Buch, Deutsch, Band 1, 588 Seiten, Großformatiges Paperback. Klappenbroschur, Format (B × H): 140 mm x 213 mm, Gewicht: 770 g
Reihe: Todesbilder. Studien zum gesellschaftlichen Umgang mit dem Tod
Buch, Deutsch, Band 1, 588 Seiten, Großformatiges Paperback. Klappenbroschur, Format (B × H): 140 mm x 213 mm, Gewicht: 770 g
Reihe: Todesbilder. Studien zum gesellschaftlichen Umgang mit dem Tod
ISBN: 978-3-593-39166-3
Verlag: Campus Verlag GmbH
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
InhaltTodesbilder - Studien zum gesellschaftlichen Umgang mit dem TodGeleitwort zu einer neuen BuchreiheDominik Groß, Andrea Esser, Hubert Knoblauch und Brigitte Tag9Thematische EinführungDie Aneignung des menschlichen Leichnams: Facetten eines wenigbeleuchteten PhänomensDominik Groß und Richard Kühl17I. Der Nutzen des Leichnams im AltertumZwischen religiösen Tabus, ökonomischen Rahmenbedingungenund politischer Instrumentalisierung: Das schwierige Verhältnis derGriechen zum toten KörperKlaus Freitag39Entrückung, Epiphanie und Consecration: Überlegungen zur Apotheosedes römischen Kaisers und zum Umgang mit seiner LeicheDavid Engels79II. Aneignungen des Leichnams in Literatur und WissenschaftPerspektiven der Zergliederung: Zum Verhältnis von Anatomie undWissenschaftspraxis in der Frühen NeuzeitAndreas Gormans137Der tote Körper: Literarische Metamorphosen des Leibes und der SeeleGertrude Cepl-Kaufmann und Jasmin Grande193III. Die Funktion von Leichen im Zeichen der WaffengewaltBeweisen, Abschrecken, Legitimieren: Zum Einsatz der Leiche alsWaffe in kriegerischen AuseinandersetzungenTim Ohnhäuser247Der Körper des toten Soldaten: Aneignungsprozesse zwischenVerdrängung und InszenierungChristoph Rass und Jens Lohmeier271IV. Der menschliche Leichnam als (technische) RessourceWallfahrtsorte, Wanderschausteller und das World Wide Web:Ökonomisierung und Verehrung von Heiligenreliquien in Mittelalterund GegenwartChristine Knust337Die Gräuel an den Leichen der Ermordeten der nationalsozialistischenKonzentrations- und Vernichtungslager: Forschung und ErinnerungRichard Kühl361Die Ökonomie des toten KörpersPaul Thomes, Patrick Hahne, Jens Lohmeier und Christoph Rass387V. Soziale Dienstbarkeit von LeichenVom Nutzen und Nachteil der "dienstbaren Leiche" für die Toten unddie Lebenden: Ein IdeenskelettArmin Heinen429eBody: Interaktive Services des Bestattens und GedenkensEva-Maria Jakobs und Martina Ziefle453Tod und tote Körper im Lebensverlauf von Männern und Frauen:Subjektiver Sinn und soziale Dienstbarkeit von LeichenJochen Grötzbach und Heather Hofmeister477Verführerische Leichen: Ästhetische Nekrophilie als besondereForm der Aneignung toter KörperJulia A. Glahn495VI. Die Aneignung des eigenen LeichnamsDo ut des? Zur Motivation von "Körperspendern" und zur Funktiondes toten KörpersGereon Schäfer, Stefanie Westermann und Dominik Groß519Im Dienst der Unsterblichkeit? Der eigene Leichnam als Mittelzum ZweckDominik Groß und Martina Ziefle545Autorinnen und Autoren583
Die Aneignung des menschlichen Leichnams: Facetten eines wenig beleuchteten PhänomensDominik Groß und Richard Kühl1. EinführungDer Tod ist nicht die Leiche, und die Leiche ist nicht der Tod. Gleichwohl markiert die Leiche die materielle Tatsache des Todes: Sie indiziert den Tod. Die Auseinandersetzung mit dem Tod und mit dem toten Körper als dessen stärkster Konkretisierung bedeutet dabei unabhängig von Epoche, Kulturraum, politischem System und religiöser Überzeugung eine Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit menschlichen Lebens. Der Tod fordert die Lebenden heraus; er will individuell und kollektiv, mental und physisch bewältigt werden - ein Sachverhalt, den Klaus Freitag mit Blick auf die griechische Antike als "Domestizierung des Unbegreiflichen" bezeichnet hat. Dabei wird der Leichnam in verschiedenen Kulturen, religiösen oder sozialen Kontexten durchaus unterschiedlich wahrgenommen und gedacht - sei es als konkreter Gegenstand, als (fortwirkende) Person, als Inbegriff des Transzendenten oder als Hülle, welche auch nach dem Tod zu konservieren war, weil sie im Jenseits genau so wieder gebraucht wurde.Trotz der Unvermeidlichkeit des Todes und der einzigartigen Stellung des Leichnams sind die formellen, politischen und symbolischen Einzelaspekte des Umgangs mit dem toten Körper, ihre Interdependenzen und kulturellen Bedingtheiten bislang nur wenig gewürdigt und noch kaum in einen interdisziplinären Kontext gestellt worden. Bemerkenswerterweise ist gerade die facettenreiche Forschungsfrage, inwieweit bzw. in welcher Form der menschliche Körper in den Dienst der Überlebenden gestellt wurde und wird, bislang allenfalls ansatzweise systematisch untersucht worden. Im Mittelpunkt des vorliegenden Themenbandes steht daher eben dieser spezifische Aspekt der menschlichen Leiche: ihre Nutzbarmachung bzw. ihr Einsatz als (technische) Ressource. Der soziale, politische, religiöse oder symbolische Sinngehalt des Leichnams entsteht im komplexen Wechselspiel zwischen sich durchsetzenden und akzeptierenden Sinnproduzenten. Diese Form der Aneignung des toten Körpers geht einher mit fortwährenden Zuschreibungen im Rahmen sozialer Interaktionen: Hierher gehören Trauer- und Bestattungsriten sowie Erinnerungskulturen inklusive der Schaffung visueller und sprachlicher, konkreter und virtueller Kommunikationswelten rund um den Toten, seine sterblichen Überreste und den Ort der Trauer. Dabei ist der soziale Umgang mit dem Leichnam Armin Heinen zufolge stark kontextabhängig: Der konkrete soziale Sinnzusammenhang entscheidet darüber, welchen Nutzen der tote Körper den Lebenden stiftet. Zustimmungsfähig wird die Aneignung der Leiche erst durch einen öffentlichen Akt, als "Aneignung unter gemeinschaftlicher Kontrolle" .Zu fragen ist auch, in welchen Transferformen uns tote Körper in der kulturellen Praxis begegnen, etwa in der Kunst, Musik oder Literatur. Schließlich ist auch die konkrete Ebene anzusprechen, das heißt die Aneignung des materiellen Leichnams - zum Beispiel im Rahmen des kommerziellen Handels mit Leichenteilen oder einer anatomischen Sektion für Lehr- und Forschungszwecke.Die hier skizzierte Forschungsfrage bleibt nicht auf einzelne zeitlich, örtlich oder inhaltlich begrenzte Fragestellungen und Entwicklungen beschränkt, sondern wendet sich dezidiert verschiedenen Epochen, politischen Systemen und soziokulturellen Kontexten zu, um so - in transdisziplinärer Perspektive - höchst unterschiedliche Formen der Instrumentalisierung des toten Körpers freilegen zu können. Die Indienstnahme des Leichnams soll hierbei in einem doppelten Sinn zum Gegenstand der Untersuchung gemacht werden: Angesprochen ist zum einen die Aneignung des Leichnams durch Dritte - sei es in medizinischer, politischer, gesellschaftlicher, kultureller, ökonomischer oder symbolischer Hinsicht. Weit weniger offensichtlich, wenngleich nicht weniger bedeutsam, sind zum anderen Bestrebungen, den eigenen Leichnam für die Zeit nach dem Tod zu funktionalisieren