E-Book, Deutsch, Band 6, 319 Seiten
Reihe: Kommunizieren im Beruf
Teufele Berufssprachliche Kompetenzen von berufserfahrenen Zugewanderten ohne formal anerkannten Berufsabschluss
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-381-12943-0
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 6, 319 Seiten
Reihe: Kommunizieren im Beruf
ISBN: 978-3-381-12943-0
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dr. Lisa Teufele ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Programme for International Student Assessment (PISA) an der Technischen Universität München.
Autoren/Hrsg.
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1.2 Erkenntnisinteresse und Zielsetzung der Arbeit
Ausgehend vom Bedarf sowie der Notwendigkeit der Feststellung von im Berufskontext relevanten sprachlich-kommunikativen Kompetenzen werden im folgenden Kapitel die in dieser Dissertation adressierten Forschungsfragen vorgestellt. Des Weiteren werden in Kapitel 1.2.2 weitere Themenfelder der Forschung zu Sprache und Kommunikation im Beruf vorgestellt, die einen Bezug zur thematischen Ausrichtung dieser Forschungsarbeit aufweisen.
1.2.1 Forschungsfragen
Im Hinblick auf die Tatsache, dass berufsbezogene Sprachtests häufig methodische und inhaltliche Mängel aufweisen, wird in dieser Forschungsarbeit das methodische Vorgehen zur Entwicklung eines validen berufskommunikativen Testverfahrens adressiert. Hierbei steht die Frage, wie die berufskommunikativen Kompetenzen in einem validen Testverfahren abgebildet werden können, im Mittelpunkt. Abgesehen davon werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen berufskommunikativen und allgemeinsprachlichen Testverfahren thematisiert. Im weiteren Verlauf wird die Frage beantwortet, wie Testrahmenbedingungen, Testinhalte, Format und Bewertungskriterien eines berufskommunikativen Testverfahrens festgelegt werden können.
Angesichts der Tatsache, dass zwar zahlreiche berufliche Kompetenzfeststellungsverfahren existieren, im Rahmen derer jedoch keine sprachlichen Kompetenzen überprüft werden, sowie im Hinblick auf den Umstand, dass der WHKT die Überprüfung berufskommunikativer Kompetenzen im Rahmen von ValiKom als relevant und wichtig erachtet, entwickelte die Forscherin mit Unterstützung des WHKT den Berufssprachtest Anlagenmechaniker:in und den Berufssprachtest Friseur:in. Neben der Vermittlung von Testteilnehmenden initiierte der WHKT den Kontakt zu Berufsfachkräften, die bei der Erstellung, Überarbeitung und Evaluierung der Testinhalte mitwirkten. Im Gegenzug bot die Forscherin den Testteilnehmenden sowohl eine kostenfreie Testauswertung und ein Zertifikat als auch ein Evaluierungsgespräch an, im Rahmen dessen Optionen der weiteren berufsbezogenen Deutschförderung thematisiert wurden. In Kooperation mit dem WHKT wurden sowohl der Ausbildungsberuf Anlagenmechaniker:in für Sanitär, Heizung und Klima als auch der Beruf Friseur:in ausgewählt, da es sich hierbei zum einen um im ValiKom-Verfahren repräsentierte Berufe und zum anderen um vom Fachkräftemangel betroffene Berufe handelt.
Neben den methodischen Forschungsfragen wird in dieser Arbeit auch die inhaltliche Ebene der berufskommunikativen Arbeitshandlungen adressiert. Ausgehend vom Desiderat der Auseinandersetzung mit sprachlichen Anforderungen im Beruf wird der Frage nachgegangen, welche Charakteristika das berufskommunikative Kompetenzprofil dieser beiden Handwerksberufe aufweist. Des Weiteren wird das Testergebnis der BTA-/BTF- Testteilnehmenden analysiert, um feststellen zu können, über welches berufskommunikative Kompetenzprofil zugewanderte Fachkräfte in diesen beiden Berufen verfügen. Abschließend wird ebenfalls die Frage beantwortet, wie berufliche und sprachliche Sozialisationsfaktoren und Erfahrungen das berufskommunikative Kompetenzniveau beeinflussen. Diese Frage ist insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung und Ausgestaltung berufsbezogener Deutschfördermaßnahmen von essenzieller Bedeutung. Folgende Abbildung fasst die in dieser Forschungsarbeit adressierten Fragestellungen zusammen:
Forschungsfragen
1.2.2 Forschungsstand zu Kommunikation und Sprache im Beruf
Im Hinblick auf die erste Forschungsfrage, die sich auf die methodische Vorgehensweise zur Entwicklung eines validen berufsbezogenen Sprachtests bezieht, ist vorab festzuhalten, dass Sprachdiagnostik auch bzw. unter Umständen sogar insbesondere für das Themenfeld DfB von Relevanz ist, da eine evidenzbasierte Einschätzung der Sprachkompetenzen von Lernenden Voraussetzung für eine zielgerichtete Sprachförderung darstellt (vgl. Settinieri und Jeuk 2019, S. 3). Des Weiteren stellt sich für den Bereich der Sprachdiagnostik im Themenfeld DfB die besondere Herausforderung, geeignete Indikatoren für die Erfassung jener Sprachkompetenzen zu identifizieren. Dies bedeutet, dass im Zusammenhang mit der Entwicklung eines validen berufsbezogenen Sprachkompetenztests geklärt werden muss, was Berufsdeutsch ist bzw. welche Sprache(n) denn am Arbeitsplatz von Relevanz sind und inwiefern berufsspezifische Unterschiede auszumachen sind (vgl. Teufele im Erscheinen; Niederhaus 2022, S. 211). Auch wenn bis dato kein spezielles Verfahren zur Entwicklung berufsbezogener Sprachtests existiert, so werden im Arbeitsfeld DfB neben den erwähnten berufsbezogenen Sprachtests auch (förderdiagnostische) Verfahren für den Einsatz in der beruflichen Bildung, Screenings, Profilanalysen und auch Beobachtungsverfahren angewandt (vgl. Niederhaus 2022, S. 9 f.).
Abgesehen von der Darstellung des Forschungsstandes zur Sprachdiagnostik im Arbeitsfeld DfB werden im Folgenden Daten zum berufskommunikativen Kompetenzniveau berufserfahrener Zugewanderter vorgestellt. Im Anschluss daran werden die Ergebnisse empirischer Arbeiten zu Faktoren der erfolgreichen sprachlichen (und beruflichen) Sozialisation präsentiert, bevor abschließend auf Ansätze der Erhebung, Ermittlung und Analyse sprachlicher Bedarfe und kommunikativer Praktiken im Arbeitsfeld Deutsch für den Beruf eingegangen wird.
Zunächst kann allgemein festgehalten werden, dass sich die sprachlichen Kompetenzen Zugewanderter durch den Besuch diverser Sprachkurse sowie mit zunehmender Aufenthaltsdauer in Deutschland verbessern (vgl. Bernhard et al. 2021, S. 1). Die vorliegenden Zahlen scheinen dies zu bestätigen. Beispielsweise schätzten 44 % Prozent der zwischen 2013 und 2016 eingereisten Geflüchteten im Jahr 2018 ihre Deutschkenntnisse als gut bis sehr gut ein. Demgegenüber gibt es jedoch auch einen beachtlichen Anteil von 15 %, die angaben, bis zum Jahr 2018 noch an keinerlei sprachlichen Maßnahmen teilgenommen zu haben (vgl. Lareiro et al. 2020, S. 1). Auch wenn die aktuelle Analyse des BAMF eine positive Entwicklung aufzeigt, da 90 % der Männer und 79 % der Frauen zwischen 2016 und 2019 an mindestens einem Sprachkurs teilnahmen und auch ihre Deutschkenntnisse häufig als gut bis sehr gut einschätzen, so ist gleichzeitig einschränkend festzuhalten, dass ältere Geflüchtete, Geflüchtete mit niedrigem Bildungsniveau und geflüchtete Mütter mit Kindern ihre Deutschkenntnisse schlechter einschätzen als Männer mit oder ohne Kinder(n) (vgl. Niehues et al. 2021, S. 4).
In Bezug auf die berufsbezogenen Kompetenzen und Sprachaneignungsprozesse berufserfahrener Zugewanderter liegen keinerlei Daten vor. Angesichts des überschaubaren Angebots an berufssprachlichen Kursen und Maßnahmen sowie der erst im Juli 2016 eingeführten Berufssprachkurse kann jedoch vermutet werden, dass die befragten Geflüchteten nur eingeschränkt über berufskommunikative Kompetenzen verfügen. Im Rahmen einer Befragung zu Erfahrungen mit potenziellen Teilnehmenden am ValiKom-Verfahren gaben beispielsweise 30 % der 173 interviewten Expertinnen und Experten aus acht Handwerkskammern an, dass die Zielgruppe Sprachprobleme aufweist. Selbst innerhalb der Gruppe von Personen mit Berufsabschluss, die aber in einem anderen als ihrem Ausbildungsberuf tätig sind, werden von 18 % der befragten Bildungs- und Karriereberaterinnen und -beratern Sprachbarrieren gesehen (vgl. ValiKom Projektpartner, S. 3). Zusammenfassend kann somit konstatiert werden, dass Geflüchtete mit zunehmender Aufenthaltsdauer in Deutschland oft auch ihre Sprachkenntnisse als gut bis sehr gut einschätzen. Offen bleibt jedoch die Frage der Relevanz dieser allgemeinsprachlichen Deutschkenntnisse für die berufliche Handlungsfähigkeit in einem speziellen Berufsfeld sowie die Frage nach den Deutschkenntnissen von Zugewanderten, die keinerlei verpflichtende oder bezahlte Deutschkurse angeboten bekommen oder aufgrund familiärer oder beruflicher Verpflichtungen keine Sprachkurse besuchen.
Neben der Auseinandersetzung mit den berufskommunikativen Kompetenzen berufserfahrener Zugewanderter ist der individuelle berufliche und sprachliche Lernweg der berufserfahrenen Zugewanderten, welcher in dieser Arbeit im Kontext der beruflichen und sprachlichen Sozialisation verortet wird, von ebenso großer Bedeutung, wenn es darum geht, das Gesamtkonstrukt der berufsbezogenen Sprachaneignung und der Ausbildung von berufskommunikativen Kompetenzen analysieren zu wollen. Während in Kapitel 2.1 weitere Hinweise zum Begriffsverständnis der beruflichen und sprachlichen Sozialisation im Kontext dieser Forschungsarbeit gegeben werden, wird im Folgenden kurz auf den Forschungsstand zu den Einflussfaktoren des (berufsbezogenen) Sprachaneignungsprozesses von erwachsenen Zugewanderten eingegangen.
Ausgehend von der Tatsache, dass verschiedene Institutionen, Rahmenbedingungen und individuelle Voraussetzungen und Fähigkeiten beim Prozess der (berufsbezogenen) Sprachaneignung von Relevanz sind, lässt sich erklären, dass sich Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Disziplinen wie Psychologie, Pädagogik oder auch Soziologie mit dem Themenfeld der Sozialisationsfaktoren im Kontext von Sprache beschäftigen. Ungeachtet dessen ist auch feststellbar, dass bis dato wenig belastbare Befunde zu Bedingungen eines erfolgreichen Sprachaneignungsprozesses vorliegen. Auch wenn Haug (2005, S. 263) beispielsweise feststellt, dass Personen mit niedrigerem Einwanderungsalter sowie Zugewanderte mit einem höheren...