Kämpf | Die neue Unsicherheit | Buch | 978-3-593-38745-1 | sack.de

Buch, Deutsch, Band 3, 450 Seiten, Format (B × H): 141 mm x 215 mm, Gewicht: 618 g

Reihe: Arbeit - Interessen - Partizipation

Kämpf

Die neue Unsicherheit

Folgen der Globalisierung für hochqualifizierte Arbeitnehmer

Buch, Deutsch, Band 3, 450 Seiten, Format (B × H): 141 mm x 215 mm, Gewicht: 618 g

Reihe: Arbeit - Interessen - Partizipation

ISBN: 978-3-593-38745-1
Verlag: Campus Verlag GmbH


Hochqualifizierte, die 'Macher' der Globalisierung, lernen neuerdings auch deren Schattenseite kennen: Ihre Arbeitsplätze werden ins billigere Ausland verlagert. Am Beispiel der IT-Industrie zeigt der Autor diese Auswirkung der Globalisierung. Er berücksichtigt dabei besonders die Perspektive der Beschäftigten und zeigt, wie die Betroffenen mit der neuen Unsicherheit und den wachsenden Unwägbarkeiten umgehen.
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Vorwort 7

1. Einleitung
1.2 Die Diskussion um Offshoring - Die Globalisierung erreicht die Hochqualifizierten
1.2 Fragestellung und Ziel der Arbeit
1.3 Vorgehen und Argumentation

2. Konzeptionelle Überlegungen
2.1 Informatisierung und die Internationalisierung der Informationsarbeit
2.2 Offshoring und die Internationalisierung von IT-Dienstleistungen und Software-Entwicklung
2.3 Interessen und Interessenorientierungen von hochqualifizierten IT-Beschäftigten

3. Forschungsleitende Thesen, methodisches Konzept und empirische Basis
3.1 Fragestellungen und forschungsleitende Thesen
3.2 Methodisches Konzept
3.3 Empirische Basis

4. Offshoring und Internationalisierung aus der Perspektive hochqualifizierter IT-Beschäftigter - Vier Fallstudien
4.1 Fallstudie A - Internationalisierung zwischen ›Überlebensstrategie‹ und Personalabbau
4.2 Fallstudie B - Internationalisierung unter dem Eindruck von Personalabbau und permanenter Reorganisation
4.3 Fallstudie C - Offshoring mit Indien: Von Krise, Protest und Personalabbau zum ›Normalbetrieb‹ internationaler Arbeitsteilung
4.4 Fallstudie D - Hochqualifizierte Beschäftigte auf der Suche nach neuen Handlungsstrategien angesichts von Offshoring und Arbeitsplatzabbau

5. Zusammenführung: Hochqualifizierte IT-Beschäftigte
und die neue Phase der Internationalisierung
5.1 Internationalisierung unter dem Leitbild Offshoring - Zwischen Kostensenkung, Arbeitsplatzabbau und Industrialisierung der Arbeit
5.2 Die Haltung der Beschäftigten und ihre Interessenperspektive auf die Internationalisierung
5.3 Die Veränderung der "betrieblichen Sozialordnungen": Die Internationalisierung als Ausdruck einer "Zeitenwende" der IT-Industrie
5.4 Schlussfolgerungen und Lernprozesse der Beschäftigten: Entwicklung der Interessenidentitäten angesichts des Bedrohungsszenarios Offshoring
5.5 Die Handlungsstrategien der hochqualifizierten IT-Beschäftigten

6. Ausblick: Hochqualifizierte in einer globalisierten Welt - die ›Mittelschichten‹ vor dem Absturz?

7. Literatur


Diese Erfahrung wurde von den Beschäftigten als deutlicher Einschnitt erlebt. Dieser Bruch steht für viele in einem Kontrast zu ihrer bisherigen Berufsbiografie. Gleichzeitig wird er zum Sinnbild für eine ungewisse berufliche Zukunft, die nicht mehr im Zeichen von Aufstieg, Kontinuität und Stabilität steht. Die hier zum Ausdruck kommenden "neuen Zeiten" werden von den Beschäftigten sehr bewusst dahingehend interpretiert, dass ›die fetten Jahre‹ offensichtlich vorbei sind. Sehr zugespitzt kommt damit in den Deutungen der befragten IT-Beschäftigten die Veränderung der gesellschaftlichen Stellung der Mittelschichten zum Ausdruck. Die drohende Verlagerung ihrer Arbeitsplätze und die Verschiebung ihrer Leistungsbedingungen werden insbesondere auch dahingehend interpretiert, dass sie als Hochqualifizierte ihren Sonderstatus verlieren. Sie haben das Gefühl, mehr denn je zu einer Beschäftigtengruppe unter vielen zu werden. In der Folge haben sich auch ihre beruflichen Prioritäten und Ziele verschoben. Es geht nicht mehr darum, eine möglichst ›steile‹ berufliche Karriere mit entsprechenden Gehaltssprüngen zu erreichen, sondern um die bloße Absicherung ihres Arbeitsplatzes. Exemplarisch konnte gezeigt werden, dass für sie als Hochqualifizierte nicht mehr der gesellschaftliche Aufstieg den selbstverständlichen Fokus ihres Lebensplans darstellt. Vielmehr hat sich die im Anschluss an Thomas Perry vom Marktforschungsinstitut sociovision formulierte These bestätigt, dass für die Mittelschicht in der ›Gesellschaft des Weniger‹ "das Verhindern des Abstiegs seit den neunziger Jahren" zur zentralen Handlungsmaxime geworden ist (zitiert nach Die Zeit vom 15. 2. 2007).

"Prekarität ist überall" (Bourdieu) - Hochqualifizierte Arbeit als ›normale‹ Lohnarbeit

Am deutlichsten nachvollziehen lässt sich die Veränderung der Arbeit der hochqualifizierten IT-Beschäftigten mit Blick auf ihre enorm gestiegene subjektive Verunsicherung. Angesichts ihrer Erfahrungen mit Personalabbau konnten ausgeprägte Ängste hinsichtlich der Sicherheit ihrer Arbeitsplätze rekonstruiert werden. Bei vielen Beschäftigten hat sich trotz ihrer Qualifikation, ihrer Berufserfahrung und ihrer Stellung im Betrieb der Eindruck verfestigt, letztendlich ›jederzeit‹ den Arbeitsplatz verlieren zu können. Interessanterweise können ihnen auch ihre weiterhin unbefristeten Beschäftigungsverhältnisse kaum Sicherheit vermitteln - diese gelten ihnen im Zweifelsfall nicht als ernsthafte Ressource, falls es zu Personalabbau kommt. Gleichzeitig wird - besonders von den älteren Beschäftigten - die Situation auf dem Arbeitsmarkt negativ bewertet; die Chancen, nach einer Entlassung eine neue Anstellung zu finden, schätzen nicht wenige im einstelligen Prozentbereich. In der Folge ist die Sorge um ihre berufliche Zukunft zu einem Teil ihres Arbeitsalltags geworden - mit Stefan Hradil formuliert, "kriecht die Angst" auch in der IT-Branche die Rechenzentren und "Bürotürme hinauf" (2006).

In den Deutungen und Interpretationen der Hochqualifizierten bestätigt sich die Einschätzung, dass die Diskussion um Prekarität nicht auf die Ränder des Erwerbssystems und die sozial-strukturell bestimmte "Zone der Prekarität" (Castel 2000) beschränkt werden kann (vgl. Bultemeier et al. 2006; Hacket 2007; Brinkmann et al. 2006; Kraemer, Speidel 2005). Vielmehr zeigt sich, dass auch die "gesellschaftliche Mitte eine ›Prekarität‹ (.) ihrer Lage" (Schimank 2007, S. 50) erfährt. Im Sinne einer Verallgemeinerung sozialer Unsicherheit gilt mit Pierre Bourdieu: "Prekarität ist überall" (1998) - im Zeitalter der Globalisierung offenbar auch in den hochqualifizierten Arbeitsbereichen der IT-Industrie. Dies meint weniger, dass in diesem Bereich nun systematisch Freelancer mit befristeten Verträgen vormals unbefristete Beschäftigte ersetzen oder dass vorwiegend atypische Beschäftigungsverhältnisse jenseits des "Normalarbeitsverhältnisses" (Mückenberger 1985) entstehen. Vielmehr geht es darum, dass nun eben auch die ›stabile Mitte‹, die auf dem Papier und in der Sozialstatistik keineswegs als prekär klassifiziert wird, neue Unsicherheitserfahrungen macht.

Dieses spezifische Verständnis von Prekarität als "allgemeine Unsicherheit", die "mitten in einer hochentwickelten Volkswirtschaft sämtliche Arbeitnehmer (.) in Mitleidenschaft zieht", ist letztlich der inhaltliche Kern der Prekarisierungsdiskussion bei Pierre Bourdieu (1998, S. 98). Folgt man Anja Bultemeier et al., geht es bei "seinem Prekaritätsbegriff somit um das alle Bereiche durchdringende Gemeinsame einer neuen Herrschaftsform und nicht um die Differenzen, die auf diesem Fundament entstehen können" (2007, S. 8). Diese besondere konzeptionelle Perspektive erweist sich gerade mit Blick auf die Analyse der Erfahrungen der hochqualifizierten IT-Beschäftigten und ihrer subjektiven Deutungen ihrer Beschäftigungssituation als wertvoll. Sie lenkt die theoretische Aufmerksamkeit auf den "Verlust der Zukunftsgewissheit" und den "Verlust der Handlungsmacht" der Beschäftigten, die der neuen Herrschaftsform Prekarisierung unterliegen (Bultemeier et al. 2007, S. 5f; Bourdieu 1998).

Beide "Wirkungsmechanismen" konnten mit Blick auf die Auseinandersetzung der Beschäftigten mit der Internationalisierung differenziert rekonstruiert werden. Auf der einen Seite interpretieren sie die künftige Entwicklung ihrer Arbeits- und Lebenssituation als zunehmend unsicher. Angesichts der immer wieder angeführten Sprunghaftigkeit des Managements und der Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung erscheinen ihnen zuverlässige Prognosen kaum noch möglich - sicher sind sie sich dabei lediglich in ihrer wenig zuversichtlichen Grundhaltung: Mit Blick auf die Zukunft scheint schließlich nur klar zu sein, dass die generelle Richtung für sie als hochqualifizierte IT-Beschäftigte ›nach unten‹ weist. Auf der anderen Seite ist ihre Haltung zunehmend von der Überzeugung geprägt, individuell auf diese Entwicklung und die für sie damit verbundenen persönlichen Folgen kaum noch Einfluss nehmen zu können. Die immer wieder betonte individuelle Handlungsstrategie, durch Weiterbildung und Qualifikation die eigenen Beschäftigungschancen möglichst positiv zu beeinflussen, sollte nicht mit der Erfahrung genuiner Handlungsmacht verwechselt werden. Für die Beschäftigten stellt dies lediglich den Versuch dar, den eigenen ›Marktwert‹ zu erhöhen - einen Versuch, den sie jedoch mit wenig Überzeugung weiter verfolgen, ohne sich davon eine substanzielle bzw. planbare Verbesserung ihrer Lage zu erhoffen.


Tobias Kämpf, Dipl.-Soz., arbeitet am Institut für sozialwiss. Forschung (ISF) München e. V.


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