Habermann-Horstmeier / Bender | Life Course Approach to Health- Gesundheit im Verlauf des Lebens | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 288 Seiten, Format (B × H): 225 mm x 155 mm

Habermann-Horstmeier / Bender Life Course Approach to Health- Gesundheit im Verlauf des Lebens

Kompakte Einführung für alle interdisziplinären Studienfächer

E-Book, Deutsch, 288 Seiten, Format (B × H): 225 mm x 155 mm

ISBN: 978-3-456-96176-7
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Je früher im Lebensverlauf gesundheitsfördernde Maßnahmen wirksam werden, desto größer ist die Chance auf mehr gesunde Lebensjahre im Alter.

In den letzten Jahren hat der von der WHO als Life Course Approach to Health bezeichnete Public-Health-Ansatz, der sich mit der 'Gesundheit im Verlauf des Lebens' beschäftigt, zunehmend an Bedeutung gewonnen. Er beschreibt biologische, psychologische und soziale Prozesse, die während des Lebens auf die Gesundheit des Menschen einwirken und so die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung bestimmter, meist chronischer Erkrankungen erhöhen. Die Faktoren, die insbesondere vor der Geburt und während der ersten Lebensjahre - etwa während 'kritischer Phasen' -, aber auch im weiteren Lebensverlauf auf ein Individuum einwirken, können einen kumulativen Effekt auf die Gesundheit des Menschen haben. Es ist daher von großer Bedeutung, den Einfluss dieser Faktoren zu kennen, um frühzeitig Maßnahmen ergreifen zu können. Auf diese Weise kann chronischen Erkrankungen schon früh im Lebensverlauf vorgebeugt werden, sodass die Chance auf mehr gesunde Lebensjahre im Alter ansteigt.
Das Buch beschäftigt sich u.a. mit

• den Faktoren und Mechanismen, die unsere Gesundheit im Verlauf des Lebens prägen
• den Formen des sozialen Zusammenlebens in den verschiedenen Lebensaltern
• den wichtigsten biologischen, psychologischen und sozialen Risikofaktoren in den einzelnen Lebensphasen
• den epidemiologischen Grundlagen zu den wichtigsten Erkrankungen in den unterschiedlichen Lebensaltern
• darauf aufbauenden gesundheitsfördernden und präventiven Maßnahmen
Das vorliegende Buch wendet an Studierende im Gesundheitsbereich und alle, die einen schnellen Einstieg in das Thema suchen.
Habermann-Horstmeier / Bender Life Course Approach to Health- Gesundheit im Verlauf des Lebens jetzt bestellen!

Zielgruppe


Für alle interdisziplinären Studienfächer im Gesundheitswesen, Akteure im Gesundheitswesen, die sich schnell in das Thema einarbeiten wollen.

Weitere Infos & Material


1;Inhaltsverzeichnis und Vorwort;7
2;1 Faktoren und Mechanismen, die unsere Gesundheit im Laufe des Lebens prägen;17
2.1;1.1 Geschichtliche Entwicklung hin zum Life Course Approach to Health;17
2.2;1.2 Modelle und Mechanismen;19
2.2.1;1.2.1 Modelle der Anhäufung von Risikofaktoren;20
2.2.2;1.2.2 Kritische-Phasen-Modelle;21
2.2.3;1.2.3 Mechanismen, die das Krankheitsrisiko beeinflussen können;23
2.3;1.3 Möglichkeiten für Früherkennung und Prävention;27
2.4;1.4 Aktuelle Entwicklungen im Bereich des Life Course Approach to Health;28
3;2 Vorgeburtliches Leben;31
3.1;2.1 Epidemiologie und Risikofaktoren;32
3.1.1;2.1.1 Gesundheitsrelevante Einflüsse auf die Keimzellen von Mann und Frau;32
3.1.2;2.1.2 Fehlerhafte Teilungs- und Differenzierungsvorgänge des Embryos;36
3.1.3;2.1.3 Umwelt-Risikofaktoren während der Schwangerschaft;39
3.1.4;2.1.4 Ernährung während der Schwangerschaft;45
3.1.5;2.1.5 Stress in der Schwangerschaft;50
3.1.6;2.1.6 Totgeburten;50
3.2;2.2 Gesundheitsförderung und Prävention;52
3.2.1;2.2.1 Schwangerschaftsberatung;52
3.2.2;2.2.2 Früherkennungsuntersuchungen;53
3.2.3;2.2.3 Pränataldiagnostik;54
4;3 Säuglingsalter und frühe Kindheit;57
4.1;3.1 Epidemiologie;58
4.1.1;3.1.1 Frühgeburt;59
4.1.2;3.1.2 Säuglingssterblichkeit;59
4.1.3;3.1.3 Gewichtszunahme nach der Geburt;61
4.1.4;3.1.4 Ernährung und intestinales Mikrobiom;62
4.1.5;3.1.5 Krankheiten im Säuglings- und Kleinkindesalter;63
4.1.6;3.1.6 Sozioökonomischer Status;64
4.2;3.2 Gesundheitsförderung und Prävention;66
4.2.1;3.2.1 Apgar-Score;66
4.2.2;3.2.2 Neugeborenen-Screening;67
4.2.3;3.2.3 Säuglings- und Kleinkinder-Vorsorgeuntersuchung;68
4.2.4;3.2.4 Gesundheitsförderungs- und Präventionsprogramme;70
5;4 Kindheit;73
5.1;4.1 Subjektiver Gesundheitszustand;73
5.2;4.2 Risikofaktoren;74
5.2.1;4.2.1 Soziale Verhältnisse und Bildung;74
5.2.2;4.2.2 Ernährung;75
5.2.3;4.2.3 Bewegung;76
5.3;4.3 Epidemiologie alterstypischer Erkrankungen;77
5.3.1;4.3.1 Akute Erkrankungen;77
5.3.2;4.3.2 Chronische Erkrankungen;78
5.4;4.4 Gesundheitsförderung und Prävention;81
5.4.1;4.4.1 Schuleingangsuntersuchung;81
5.4.2;4.4.2 Früherkennungsuntersuchungen U10 und U11;81
5.4.3;4.4.3 Gesundheitsförderungsprogramme;82
6;5 Jugendalter;85
6.1;5.1 Subjektiver Gesundheitszustand;85
6.2;5.2 Risikofaktoren;86
6.2.1;5.2.1 Soziale Verhältnisse, Bildung und Beruf;87
6.2.2;5.2.2 Eigenes Körperbild;88
6.2.3;5.2.3 Ernährung;89
6.2.4;5.2.4 Bewegung;90
6.2.5;5.2.5 Substanzgebrauch und nicht stoffgebundene Suchtmittel;91
6.2.6;5.2.6 Sexualität;93
6.3;5.3 Epidemiologie alterstypischer Erkrankungen;95
6.3.1;5.3.1 Akute Erkrankungen;95
6.3.2;5.3.2 Chronische Erkrankungen;96
6.4;5.4 Gesundheitsförderung und Prävention;100
6.4.1;5.4.1 Gesundheitsuntersuchung J1;101
6.4.2;5.4.2 Gesundheitsförderungsprogramme;101
7;6 Erwachsenenalter;105
7.1;6.1 Formen des sozialen Zusammenlebens;106
7.1.1;6.1.1 Familie oder Single-Dasein?;106
7.1.2;6.1.2 Kinderwunsch;108
7.1.3;6.1.3 Schwangerschaft;110
7.1.4;6.1.4 Leben mit Kindern;113
7.1.5;6.1.5 Scheidung;113
7.1.6;6.1.6 Mehrfachbelastung;114
7.2;6.2 Berufstätigkeit, soziale Verhältnisse und Umwelt;115
7.2.1;6.2.1 Erwerbstätigkeit und Erwerbsquote;115
7.2.2;6.2.2 Geschlechtsabhängige Unterschiede bei Ausbildung, Beruf und Einkommen;116
7.2.3;6.2.3 Erwerbstätigkeit nach Familiengründung;117
7.2.4;6.2.4 Krankschreibungen;118
7.2.5;6.2.5 Verlängerung der Lebensarbeitszeit;119
7.2.6;6.2.6 Erwerbslosigkeit und Armutsgefährdung;119
7.2.7;6.2.7 Menschen mit Behinderung;120
7.2.8;6.2.8 Umwelt und soziale Verhältnisse;121
7.3;6.3 Akute und chronische Krankheiten, Behinderung;123
7.3.1;6.3.1 Risikofaktoren;124
7.3.2;6.3.2 Morbidität, Behinderung und Mortalität;128
7.3.3;6.3.3 Chronische Krankheit;131
7.4;6.4 Gesundheitsförderung und Prävention;132
7.4.1;6.4.1 Verhinderung von Übergewicht und Bewegungsmangel;132
7.4.2;6.4.2 Suchtprävention;133
7.4.3;6.4.3 Stressprävention;133
7.4.4;6.4.4 Verhinderung von Einsamkeit;133
7.4.5;6.4.5 Tumorprävention – Maßnahmen der Früherkennung;134
7.4.6;6.4.6 Unfall- und Suizidprävention;135
7.4.7;6.4.7 Gesundheitsförderung und Prävention im Arbeitsbereich;136
8;7 Die Jungen Alten;137
8.1;7.1 Anstieg der Lebenserwartung und Verlängerung des Alter(n)s;137
8.2;7.2 Der Übergang zum Alter – die Jungen Alten;138
8.3;7.3 Der Gesundheitszustand der Jungen Alten;140
8.3.1;7.3.1 Subjektiver Gesundheitszustand;140
8.3.2;7.3.2 Risikofaktoren;141
8.3.3;7.3.3 Morbidität und Mortalität;144
8.3.4;7.3.4 Auswirkungen des Gesundheitszustandes auf Arbeit und Familie;148
8.4;7.4 Gesundheitsförderung und Prävention;149
8.4.1;7.4.1 Verhinderung von Übergewicht und Bewegungsmangel;149
8.4.2;7.4.2 Tumorprävention – Maßnahmen der Früherkennung;150
8.4.3;7.4.3 Altersgerechtes Betriebliches Gesundheitsmanagement;150
8.4.4;7.4.4 Unterstützung von Pflegenden;150
8.4.5;7.4.5 Aufbau und Unterhalt sozialer Kontakte;151
8.4.6;7.4.6 Präventive Maßnahmen bei Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderung;151
8.4.7;7.4.7 Medizinische Maßnahmen als Teil der Prävention;151
9;8 Alter;153
9.1;8.1 Subjektiver Gesundheitszustand und ADL-Einschränkungen;155
9.2;8.2 Risikofaktoren;157
9.2.1;8.2.1 Über- und Untergewicht;157
9.2.2;8.2.2 Flüssigkeitskonsum;158
9.2.3;8.2.3 Mobilität;158
9.2.4;8.2.4 Rauchen und Alkohol;159
9.2.5;8.2.5 Schlaf- und Beruhigungsmittel;160
9.2.6;8.2.6 Einsamkeit;160
9.3;8.3 Morbidität und Mortalität;161
9.3.1;8.3.1 Chronische Erkrankungen, Multimorbidität und Behinderung;162
9.3.2;8.3.2 Seh- und Hörbehinderungen, Mundgesundheit;165
9.3.3;8.3.3 Bewegungseinschränkungen, Stürze;166
9.3.4;8.3.4 Harninkontinenz;167
9.3.5;8.3.5 Tumorerkrankungen;168
9.3.6;8.3.6 Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen;169
9.3.7;8.3.7 Demenz und Depression;170
9.3.8;8.3.8 Die häufigsten Todesursachen;172
9.3.9;8.3.9 Auswirkungen des Gesundheitszustandes auf Familie und eigenständiges Leben;175
9.4;8.4 Gesundheitsförderung und Prävention;176
9.4.1;8.4.1 Erhaltung von Beweglichkeit und Mobilität;176
9.4.2;8.4.2 Altersgerechte Ernährung;177
9.4.3;8.4.3 Soziale Kontakte, soziale Netzwerke und sinnstiftende Tätigkeiten;177
9.4.4;8.4.4 Verbesserte Versorgung bei chronischer Erkrankung, Multimorbidität und Behinderung;178
9.4.5;8.4.5 Alters- und behindertengerechtes Wohnen, Healing Architecture;179
10;9 Hochaltrigkeit, Sterben und Tod;181
10.1;9.1 Gesunde Hoch- und Höchstaltrige;182
10.2;9.2 Subjektiver Gesundheitszustand und Lebenszufriedenheit;182
10.3;9.3 Risikofaktoren;183
10.3.1;9.3.1 Über-, Unter- und Fehlernährung, Flüssigkeitskonsum;183
10.3.2;9.3.2 Bewegung;184
10.3.3;9.3.3 Kognitive, emotionale und soziale Fähigkeiten;185
10.3.4;9.3.4 Soziales Eingebundensein;185
10.3.5;9.3.5 Multimedikation;186
10.4;9.4 Morbidität und Multimorbidität im hohen Alter;187
10.4.1;9.4.1 Chronische Gesundheitsprobleme;187
10.4.2;9.4.2 Gebrechlichkeit – Frailty;190
10.4.3;9.4.3 Auswirkungen auf eigenständiges Leben und soziale Kontakte;190
10.5;9.5 Sterben und Tod;193
10.5.1;9.5.1 Letzte Aufenthaltsorte;193
10.5.2;9.5.2 Orte des Sterbens;195
10.5.3;9.5.3 Todesursachen;195
10.5.4;9.5.4 Suizid;197
10.6;9.6 Gesundheitsförderung und Prävention bei Hochaltrigen;198
11;10 Lösungsvorschläge zu den Aufgaben;203
11.1;10.1 Antwort zu Aufgabe 1;203
11.1.1;10.1.1 Antwort zu Aufgabe 1a;203
11.1.2;10.1.2 Antwort zu Aufgabe 1b;204
11.2;10.2 Antwort zu Aufgabe 2;205
11.3;10.3 Antwort zu Aufgabe 3;206
11.4;10.4 Antwort zu Aufgabe 4;207
11.4.1;10.4.1 Antwort zu Aufgabe 4a;207
11.4.2;10.4.2 Antwort zu Aufgabe 4b;208
11.5;10.5 Antwort zu Aufgabe 5;208
11.5.1;10.5.1 Antwort zu Aufgabe 5a;208
11.5.2;10.5.2 Antwort zu Aufgabe 5b;209
11.6;10.6 Antwort zu Aufgabe 6;209
11.6.1;10.6.1 Antwort zu Aufgabe 6a;210
11.6.2;10.6.2 Antwort zu Aufgabe 6b;212
11.7;10.7 Antwort zu Aufgabe 7;213
11.7.1;10.7.1 Antwort zu Aufgabe 7a;214
11.7.2;10.7.2 Antwort zu Aufgabe 7b;215
11.8;10.8 Antwort zu Aufgabe 8;216
11.8.1;10.8.1 Antwort zu Aufgabe 8a;216
11.8.2;10.8.2 Antwort zu Aufgabe 8b;217
11.9;10.9 Antwort zu Aufgabe 9;219
11.9.1;10.9.1 Antwort zu Aufgabe 9a;219
11.9.2;10.9.2 Antwort zu Aufgabe 9b;220
12;11 Glossar;225
13;12 Literaturverzeichnis;241
14;13 Abkürzungsverzeichnis;275
15;Sachwortverzeichnis;281


|15|1  Faktoren und Mechanismen, die unsere Gesundheit im Laufe des Lebens prägen
Wir werden immer älter, gleichzeitig werden wir im Durchschnitt immer gesünder. Diese Aussage stimmt im Allgemeinen, sie muss jedoch je nach Lebensabschnitt differenziert werden. Denn durch die zunehmende Alterung unserer Gesellschaft nehmen sowohl die Krankheitslast im höheren Alter als auch die mit Krankheit oder Behinderung gelebten Jahre (DALYs) kontinuierlich zu. Vor allem die nicht übertragbaren Krankheiten wie Adipositas, Diabetes mellitus Typ II, Krebs, Muskel-Skelett-Erkrankungen und psychische Krankheiten nehmen einen immer größeren Stellenwert ein und belasten auch zunehmend die Gesundheitskassen weltweit. Es ist daher wichtig, die Gesundheit des Menschen in den verschiedenen Lebensabschnitten anzuschauen, aber auch den Einfluss der vorherigen auf die nächsten Abschnitte zu kennen, um die Zusammenhänge und die Auswirkungen dieser Zusammenhänge zu verstehen. Man geht heute davon aus, dass verschiedene soziale und biologische Faktoren in jüngeren Jahren und im Laufe des Lebens einen kumulativen Effekt auf verschiedene Gesundheitsparameter haben und so zur Entstehung von Krankheiten im Erwachsenenalter beitragen können. Besonders anfällig für negative Einflüsse scheinen dabei die vorgeburtliche Zeit und die ersten Lebensjahre zu sein. Diese Betrachtungsweise wird in der Epidemiologie und im Bereich Public Health „Lebenslauf-Ansatz“ oder Life Course Approach genannt. In der Vergangenheit wurden bereits theoretische Modelle zur Erklärung der hieran beteiligten Prozesse entwickelt, bei denen verschiedene Risiko- und Schutzfaktoren (wie z.?B. Umweltfaktoren) eine Rolle spielen. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berücksichtigt den Life-Course-Ansatz in der Health 2020-Strategie mit dem Ziel, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen weltweit zu verbessern. 1.1  Geschichtliche Entwicklung hin zum Life Course Approach to Health
Die geschichtliche Entwicklung zum Life Course Approach erfolgte aus zwei unterschiedlichen Richtungen. Bereits in den 1920er-Jahren bemerkte der amerikanische Soziologe William Isaac Thomas, dass es wichtig ist, die Lebensgeschichten und die vergangenen Erfahrungen von Menschen festzuhalten und diese in die Zukunft hinein zu verfolgen. Das Thema wurde jedoch erst ab den 1950er- und 1960er-Jahren wieder aufgegriffen, als sich nicht nur die Soziologie, sondern zunehmend auch die Psychologie für die geschichtlichen Zusammenhänge des Lebenslaufes der Menschen interessierte. In dieser Zeit wurden wichtige Prinzipien erkannt. So entdeckte man, dass die Entwicklung eines Men|16|schen ein Leben lang andauert und nicht mit dem Erreichen des Erwachsenenalters beendet ist. Verschiedene Studien konnten zeigen, dass die Lebensentscheidungen eines Individuums von seinem sozialen und geschichtlichen Umfeld abhängen (Elder, Kirkpatrick Johnson & Crosnoe, 2003). Heutzutage kommt der Life Course Approach vor allem in den Sozial- und Erziehungswissenschaften zur Anwendung. Dabei wird zwischen drei Hauptperspektiven unterschieden. In der Biografieforschung wird der Lebenslauf von Individuen in ihrem Umfeld analysiert. Dagegen geht es in der Transitionsforschung vor allem um die Kontinuitäten und Diskontinuitäten in den persönlichen Entwicklungsprozessen von Individuen, während die Lebensbewältigung Wechsel und Erweiterungen im Lebenslauf von Individuen analysiert (Alheit & von Felden, 2009). Die Deutsche Lebensverlaufsstudie (German Life History Study – GLHS) ist eines von zahlreichen Forschungsprojekten, über die derzeit weitere Daten gesammelt werden. Sie erfasst seit mehr als 20 Jahren Lebensverlaufsdaten von etwa 8500 Frauen und Männern in Westdeutschland und mehr als 2900 Frauen und Männern aus dreizehn ausgewählten Geburtsjahrgängen in Ostdeutschland und wertet sie anschließend aus. Eine zweite, medizinisch-biologische Richtung des Life Course Approach entwickelte sich in den 1980er-Jahren. Sie geht davon aus, dass äußere Einflüsse auf das werdende Kind oder das Neugeborene bleibende gesundheitliche Veränderungen bewirken können, die sich erst sehr viel später im Laufe des Erwachsenenlebens manifestieren. Diese Hypothesen wurden unter Namen wie Fetal Origins of Adult Disease Hypothesis, Fetal Programming Hypothesis oder Developmental Origins of Adult Disease Hypothesis bekannt. So stellte der britische Epidemiologe David Barker beispielsweise einen direkten Zusammenhang zwischen ungenügender intrauteriner Ernährung und der Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Erwachsenenalter in England fest (Barker & Osmond, 1986). Seine Beobachtungen wurden seither in vielen Teilen der Welt bestätigt. Unterstützt werden diese Hypothesen auch durch die Untersuchung verschiedener historischer Ereignisse, während derer große Menschengruppen – und damit auch schwangere Frauen – über eine längere Zeit hungerten. Das bekannteste Beispiel ist der holländische Hungerwinter 1944. Während des zweiten Weltkrieges verhinderte die deutsche NS-Regierung von November 1944 bis April 1945 als Reaktion auf einen Streik der Niederländer Nahrungslieferungen insbesondere in die westlich gelegene Provinz Holland. Die tägliche Kalorienmenge sank sukzessive bis auf 580 Kilokalorien pro Kopf und Tag, die Nahrung bestand am Schluss fast ausschließlich aus Brot und Kartoffeln. Militärische Rekrutierungsdaten der Mitte der 1960er-Jahre erlaubten eine Analyse der Auswirkungen des Hungers auf die damaligen Neugeborenen. Männer, die während des Hungerwinters geboren wurden, zeigten je nach Geburtsdatum unterschiedliche Auffälligkeiten. Diejenigen, deren Mütter sich während der dreimonatigen Belagerung im ersten Trimester der Schwangerschaft befanden, wurden im Durchschnitt normalgroß geboren. Sie entwickelten jedoch später im Leben häufiger Bluthochdruck, Fettleibigkeit und einen Diabetes mellitus. Im Gegensatz zu dieser Gruppe wurden diejenigen, deren Mütter sich während der Belagerung im dritten Trimester befanden, eher klein geboren. Sie blieben ihr ganzes Leben lang klein, entwickelten aber keine Fettleibigkeit oder entsprechende Folgekrankheiten (Ravelli, Stein & Susser, 1976). |17|Ein ähnlicher Effekt wurde bei der Analyse der Daten aus der Zeit nach der Spanischen Grippe 1918 beobachtet, an der geschätzte 20?% der Weltbevölkerung erkrankten und ca. 50 Mio. Menschen starben. In einer Studie von 2008 wurde festgestellt, dass die Menschen, die während der Pandemie geboren wurden, ein höheres Risiko für koronare Herzkrankheiten und Nierenerkrankungen im späteren Leben aufwiesen. Dabei lag die Wahrscheinlichkeit einer koronaren Herzkrankheit bei den im vierten Quartal 1918 Geborenen um 51?% und bei den im ersten Quartal 1919 Geborenen um 11,8?% höher als bei den Ende 1919 Geborenen. Bemerkenswert ist auch, dass diejenigen, die während der Exposition bereits geboren, aber erst zwischen einem und fünf Jahre alt waren, im späteren Leben nicht merklich häufiger an koronaren Herzkrankheiten oder Nierenerkrankungen litten (Garthwaite, 2008). Zwei epidemiologische Studien aus England hatten bereits früher gezeigt, dass niedrige Wachstumsraten während der Schwangerschaft und im Säuglingsalter mit einer erhöhten späteren Sterberate durch kardiovaskuläre Erkrankungen verbunden sind. In einer dieser Studien wurden 1586 Männer, die 1907–1925 in einer Geburtsklinik in Sheffield geboren worden waren, über die Zeit beobachtet. Diese Studie bestätigte, dass die spätere Sterblichkeitsrate durch kardiovaskuläre Erkrankungen mit zunehmendem Geburtsgewicht, Kopfumfang und Ponderal-Index (Gewicht/Körpergröße3) bei der Geburt zurückging. In der anderen Studie wurden 5654 Männer über die Zeit beobachtet, die zwischen 1911 und 1930 in Hertfordshire geboren worden waren. Die spätere Sterberate infolge koronarer Herzerkrankung war bei denen, die im Alter von einem Jahr 8 kg oder weniger wogen, fast dreimal so hoch wie bei denen, die 12 kg oder mehr wogen (Barker et al., 1993). Heute nimmt der Life Course Approach eine wichtige Rolle in vielen...


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