Bork / Grupp / Kübler | Festschrift für Godehard Kayser | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 1208 Seiten

Bork / Grupp / Kübler Festschrift für Godehard Kayser

E-Book, Deutsch, 1208 Seiten

ISBN: 978-3-8145-5550-8
Verlag: De Gruyter
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Godehard Kayser ist seit 2010 Vorsitzender des IX. Zivilsenats des BGH. In der Festschrift würdigen Ihn Weggefährten und Kollegen anlässlich seines 65. Geburstags.
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II.  Entwicklung der Rechtsprechung zur Massezulänglichkeit
1.  Rechtsprechung des Reichsgerichts
Das Reichsgericht hatte eine Massezulänglichkeit zunächst für unerheblich gehalten und dementsprechend seinem Urteil vom 31. Mai 1904 folgenden Leitsatz voran gestellt:6) „Das Anfechtungsrecht des Konkurs-Verwalters ist nicht durch die Höhe der Konkurs-Forderungen beschränkt.“7) Die Anfechtung diene „allen Konkursgläubigern“, auch solchen, die Forderungen noch nicht angemeldet haben. „Hiernach muss alles, was durch den angefochtenen Akt aus dem Vermögen des Gemeinschuldners herausgekommen ist, zur Konkurs-Masse zurückgewährt werden (…)“. Getragen ist dieser Standpunkt mithin von dem Gedanken, dass die Anfechtung allen Gläubigern diene, diese aber zum Zeitpunkt des Anfechtungsprozesses mangels Anmeldung ihrer Forderungen noch nicht bekannt sein müssen. Das Interesse an beschleunigter Abwicklung des Verfahrens verbiete ein Abwarten bis zur Feststellung der Forderungen. Ergänzend findet sich der Hinweis, dass der Anfechtungsgegner die Ergebnisse der Feststellungsprozesse hinnehmen müsse und daher nicht mit dem Einwand gehört werden könne, die angemeldeten Forderungen bestehen nicht8). Erst das Urteil des Reichsgerichts vom 19. September 1922 hatte die Frage der Massezulänglichkeit mit der Gläubigerbenachteiligung verknüpft und damit auf eine Grundlage gestellt, die bis heute fortbesteht: „Dadurch, dass ein Vermögensgegenstand veräußert und damit dem Zugriffe der Gläubiger entzogen wird, tritt eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung zu diesem Zeitpunkte nicht ein, wenn zu dieser Zeit der Gemeinschuldner noch über hinreichende Mittel verfügt, um sämtliche vorhandene Gläubiger zu befriedigen.“9) Zwei Merkmale konstituieren danach die Gläubigerbenachteiligung: Die Weggabe eines Vermögensobjekts (gegenstandsbezogene Betrachtung) und das Fehlen hinreichender Mittel zur Befriedigung aller Gläubiger (gesamtvermögensbezogene Betrachtung). Dabei ist zu beachten, dass dem Urteil vom 19. September 1922 ein auf § 31 Nr. 2 KO gestützter Anfechtungsanspruch zugrunde lag, der unmittelbare Gläubigerbenachteiligung voraussetzt. Bei unmittelbarer Gläubigerbenachteiligung spielen aber spätere Entwicklungen (wie das Ergebnis von Feststellungsprozessen oder die Anmeldung weiterer Forderungen) keine Rolle. Die vielfach in Bezug genommene Entscheidung RGZ 162, 29210) befasst sich mit § 31 Nr. 1 KO, der mittelbare Gläubigerbenachteiligung ausreichen lässt. Nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt hätte die Masse wohl zur Befriedigung aller Gläubiger mit unbestrittenen Forderungen ausgereicht. Das Berufungsgericht hatte gleichwohl eine gläubigerbenachteiligende Wirkung der Rechtshandlung angenommen, denn es müsse mit der Verfolgung der bestrittenen Forderungen durch die Konkursgläubiger gerechnet werden. Revisionsgerichtlich verankert RGZ 162, 292 die Frage der Massezulänglichkeit damit ebenfalls bei der Gläubigerbenachteiligung, befasst sich aber vornehmlich mit der Beweislast, die in eine Abhängigkeit zum Konkursgrund gerückt wird.11) Angesichts der Tatsache der Konkurseröffnung wegen Überschuldung, also „der Masseunzulänglichkeit“, habe den Beweis der Massezulänglichkeit der Anfechtungsgegner zu führen.12) Dass der Verwalter die Forderung bestritten habe, genüge zur Beweisführung nicht. Der Verwalter handele auch nicht treuwidrig, wenn er zwar die Forderung bestreite, gegenüber dem Anfechtungsgegner aber „Masseunzulänglichkeit“ geltend mache, da er den Erfolg der Feststellungsklagen nicht kennen könne.13) Diese Ausführungen sind bemerkenswert. RGZ 162, 292 stützt die Beweislast des Anfechtungsgegners auf die Tatsache der Konkurseröffnung, allerdings einschränkend auf den Eröffnungsgrund „Überschuldung“. Die Bezugnahme auf die Kommentierung von „Jaeger KO. Bem. 40 zu § 29“ ist insofern freilich nicht zutreffend, da Jaeger seine Auffassung nicht am Eröffnungsgrund ausrichtet, sondern vielmehr auf RG, SeuffArchiv 60, Nr. 47 verweist, obgleich diese Entscheidung zur Beweislast gerade nichts aussagt.14) Bemerkenswert ist ferner, dass RGZ 162, 292 späterhin als Grundsatzurteil verstanden wird,15) nicht aber die Entscheidung vom 19. September 1922, die die Verknüpfung von Gläubigerbenachteiligung und Massezulänglichkeit erstmals hergestellt hatte. 2.  Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Massezulänglichkeit
Der Bundesgerichtshof hatte sich erstmals im Urteil vom 29. April 1986 mit der Massezulänglichkeit zu befassen.16) Der spätere Gemeinschuldner hatte seiner Tochter ein Grundstück deutlich unter dem Verkehrswert übereignet. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens wegen Überschuldung17) focht der Verwalter die Veräußerung gemäß § 31 Nr. 2 KO an, ohne allerdings ausdrücklich vorzutragen, dass die Masse für die Gläubiger nicht ausreiche. Der IX. Zivilsenat unterstellte indes einen entsprechenden „stillschweigenden“ Klägervortrag und ging unter Bezugnahme auf RGZ 162, 292 vom Vorliegen einer Unzulänglichkeit der Masse aus, da die Beklagte das Gegenteil nicht behauptet oder unter Beweis gestellt habe.18) Folgerichtig ist das nicht: Wenn die Darlegungs- und Beweislast für Massezulänglichkeit ohnehin beim beklagten Anfechtungsgegner liegt, muss der Verwalter zur Unzulänglichkeit der Masse überhaupt nichts vortragen; auf einen stillschweigenden Klagevortrag kommt es dann nicht an.19) Bemerkenswert ist ferner, dass die in Bezug genommene Entscheidung RGZ 162, 292 eine auf § 31 Nr. 1 KO gestützte Anfechtung betraf, für die eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ausreicht, das Urteil des Bundesgerichtshof vom 29. April 1986 – wie schon die Entscheidung des Reichsgerichts vom 19. September 1922 – aber die Massezulänglichkeit bei § 31 Nr. 2 KO behandelt, der eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung verlangt.20) Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof die Vermögensunzulänglichkeit auch als Merkmal des Anfechtungstatbestands des § 31 Nr. 2 KO (und nicht nur als allgemeine Grundvoraussetzung der Anfechtung) geprüft. Dann aber hätte sich das Urteil auch mit dem Zeitpunkt des (Nicht-)Vorliegens der Massezulänglichkeit befassen müssen, denn für die unmittelbarere Gläubigerbenachteiligung ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen,21) bei der mittelbaren Gläubigerbenachteiligung aber auf den Zeitpunkt des Anfechtungsprozesses.22) Aus den abweichenden relevanten Zeitpunkten für Massezulänglichkeit bei mittelbarer und unmittelbarer Gläubigerbenachteiligung ergibt sich denn auch ein tragendes Argument gegen die Einbeziehung der Massezulänglichkeit in das Merkmal der Gläubigerbenachteiligung (dazu unter III.1.). Die Schwelle zur Massezulänglichkeit deutlich angehoben hat BGHZ 105, 168. Der II. Zivilsenat bejahte die Massezulänglichkeit für einen Fall der Anfechtung der Besicherung eigenkapitalersetzender Darlehen nach § 32a Satz 1 KO schlicht mit der Aussage, es stehe nicht fest, ob die vorhandene Masse ausreiche. Diese Ungewissheit gehe zulasten des Beklagten, ohne dass es auf die Frage der Beweislast ankäme, wenn nicht Überschuldung, sondern Zahlungsunfähigkeit Konkursgrund sei.23) Vor dem Hintergrund der Frist des § 41 KO könne der Verwalter mit der Anfechtungsklage nicht bis zur Feststellung streitig gebliebener Forderungen zuwarten. Verschärft wird die Lage des Anfechtungsgegners überdies dadurch, dass bei den für die Bestimmung der Massezulänglichkeit maßgeblichen Verbindlichkeiten auch seine eigene Forderung in die Vergleichsrechnung einzubeziehen ist.24) Der Verwalter kann sich danach nicht nur auf Forderungen berufen, deren Bestand er selbst bestritten hatte (das hatte bereits RGZ 162, 29225) entschieden), sondern auch auf Forderungen stützen, die gerade von den Anfechtungsgegnern angemeldet worden waren. Das kann dazu führen, dass der Anfechtungsgegner mit seiner eigenen Anmeldung der Anfechtungsklage zum Erfolg verhilft. Der IX. Zivilsenat hatte anschließend in drei Entscheidungen die Gelegenheit, das Merkmal der Massezulänglichkeit weiter zu konsolidieren. Im Urteil vom 12. November 1992 hatte sich der Senat mit der Frage des maßgeblichen Zeitpunkts der Massezulänglichkeit zu befassen.26) Der Kläger focht die Bestellung von Sicherheiten nach §§ 30 Nr. 2, 31 Nr. 1 KO an. Eröffnungsgrund war Zahlungsunfähigkeit. Das Urteil behandelt die „Unzulänglichkeit der Konkursmasse“ unter dem Tatbestandsmerkmal der objektiven Gläubigerbenachteiligung und betont, dass es bei der für § 30 Nr. 2 KO genügenden mittelbaren Gläubigerbenachteiligung für die Massezulänglichkeit auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ankomme.27) Das Urteil vom 13. März 1997 zur Anfechtung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO hebt die bloße Notwendigkeit mittelbarer Gläubigerbenachteiligung hervor und spricht sogleich vom Anscheinsbeweis dafür, dass im eröffneten Verfahren die Masse nicht ausreiche, alle Gläubiger zu befriedigen.28) Zuletzt bekräftigt der IX. Zivilsenat im Urteil vom 20. Februar 2014 für die InsO erneut die Verknüpfung von Gläubigerbenachteiligung und Massezulänglichkeit: Eine Gläubigerbenachteiligung entfalle „ausnahmsweise“, wenn die Masse ohne Anfechtung ausreiche, alle Gläubiger zu befriedigen.29) 3.  Fazit
Abgesehen...


Prof. Dr. Reinhard Bork, Hamburg; Richter am BGH Dietmar Grupp; Rechtsanwalt Bruo M. Kübler, Dresden


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