: 978-3-7578-9593-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Als im Jahre 2001 der ehemalige Bürgermeister Uwe Schneider seine Kindheitserinnerungen, mit dem "Lausgung" zur Geburt verhalf, war die Resonanz unter den Freunden der erzgebirgischen Mundart so groß, dass in den Jahren bis 2008 fünf weitere Bücher in mehreren Auflagen, erscheinen konnten. Vom "Halbstarken", "Aufsteiger", "Staatsfeind", "Stillem Wasser" und "Bürgermeister" führt nun der Weg seiner Lebenserinnerungen folgerichtig zum "Ruheständler". Damit liegt erstmalig in unserer Region eine vollständige Lebenserinnerung in Mundart vor. Wie schon in den vorausgegangenen Büchern lässt Uwe Schneider wieder den Leser an seinem turbulenten Leben teilnehmen, übersprühend von Witz, Ironie und Satire. Es darf gelacht werden und nicht zu knapp. Doch wie immer spart der Autor nicht mit Kritik, besonders wenn es um die Entwicklung unserer Gesellschaft in den letzten zehn Jahren geht. Uwe Schneiders kleine Geschichten, heiteren und nachdenklichen Inhalts, sind ein historisches Zeugnis über das Leben im Erzgebirge von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.
Uwe Schneider, geboren am 20.10.1943 in Zwickau, verbrachte seine frühen Kindheitsjahre in Bernsbach. Seit 1947 lebt er in der Bergstadt Zwönitz. Nach einem Studium der Journalistik war er ab 1968 als Redakteur für die Tageszeitung Freie Presse tätig. Wegen seiner Haltung zum Prager Frühling geriet er 1971 ins Visier der Staatssicherheit und erhielt Berufs- und Schreibverbot. In der Folge trat er 1972 eine Stelle als Maschinenführer im Dreischichtbetrieb an, war 1974 bis 1979 als Angestellter und Bauleiter tätig sowie von 1980 bis 1990 als Abteilungsleiter Ökonomie. Ab Januar 1990 moderierte er den Runden Tisch in Zwönitz. Vom 1. 6.1990 bis 31.7.2008 war er Bürgermeister von Zwönitz. Von 1962 bis zum Schreibverbot veröffentlichte er Erzählungen und regionalgeschichtliche Beiträge. Seit 1965 widmet er sich der Erforschung der Heimatgeschichte und betreibt genealogische Forschungen. In seiner Amtszeit initiierte er genealogische Forschungen im erzgebirgischen Raum. Er ist Autor zahlreicher Bücher, oftmals in erzgebirgischer Mundart, die zum Teil autobiographischen Charakter tragen. Im Projekte-Verlag Halle erschien 2013 sein erster Roman Kathi unter Männern. 2004 wurde ihm der Literaturpreis "Kammweg" des Kulturraumes Erzgebirge und 2014 der Adam-Ries-Sonderpreis für seine genealogischen Forschungen verliehen. Im Juni 2015 publizierte er eine Chronik von Günsdorf, im März 2016 und November 2020 die erste wissenschaftlich-fundierte Darstellung zur Geschichte von Zwönitz in zwei Bänden. Für dieses Werk erhielt er am 4.11.2016 den Sächsischen Landespreis für Heimatforschung. Im Jahre 2008 wurde er als Ehrenbürger der Stadt Zwönitz ausgezeichnet.
Autoren/Hrsg.
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Blutsbrüder
Doss dr Pranzer ze menn Freinden zählet, weß jeder, dar mei Buch vom Lausgung gelaasen hot. Dort hatt‘ iech aah verroten, doss dr Bernd, su hieß dr Pranzer, un iech e ganz ugleiches Paar war‘n. Net vom Alter har un aah net von dr Statur, dan Unnerschied – dr Pranzer war e Schulgahr älter, drfür ober enn halben Kopp klenner – kunnt mr vergassen. Un doch tat schu dos Äußere von uns Gunge schlacht zammpassen. Of’n Foto sticht’s mir’s noch heit in de Aagn. Do sieht mr enn Gung in enn militärisch geschneiderten sandfarbnen Hemm, in aaner superkurzen Huus mit enn Fahrtenmasser an dr rachten Seit am Gürtel. De blonden Haar, kurz geschnieten ober mit Scheitel, de Baa, braun von de Socken bis zen Hinnern. Quex, tat ne sei Voter nenne, un erscht viel später is mr aufgange, doss dar Spitzname von enn Hitlergung aus enn Film geliehen war. Doss de Eltern vom Pranzer ihrn Gung ze enn „Herrenmenschen“ erziehen wollt‘n, hatt‘ sei Mutter meiner verroten. Wos dos ober richtig sei sollt, wusst iech dozemol net. När doss su ne Ausbildung daamisch astrengend war, is mir aufgange. Sich frieh bei jeden Watter mit kalten Wasser waschen, drzu ne Runde üm‘s Haus renne, zaah Klimmzüge un Liegestütze an jeden Tog: Naa, dos war net mei Walt. Dä fer miech war’s schu quälend, frieh aus’n warme Bett ze müssen, üm in de Schul ze gieh. Wenn ben Pranzer of dan Foto Außen un Inne zammpassen tat‘n, su war dos in menn Fall när de halbe Wahrhaat. Genau wie bei menn Freind war dos Aziehzeig e Ausdruck mütterlichen Willens. Mei Pulli war von dr Oma handgestrickt un die altmodische dunkelblaue Huus, die mir bis ze de Knie ging, war e Ieberbleibsel von enn Sommermantel vom Opa, dan mir Maaster Keitzel of’n Leib schneidern musst. De Huusentrager gehärten genauesu drzu, wie de langen Strümp. När gut, doss kaaner dos Leibchen saah kunnt, dos se am Baa festhalten musstn. Doss mir su ne verordnete Kittellasche of’n Keks ging, iech lieber in dr äußeren Haut vom Pranzer stecken wür, könnt ihr mir glaabn. Un iech wett aah zaah ze aans, doss ball nooch dan Fotografiern, fern von Mutters besorgten Aagn, de Strümp runner gerollt wurn. Wenn ben Pranzer dr Wunsch nooch enn Herrenmenschen im Mittelpunkt dr elterlichen Erziehung stand, su wolltn meine Mutter un Grußmutter enn lieben, gescheiten un christlichen Gung aus mir machen. Doss se ober unner „lieb“ meh an sette Charakterzüge von nr Mad denken tat‘n, bracht mir viel Verdruss ei, genauesu wie dr Wunsch nooch „Gescheitheit“, wall dar an de Zensurn in dr Schul gemassen wur. Christlich handeln war noch viel schwaarer, dä mein un dein ausenanner ze halten, war agesichts vom Äppelbaam in Nachbars Garten fer enn gesunden Gung e Martyrium, ganz drva ogesaah, doss mr nooch nr Fauns ben Kampeln net noch de annre Seit von dr Wange hiehalten ka. Net mol meiner lieben Mutter hob iech suwos durchgieh lossen un hob menn Arm zen Schutz vür mei Gesicht gehalten. E manichsmol hob iech gar mit’n lieben Gott gehadert, wall er sich suviel Zeit lassen tat, miech gut un fromm ze machen. Wu iech ne doch obnds drüm baaten tat. „Baaten“, soget dr Pranzer, „is doof. Dä wenn’s Gott wirklich gabn tut – wos iech un meine Alten net glaabn - do is dar mit de Starken. Sinst hätt‘n de gottlosen Russen dan letzten Krieg net gewonne. Na, Baaten is wos fer Schwächlinge, mr sieht’s ja an dir“. Ewing beleidigt war iech deswaagn. Dä aah iech war e wilder Gung, wenn aah de Abenteuer meiner Gungezeit, net halb su dramatisch war‘n, wie die Kämpfe, die iech im Traam of de Spuren von Robinson, Tom Sawyers un Jim Hawkins drlabn kunnt. Ober wie sollt iech annersch ze einsame Inseln un Höhln voller Schätze kumme. Ja, wenn iech erscht gruß wür... Dr Pranzer un all die Kumpels würn Aagn machen. Un su hob iech miech aah gewunnert, als an enn schänn Tog dr Pranzer mir dos Agebut machet, iech sollet sei Blutsbruder war‘n. Welche Ehr! Blutbrüder, genau sette wie Winnetou un Old Shatterhand. Begeistert hob iech zugesogt un bie of dr Stell miet naus zen Richterbüschel gezugn, wall doch dar Schwur unner nr uralten Buche vollbracht war‘n sollt. Erscht als dr Pranzer aus senn Tornister enn grußmachtigen Dolch hulet, wur mir’s ewing mulmig zemut. Net wall of dan Masser „Blut un Ehre“ stand, meh waagn dan ze erwartenden Schmerz. Drüm hob iech aah menn Arm kurz vür dan Ritz fix wagg gezugn, när hot mir dodrfür dr Pranzer kurz entschlossen ins Baa gestochen. Wieh tat dos kaa bittel un dos bittel Blut, dos in e Glos Wosser troppet, war net dr Red‘ wert. När doss dr Pranzer drnooch mit senn Masser enn klenn Grind of seiner Hand aufpopeln tat, wollt gar net ze dar Zeremonie passen. Aah dos Trinken von dan mit Blut gemischten Wasser war alles annersch als romantisch. Richtig geschüttelt hob iech miech vür Ekel. Dos haaßt, innerlich! Geschworn wur aah. Kameradschaft un Treue, un doss of Verrat dr Tud folgen sollt. Ja dr Tog war noch net ze End, als iech vom Pranzer ins Vertraun gezugn wur. Eigewickelt in enn alten Läufer bracht er mir e echtes Bajonett. Er hätt’s in enn Schuppen gefunden un iech sollt’s erschtmol verstecken. Wall doch bei ihm Tür an Tür dr Langer-Pollezeier wuhne tät. Emende könnt dar Bulle senn Voter waagn dar Waffe in Knast nei bringe, dä of’n Kieker hätt’r senn Alten schu längst. „Versteck’s gut un halt fei dicht!“ soget dr Pranzer un machet sich wieder of de Baa. Mir ober war’s, als wenn Ustern un Weihnachten of enn Tog gefalln wärn. E richtiges Bajonett, kaa geschnitzter Säbel, kaa Pistol aus Holz. Dä meh war ze darer Zeit, wu iech zwischen acht un zaah Gahrn war, net ze kriegn. War‘n doch Waffen, sugar als Spielzeig, streng verbuten. De Hand sollt enn abfaulen... Meine tat dos net, obwuhl iech in nr haamlichen Eck im Garten mit dan Ding rümgefuchtelt hob, wie irr. Wuhie ober mit dar Waffe? Üm Gotteswilln net ins Haus, oder gar in de Wuhning. Mei Mutter tät fer Angst glei olbern waarn. E Versteck im Garten müsst har, aans wu kaaner wos finden wür. Dr Hoosenstall schied aus, dr Holzstapel aah un ben Verbuddeln in dr Ard wür sich emende dr Rost asetzen. Zen Glück fiel mr dr alte Holunderbusch ei. War doch dr mittlere Stamm in zwee Meter Höh gekäppt un dodrnooch verdorrt. Fix hob iech ewing in dar huhln Rähr rümgeststochert un siehe, dos Bajonett war verschwunden. Of su e Versteck muss mr abn kumme. Richtig stolz war iech of miech. Ober wie sogt mr: Nischt is klug genug ersponne, is kimmt doch ans Licht dr Sonne. Iech maan net mei Versteck. Dos Geheimnis blieb fremden Aagn verborgen. Is ging üm de Waffe, besser gesogt üm dan Diebstahl. Von waagn gefunden, gemaust hatt‘ dr Pranzer dos saltne Stück un zwar aus’n Schuppen vom Triechert-Bernd, dar in dr alten Salzer-Fabrik wuhnet. Un wos dos schäbigste an dar Sach war: Mir wur dar Diebstahl in de Schuh geschubn. Von wem, frogt ihr? Nu, vom Pranzer, von menn Blutsbruder. Mit eigne Ohrn hob iech de Lüg gehärt, mit eigne Aagn hob iech gesaah, wie dr Pranzer of miech zeiget. Freiwillig war’s net, doss gab iech zu. Dä dr Triechert hielt uns in senn Schuppen gefange. „Waar hot dos Bajonett?“ froget dr Triechert finster. „Raus mit dr Sproch, sinst schloog iech eich Lumpen ze Brei!“ „Dr Uwe“, soget dr Pranzer, zeiget of miech un tat zufügn: „Dar hot’s hier aus’n Schuppen gehult.“ „Is dos wahr?“ „Naa!“ soget iech un fing aah ze bibbern. „Na, wart när“, zischet mei Gegnieber un fing a, mir menn Arm of’n Buckel ze drehe. „Du singst schu noch!“ När hätt‘ iech mr eher de Zung ogebissen, eh iech wos zugabn hätt‘, wos iech nie gemacht hob. „Iech bie kaa Dieb, iech mach suwos net, nie, nie...“ Meh bracht iech unner Schmerz un Träne net raus. „Ober du hast dos Bajonett, gab’s doch zu“, bläket dr Pranzer. „Stimmt dos?“ Dr Triechert zog de Schraub noch ewing meh a. Iech tat nicken, schrie ober voller Wut: „När gemaust hob iech’s ne!“ Endlich ließ miech dr Folterknacht lus, froget ober, ob iech’s zerick gabn wollt. „Ober när, wenn dr Pranzer zugibt, doss iech kaa Dieb bie, ja doss iech net mol gewusst hob, doss dos Ding geklaut is.“ Un wall iech wusst, doss aah dr Triechert still sei musst, hob iech unner Träne noch zugefügt. „Sinst schaff iech’s zer Pollezei.“ Itze kam dr Pranzer an dr Reih. E harter Griff un er tat an dr Angel zappeln. Doch de Folter blieb ne drspart. Is kam nämlich alles ans Licht, dä de Angst soß dan feigen Kerl im Nacken. Seine Tracht Prügel ober tat’r kriegn un die war net von schlachten Eltern. Un iech gab’s aah zu, doss iech menn falschen Freind jeden Schloog von Herzen gegönnt hob. Net när, wall Blutsbrüder aah Laad taaln müssen, eher aus Enttäischung un Wut. Paar Tog lang ober hob iech miech drmit beschäftigt, ob mir noch...




