E-Book, Deutsch, 150 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Zander Wundermittel 4-Tage-Woche?
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-648-17510-1
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Chancen, Risiken, Grenzen und flexible Alternativen: Wie Sie mehr Mitarbeiter-Zufriedenheit über eine gute Unternehmenskultur und flexible Arbeitszeitmodelle erreichen
E-Book, Deutsch, 150 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-17510-1
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Guido Zander ist Diplom-Wirtschaftsinformatiker und seit 2005 geschäftsführender Gesellschafter der SSZ Beratung. Das Beratungsunternehmen ist spezialisiert auf die Themenschwerpunkte strategische Personalplanung, Personalbedarfsermittlung und Arbeitszeitberatung. Mit fast 30 Jahren Praxiserfahrung in der umsetzungsorientierten Beratung zählt Guido Zander zu den gefragtesten Experten, wenn es um die teuerste Ressource in Unternehmen geht: das Personal. Der unverstellte Blick auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen zieht sich wie ein roter Faden durch Zanders Berufsleben: Als IT Consultant führte er Zeiterfassungs- und Personaleinsatzplanungssysteme ein und verantwortete später den Beratungsbereich bei einem führenden Softwarehersteller für Workforce Management. Bis heute hat Guido Zander mehr als 200 Projekte bei namhaften Kunden unterschiedlicher Branchen und Größen realisiert. Sein Fokus liegt dabei nicht nur auf der Konzeption einer Lösung, sondern vor allem auf deren Umsetzung und Verankerung in der Organisation. Als Vordenker ist er ein gefragter Keynote Speaker in den Themen Arbeitszeit und Zukunft der Arbeit. 2023 und 2025 wurde er vom Personalmagazin als einer der 40 führenden HR-Köpfe ausgezeichnet.
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2 Welche Voraussetzungen Unternehmen mitbringen sollten
Martin Gaedt hat in seinem Buch »4-Tage-Woche« 151 konkrete Beispiele aus der Praxis aufgeführt, die mit den im vorherigen Kapitel genannten Parametern unterschiedlichste Modelle umgesetzt haben. Wer sich einen Überblick über viele Praxisbeispiele verschaffen möchte, dem sei das Buch empfohlen. So viel kann ich aber schon verraten: Nur bei den wenigsten handelt es sich dabei um eine Version, bei der die Stundenzahl von 40 auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich reduziert wird.
Ob und wie man eine 4-Tage-Woche einführen kann, ist von diversen Voraussetzungen abhängig, die im Folgenden beschrieben werden.
2.1 Voraussetzung 1: Bedarfstyp
Der betriebliche Bedarf ist ganz entscheidend dafür, ob und wie eine 4-Tage-Woche ausgestaltet werden kann. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einem variablen und einem fixen Bedarf.
Bedarfstyp 1: Variabler Bedarf
Unter einem variablen Bedarf versteht man, dass die Bearbeitung des Bedarfs nicht zu bestimmten Zeitpunkten erfolgen muss. Ob man eine variable Tätigkeit um 9 Uhr oder um 16 Uhr oder 20 Uhr durchführt, ist unerheblich, hauptsächlich sie wird innerhalb eines bestimmten Zeitraums erledigt.
Tätigkeitsarten: Zu den Tätigkeiten dieses Bedarfstyp gehören administrative und kreative Tätigkeiten aber auch die Abarbeitung von Geschäftsvorfällen wie beispielsweise Anträge in Versicherungen oder Anfragen, die per E-Mail oder Fax (in Deutschland bedauerlicherweise immer noch Realität) eingehen. Aber auch Schichtbetriebe im Ein- oder Zweischichtbetrieb sind nicht auf die Minute genau auf einen Zeitpunkt fixiert. Beispielsweise sind nahezu alle Handwerksbetriebe, Steuerkanzleien, IT-Unternehmen, Marketingagenturen u.v.a. nur einschichtig unterwegs. In all diesen Fällen ist es möglich, dass ein Arbeitstag länger als 8 Stunden pro Tag dauern kann. Somit ist eine Arbeitszeitverdichtung bei Wochenarbeitszeiten von mehr als 32 Stunden jederzeit möglich.
Fazit: Damit sind für Unternehmen bzw. Tätigkeitsarten mit dem Bedarfstyp 1 alle Ausprägungen der 4-Tage-Woche von Arbeitszeitverdichtung bis hin zu Arbeitszeitverkürzung mit und ohne Lohnausgleich möglich.
Bedarfstyp 2: Fixer Bedarf
Ein fixer Bedarf, auch zeitpunktbezogener Bedarf genannt, muss zu einem bestimmten Zeitpunkt abgearbeitet werden. Beispiele dafür sind Telefonservice in einem Kundencenter oder Öffnungszeiten mit schwankenden Kundenfrequenzen im Handel. Wenn um 10 Uhr viele Kunden anrufen oder an der Kasse stehen, dann müssen zu dieser Uhrzeit auch entsprechend viele Beschäftigte arbeiten bzw. anwesend sein, um die Kunden zu bedienen. Wenn also um 10 Uhr viel zu tun ist und z.?B. um 18 Uhr nicht mehr, dann bringt es sehr wenig, wenn die vorhandenen Mitarbeiter an einem Tag länger arbeiten, sondern man benötigt um 10 Uhr eine Person mehr. Zur Erläuterung hier ein paar Beispiele:
Beispiel 1: Öffnungszeit und flexibler Bedarf wie z.?B. im Handel
Nehmen wir an, ein Geschäft hat zwischen 10 Uhr und 18:30 Uhr geöffnet und hat folgenden Bedarf an Mitarbeitern in den einzelnen Zeitintervallen:
Uhrzeit | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18:30 |
Bedarf | 2 | 3 | 3 | 4 | 4 | 4 | 4 | 2 | 2 |
Abb. 1: Besetzungsbedarf während der Öffnungszeiten
Um 10 Uhr werden 2 Personen benötigt, ab 11 Uhr 3 Personen, ab 13 Uhr 4 Personen usw.
Diesen Bedarf könnte man z.?B. mit folgenden Schichten decken:
Personen | Uhrzeit | Stundenzahl | Pause |
2 | 10:00 bis 18:30 | 8 | zzgl. 30 Minuten |
2 | 11:00 bis 17:00 | 6 | / |
1 | 13:00 bis 17:00 | 4 | / |
Abb. 2: Schichtplanung für den Besetzungsbedarf aus Abb. 1
Das heißt,
-
2 Personen arbeiten von 10 Uhr bis 18:30 Uhr, also 8 Stunden zzgl. 30 Minuten Pause
-
2 Personen arbeiten von 11 Uhr bis 17 Uhr also 6 Stunden
-
1 Person arbeitet von 13 bis 17 Uhr also 4 Stunden
Aus wirtschaftlicher Sicht wäre das eine optimale Abdeckung, jede Abweichung würde entweder eine Über- oder Unterdeckung bedeuten, d.?h. man hat dann zu bestimmten Zeitpunkten wahlweise zu viele oder zu wenige Mitarbeiter vor Ort.
Gehen wir nun davon aus, dass die Vollzeitarbeitnehmer bis dato in einer 5-Tage-Woche arbeiten. Ein Modell der Arbeitszeitverdichtung auf 4 Tage wäre per se nicht möglich, sofern die aktuelle Wochenarbeitszeit über 32 Stunden liegt, da mehr als 8 Stunden Arbeitszeit pro Tag nicht erforderlich sind.
Bleibt also die Möglichkeit der Arbeitszeitreduktion bei Lohnausgleich, bei dem das Unternehmen bei gleichen Kosten je Vollzeitkraft 20?% weniger Kapazität hat und Teilzeitkräften ebenfalls anteilig die Arbeitszeit kürzen müsste. Alternativ müssten die Löhne um 25?% angehoben werden, um eine Ungleichbehandlung auszuschließen.
Bleibt die spannende Frage, ob nun durch die aus der Umstellung auf eine 4-Tage-Woche resultierende bessere Motivation der Beschäftigten bis zu 25?% Produktivitätssteigerung möglich wird? Kann man davon ausgehen, dass entsprechend mehr Kunden in den Laden kommen bzw. mehr konsumieren, nur weil die Belegschaft ausgeruhter und motivierter ist? Ganz abgesehen davon arbeitet bereits ein Großteil der Beschäftigten im Handel mit reduzierter Arbeitszeit oder reduzierten Arbeitstagen. Insofern ist es tatsächlich die Frage, wie groß der Effekt ist, wenn die wenigen Vollzeitkräfte auf eine 4-Tage-Woche umstellen. Wenn das alles nicht möglich ist, bleibt die Möglichkeit der Gehaltsreduktion, also Teilzeit. In manchen Branchen – wie beispielsweise im Handel – ist das Gehaltsniveau nicht allzu hoch. Gerade in Zeiten von hoher Inflation ist meine Erfahrung, dass Mitarbeiter bei der Wahlmöglichkeit mehr Geld oder mehr Freizeit in dieser Branche eher das höhere Gehalt wählen.
Beispiel 2: Teil- oder vollkontinuierliche Schichtbetriebe
Es gibt Bedarfstypen, bei denen ist es notwendig, dass rund um die Uhr gearbeitet wird.
-
Von teilkontinuierlich spricht man in diesem Zusammenhang, wenn 24 Stunden pro Tag an bestimmten Wochentagen, in der Regel Montag bis Freitag, gearbeitet werden muss.
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Von vollkontinuierlich spricht man, wenn die Betriebszeit durchgehend ist, also an 7 Tagen pro Woche mit 24 Stunden.
Die Gründe für den vollkontinuierlichen Bedarfstyp 2 können sehr unterschiedlich sein. In Krankenhäusern und auch Pflegeeinrichtungen liegt es auf der Hand, dass Patienten und Bewohner auch in der Nacht und am Wochenende Betreuungsbedarf haben. In der Industrie kann es wirtschaftliche Gründe haben, wenn sich z.?B. die Investition in eine Anlage nur amortisiert, wenn diese entsprechend rund um die Uhr produziert. Es kann aber auch technische Gründe geben, wenn z.?B. Anlagen mit thermischen Prozessen Anlaufzeiten von ein oder mehreren Stunden haben, bis diese produzieren können. In diesem Fall wäre es extrem unwirtschaftlich oder auch aus Wartungssicht sehr schwierig, die Anlage jeden Tag aufs Neue anfahren zu müssen, bis entsprechend produziert werden kann. Oft gibt es für einen wirtschaftlichen Betrieb dann keine Alternative als vollkontinuierlich zu produzieren.
In dieser Situation ist es unmöglich, dass ein Arbeitstag (abgesehen von zeitlich begrenzten Übergabe- oder Umkleidezeiten) wesentlich länger als 8 Stunden dauern kann – zumindest dann, wenn man starke Überlappungen zwischen den verschiedenen Schichten ausschließt, die aufgrund einer begrenzten Anzahl zu besetzende Arbeitsplätze meist nicht in Frage kommt. 24 Stunden können sich entweder aus 3 x 8 Stunden oder 2 x 12 Stunden oder 4 x 6 Stunden zusammensetzen. Bei 6 Stunden benötigt man aber mehr Wochentage, um auf eine vorgegebene Wochenarbeitszeit zu kommen, 12 Stunden sind vom Arbeitszeitgesetz nur in bestimmten Ausnahmesituationen möglich und je nach Belastung (siehe Art der Tätigkeit) auch nicht empfehlenswert. Bleiben die 8 Stunden, damit fällt aber das »Verdichtungsmodell« aus und es bleibt wieder nur die Arbeitszeitverkürzung bei vollem, teilweisen oder keinem Lohnausgleich. Hier wird auch deutlich, dass in diesem Fall die Arbeitszeit und nicht die individuell erreichte Produktivität das Maß der Dinge ist. Viele Maschinen produzieren innerhalb getakteter Linien kein einziges Teil mehr, nur weil die Mitarbeiter...