OL / Scholz | Die Mütter vom Kollwitzplatz | Buch | 978-3-936165-18-0 | sack.de

Buch, Deutsch, 120 Seiten, GEH, Format (B × H): 390 mm x 125 mm

OL / Scholz

Die Mütter vom Kollwitzplatz

Buch, Deutsch, 120 Seiten, GEH, Format (B × H): 390 mm x 125 mm

ISBN: 978-3-936165-18-0
Verlag: edition GALERIE VEVAIS


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… Es gab Zeiten, da war auf dem Kollwitzplatz das Spielen verboten, und kein Kind bewarf ein anderes mit Sand. 1862 hatte der Berliner Stadtplaner James Hobrecht, dessen Werk bis heute die Berliner Innenstadt zwischen den ehemaligen Toren bis zur Ringbahn prägt, den Platz als Platz H der Abteilung XII des Bebauungsplanes der Umgebungen Berlins in das Weichbild gezeichnet. Der Platz ist auf den Plänen kleiner als in Wirklichkeit, denn der Deutsch-Holländische Actien-Bauverein, der dem Sandbüchsenbauern Wilhelm Büttner das Gelände für fünf Millionen Taler abkaufte, wollte eine schöne große, breite, gepflegte Straße, die spätere Weißenburger, heute Kollwitzstraße, und setzte sich schließlich gegen die Hobrechtschen Vorstellungen durch, weswegen der Kollwitzplatz heute ein Dreieck bildet.
1875 bekam er den Namen Wörther Platz, nach Woerth, der französischen Stadt im Unterelsass, wo die 3. deutsche Armee aus Preußen, Bayern und Württembergern sich im Deutsch-Französischen Krieg 1870 den Zugang zu den Vogesen erkämpfte. Mit den von den Franzosen erzwungenen Reparationen ließ sich im Deutschen Reich kräftig investieren und spekulieren. Unter anderem eben in den und mit dem Bau der sogenannten Gründerzeitviertel. Der Deutsch-Holländische Actien-Bauverein bekam den Hals nicht voll, verspekulierte sich und ging pleite, wie viele andere auch. Dabei hinterließ er etliche unfertige Baustellen und eine Wüstenei, die erst zehn Jahre später zum Schmuckplatz umgestaltet wurde. Dann aber richtig. Der Stadtgartendirektor persönlich legte Hand an und schuf ein Mittelrondell, von dem sechs Wege abgingen. So blieb es bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, nur ein Kiosk, eine Pissbude und eine Wasserfontäne kamen hinzu, alles so vornehm, als wäre man in Charlottenburg.
Walentina, die in den zwanziger Jahren im Viertel um den Wörther Platz aufwuchs, konnte sich Mitte der neunziger Jahre noch gut erinnern, dass Ärger bekam, wer von den Kindern versuchte, auf dem Platz zu spielen, getreu dem Zilleschen Motto: ,Wollt ihr weg von die Blume, spielt mit’n Müllkasten.“ „Auf ’m Wörther Platz, da is da immer einer mit so ’m Stock jelaufen, der da Papier aufgesammelt hat. Und der hat uns schon jescheucht, wenn er merkte, wir haben Dämlichkeiten vor. Wir hatten hier ’n schönen Springbrunnen, wo heute der Spielplatz is. So eingefasst, ziemlich groß und Grünpflanzen drum, Wasserpflanzen. Da musste ich mal meinen Frosch aussetzen, weil meine Mutter die Faxen dicke hatte, wegen der Fliegen.“ Zu dieser Zeit fuhr auch noch eine Straßenbahn am Platz vorbei. An der Danziger war Endstelle und dann gings rückwärts lustig die Weißenburger runter bis zur Schönhauser und von da bis zum Halleschen Tor. Wer von den Frauen auf sich hielt, ist hinten auf den Perron gestiegen und hat die Hutbänder flattern lassen. Auf die Kinder passten solange andere auf.
Die Straßenbahn hat den Zweiten Weltkrieg nicht überlebt, genausowenig wie vier der Eckhäuser am Platz, von denen eins das Wohnhaus der Malerin Käthe Kollwitz und ihres Mannes, des Armenarztes Karl Kollwitz war, an den sich Anfang der neunziger Jahre etliche der damals noch zahlreichen alten Frauen erinnerten. („So ein feiner Mensch!“ – „Und seine Frau erst.“) 1947 bekam der Platz, neben der ihn tangierenden Straße den Namen Kollwitz und zum ersten Mal eine große Spielfläche. Die Spielgeräte wurden etliche Male ausgewechselt, geblieben ist die Statue der Käthe Kollwitz in der Mitte, von dem Bildhauer Gustav Seitz geschaffen und 1959 aufgestellt. Wenn irgendwo in den letzten fünf Jahrzehnten ein Artikel über den kinderreichen Prenzlauer Berg geschrieben wurde, hat man ihn fast immer mit einem Foto illustriert, das Kinder zeigt, die auf dem Schoß der Malerin herumklettern …
Aus dem Kommentar von Annett Gröschner


Olaf Schwarzbach, 1965 in Ost-Berlin geboren, stand bereits im Alter von 15 Jahren aufgrund seiner für das damalige Regime kritischen Zeichnungen und Karikaturen unter Beobachtung der Staatssicherheit. Er trat aus der FDJ (staatliche Jugendorganisatin der DDR) aus und verweigerte den Wehrdienst. Nachdem eine in einer Wohnung organisierte Ausstellung seiner Comics von der Staatssicherheit beschlagnahmt wurde und ihm wegen „Herabwürdigung der Staatsmacht und illegaler Vervielfältigung“ bis zu dreieinhalb Jahren Haft drohten, setzte er sich kurz vor dem Mauerfall in den Westen ab.
Nach der Wende kehrte er nach Berlin zurück und zeichnet seitdem für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften, wie Die Zeit, Berliner Zeitung, Der Tagesspiegel, Börsenblatt, Kowalski, Jungle World, Titanic, die Berliner Stadtmagazine Zitty und Tip; zahlreiche Bücher sind mit seinen Arbeiten erschienen.
Im Jahr 2003 erhielt OL den Deutschen Karikaturenpreis in Bronze.

Annett Gröschner wurde 1964 aus Versehen woanders geboren, konnte aber 1983 endlich nach Berlin umziehen. Seitdem ist diese Stadt ihr künstlerisches Thema. Schreibt alles Mögliche, unter anderem auch Romane, zuletzt „Walpurgistag“ (2011), der auch auf dem Kollwitzplatz spielt.


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