E-Book, Deutsch, 356 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm
Dressler / Feige / Fischer Innenansichten
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-374-05119-9
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zum professionellen Umgang mit Religion im Pfarramt
E-Book, Deutsch, 356 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm
ISBN: 978-3-374-05119-9
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Pfarramt nimmt eine Schlüsselstellung in der Organisation des kirchlichen Alltags ein, aber in den letzten Jahrzehnten sind seine institutionsspezifischen Belastungen durch den gesellschaftlichen Wandel erheblich gewachsen. Dennoch gibt es bisher keine methodisch gesicherten empirischen Erhebungen darüber, wie diese Situation von den Pfarrerinnen und Pfarrern wahrgenommen wird. Diese Studie nun stellt eine mit Methoden der qualitativen sozialwissenschaftlichen Forschung arbeitende Untersuchung über die »Innenansichten« vor, die die Interviewten von ihrer Pfarramtsrealität haben. Die Ergebnisse basieren auf einer methodisch aufwändigen Analyse von 26 narrativen Interviews. In ihnen kommen Pfarrerinnen und Pfarrer unterschiedlichen Alters aus Stadt und Land zu Wort, die Auskunft über die elementaren Strukturen ihres aktuellen Berufsverständnisses geben. Begleitende Aufsätze des Forschungsteams , das aus Sozialwissenschaftlern und Theologen besteht, interpretieren und vergleichen die Ergebnisse der Auswertung dieser Interviews und stellen sie in einen soziologischen und theologischen Kontext.
[Inner Views. On the Professional Handling of Religion in Parish Ministry]
The parish ministry has a key role regarding the organisation of everyday ecclesial life. Its challenges have increased strongly in the last decades due to religious and specifically institutional demands in the context of social change. It is surprising that there exists so far no methodically secure empirical insight how pastors perceive this situation. This volume presents a qualitative social science research project on the »inner views« of the interviewed persons regarding their parish ministry reality. The results are based on the methodically elaborate analysis of 26 narrative interviews. Pastors of different ages from rural and urban areas give access to the elementary structures of their present understanding of vocation. Accompanying articles by the research team, comprising social scientists and theologians, discuss and analyze the results of theses interviews and put it in a sociological and theological context.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Christentum/Christliche Theologie Allgemein Christentum/Christliche Theologie: Berufe & Ausbildung
- Sozialwissenschaften Soziologie | Soziale Arbeit Spezielle Soziologie Religionssoziologie
- Geisteswissenschaften Religionswissenschaft Religionswissenschaft Allgemein Religionssoziologie und -psychologie, Spiritualität, Mystik
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Christentum/Christliche Theologie Allgemein Organisation & Institutionen von Kirchen und Gemeinden
Weitere Infos & Material
1. DIE DESINTEGRIERTHEIT VON PRIVATER RELIGION UND PROFESSIONELLEM UMGANG MIT RELIGION
PFARRER ALBERT ANDERS
1.1 Persönliche und berufliche Situation zur Zeit des Interviews
Albert Anders ist zum Zeitpunkt des Interviews 58 Jahre alt. Er ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter. Er arbeitet auf je einer halben Stelle in einer Vorstadtgemeinde und – aufgrund zurückliegender Unterrichtserfahrungen an einer allgemeinbildenden Schule und einer berufsbegleitend erworbenen Zusatzqualifikation – an einer Hochschule mit besonderen Aufgaben im Lehramtsstudium für Ev. Religion. Die Arbeit in der Gemeinde teilt er sich mit einer Kollegin. Er fühlt sich arbeitsmäßig nicht überlastet, bilanziert aber kirchliche Maßnahmen der Qualitätssicherung kritisch als wachsende Arbeitsbelastung.
1.2 Wege des Berufszugangs
Herr Anders ist in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen, die zugleich orientiert war. Von einer intensiven religiösen Sozialisation und Erziehung berichtet er nicht. Er repräsentiert eine soziale Aufsteigerbiographie, wie sie für die Generation, die in den 1970er Jahren studierte, nicht untypisch ist. Für das Theologiestudium scheint er nicht nur durch ein inhaltliches religiöses Interesse, sondern ebenso sehr durch ein eher abstrakt-allgemeines Aufstiegsinteresse motiviert zu sein. Für Theologie interessiert er sich aufgrund seiner Mitarbeit als Kindergottesdiensthelfer. Er ist froh, im sozialen und bildungspolitischen Aufbruchsklima der 1970er Jahre ein Studium überhaupt beginnen zu können. Andere Berufsperspektiven, die keinen akademischen Zugang erfordert hätten und für die sein Vater wirbt, verwirft er. Angetrieben wird er von einem nicht näher spezifizierten Wunsch nach . Die Alternative eines Sozialpädagogik-Studiums hat A. kurz erwogen. Die BAföG-Förderung und eine frühe Beziehung zu einer berufstätigen Freundin ermöglichen ein von finanzieller Knappheit unbeeinträchtigtes Studium. Allerdings ist er hinsichtlich seiner mit dem Theologiestudium verbundenen Erkenntnis-, Einstellungs- und Haltungserwartungen recht früh enttäuscht worden. Den Gedanken, zu einem Sozialpädagogik-Studium zu wechseln, realisiert er aber nicht.
1.3 Prägungen und zentrale Themen im Studium
Das , das A. als stärksten Antrieb für die Aufnahme eines Studiums bezeichnet, erwies sich für ihn recht bald im Blick auf das Theologiestudium – so sein starker, aber auch mehrdeutiger Begriff – als . Er beklagt die durch keinerlei curriculare Strukturen regulierte Zufälligkeit der Studienthemen. Die persönliche Ausstrahlung eines religionskritischen unter seinen Professoren habe ihn von einer rechtzeitigeren fruchtbaren Beschäftigung mit der Theologie Paul Tillichs und dem Konzept der abgehalten. Orientierung und kann ihm das der Theologie nicht bieten.
Stärkeres Interesse entwickelt A. zunächst an der Theologie Eugen Drewermanns, wird dann aber durch dessen abgeschreckt. Sein psychologisches Interesse verbindet sich hier mit einem psychologischen Urteil. Im Blick auf sein Studium und darauf, warum er es überhaupt abschließt, wird nicht recht erkennbar, wie er die Spannung zwischen seinem anspruch und dem dazu nicht ins Verhältnis zu setzenden Anspruch auf bearbeitet.
1.4 Berufliche Entwicklungen
Anfang der 1980er Jahre wird A. auf einer ländlichen Pfarrstelle, bei der er drei Gemeinden zu betreuen hat, gleichsam ins kalte Wasser gestoßen. Trotz der bereits im Studium erfolgten Ernüchterung lassen ihn erst die Schwierigkeiten des Berufsfeldes an seiner Berufswahl zweifeln. Auf seinem stellt A. sich immer wieder die Frage: ?‹ Nun erst bedrängt ihn neben den äußeren Schwierigkeiten das Problem, dass . Es bleibt dabei offen, was er unter versteht: Glaubensgewissheit, theologisches Fachwissen oder berufliches Praxiswissen.
A. verdrängt seine Probleme nicht. Er erwägt berufliche Alternativen und entscheidet sich dann für eine berufsbegleitende Ausbildung als Psychagoge, die er gegen viele Schwierigkeiten fast zu Ende bringt. Zugleich arbeitet er auf der Hälfte seiner Pfarrstelle als Religionslehrer. Ein Berufswechsel in eine therapeutische Praxis wird aber durch ein neues Therapiegesetz verhindert, durch das die Chancen auf eine Approbation unkalkulierbar werden. A. bemüht sich nun, die mit der Zusatzausbildung erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen mit dem Pfarrberuf zu verbinden. Er absolviert eine pastoral-psychologische Ausbildung als , bei der ihm werden. Beruflich bleibt diese glückliche Verbindung von Sonderqualifizierung und starkem inhaltlichem Interesse zunächst folgenlos. Er kann sich aber mit der sich bald bietenden Gelegenheit einer eingeschränkten Gemeindepfarrstelle und der Beauftragung an der nahegelegenen Hochschule – der beruflichen Konstellation, die bis zum Zeitpunkt des Interviews andauert – arrangieren.
A.s Berufsweg bleibt mit der Suche nach inhaltlicher Orientierung verbunden. Er gibt sich mit der Situation eines Landpfarrers unter prekären Bedingungen nicht zufrieden. Mit einer Berufstätigkeit als Psychagoge wären A.s Zweifel an seiner Berufswahl zum Zuge gekommen. Er hätte dabei auch persönliche Interessen und Neigungen einbringen können. Immerhin herrschen für ihn in seiner Arbeit an der Hochschule weniger religiöse als psychologieaffine Themen vor. Vor allem plädiert er für eine Öffnung Andeutungsweise, wissenschaftstheoretisch kaum expliziert, wird ein naturalistischer Begriff von erkennbar, der mit dem spezifischen Modus theologischer Begriffsbildung schwer vereinbar erscheint.
1.5 Kirchenkritik
Dogmenkritik verbindet sich bei A. mit einer Kirchenkritik: Bei die das nicht wahrnehmen, diagnostiziert er Sie bauen Sein Anspruch steht dazu im Kontrast: A. nimmt kirchliche Programmformeln wie »Wachsen gegen den Trend« überaus kritisch in den Blick.
Es hat den Anschein, als setzten sich die Motive, die A. aufgrund seiner persönlichen intellektuellen Entwicklung in Distanz zum Pfarrberuf bringen, in seiner Diagnose der Lage der Kirche und des Pfarrberufs generell fort, sodass bei ihm subjektive Motive und objektive Diagnosen bruchlos ineinander laufen. Von Religion, deren Bedeutung er schwinden sieht, spricht er dabei ohne nähere Differenzierung.
1.6 Das Bild vom Pfarrberuf
Auf die Frage nach der Zukunft des Pfarrberufs äußert sich A. im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zur Vermittlung zwischen Naturwissenschaften und Hermeneutik: Zu der dafür erforderlichen bleibe zu wenig Zeit.
Veränderungen des Berufsbildes spiegeln sich für A. in dem Verlust der...




