Strugatzki / Simon | Hotel Zum verunglückten Bergsteiger | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 254 Seiten

Strugatzki / Simon Hotel Zum verunglückten Bergsteiger


1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-946503-58-3
Verlag: Golkonda Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 254 Seiten

ISBN: 978-3-946503-58-3
Verlag: Golkonda Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eigentlich möchte Polizeiinspektor Glebski nur Urlaub machen. Doch die anderen Gäste, mit denen er im Hotel Zum verunglückten Bergsteiger untergebracht ist, entpuppen sich als ein Haufen schräger Vögel. Da wären unter anderem das Millionärsehepaar Moses, Brun, ein kleiner Junge - oder ein Mädchen (wer weiß das schon), der unscheinbare Olaf Andvarafors und der vermeintlich lungenkranke Anwalt für Minderjährige namens Hinkus. Und als wäre das nicht genug, munkelt man, dass der Geist eines verunglückten Bergsteigers hier herumspukt. Fehlen nur noch Außerirdische und die Mafia. Aber die lassen auch nicht mehr lange auf sich warten ...

Die Brüder Arkadi und Boris Strugatzki haben von den Fünfzigerjahren bis 1990 gemeinsam ein OEuvre an Romanen, Erzählungen und Szenarien geschaffen, das sein Zentrum in der Science Fiction hat, gelegentlich aber die Grenzen zu anderen Spielarten der (phantastischen) Literatur überschreitet. Sie wurden damit nicht nur zu den führenden SF-Autoren der Sowjetunion, sondern sind auch im modernen Russland bislang an Bedeutung unübertroffen. Im Golkonda Verlag ist die Gesamtausgabe ihrer Werke als Sammleredition erschienen. Die Brüder Arkadi und Boris Strugatzki haben von den Fünfzigerjahren bis 1990 gemeinsam ein OEuvre an Romanen, Erzählungen und Szenarien geschaffen, das sein Zentrum in der Science Fiction hat, gelegentlich aber die Grenzen zu anderen Spielarten der (phantastischen) Literatur überschreitet. Sie wurden damit nicht nur zu den führenden SF-Autoren der Sowjetunion, sondern sind auch im modernen Russland bislang an Bedeutung unübertroffen. Im Golkonda Verlag ist die Gesamtausgabe ihrer Werke als Sammleredition erschienen. Erik Simon, Jahrgang 1950, Diplom-Physiker, trug als Lektor und Herausgeber wesentlich zur Publikation ausländischer Science Fiction in der DDR bei; selbst übersetzt hat er unter anderem Bücher von Arkadi & Boris Strugatzki, Andrzej Sapkowski und Vernor Vinge.

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Erstes Kapitel Ich hielt an, stieg aus dem Wagen und nahm die Sonnenbrille ab. Alles war so, wie Sgut gesagt hatte. Ein ein­stöckiges Hotel, gelbgrün gestrichen, über der Veranda, zu der die Außentreppe führte, prangte ein schwarz umrandetes Schild »Zum Verunglückten Bergsteiger«. In den hohen, grobkörnigen Schneewällen beiderseits der Treppe steckten verschiedenfarbige Skier. Ich zählte sieben, an einen war noch der Stiefel geschnallt. Am Dach hingen armstarke, wulstige Eiszapfen, trübe schimmernd. Aus dem äußersten rechten Fenster im Erdgeschoss schaute ein blasses Gesicht, zugleich öffnete sich das Hauptportal, und ein vierschrötiger, kahlköpfiger Mann in fuchsroter Pelzweste über einem blendend weißen Nylonhemd trat heraus. Schwerfällig trottete er auf mich zu und blieb vor mir stehen. Er hatte ein grobes, rotes Gesicht, den Nacken eines Schwergewichtlers und schaute mich überhaupt nicht an. Sein melancholischer Blick war zur Seite gerichtet und erfüllt von trauriger Würde. Zweifellos war das Alec Snewar selbst, der Besitzer des Hotels und des Flaschenhalstales. »Dort«, sagte er mit unnatürlich tiefer, dumpfer Stimme. »Dort ist es geschehen.« Er wies mit der Hand in seine Blickrichtung. In der Hand hielt er einen Korkenzieher. »Auf dem Gipfel da …« Ich wandte mich um und schaute blinzelnd auf die graublaue, düstere Steilwand, die das Tal im Westen abschloss, auf die weißen Schneezungen und den gezackten Felsgrat, der sich scharf gegen den tiefblauen Himmel abhob. »Ein Karabinerhaken war gebrochen«, fuhr der Mann mit dumpfer Stimme fort. »Er stürzte zweihundert Meter senkrecht in die Tiefe, in den Tod. An dem glatten Fels konnte er nirgends Halt finden. Vielleicht hat er geschrien. Niemand hat ihn gehört. Vielleicht hat er gebetet. Dann hat nur Gott ihn gehört, und die Erde erbebte, als er mit zweiundvierzigtausend Tonnen Kristallschnee aufschlug.« »Was hat ihn denn hierher verschlagen?«, erkundigte ich mich, während ich die bedrohliche Felswand betrachtete. »Erlauben Sie, dass ich mich in die Vergangenheit versenke«, sagte der Wirt, neigte den Kopf und legte die Hand mit dem Korkenzieher an die Stirnglatze. Es war alles genau so, wie Sgut erzählt hatte. Nur der Hund war nirgends zu sehen, doch er hatte im Schnee an der Veranda und rings um die Skier zahlreiche Visitenkarten hinterlassen. Ich langte in den Wagen und nahm den Korb mit den Flaschen heraus. »Schönen Gruß von Inspektor Sgut«, sagte ich, und so­­gleich tauchte der Wirt wieder aus der Vergangenheit auf. »Das ist mal ein ehrenwerter Mann!«, sagte er lebhaft und mit ganz alltäglicher Stimme. »Wie geht es ihm?« »Nicht schlecht«, antwortete ich und reichte ihm den Korb. »Ich sehe, er hat die Abende an meinem Kamin nicht vergessen.« »Er redet von nichts anderem«, sagte ich und wollte mich wieder dem Wagen zuwenden, doch der Hausherr packte mich am Arm. »Keinen Schritt zurück!«, sagte er streng. »Das macht Kaisa. Kaisa!«, brüllte er dröhnend. Ein Hund sprang auf die Veranda, ein prächtiger Bernhardiner, weiß mit gelben Flecken, groß wie ein Kalb. Ich wusste bereits, dass das Tier die einzige Hinterlassenschaft des Verunglückten Bergsteigers war, abgesehen von den wenigen Habseligkeiten, die im Museumszimmer ausgestellt waren. Ich hätte gern zugeschaut, wie dieser Rüde mit dem weiblichen Namen mein Gepäck auslud, doch der Wirt führte mich mit festem Griff ins Haus. Wir gingen durch eine dunkle Diele, wo ich den warmen Dunst des erloschenen Kamins spürte und moderne, niedrige Tischchen matt glänzten, und bogen links in einen ­Korridor. Der Wirt stieß mit der Schulter eine Tür mit der Aufschrift »Büro« auf. Ich wurde in einen gemütlichen Sessel platziert, der leise klirrende und gluckernde Korb in einer Ecke, und der Wirt schlug ein mächtiges Gästebuch auf, das auf dem Tisch lag. »Vor allem möchte ich mich vorstellen«, sagte er und säuberte gewissenhaft die Federspitze mit den Fingernägeln. »Alec Snewar, Hotelbesitzer und Mechaniker. Sie haben gewiss die Windräder am Ausgang des Flaschenhalses be­­merkt?« »Ach, das waren Windräder?« »Ja, Windmotoren. Die hab ich selbst entworfen und gebaut. Mit diesen meinen Händen.« »Was Sie nicht sagen …«, murmelte ich. »Ja. Ich selbst. Und noch viel mehr.« »Und wo soll er hin?«, fragte eine durchdringende Frauen­stimme hinter mir. Ich wandte mich um. In der Tür stand eine dicke Frau mit meinem Koffer in der Hand, ein Pummelchen, etwa fünfundzwanzig Jahre alt, mit roten Wangen und weit auseinanderstehenden, weit offenen blauen Äuglein. »Das ist Kaisa«, erklärte der Wirt. »Kaisa! Dieser Herr hat uns Grüße von Herrn Sgut gebracht. Erinnerst du dich an Herrn Sgut? Solltest du.« Kaisa lief sofort hochrot an, hob die Schultern und legte die Hand vors Gesicht. »Sie erinnert sich«, erklärte mir der Wirt. »Hat sich’s gemerkt … Hm. Ich bringe Sie in Nummer vier unter. Unser bestes Zimmer. Kaisa, bring den Koffer von Herrn … hm …« »Glebski«, sagte ich. »Bring den Koffer von Herrn Glebski auf Nummer vier. – Sie ist von erstaunlicher Blödheit«, erklärte er mit gewissem Stolz, als das Pummelchen weg war. »In ihrer Art ein Phänomen. Also, Herr Glebski?« Er schaute mich erwartungsvoll an. »Peter Glebski«, diktierte ich. »Polizeiinspektor, auf Ur­­laub. Für zwei Wochen. Allein.« Der Wirt notierte sich diese Angaben gewissenhaft mit großen, krakeligen Buchstaben, und während er schrieb, kam der Bernhardiner ins Zimmer, mit den Krallen über das Linoleum patschend. Er schaute mich an, zwinkerte, ließ sich plötzlich mit einem Krach, als schütte jemand einen Armvoll Holzscheite hin, neben dem Safe zu Boden fallen und legte die Schnauze auf die Pranke. »Das ist Lel«, sagte der Wirt und schraubte den Füller zu. »Sapiens. Versteht drei europäische Sprachen. Flöhe hat er nicht, aber sein Fell geht aus.« Lel seufzte und legte die Schnauze auf die andere Pranke. »Gehen wir«, sagte der Wirt und erhob sich. »Ich bringe Sie.« Wir durchquerten wieder die Diele und gingen die Treppe hinauf. »Wir essen um sechs«, teilte der Wirt mit. »Aber einen Happen zwischendurch kann man immer bekommen oder irgendwas zur Erfrischung trinken. Um zehn Uhr abends – ein leichtes Abendessen. Tanzen, Billard, Karten spielen, Gespräche am Kamin.« Wir kamen in den Korridor im ersten Stock und bogen nach links. Gleich an der ersten Tür blieb der Wirt stehen. »Hier«, sagte er jetzt wieder mit dumpfer Stimme. »Bitte sehr.« Er stieß die Tür vor mir auf, und ich trat ein. »Seit jenem unvergesslichen, grauenvollen Tag …«, begann er und verstummte plötzlich. Das Zimmer war nicht schlecht, wenngleich etwas düster. Die Vorhänge waren halb herabgelassen, auf dem Bett lag seltsamerweise ein Eispickel. Es roch nach frisch entzündetem Tabak. Über einer Stuhllehne mitten im Zimmer hing eine Segeltuchjacke, auf dem Fußboden daneben lag eine Zeitung. »Hm«, sagte ich verdutzt. »Mir scheint, hier ist schon jemand zugegen.« Der Wirt schwieg und blickte gebannt auf den Tisch. Dort war nichts Besonderes zu sehen, lediglich ein großer Bronze­aschbecher, darin eine Pfeife mit geradem Rohr. Wohl eine Dunhill. Rauch stieg heraus. »Jemand zugegen …«, brachte der Wirt schließlich hervor. »Ist er zugegen? … Aber warum eigentlich nicht?« Ich wusste nicht, was ich ihm antworten sollte, und wartete auf eine weitere Erklärung. Mein Koffer war nirgends zu sehen, dafür stand eine karierte Reisetasche mit zahlreichen Hoteletikettaufklebern in der Ecke. Sie gehörte nicht mir. »Hier«, erklärte der Wirt schließlich mit etwas festerer Stimme, »ist seit sechs Jahren alles so geblieben, wie er es an jenem unvergesslichen, schrecklichen Tag vor seinem letzten Aufstieg hinterlassen hat.« Ich schaute ungläubig auf die rauchende Pfeife. »Ja!«, sagte der Wirt herausfordernd. »Das ist seine Pfeife. Und seine Jacke. Und dort liegt sein Eispickel. ›Nehmen Sie den Eispickel mit‹, habe ich ihm an jenem Morgen gesagt. Er hat nur gelächelt und den Kopf geschüttelt. ›Aber Sie wollen doch nicht für immer dort bleiben!‹, habe ich gerufen, und eine schreckliche Vorahnung ließ mich frösteln. ›Pourquoi pas?‹, hat er mir geantwortet. Ich weiß bis heute nicht, was das bedeuten sollte …« »Es bedeutete: ›Warum denn nicht?‹«, warf ich ein. Der Wirt nickte betrübt. »Das dachte ich mir … Und das da ist seine Reisetasche. Ich habe der Polizei nicht erlaubt, in seinen Sachen zu kramen …« »Und das ist seine Zeitung«, ergänzte ich. Ich sah deutlich, dass es der »Muirer Bote« von vorgestern war. »Nein, natürlich nicht«, sagte der Wirt. »Das meine ich auch.« »Nein, natürlich nicht«, wiederholte der Wirt. »Und die Pfeife hat selbstverständlich nicht er, sondern jemand anders angesteckt.« Ich murmelte etwas von fehlender Achtung für die Erinnerung an Verstorbene. »Nein«, entgegnete der Wirt nachdenklich. »Hier ist alles komplizierter. Hier ist alles viel komplizierter, Herr Glebski. Doch darüber später. Gehen wir jetzt in Ihr Zimmer.« Ehe wir den Raum verließen, warf er dennoch schnell einen Blick in die Toilette, öffnete und schloss die...


Die Brüder Arkadi und Boris Strugatzki haben von den Fünfzigerjahren bis 1990 gemeinsam ein OEuvre an Romanen, Erzählungen und Szenarien geschaffen, das sein Zentrum in der Science Fiction hat, gelegentlich aber die Grenzen zu anderen Spielarten der (phantastischen) Literatur überschreitet. Sie wurden damit nicht nur zu den führenden SF-Autoren der Sowjetunion, sondern sind auch im modernen Russland bislang an Bedeutung unübertroffen. Im Golkonda Verlag ist die Gesamtausgabe ihrer Werke als Sammleredition erschienen.

Die Brüder Arkadi und Boris Strugatzki haben von den Fünfzigerjahren bis 1990 gemeinsam ein OEuvre an Romanen, Erzählungen und Szenarien geschaffen, das sein Zentrum in der Science Fiction hat, gelegentlich aber die Grenzen zu anderen Spielarten der (phantastischen) Literatur überschreitet. Sie wurden damit nicht nur zu den führenden SF-Autoren der Sowjetunion, sondern sind auch im modernen Russland bislang an Bedeutung unübertroffen. Im Golkonda Verlag ist die Gesamtausgabe ihrer Werke als Sammleredition erschienen.

Erik Simon, Jahrgang 1950, Diplom-Physiker, trug als Lektor und Herausgeber wesentlich zur Publikation ausländischer Science Fiction in der DDR bei; selbst übersetzt hat er unter anderem Bücher von Arkadi & Boris Strugatzki, Andrzej Sapkowski und Vernor Vinge.



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