Laux / Lohse | Anspruch und Wirklichkeit in der öffentlichen Beschaffung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 244 Seiten

Laux / Lohse Anspruch und Wirklichkeit in der öffentlichen Beschaffung

Dialoge zwischen Theorie und Praxis

E-Book, Deutsch, 244 Seiten

ISBN: 978-3-7504-5049-3
Verlag: Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Das Vergaberecht und das Verhalten der öffentlichen Auftraggeber
verhindern aus Sicht der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)
den wirtschaftlichen Einkauf der Öffentlichen Hand. Ist das so? Was
könnte man verändern? Dr. Dieter Laux (Hochschule für Polizei
und Verwaltung, Wiesbaden) und Frank Lohse (GeschäftsführenDer Gesellschafter der CENARIO solutions GmbH, Leun) gehen
dem in einem Dialog zwischen Wissenschaft und Wirtschaft nach.
Hierbei werden die sinnvollen Aspekte des Vergaberechts genauso
angesprochen wie problematische Verhaltensweisen und die Ver-
wendung von Stereotypen in Unternehmen und Behörden. Viele
Beispiele aus der Praxis ergänzen das aktuelle Gesamtbild. Für den
Leser ergibt sich so ein ganz neuer Blickwinkel aus Sicht erfahrener Beschaffungsspezialisten, die ein komplexes Thema in leicht
nachvollziehbarer Form diskutieren.
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1.2. Aus Sicht der Vergabestellen
Ein wesentlicher Bestandteil des Handelns besteht für öffentliche Auftraggeber darin, sich an die geltenden Rechtsvorschriften zu halten. Für die Bediensteten ist es daher nur schwer verständlich, wenn ihnen ein falsches Verhalten vorgeworfen wird, nur weil sie sich ordnungsgemäß an die ihnen aufgetragenen Vorgaben halten. Wer beim Staat gelernt hat, der ist das Handeln nach rechtlichen Vorgaben gewohnt. Diese Einstellung und Gewohnheit durchbrechen zu sollen, ist für die Bediensteten mehr als ungewöhnlich. Allein der Hinweis darauf, dass man sich doch nicht immer an die Vorschriften halten muss bzw. sollte, erscheint für Bedienstete des Staates eher ein Ansatz von Korruptionsversuchen zu sein. Deshalb sehen sie es sehr kritisch, wenn eine dritte Stelle – z.B. ein Unternehmen – verlangt, dass sie sich über angeblich unsinnige Vorschriften hinwegsetzen sollen. Die vorgegebenen Regeln sind für Staatsbedienstete so selbstverständlich, dass sie weder als Schutz noch als Möglichkeit des Fassadenbaus wahrgenommen werden. Lohse: Die Wirkungen der Regeln auf KMUs haben wir ausgiebig erörtert. Wie sieht das aus Sicht der Vergabestellen aus? Laux: Die Vergabestellen bilden ja praktisch betrachtet die Einkaufsorganisation einer Behörde, vielleicht handeln sie auch im Auftrag eines Behördenverbundes oder eines Ministeriums. Als solche brauchen sie natürlich einen rechtlichen Rahmen, welcher durch die jeweilig gültige Gesetzes- oder Verordnungsvorschriften gegeben ist. den Rückhalt der Behördenleitung(en). die Unterstützung bzw. Rückhalt der eingebundenen fachlichen Abteilungen. die Unterstützung bzw. Rückhalt der Bedarfsstelle(n). Lohse: Wir reden hier sicher nicht von banal zu beschaffenden Gütern wie Tintenpatronen oder Ähnlichem. Laux: Nein, wir sprechen schon von komplexeren IT-Projekten. Bei Standardmaterialien ist die Beschaffung einfach, hier entscheidet Qualität, Lieferzeit und vor allem der Preis. Lohse: Aus meiner Erfahrung kann ich berichten, dass es in Unternehmen zwischen Einkauf und Fachabteilung regelmäßig zu Spannungen kommt. Laux: Ach ja, und wie äußert sich das? Lohse: Durch den wirtschaftlichen Druck, dem beide Bereiche ausgesetzt sind, entwickeln sich zwangsläufig unterschiedliche Interessen und Ansichten. Am schlimmsten läuft es, wenn der Einkauf ungeregelt abläuft. Also wenn die Fachabteilung praktisch bestellt oder der Einkauf die Fachabteilung ausgrenzt. Ursachen hierfür können Rangeleien in der Macht- und Kompetenzverteilung sein. Laux: Und wie sehen die Lösungen in den Unternehmen aus? Lohse: Zunächst ist von beiden Seiten die Akzeptanz der zugrundeliegenden Unternehmenszielsetzung, nämlich der Zwang zur Wirtschaftlichkeit bedeutsam. Die Umsetzung sieht dann, je nach Unternehmensgröße und Regelwerk unterschiedlich aus. Aufgrund der kaufmännischen Bedeutung hat heute der Einkauf in der Regel die letzte Entscheidungskompetenz. D.h. jedoch nicht, dass die Fachabteilungen machtlos sind. Sie werden gehört, wenn sie sich positionieren und ihre fachlichen Interessen kompetent vertreten. Laux: Was meinen Sie damit? Lohse: Sie können aus meiner Schilderung entnehmen, dass es auf das Miteinander, gegenseitiges Verständnis, Gleichgewicht der Kräfte, Vertrauen und eine ausgewogene Umsetzung ankommt. Je nach Größe und Einkaufsvolumen gibt es hierbei mehr oder weniger Bürokratie, welcher ich durchaus skeptisch gegenüberstehe. Laux: Auch Unternehmen und Unternehmer sind vor Fehlentscheidungen nicht gefeit. Lohse: Je besser der kurz geschilderte Prozess jedoch funktioniert, desto weniger Fehleinkäufe kommen vor. Laux: Das ist nachvollziehbar. Lohse: Herr Laux, Vergabestellen werden ständig angegriffen, weil sie eine recht große Machtfülle gegenüber Bietern haben. Ist das denn so gewollt? Laux: Existiert die Machtfülle wirklich? Lohse: Ich meine schon! Laux: Nun ja, über die Machtfülle können wir ja noch reden. Mir geht es jetzt erst einmal um den Schutz der Vergabestellen. Lohse: Wieso sollte man jemanden schützen wollen, wenn er über eine hohe Machtfülle verfügt? Laux: Die Vergabestellen sind ja nicht völlig frei in ihrer Dienstausübung. Sie haben vielmehr die Aufgabe, den Vorgaben der Politik zu folgen. Und diese Vorgaben sehen ein Handeln mit begrenzten eigenen Ideen vor. Das heißt natürlich nicht, dass man als Vergabestelle keine eigenen Ideen haben dürfte. Es geht vielmehr darum, dass der Rahmen für die Ideen soweit eingeschränkt ist, wie es der Gesetz- oder Verordnungsgeber möchte. Diese Methodik wird auch gerne als Bürokratie bezeichnet. Lohse: Und wer trägt dabei die Last im Beschaffungsverfahren, wenn die Vorschriften zu unflexibel sind? Laux: Die mangelnde Flexibilität von Rechtsvorschriften geht bei der Abarbeitung innerhalb der Behörde zu Lasten der Verwaltungsmitarbeiter. Sie befinden sich in einem Dilemma, denn sie haben dem bestehenden Recht Geltung zu verschaffen und nicht zu interpretieren, ob eine Vorschrift möglicherweise zu einem unwirtschaftlichen Ergebnis führen kann. Lohse: Das sehe ich aber doch schon etwas anders! Ich meine, die Last liegt vor allem bei den Bietern, weil sie sich nicht gegen diese Rechtsetzungen wehren können. Laux: Das ist nur bedingt richtig. Wenn der Gesetzgeber es im Einzelfall will, ist in den Gesetzen eine Rechtsschutzmöglichkeit enthalten. Das haben wir ja eben schon erörtert. Lohse: Und wenn dem faktisch nicht so ist? Laux: Dann haben Sie vollkommen Recht und die Bieter sind dem Recht quasi ausgeliefert. Das ist aber bei den Vergabestellen auch der Fall. Denken Sie bitte daran, dass die Mitarbeiter einer Vergabestelle dem Recht nicht gedankenlos nachgehen. Auch sie haben durch den ständigen Kontakt mit der Wirtschaft eine Idee davon, was okay und was nicht okay ist. Lohse: Und warum merkt man als Mittelständler so wenig davon in der Praxis? Laux: Weil die Vergabestellen nicht die einzigen Handelnden im Beschaffungsprozess sind. Immerhin sind ja auch noch die Fachlichkeiten aktiv. Wenn die etwas Unsinniges fordern und die Vergabestellen nicht über die erforderliche Fachkompetenz verfügen, um diese fachliche Unsinnigkeit zu erkennen. Lohse: Hätten Sie hierzu mal ein praktisches Beispiel für mich? Laux: Ja. Im Fahrzeugbereich ist es einmal bei einer mir bekannten Behörde vorgekommen, dass eine zweite Batterie in ein Funktionsfahrzeug eingebaut werden sollte. Die Fachlichkeit forderte in der Leistungsbeschreibung, dass diese zweite Batterie im Motorraum zu verbauen ist. Man wollte ein Funktionsfahrzeug aufbauen und benötigte dafür die gesamte Ladefläche bzw. den Fahrzeuginnenraum, um darin Spezialtechnologien und spezielles Mobiliar einzubauen. Für eine Batterie wäre der Platz zu knapp gewesen. Lohse: Damit ist man vermutlich an den Markt herangetreten. Und worin lag jetzt das Problem? Laux: Die beabsichtigten Fahrzeugklassen auf dem Markt waren alle so konstruiert, dass der Motorraum keinerlei Platz für irgendetwas ließ. Der Motor war mit seinen Elementen so eng im Motorraum verbaut, dass – so hat es einer der Hersteller ausgedrückt – selbst Marder Platzangst hätten. Lohse: Aber gegen so einen Unsinn kann man sich als Bieter doch gar nicht wehren, oder? Laux: Wehren im Sinne eines Rechtsschutzes kann man sich tatsächlich nicht. Der Bieter hat aber ein Mittel, um hier für Aufklärung zu sorgen. Er kann eine sogenannte Bieterfrage stellen. Lohse: Ist das denn im Falle der Fahrzeuge passiert? Laux: Ja, zum Glück. Ein Bieter hat nachgefragt. Er hat sich zwar höflich ausgedrückt, aber man konnte zwischen den Zeilen lesen, dass er eigentlich fragen wollte: „Habt Ihr eigentlich einmal die Motorhaube aufgemacht? Wo bitte soll das denn noch reinpassen?“. Die Vergabestelle hat die Fragestellung in dieser Form der Fachlichkeit gestellt. In den Augen der Verantwortlichen war zu lesen: „Oh, offensichtlich nicht!“. Die Fachlichkeit hat die Forderung zurückgenommen und plötzlich war auch wieder Platz im Laderaum. Alle Bieter wurden über die Frage und die Antwort zeitgleich informiert. Lohse: Ist damit aus Ihrer Sicht das Problem gelöst? Laux: Leider nein. Man kann nämlich nicht feststellen, wie viele potenzielle Bieter die Vergabestelle verloren hat, weil sich Unternehmen nicht beworben hatten. Vermutlich haben einige Unternehmen die Unmöglichkeit erkannt, dann wohl einen Fluch ausgestoßen und sich eben nicht beworben, weil sie es für zwecklos gehalten haben. Und das ungute Gefühl bleibt, dass deren Lösung vielleicht wirtschaftlicher gewesen wäre. Nachteile gleichen sich zwar aus, aber es „verlieren“ beide! Lohse: Aber Sie nennen hier mit der Nachfrage zumindest ein Beispiel für Flexibilität? Laux: Na ja, ich spreche hier von einem Fall, bei dem eine falsche Anforderung durch das Wissen und Nachfragen der Bieter aufgefallen ist und...


Laux, Dieter
Dr. Dieter Laux war für eine lange Zeit Verantwortlicher für polizeiliche IT-Systeme. Hierbei ist er oft mit Unternehmen in Verbindung gekommen und wurde mit deren Problemen vertraut. Im Zuge seiner Verwendung im öffentlichen Dienst hat seine Schwerpunkte in den Bereich Beschaffung verlagert und sich nach seiner Promotion über das Beschaffungswesen vor allem dem öffentlichen Einkauf gewidmet. Seitdem bin ich auch Prüfer bei der IHK in Managementthemen sowie als Lehrbeauftragter an einer Hochschule beobachtet er die Entwicklung der Themen aus beiden Perspektiven.

Lohse, Frank
Frank Lohse begann sein Berufsleben als Maschinenschlosser und absolvierte über den zweiten Bildungsweg ein Studium für Maschinenbau. Danach übernahm er zunehmend Führungsverantwortung. Anfang der 90er führte dieser Weg in die Selbstständigkeit. Das Thema Beschaffung begleitet ihn seit mehr als 35 Jahren. In dieser Zeitspanne hat er viel Kurioses erlebt. Da sich gerade die Beschaffungssituation für KMU dramatisch verschlechtert hatte, war es für ihn an der Zeit, seine unternehmerischen Erfahrungen in Bezug auf öffentliche Vergaben weiterzugeben.


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