Abdel-Samad | Schlacht der Identitäten | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 128 Seiten

Abdel-Samad Schlacht der Identitäten

20 Thesen zum Rassismus - und wie wir ihm die Macht nehmen

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

ISBN: 978-3-423-43887-2
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Der Kampf gegen den Rassismus ist eine Menschheitsaufgabe
Hamed Abdel-Samad hat Rassismus erlebt: In Ägypten wurde er als hellhäutiger Kreuzritterbastard denunziert, in Deutschland ist seine Haut manchen zu dunkel, sein Name anderen zu muslimisch.

Dieses erfahrungssatte Buch ist kein Bericht der Betroffenheit. Es ist die Analyse eines durch Globalisierung, Migration und Vorfälle in den USA auch hierzulande angeheizten Themas. Die Radikalität der Debatte, die in Deutschland weit über das Thema Rassismus hinaus Fragen von Identität, Zugehörigkeit, Rederecht und Redeverbot behandelt, droht die Gesellschaft tief zu spalten. Abdel-Samad sucht die Auseinandersetzung zu rationalisieren und zeigt im Individualismus einen Ausweg aus der zwanghaft identitätsfixierten Zugehörigkeitsdebatte
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These 2 Rassismus ist (k)ein Privileg der Weißen
Die amerikanische Soziologin und Anti-Diskriminierungsaktivistin Robin DiAngelo geht davon aus, dass jeder weiße Mensch – bewusst oder unbewusst – ein Rassist ist. In einem Interview mit Spiegel-Online am 20. Juni 2020 begründete sie ihre These so: »Jeder Weiße ist Rassist durch die Sozialisation in einer rassistischen Kultur.« Daran könnten die Weißen auch nichts ändern, selbst wenn sie es wollten. Und selbst wenn sie glaubten, es ändern zu wollen, wollten sie es im Grunde doch nicht. Denn in Europa und den USA lebten sie in Gesellschaften, zu deren Grundlage es gehöre, dass Weiße privilegiert seien. In diesem Interview, aber auch in ihrem Buch »White Fragility« rückt sie das Weiß-Sein in die Nähe einer Art Erbsünde, vor der es kaum ein Entrinnen gibt. Es sei denn, Weiße würden lernen, anders über Rassismus zu denken. Nicht mehr nur als individuelle, aktive und bewusste Handlung einer einzelnen Person, sondern als internalisierte Haltung, die in jedem weißen Menschen stecke. Auch wenn DiAngelo mit ihrer Forderung nach einem neuen Nachdenken über Rassismus zweifelsohne recht hat, bedient sie sich doch einer Definition von Rassismus, die von der Forschung nicht ohne Grund angezweifelt wird: Ich meine einen biologistisch determinierten Rassismusbegriff, der davon ausgeht, dass Weiße diskriminieren und farbige Menschen diskriminiert werden. Diese Definition reicht zurück bis ins 17. Jahrhundert, als man begann, Menschen in »Rassen« einzuteilen. Später entwickelte sich daraus in Europa eine pseudowissenschaftliche Rassenlehre, mit verheerenden Konsequenzen vor allem durch die Kolonialisierung und später den Holocaust. Folgt man dieser biologistischen Theorie, so wird aus Rassismus ein Phänomen, das vornehmlich auf Europa und die USA beschränkt ist und das vornehmlich People of Color zu Opfern macht, Weiße zu Tätern. Andere Formen der Ausgrenzung – kulturelle, religiöse oder sexuelle Diskriminierung etwa – lassen sich zudem so nicht erfassen. Hinzu kommt, dass hinter den Thesen von DiAngelo ein fatales Denkmuster steckt, das man oft in linksliberalen Milieus antrifft. Der Glaube, Misstrauen und Vorurteile gegenüber Minderheiten abbauen zu können, indem man sich selbst und der eigenen Kultur mit Misstrauen und Vorurteilen begegnet. Über sich selbst und die Gesellschaft nachzudenken, ist nie verkehrt. Doch oft genug folgt darauf Selbstgeißelung und ein Verharren in einem Schuldkomplex. Wie aber kann man andere lieben, wenn man sich selbst hasst? Wie kann man die Arme für andere öffnen, wenn man selbst schuldbeladen und gebeugt durchs Leben geht? Es gibt im Westen ein Ethos der Schuld und eine Identitätspolitik, die Toleranz gegenüber den »Fremden« verlangt, aber mit sich selbst hart ins Gericht geht. Der »privilegierte weiße Mann« muss sich ständig rechtfertigen und zurücknehmen. Tut er das nicht, steht er schnell auf der falschen Seite. Und dort wird er möglicherweise mit offenen Armen von den White Supremacists aufgenommen, mit denen er früher nichts am Hut hatte, die aber nun seinen Kampf um die Zurückeroberung der Heimat führen. DiAngelo sieht den Motor des Denkens und Handelns in der Herkunft und Hautfarbe. Ist nicht genau das eine Form von Rassismus? Und wem hilft es, wenn Rassismus nun in die andere Richtung ausschlägt, indem Weiße unter Generalverdacht gestellt werden? Das Problem lässt sich nicht dadurch lösen, dass ein weiteres Mal ab- und damit ausgegrenzt wird. Rassismus lässt sich nicht bekämpfen, indem man alte Hierarchien und Asymmetrien aufrechterhält oder neue schafft. Und schon gar nicht kann man eine Kultur der Toleranz fördern, wenn die eine Seite anklagt und die andere sich nicht einmal verteidigen darf. Das kann letztlich Rassismus nur weiter befeuern. Wer etwas von jemandem will, muss auch wissen, was dieser Mensch will. Wer Angst vor jemandem hat, muss auch die Ängste dieses Menschen verstehen. Erst dann haben wir eine Basis für ein faires Verhandeln und können auf Ergebnisse hoffen, die von allen getragen werden können. Aber diese beinahe religiöse Überhöhung des weißen Mannes als Verkörperung des Bösen erlöst nicht die Minderheiten, sondern öffnet die Tore zur Hölle für alle! Diskriminierung mit Diskriminierung und Vorurteile mit Vorurteilen zu bekämpfen, funktioniert nicht. Und wenn wir nur dann friedlich zusammenleben könnten, wenn die eine Seite schuldgebeugt durchs Leben geht und die andere auf ihrem Opferstatus beharrt, dann hätten wir aus der Geschichte nichts gelernt und für die Zukunft nichts getan. Gerade der Blick in die Geschichte zeigt nämlich, dass Rassisten und Opfer von Rassismus keineswegs nur in bestimmten Ethnien anzutreffen sind. Der weiße Mann hat den Rassismus nicht erfunden. Rassismus ist auch keine Einbahnstraße, in der nur Weiße andersfarbige Menschen diskriminieren würden. Bei aller berechtigten Kritik am Verhalten »der Weißen«: Hat der weiße Mann nicht die Aufklärung zustande gebracht, und die Konzepte von Toleranz und Gleichberechtigung auch politisch umgesetzt? War nicht auch Abraham Lincoln ein alter weißer Mann, der eine Armee aus Weißen führte, um gegen andere Weiße zu kämpfen, um die schwarzen Sklaven in den Südstaaten zu befreien? War der weiße Mann nicht auch daran beteiligt, die allgemeine Erklärung der Menschenrechte zu formulieren und hat er nicht auch Gesetze verabschiedet, die die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit unterbinden? Sind es nicht auch weiße Männer und Frauen, die bei den »Black Lives Matter«-Demonstrationen mitmarschieren? Und ist er nicht selbst mit sich hart ins Gericht gegangen, wegen der Sünden der Vergangenheit? Selbstverständlich gab es die weißen Sklavenhändler und Sklavenhalter, die Millionen von schwarzen Menschen viel Leid zugefügt haben. Und ja, es gab auch die weißen Kolonialherren, die die Bevölkerung auf dem afrikanischen Kontinent, die Ureinwohner Amerikas, Australiens und Lateinamerikas, die Araber und Inder als unterlegene Rassen betrachtet haben, um deren Unterdrückung, Ausbeutung oder Versklavung zu rechtfertigen. Und ja, es gibt heute auch die White Supremacists, den Ku-Klux-Clan, die Aryan Brotherhood, die Reichsbürger, die Identitären, Neonazis und Anhänger der Neuen Rechten, die von der Überlegenheit der weißen Rasse überzeugt sind, und Gewalt gegen Menschen mit anderer Hautfarbe ausüben. Ich möchte mit dem Folgenden keineswegs relativieren – Schuld lässt sich nicht gegeneinander aufrechnen, Verantwortung nicht delegieren. Ich möchte aber Ihren Blick noch einmal auf die These lenken, dass Rassismus ein Menschheitsproblem ist, und nicht die Erbsünde der Weißen: Europäer und Amerikaner haben nicht anders gehandelt als andere Großmächte, die vor ihnen die Welt beherrscht haben. So haben die Araber halb Europa, halb Asien und weite Teile des afrikanischen Kontinents kolonialisiert. Zur Zeit des Osmanischen Reichs wurden Millionen Menschen in Vorderasien, in Nordafrika, auf dem Balkan, in Ost- und Südeuropa unterjocht. Noch heute träumen viele Araber und Türken von der Wiederherstellung des Kalifats und der Re-Islamisierung Europas. Viele von ihnen heben heute rasch den moralischen Zeigefinger und verurteilen den weißen Mann wegen seiner Kolonialgeschichte und wegen der Sklaverei – dabei wurde der Sklavenhandel in der arabischen Welt zum Teil erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beendet. Und zwar auf Druck der Europäer. Saudi-Arabien schaffte die Sklaverei übrigens erst 1963 offiziell ab. Doch bis heute leben Millionen von Migranten aus Asien und Afrika als Arbeitssklaven ohne bürgerliche Rechte in den reichen Golfstaaten, während sie im Westen nach wenigen Jahren ihrer Einreise Staatsbürger werden. Bis heute leugnet die Türkei den Völkermord an den Armeniern in den Jahren 1914 bis 1917. Und nach wie vor vergeblich warten die Menschen in China auf eine Aufarbeitung von Maos Kulturrevolution, die Leid und Tod über Millionen Menschen gebracht hat. Heute richtet sich die Gewalt gegen Uiguren und Turkvölker, deren Angehörige in Umerziehungslagern interniert werden. Als Ende 2019 geheime Papiere der chinesischen Regierung zu diesen Lagern bekannt wurden, sprach der China-Experte Adrian Zenz n-tv gegenüber von einem »kulturellen Genozid«: »Die systematische Internierung einer ganzen ethno-religiösen Minderheit ist, vom Ausmaß her, vermutlich die größte seit dem Holocaust.« Auch diese Menschen zählen. Und doch schaut die Welt weitgehend schweigend zu, selbst die islamische, die sich sonst immer sehr solidarisch zeigt, wenn sie ihre Werte bedroht sieht. Exkurs: Wie Macht, Kolonialismus und Wissenstransfer zusammenhängen
Wir haben es in der gesamten Weltgeschichte mit einem Kreislauf von Macht, Unterdrückung und Befreiung zu tun. Die Mächtigen hatten dabei stets ihre Zeitalter. Während man in Europa buchstäblich noch keulenschwingend auf den Bäumen saß, erlebten die Hochkulturen der alten Ägypter, der Iraker, der Perser, der Libanesen, der Nubier, Äthiopier oder Somalis ihre Blütezeit. Auf Stein und Papyrus wurden Bilder jener Völker verewigt, die sie militärisch besiegt und gedemütigt haben. Auf alten Papyrusrollen wurde aber auch Wissen festgehalten, das für nachfolgende Kulturen wie das Byzantinische Reich von unschätzbarem Wert waren. Das antike Griechenland war in den Gebieten der Philosophie,...


Abdel-Samad, Hamed
Hamed Abdel-Samad, geboren 1972, studierte Sprachen und Politik. Er arbeitete für die UNESCO, am Lehrstuhl für Islamwissenschaft in Erfurt und am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur in München, er war Mitglied der Deutschen Islam Konferenz. Seine Bestseller sorgen für Aufsehen: ›Aufklärung durch Tabubruch.‹ (ZDF-Aspekte). Wegen seiner Tabubrüche wurde 2013 eine Fatwa gegen ihn verhängt, seither lebt er unter permanentem Polizeischutz.

Hamed Abdel-Samad, geboren 1972, studierte Sprachen und Politik. Er arbeitete für die UNESCO, am Lehrstuhl für Islamwissenschaft in Erfurt und am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur in München, er war Mitglied der Deutschen Islam Konferenz. Seine Bestseller sorgen für Aufsehen: »Aufklärung durch Tabubruch« (›ZDF-Aspekte‹). Wegen seiner Tabubrüche wurde 2013 eine Fatwa gegen ihn verhängt, seither lebt er unter permanentem Polizeischutz.


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