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E-Book, Deutsch, 344 Seiten

Fischer 100 Jahre Republik

Meilensteine und Wendepunkte in Österreich 1918–2018

E-Book, Deutsch, 344 Seiten

ISBN: 978-3-7076-0668-3
Verlag: Czernin Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Am 12. November 1918 wurde um 15 Uhr von der Rampe des Wiener Parlaments aus die Republik Österreich ausgerufen, deren Gründung am selben Tag beschlossen worden war. Es folgten die 100 Jahre unserer jüngsten Geschichte, die das Land bis heute am nachhaltigsten prägen.

Zum 100-jährigen Jubiläum der Republikgründung bietet dieser aufwendig gestaltete Sammelband eine kompakte Darstellung zur Geschichte Österreichs von der Ersten Republik über die Diktaturen des 20. Jahrhunderts bis hin zur unmittelbaren Gegenwart. Der Blick auf das letzte Jahrhundert erfolgt anhand von Meilensteinen und Wendepunkten vom Bundes-Verfassungsgesetz von 1920 über den sogenannten "Anschluss" an Hitler-Deutschland 1938 und den Prager Frühling 1968 bis hin zur Besetzung der Hainburger Au und Österreichs Weg in die EU.

23 renommierte Historikerinnen und Historiker nehmen den Geburtstag des Landes zum Anlass, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen – der, wie stets, einen anderen Blick auf die Gegenwart möglich macht.

Mit Beiträgen von John W. Boyer, Birgitta Bader-Zaar, Thomas Olechowski, Gerhard Botz, Kurt Bauer, Heidemarie Uhl, Gerhard Baumgartner, Ina Markova, Wolfgang Mueller, Manfried Rauchensteiner, Helmut Wohnout, Oliver Rathkolb, Maria Wirth/Elisabeth Röhrlich, Verena Winiwarter/Sophia Rut, Michael Gehler, Christoph Grabenwarter, Helga Embacher, Hannah M. Lessing/Maria Luise Lanzrath, Anton Pelinka, Brigitte Entner.
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Heinz Fischer Vorwort
Die Frage, wie ein Land mit seiner Geschichte oder mit einzelnen Phasen und Ereignissen seiner Geschichte umgeht, sagt sehr viel über die Befindlichkeit dieses Landes aus. Wann, wenn nicht zum 100. Geburtstag eines Landes, sollte man sich intensiv mit dessen Geschichte auseinandersetzen? Die Geschichte kann sehr dramatisch sein und Emotionen auslösen. Sie kann aber auch Sicherheit und Zuversicht geben. Und in der Praxis trifft man oft beides zugleich an. In der Regel kann alles, was mehr als 100 Jahre beziehungsweise mehr als drei oder vier Generationen zurückliegt, relativ leidenschaftslos diskutiert werden – es »brennt« nicht mehr auf der Seele, es weckt nicht mehr allzu starke Gefühle und es gibt auch kaum noch direkte oder indirekte Verbindungen (etwa Zeitzeugen) zu den damals handelnden, leidenden oder betroffenen Personen. Je kürzer die Distanz zu historischen Ereignissen ist, umso intensiver sind vielfach noch die Emotionen, umso unterschiedlicher die persönlichen Sichtweisen und Beurteilungen. Das lässt sich auch an unserer eigenen Geschichte studieren, selbst wenn wir seit 1945 auf eine außergewöhnlich lange Zeit einer ruhigen und im Wesentlichen kontinuierlichen Entwicklung zurückblicken. Der Übergang von der Monarchie zur Republik, nach einem verlorenen Krieg vor 100 Jahren, war ein dramatischer Einschnitt in der Geschichte unseres Landes. Nicht nur deshalb, weil der Krieg eine entsetzlich große Zahl von Toten und Verletzten zur Folge hatte und die Kriegsteilnehmer mit aufwühlenden Erlebnissen heimkehrten, sondern auch deshalb, weil der Übergang von der Monarchie zur Republik von einem abrupten Abstieg – um nicht zu sagen: Absturz – begleitet war. Aus einer großen jahrhundertealten Monarchie (und führenden Macht Europas mit mehr als 50 Millionen Einwohnern) war eine amputierte, kaum lebensfähige, von den Siegermächten selbstherrlich und herablassend behandelte Republik mit weniger als sieben Millionen Einwohnern geworden. Diese Republik war ihrer wichtigsten wirtschaftlichen Existenzgrundlagen beraubt und auf diese Situation nicht vorbereitet. Zudem untersagten die Siegermächte ihr jenen Zusammenschluss mit dem Deutschen Reich, den sie (unter den damals gegebenen Umständen) als stärkste Zukunftshoffnung anstrebte. »Der Staat, den keiner wollte«, wurde die junge Republik später von Hellmut Andics genannt;1 ein Diktum, das allerdings nicht unwidersprochen hingenommen werden kann. Denn es gab auch begeisterte Republikaner – nicht nur weil viele von der Monarchie enttäuscht waren und das Kaiserhaus für den verlorenen Weltkrieg verantwortlich machten, sondern auch weil sie trotz des Chaos der Gegenwart auf eine helle Zukunft, auf die Entwicklung und Festigung der Demokratie, auf eine »neue Gesellschaft« und sogar auf einen »neuen Menschen« hofften. Zwar gab es zum Zeitpunkt des Überganges von der großen Monarchie zur kleinen Republik in der Bevölkerung unterschiedliche Ideologien, unterschiedliche Ziele, unterschiedliche Interessen, unterschiedliche Einstellungen zur Staatsform, zur Regierungsform und bei wichtigen Verfassungsfragen (und manche dieser Differenzen haben bis heute Spuren hinterlassen). Aber die schreckliche Notlage zu Kriegsende, der Hunger, der Druck von außen – nicht zuletzt auch die von sehr vielen als Bedrohung empfundene Radikalität der Bolschewistischen Revolution in Russland – veranlassten die Akteure der Jahre 1918/19 zu einem »Burgfrieden«, zu Kompromissen und zu gemeinsamen Anstrengungen. Das gelang aber im Wesentlichen nur für knapp zwei Jahre, also bis zum Ende der ersten Großen Koalition der Sozialdemokraten mit den Christlichsozialen im Sommer 1920. Und die höchst effiziente Arbeit der Konzentrations- beziehungsweise der Koalitionsregierung in der Frühzeit der Republik ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Der erste Jahrestag der Republikgründung am 12. November 1919 wurde noch gemeinsam begangen. Die Konstituierende Nationalversammlung hatte nämlich am 25. April 1919 beschlossen, den 12. November zum »Staatsfeiertag« zu erklären. Aber ein wachsender Teil der Bevölkerung empfand die Republik Österreich, wie sie sich zu Beginn der 1920er Jahre darstellte, nicht als die erhoffte und vertrauenerweckende Heimat, sondern entfremdete sich der jungen Republik immer mehr, wobei es auch viele gab, die weiterhin Hoffnungen in diese junge Republik und ihre engagierte Sozialpolitik setzten. Die Gesellschaft begann sich zu spalten. Die Kluft zwischen den Lagern wurde aber auch durch den von den Siegern des Weltkriegs diktierten Friedensvertrag von Saint Germain-en-Laye und angesichts der existenzzerstörenden Inflation größer. Die politischen und sozialen Spannungen nahmen weiter zu und erreichten mit den Freisprüchen im »Schattendorfprozess«, dem anschließenden kollektiven Wutausbruch führungsloser Massen, der zum Brand des Justizpalastes führte und in weiterer Folge durch das panikartige Agieren bewaffneter Polizeikräfte, das mehr als 80 Tote zur Folge hatte, einen ersten Höhepunkt an feindseliger Stimmung zwischen links und rechts im neunten Jahr seit der Gründung der Republik. Dementsprechend »gespalten« gestaltete sich auch der zehnte Jahrestag der Republikgründung am 12. November 1928. Die Sozialdemokratie feierte die Republik enthusiastisch mit einem kämpferischen Aufmarsch auf der Ringstraße und mit der Enthüllung eines Republikdenkmales (zwischen Parlament und Justizpalast), das allein den sozialdemokratischen Republikgründern Victor Adler, Ferdinand Hanusch und Jakob Reumann gewidmet war. Der christlichsoziale Nationalratspräsident Wilhelm Miklas hielt zwar im Parlament eine würdige Ansprache, aber seine Partei verhielt sich insgesamt sehr zurückhaltend zum Zehn-Jahres-Jubiläum der Republikgründung. Dann folgten bekanntlich die Ausschaltung des Nationalrates im März 1933, der kurze Bürgerkrieg im Februar 1934 und die Errichtung der Kanzlerdiktatur mit 1. Mai 1934. In dieser Phase unserer Geschichte wurde auch der 12. November als Staatsfeiertag wieder abgeschafft. Allein schon aus diesem Grund, aber vor allem auch weil die »Republik Österreich« im März 1938 durch den sogenannten »Anschluss« an Hitlerdeutschland zu existieren aufgehört hatte, konnte der 20. Jahrestag der Republikgründung im November 1938 nicht mehr gefeiert werden. Hingegen erlangte die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 sowohl in Wien als auch in anderen »deutschen Städten« durch die brutalen Novemberpogrome gegenüber der jüdischen Bevölkerung traurige Berühmtheit. Obwohl der Zweite Weltkrieg und die Diktatur Hitlers im Jahr 1945 zu Ende gingen und Österreich »in den Grenzen von 1938« wiederhergestellt wurde, konnte auch am 12. November 1948 der 30. Jahrestag der Republikgründung nicht als »Staatsfeiertag« gefeiert werden. Denn der alte Staatsfeiertag war 1934 abgeschafft worden, aber ein neuer Staatsfeiertag zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefunden, geschweige denn beschlossen worden. Zwar veranstaltete die Sozialistische Partei Österreichs rund um den 12. November 1948 in Wien einen Parteitag, in dessen Programm auch eine Republikfeier im Großen Musikvereinssaal eingebaut war, bei der Bundespräsident Karl Renner eine leidenschaftliche Gedenkrede hielt, in der er die Gründung der Republik vor 30 Jahren würdigte. In dieser Zeit wurde aber auch diskutiert, ob man nicht – um den Vorbehalten gegenüber dem 12. November entgegenzukommen – einfach den Gründungstag der Zweiten Republik, also den 27. April 1945, zum neuen Staatsfeiertag machen sollte. Dieses Datum war ja auch mit dem Ende der NS-Diktatur und dem Ende des Zweiten Weltkrieges verbunden, aber ein weiteres Faktum, nämlich der Beginn der Besetzung Österreichs durch Soldaten der vier Alliierten Mächte im Frühjahr 1945, war ein Wermutstropfen, der im Verlaufe der Zeit immer mehr Gewicht bekam. Es ist etwa interessant, zu beobachten, dass sich Bundekanzler Leopold Figl in seiner ersten Regierungserklärung im Nationalrat am 21. Dezember 1945 direkt an die in einer Loge des Sitzungssaales anwesenden Hochkommissare der vier Alliierten Mächte wandte und sich bei ihnen überschwänglich für die Befreiung Österreichs bedankte, worauf alle Mitglieder des Nationalrates sich von den Sitzen erhoben und den Hochkommissaren stehende Ovationen darbrachten. Eine solche Szene wäre einige Jahre später, nach einschlägigen Erfahrungen mit den Lasten und Problemen durch Besatzungssoldaten (vor allem in der sowjetischen Zone), nicht mehr denkbar gewesen. Umso größer war daher der Jubel, als im Frühjahr 1955 die zehnjährigen Verhandlungen über den Abschluss des österreichischen Staatsvertrages positiv beendet werden konnten und am 15. Mai 1955 der österreichische Staatsvertrag unterzeichnet wurde. Wie ansteckend und befreiend dieser Jubel war, habe ich noch in guter persönlicher Erinnerung, weil ich an diesem Sonntag als Gymnasiast mit meinem Fahrrad von Hietzing zum Belvedere gefahren bin und vor dem...


Heinz Fischer, promovierter Jurist, Bundespräsident der Republik Österreich 2004–2016, von der österreichischen Bundesregierung mit der Koordination des Gedenk- und Erinnerungsjahres 2018 beauftragt, zahlreiche öffentliche Funktionen, u. a. als Nationalratsabgeordneter, Wissenschaftsminister und Präsident des österreichischen Nationalrates.

Andreas Huber, studierte Geschichte und Soziologie an der Universität Wien. Er ist freier Historiker und Soziologe in Wien.

Stephan Neuhäuser, Historiker, seit Oktober 2016 stellvertretender Leiter der Geschäftsstelle des Beirats für das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 im Bundeskanzleramt (Büro des Bundespräsidenten a. D. Dr. Heinz Fischer), davor Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung.


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