Pries / Nadler | Merkmale der Aus- und Fortbildung von betrieblichen Ersthelfer*innen des westlichen Ruhrgebiets | Buch | 978-3-96146-894-2 | sack.de

Buch, Deutsch, 76 Seiten, Format (B × H): 148 mm x 210 mm, Gewicht: 124 g

Pries / Nadler

Merkmale der Aus- und Fortbildung von betrieblichen Ersthelfer*innen des westlichen Ruhrgebiets

Buch, Deutsch, 76 Seiten, Format (B × H): 148 mm x 210 mm, Gewicht: 124 g

ISBN: 978-3-96146-894-2
Verlag: Diplomica Verlag


Im Notfall sollen betriebliche Ersthelfer*innen qualifizierte Erste-Hilfe im Unternehmen leisten können. Teile der Belegschaft werden dazu in Erste-Hilfe-Kursen ausgebildet. Eine Reform der Ausbildung bezüglich Ausbildungsdauer und -inhalte fand 2015 statt. Ein Ziel war, in den Kursen intensiver auf die Anforderungen der jeweiligen Betriebe einzugehen.
In der vorliegenden Studie wird die Effektivität der Ausbildung kritisch hinterfragt. Dazu wurden im Juni und August 2021 die Teilnehmer*innen von Erste-Hilfe-Kursen für betriebliche Ersthelfer*innen zu den letzten von ihnen absolvierten Kursen befragt. Mit einem Wissenstest wurden die Kompetenzen der Teilnehmer*innen in Bezug auf spezielle betriebliche Notfälle geprüft. Auch die Ergebnisse anderer Untersuchungen sowie die Meinung von Experten wurden einbezogen, um die Frage zu klären, ob die Ausbildung den spezifischen Anforderungen in den Betrieben gerecht wird.
Das Ergebnis der eigenen Untersuchung zeigt, dass nur etwa ein Drittel der betrieblichen Ersthelfer*innen den spezifischen Anforderungen in den jeweiligen Betrieben gerecht wurde. Insbesondere konnten Schwachstellen bei Erste-Hilfe-Maßnahmen identifiziert werden, die komplexe Behandlungsstrategien erfordern. Eine hohe Ausbildungsqualität mit einfachen Lehraussagen, die sich auf klare Prinzipien von Erste-Hilfe stützen, ein deutlicher Praxisbezug und eine bessere Motivation der Kursteilnehmer*innen könnten positive Auswirkungen auf die Ersthelferkompetenzen haben.
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Weitere Infos & Material


Textprobe:

Kapitel 2.3, Art und Anzahl der schweren Arbeitsunfälle in NRW – damals und heute:
Auf dem 21. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Unfallheilkunde, Versicherungs- und Versorgungsmedizin im Jahr 1957 in Köln berichtete der Chirurg Dr. W.P. Beck aus Bochum über schwere Arbeitsunfälle in der Schwerindustrie im Ruhrgebiet. Nach dem Bericht von Beck musste einem Bergmann, dessen Arm eingeklemmt war, durch einen herbeigerufenen Chirurgen aus dem Bergmannsheilklinikum, unterstützt durch einen OP-Pfleger, unter Tage der Arm oberhalb der Ellenbeuge amputiert werden. Ein anderer Bergmann wurde durch auslaufende Feinkohle verschüttet. Nach dem Ausgraben des Verschütteten wurden durch einen Arzt ein schwerer Volumenmangelschock sowie schwere und ausgedehnte Quetschungen diagnostiziert. Bei zwei Arbeitern, die durch Starkstrom schwerste Verbrennungen erlitten hatten, mussten Arzt und Krankenpfleger aus dem Klinikum vor Ort invasive medizinische Maßnahmen wie maschinelle Beatmung ergreifen, um den Zustand der Patienten zu stabilisieren (19). Sicher waren das keine Arbeitsunfälle, die an der Tagesordnung waren, aber dennoch typisch für diese Zeit. Ab 1970 reduzierte sich die Zahl der schweren Arbeitsunfälle in der Bundesrepublik Deutschland. Wurden im genannten Jahr noch 2,6 Arbeitsunfälle pro 1000 Arbeiter*innen erhoben, belief sich die Anzahl 1990 auf 1,2 Arbeitsunfälle pro 1000 Arbeiter*innen. Diese schweren Arbeitsunfälle wurden besonders im Bergbau, im Baugewerbe, im Transportgewerbe und sonstiger Industrie registriert. Ein Indikator für die Anzahl schwerer Arbeitsunfälle könnte die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle sein. Im Jahr 1992 zählte Nordrhein-Westfalen ca. 6,09 Millionen Vollbeschäftigte. Tödliche Arbeitsunfälle ereigneten sich in der zwölfmonatigen Zeitspanne 130 Mal. Am häufigsten traten Kollisionen von Körpern und Material, Abstürze sowie Quetschungen und Überrolltrauma auf (20). Im Jahr 2019 wurden 83 tödliche Arbeitsunfälle in Nordrhein-Westfalen dokumentiert (21). Die Zahl der Erwerbstätigen belief sich auf 9,65 Millionen Arbeitnehmer*innen (22).
In 1992 starben demnach 0,021 von 1000 Erwerbstätigen. In 2019 waren es 0,0086 von 1000 Erwerbstätigen. Im Vergleich beider Jahre ist die Quote von tödlichen Arbeitsunfällen pro 1000 Arbeitnehmern in Nordrhein-Westfalen um 59,05 % gesunken. Sollte der Wert konstant bleiben, bedeutet dies, dass innerhalb von 40 Berufsjahren ca. jeder dreitausendste Erwerbstätige in NRW an einem Arbeitsunfall verstirbt. Der weitere Strukturwandel vom Bergbau und der Industrie zu Dienstleistungen und Handel in NRW und besonders im bevölkerungsreichen Ruhrgebiet könnte für die weitere Abnahme der Anzahl schwerer Arbeitsunfälle sorgen. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsschutzes, sowie eine möglichst schnelle und effiziente Einleitung der Rettungskette bei schweren Arbeitsunfällen durch kompetente betriebliche Ersthelfer, könnte in Zukunft ein positiver Faktor für die Entwicklung der Sicherheit von Erwerbstätigen in Nordrhein-Westfalen sein.
2.4 Reform der Erste-Hilfe-Kurse 2015:
Eine Reform zur Ausbildung in EH fand im März 2015 statt. Bis 2015 wurden 16 UE, d.h. eine an 2 Tagen stattfindende Ausbildung durchgeführt. Inhalte und Lernziele sind seitdem im Grundsatz 304-001 der DGUV „Ermächtigung von Stellen für die Aus- und Fortbildung in Erster Hilfe“ reglementiert. Grundsätzliche Handlungsstrategien der EH und der Fokus auf lebensrettende Sofortmaßnahmen ersetzen neben einfachen EH-Maßnahmen den vormals theorielastigen, zweitägigen Kurs. Das Hauptaugenmerk soll seitdem auf Praxis gelegt werden. Gleichzeitig steht eine Stärkung der Teilnehmerorientierung im Vordergrund. Es sollten im individuellen Kurs, optionale Themen nach den betriebsspezifischen Gegebenheiten als Lehrinhalte ausgewählt werden (23). Die Qualifikation zur betrieblichen Ersthelfer*in wird durch Fortbildungen im Abstand von 2 Jahren mit ebenfalls 9 UE erhalten. Die DGUV bietet hierfür, je nach Bedarf, ebenfalls optionale Themen in den Maßgaben der Inhalte von EH-Kursen an (24). Damit sollen Betriebe mit speziellen Unfallrisiken adressiert werden. Heute ist die EH so organisiert, dass ausgebildete Ersthelfer, Verbandmaterial, Meldeeinrichtungen für den Notruf und Rettungspläne im Betrieb vorgehalten werden müssen (25).
2.5 Rechtliche Grundlagen:
Zunächst ist die allgemeine Pflicht zur Hilfeleistung zu nennen, die sich aus § 323c StGB ergibt: „Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft“ (§ 323c Absatz 1 StGB). Allein daraus kann die Pflicht zur betrieblichen Ersten Hilfe abgeleitet werden, da im Allgemeinen eine Arbeitstätigkeit im Betrieb nicht als andere wichtige Pflicht gilt. § 323c StGB wird im Laufe von EH-Kursen üblicherweise angesprochen, auch um die Strafbarkeit durch Unterlassen zu verdeutlichen. EH Ausbilder verweisen auf die rechtliche Situation mit dem gängigen Satz: „Falsch ist es, nichts zu tun!“ Die Hilfe leistende Person muss grundsätzlich keinen Schadensersatz bei entstandenen personellen oder materiellen Schäden leisten. Ausnahmen sind grob fahrlässige Handlung oder Körperverletzung mit Vorsatz (26). Als grob fahrlässige Handlungen können Handlungen wider den gesunden Menschenverstand gelten, z.B. der Löschversuch eines Brandes mit Benzin. Als Ausnahme und Beispiel für eine andere wichtige Pflicht ist die Aufsichtspflicht von Erziehern gegenüber Schutzbefohlenen aus dem BGB zu nennen, die durch den Nebensatz von § 323 c StGB Abs 1 „[…] und ohne Verletzung anderer Pflichten möglich ist […]“ nicht mit der Pflicht zur Hilfeleistung in Konflikt gerät. Nicht nur die direkt Hilfe leistende Person ist hier adressiert. Die DGUV interpretiert eine Unternehmerpflicht, Strukturen und Personal zur Ersten Hilfe vorzuhalten auch aus § 323c heraus. Es sei der Unternehmer*in zuzumuten, die nötige Sorgfalt, Personal zur Ersten Hilfe vorzuhalten, nicht nur aus arbeitsrechtlichen Gründen zu betreiben (27). So wird gewährleistet, dass EH nicht nur Betriebsangehörigen widerfährt, sondern wenn möglich, jeder Mitarbeiter jeder Person im/ oder in der Umgebung des Betriebes hilft. Die unternehmerischen Pflichten bezüglich der betrieblichen EH ergeben sich aus gesetzlichen Grundpflichten des BGB, des Handelsgesetzbuches, des Arbeitsschutzgesetzes, des Jugendarbeitsschutzgesetzes, des Mutterschutzgesetzes, des Seemannsgesetzes und des Bundesberggesetzes.
Dadurch wird die Forderung, das „[…] Leben und die Gesundheit der Staatsbürger und -bürgerinnen zu schützen“ aus Art. 2 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz erfüllt. § 21 des Sozialgesetzbuch VII ist Grundlage der Verpflichtung von Unfallversicherungsträgern. Nach § 22 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 1 und § 14 Sozialgesetzbuch VII sind diese, neben Verhütung von Unfällen und Gesundheitsgefahren, zur Schaffung von wirksamer Erster Hilfe verpflichtet (28).


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