Lange | Waffenverbote in Deutschland. Potential und Schwächen von Waffenverbotszonen als kriminalpräventives Konzept zur Verhinderung von Gewaltdelikten unter Einsatz von Messern | Buch | 978-3-96146-965-9 | sack.de

Buch, Deutsch, 96 Seiten, Paperback, Format (B × H): 155 mm x 220 mm, Gewicht: 173 g

Lange

Waffenverbote in Deutschland. Potential und Schwächen von Waffenverbotszonen als kriminalpräventives Konzept zur Verhinderung von Gewaltdelikten unter Einsatz von Messern

Buch, Deutsch, 96 Seiten, Paperback, Format (B × H): 155 mm x 220 mm, Gewicht: 173 g

ISBN: 978-3-96146-965-9
Verlag: Diplomica Verlag


Berichte über schwere Gewalttaten auf den Titelseiten der Tageszeitungen zeichnen das finstere Bild eines scheinbar unaufhaltbaren Anstiegs der Gewaltkriminalität in Deutschland. Dabei scheint der Einsatz von Messern eine zunehmende Bedeutung bei der Tatbegehung zu erlangen. Auf Grund der meist schwerwiegenden Folgen von Messerangriffen ist dieses Phänomen von hohem gesellschaftlichem Interesse. Die Politik reagiert mit Maßnahmenpaketen zur Erhöhung der Sicherheit und demonstriert Entschlossenheit im Kampf gegen diese mutmaßliche Entwicklung. Durch Rechtsverordnungen, die das Führen von Waffen in bestimmten Straßenzügen oder ganzen Stadtteilen verbieten, sollen die kommunalen Entscheidungsträger gezielt auf Kriminalitätsschwerpunkte in ihren Zuständigkeitsbereichen reagieren können und zu einer Verbesserung der Sicherheitslage beitragen.
Ob die kriminalpräventiven Maßnahmen der Waffenverbotszonen tatsächlich eine erfolgsversprechende Möglichkeit zur Verhinderung von Messerangriffen darstellen und welche Risiken sich aus ihnen ergeben können, wird im vorliegenden Buch analysiert.
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Textprobe:

7. Waffenverbotszonen im Spannungsfeld Freiheit / Sicherheit
Nachdem die Waffenverbote in Bezug auf ihre „Geeignetheit“ und „Erforderlichkeit“ beurteilt wurden, soll, dem rechtsdogmatischen System folgend, im Anschluss die „Angemessenheit“, also die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn, betrachtet werden.
Die Frage nach der Angemessenheit stellt in den Rechtswissenschaften die letzte Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung dar. An diesem Punkt werden Grundrechtseingriffe durch Maßnahmen der staatlichen Gewalt der Prüfung unterzogen, ob sie zu einem Nachteil führen, der erkennbar außer Verhältnis zum erstrebten Erfolg steht.
Bezogen auf die Waffenverbotszonen wird im Folgenden beschrieben, ob die Einschränkung der persönlichen Freiheit außer Verhältnis zur angestrebten Erhöhung der Sicherheit steht, also ob dieses kriminalpräventive Konzept insoweit einer „Angemessenheitsprüfung“ standhält. Nach einem Definitionsversuch der grundlegenden Begriffe von „Freiheit“ und „Sicherheit“ werden die Auswirkungen der Waffenverbotszonen einer kritischen Betrachtung unterzogen
In den öffentlichen Darstellungen der politischen Handlungsträger wird die Einführung kriminalpräventiver Konzepte meist losgelöst von deren „Nebenwirkungen“ beworben. Die Erhöhung der Sicherheit durch Maßnahmen des Staates scheint dabei über jeden Zweifel erhaben. Einschränkungen der persönlichen Individualgüter werden oft gar nicht angesprochen und erscheinen dadurch nur als theoretisches und unbedeutendes Übel, im Vergleich zum beabsichtigten Schutz vor den vermeintlich schwerwiegenden Folgen von Kriminalität. Die Diskussion über das Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit verliert jedoch in dem Augenblick seinen politisch-abstrakten Charakter, in dem es auf der Handlungsebene Wirklichkeit entfaltet. Die Schaffung neuer Straftatbestände, die Verschärfung von strafrechtlichen Sanktionen oder die Ausweitung präventiver Ermächtigungsgrundlagen treffen die Bürger unmittelbar, sobald diese selbst von konkreten staatlichen Maßnahmen betroffen sind. Lange Zeit bestand nur ein geringer gesellschaftlicher Widerstand gegen den Ausbau von Freiheitsbeschränkungen durch die Politik. Dass ein Teil der Gesellschaft es inzwischen jedoch nicht mehr als selbstverständlich betrachtet, die potenzielle Erhöhung der Sicherheit mit dem Preis einer Ausweitung staatlicher Eingriffsermächtigungen zu bezahlen, wurde bei der Einführung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes im Mai 2018 deutlich. Nachdem die geplanten Novellierungen in der Öffentlichkeit bekannt geworden waren, kam es allein in München zu Protesten von mehr als dreißigtausend Demonstranten. Die Einführung der neuen Polizeigesetze führte auch in anderen Bundesländern zu teilwiese massiven öffentlichen Protestreaktionen.
Um das Verhältnis von „Freiheit“ und „Sicherheit“ bewerten zu können, ist es zunächst erforderlich, sich die Bedeutung der beiden Begriffe vor Augen zu führen.
7.1 Sicherheit
Der Begriff der Sicherheit findet seine Verwendung in unterschiedlichen Zusammenhängen und verschiedenen Fachgebieten. Wenngleich „Sicherheit“ in der Literatur als „zentraler Wertebegriff demokratischer Gesellschaften“ und als „eine der wesentlichen Voraussetzungen aller Bereiche des öffentlichen Lebens“ beschrieben wird, konnte eine allgemeingültige Definition bislang nicht formuliert werden. Der Grund dafür ist, dass Sicherheit ein "catch-all-Begriff“ der modernen Welt geworden ist.“ Das bedeutet, dass der Sicherheitsbegriff inzwischen in allen lebensweltlichen Bereichen verwendet wird und deshalb eine übergreifende Erfassung kaum möglich ist. Übereinstimmend wird Sicherheit jedoch als ein Zustand verstanden, in dem existenzielle Bedrohungen für zentrale Werte eines Individuums nicht bestehen. Den Kern bilden also die Abwesenheit von Gefährdung sowie der Erhalt der psychischen und physischen Unversehrtheit "[…] in einer das Überleben ermöglichenden Umwelt". Zur Bearbeitung des vorliegenden Forschungsgegenstandes stellt sich die Frage, wieweit die Definition des Sicherheitsbegriffs, in Bezug auf die kriminalpolitische Debatte über den staatlichen Schutz vor kriminellen Handlungen, präzisiert werden muss.
Im politischen Kontext ist zumeist die Rede von der „inneren“ oder der „öffentlichen“ Sicherheit. Die Innere Sicherheit wird als Teil der staatlichen Sicherheit verstanden. Insbesondere stellt sie „den Anspruch und die Bemühung um den Schutz der Bürger eines Staatswesens vor Verhaltensweisen, die als kriminell gelten und mit Strafe bedroht sind“ dar. Neben dem Schutz der Individualrechtsgüter wie Leben, Gesundheit und Freiheit der Bürger, umfasst der Begriff der Inneren Sicherheit damit auch die Gewährleistung des Schutzes der Rechtsordnung und des Staates und seiner Einrichtungen. In diesem juristischen Kontext bezieht sich die Innere Sicherheit auf die Kriminalitätsbekämpfung und beschreibt ein System,
"[.] von staatlichen Institutionen und Einrichtungen, das durch die Verfassung und Organe der demokratischen Willensbildung legitimiert ist, das öffentliche Gewaltmonopol im Rahmen kodifizierter Regeln exekutiv unter Anwendung auch von unmittelbarem Zwang auszuüben.“
Als Antagonist zur Äußeren Sicherheit ist sie darüber hinaus nicht nur als ein rechtliches Konstrukt, sondern auch als ein politisches und mediales zu verstehen, das sich auf Stabilität und Ordnung einer Gesellschaft bezieht. In den 1970er Jahren diente das Konzept der Inneren Sicherheit der Begründung einer Verschärfung des formellen und materiellen Strafrechts als Reaktion auf die Terroranschläge der RAF. Gefährdungen der Inneren Sicherheit wurden als Angriffe auf die Bundesrepublik Deutschland und die demokratische Staatsorganisation gewertet. Die militanten Proteste in den 1980er Jahren im Zusammenhang mit dem Ausbau der „Startbahn 18 West“ in Frankfurt am Main und den Demonstrationen der Anti-Atomkraft-Bewegung führten zu weiteren Gesetzesverschärfungen, die die Innere Sicherheit stärken sollten, gleichzeitig aber zu weiteren Einschränkungen der Individualrechte der Bürger führten. Kritiker bemängelten, dass dadurch die Innere Sicherheit durch diejenigen Institutionen gefährdet würde, die eigentlich ihrem Schutz dienen sollten.
Der Begriff der öffentlichen Sicherheit bezieht sich dagegen nicht primär auf die Kriminalitätsbekämpfung, sondern wird überwiegend im gefahrenabwehrrechtlichen Sinn verwendet. Obwohl er ein wichtiges Merkmal im Polizeirecht darstellt, ist er nicht in allen Polizeigesetzen legaldefiniert.
Nach der amtlichen Begründung zu § 14 des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes aus dem Jahr 1931 stellt die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit
„[…] den Schutz vor Schäden, die entweder den Bestand des Staates oder seiner Einrichtungen einschließlich deren Funktionsfähigkeit oder das Leben, die Gesundheit, Freiheit, Ehre oder das Vermögen des Einzelnen bedrohen“ dar.
An diesem Verständnis der öffentlichen Sicherheit orientieren sich Gesetzgeber und Gerichte bis heute. Inzwischen wurde durch Rechtsprechung und Literatur eine anerkannte Definition gefunden:
„Danach versteht man unter öffentlicher Sicherheit im Sinne der Gefahrenabwehraufgabe die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter der Einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und sonstiger Träger von Hoheitsgewalt“
„Ein Verstoß gegen die Rechtsordnung hat eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zur Folge.“ „Zur Abwehr der Gefahren für die öffentliche Sicherheit gehört [somit] auch die Verhütung zu erwartender Straftaten.“
Die Kernaussagen finden sich also sowohl in der Definition der „Inneren“- als auch der „öffentlichen“ Sicherheit wieder. Welcher der beiden Begriffe gewählt wird, hängt primär vom Kontext seiner Verwendung ab. Da der Terminus der „öffentlichen Sicherheit“ im polizeirechtlichen Zusammenhang gebräuchlich ist, beschränkt sich die vorliegende Untersuchung, mit Blick auf die zu bewertenden polizeirechtlichen Kontrollbefugnisse, auf diesen Begriff.
Der Sicherheitsbegriff umfasst im kriminologischen Verständnis sowohl die als „objektive Sicherheit“ bezeichnete tatsächliche Abwesenheit von Gefahren, also die Frage nach der Wahrscheinlichkeit, tatsächlich Opfer eines schädigenden Ereignisses, wie z.B. einer Straftat, zu werden, als auch die „subjektive“ Furcht vor Gefährdungen im Sinne der begründeten oder unbegründeten Angst vor einer Viktimisierung.


Michael Lange ist hessischer Polizeibeamter, Jurist und Kriminologe. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität in Göttingen absolvierte er den Masterstudiengang Kriminologie und Polizeiwissenschaft an der Ruhr-Universität in Bochum und erhielt den akademischen Grad Master of Criminology and Police Science M.A.
Nach zahlreichen Lehraufträgen an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung (HfPV) in den Fächern Straf- und Strafprozessrecht ist er seit 2023 hauptamtlicher Dozent im Bereich der Kriminalwissenschaften an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS).


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