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E-Book, Deutsch, 332 Seiten

Scharr Die Karpaten

Balthasar Hacquet und das "vergessene" Gebirge in Europa

E-Book, Deutsch, 332 Seiten

ISBN: 978-3-7065-5844-0
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die Karpaten zählen neben den Alpen zu den wichtigsten, zentral gelegenen Gebirgsformationen Europas. Während des 19. Jahrhunderts versuchte man zunehmend, sie für den Tourismus zu erschließen. Mit August 1914 fand diese Entwicklung jedoch ein jähes und lang andauerndes Ende. Der Karpatenbogen zerfiel in einzelne nationalstaatliche Teilsegmente: Tschechoslowakei, Polen, Sowjetunion, Rumänien und Ungarn. Die verschiedenen nationalen Minderheiten gerieten zum - sich vielfach nachteilig für die jeweils zahlenmäßig unterlegene Bevölkerungsgruppe auswirkenden - Diskussionsgegenstand der oftmals nationalistischen Tagespolitik junger Staaten auf der Suche nach ihrer Identität. In der Folge waren und sind die Beziehungen zwischen diesen Staaten nach 1945 bis in die Gegenwart oftmals von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Erst seit dem radikalen Systemwandel zwischen Dezember 1989 ("Revolution" in Rumänien) und August 1991 (dem gescheiterten Putschversuch der Kommunistischen Partei in Moskau) öffneten sich neue Perspektiven auf diese Länder Osteuropas. Und trotzdem, mehr als ein Jahrzehnt nach der weitgehend gewaltlosen Revolution in Europa fand die Wahrnehmung des Karpatenraumes aus westeuropäischer Sicht bisher nur sehr zögerlich und auf kleine Fachkreise beschränkt statt.
Es liegt also nahe, dem Karpatenraum mehr als bisher Aufmerksamkeit zu schenken, die über die einseitige Wahrnehmung - nicht zuletzt gefördert durch die Romane von Bram Stoker (Dracula, 1897) und Jules Verne (Das Karpatenschloss, 1892) sowie deren breitenwirksamen Verfilmungen - hinausgeht. Das gemeinschaftliche Wahrnehmen von Gebirgsräumen, ihrer Problemhaftigkeit und Bedeutung für die Zukunft sollte dadurch - ähnlich jenem der Weltmeere - eine weiter verbreitete Akzeptanz finden als bisher.
Die umfassend bearbeitete Neuausgabe von Balthasar Hacquets Reisebeschreibung der Karpaten, die bereits vor 200 Jahren erschienen ist, bietet dazu einen zentralen Anstoß!
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Einleitung
Oft wird der Vergleich zwischen dem bekannteren Benedict de Saussure (1740-1799)1 und Balthasar Hacquet (1739/40-1815) – beide Zeitgenossen, am Gebirgsraum interessierte Naturwissenschafter und unbestrittene Urheber eines frühen Alpinismus – angestrengt. Neben zahlreichen Besteigungen steht bei de Saussure der Mont Blanc (1786) und bei Hacquet der Triglav (1782) als herausragende Pionierleistung nicht nur von wissenschaftlicher Perspektive, sondern auch aus alpinistischer Sicht an erster Stelle. Dennoch ist die persönliche Leistung – aller widrigen Umstände zum Trotz – bei Hacquet als eine besondere einzustufen. Während de Saussure vielfach auf betretenen Pfaden unterwegs war, musste sich Hacquet in seinem Gebiet die Wege erst mühsam bahnen und dabei standen ihm nicht nur geographische, sondern vielfach auch zähe bürokratische Hindernisse im Wege.2 Verfügte de Saussure, der von einer wissenschaftlichen Zentrale seiner Zeit aus agierte, über wesentlich mehr finanzielle Mittel, so war Hacquet dazu bestimmt, in einem Winkel von Europa zu wohnen, wo wenig oder keine Liebhaber von neuen Büchern sind und man auch keine Gelegenheit hat, das Neue aus dem Reiche der Gelehrsamkeit leicht und bald zu erhalten.3 Darüber hinaus hatte de Saussure auf Grund seiner Position die Möglichkeit, sich mehr als 30 Jahre mit einem Raum auseinanderzusetzen, während Hacquet nach knapp zehnjähriger Tätigkeit der alpinen Forschung entzogen und nach Lemberg versetzt wurde. Gerade aus diesem Ruf an die damals junge Universität von Lemberg erwuchs der bemerkenswerte Forschungszugang von Hacquet, der sich vor allem im Vergleich der Erfahrungen zwischen den beiden zentralen Gebirgsräumen Europas – den Alpen und den Karpaten – begründet. Ein Umstand, der in der kärglichen wissenschaftlichen Beschäftigung mit Hacquet, die sich zumeist auf seine Tätigkeit in den Ostalpen beschränkt, kaum zur Sprache kommt. Es ist bezeichnend, dass seine Arbeit über die Ostalpen im deutschsprachigen Raum mehrfach Gegenstand von Neuauflagen und anderen Arbeiten darüber war.4 Seine Forschungen zu den Karpaten sind in unseren Breiten bisher nur am Rande wahrgenommen worden, wohingegen von der ukrainischen und rumänischen Seite in den letzten Jahren einige Studien und Neuausgaben dazu vorliegen.5 Der vergleichende Ansatz hat jedoch bei beiden Seiten noch kein wirkliches Echo gefunden. Somit ist die hier vorgelegte, gekürzte und kommentierte Ausgabe seiner Karpatenbeschreibung die erste in ihrer Art in deutscher Sprache, die versucht, einen unserer Wahrnehmung und unserem Wissen weitgehend entrückten Raum nahe zu bringen. Ein Raum, der mit der Erweiterung der Union durch Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn 2004 und dem für 2007 Rumänien in Aussicht gestellten Beitritt erstmals wieder seit 1918 zu einem gemeinsamen Europa gehört. Ein gemeinsames Europa, das gerade durch den Bedeutungsverlust der inneren Grenzen einen nicht zu unterschätzenden Gewinn für den Karpatenbogen bietet: das ungeteilte, über künstliche Staatsgrenzen hinausgehende Begreifen eines Gebirgsraumes als zusammengehörende Kulturlandschaft. Wer aber war nun die Persönlichkeit, der Mensch hinter diesen Arbeiten? Eine Frage, auf die im Folgenden versucht wird, eine Antwort zu finden, die weniger erschöpfend sein als vielmehr zum eigenen Nachdenken anregend wirken soll. Leben und Werk Balthasar Hacquets6
1799 hatte ich das 60. Lebensjahr erreich; ich war noch gesund und kräftig, hatte niemals Zahnweh gehabt – besaß nicht die nötigen Mittel, um Reisen von Tausenden von Meilen zu machen und hatte es satt bekommen, dieselben Länder immer wieder zu besuchen, lebte zudem in einer Stadt mit einem ganz entarteten Menschenschlag: dies mußte mir Veranlassung sein, entweder mir den Tod zu geben oder mir einen Lebensgefährten zu suchen, wie ein griechisches Sprichwort sagt – ich heiratete am 4. Oktober ein tugendhaftes Mädchen, hübsch, 20 Jahre alt; mit ihr lebe ich in vollster Harmonie als Biedermann.7 Balthasar Hacquet blickte in diesem Jahr auf ein mehr als vier Jahrzehnte langes Dasein als Forscher und Reisender zurück, das ihn zu einem der besten Kenner der Ostalpen wie auch der Karpaten seiner Zeit gemacht hatte. Dass er entgegen seiner Grundsätze – die davon ausgingen, dass ein Naturwissenschafter unverheiratet sein sollte, damit er mehr wage8 – dennoch in den Ehestand trat, mag man als Sinnbild für das Ende seiner großen Forschungsreisen sehen. Obwohl er sich offensichtlich immer noch der besten Gesundheit erfreute, waren die Jahre bis zu seinem Tod in Wien am 10. Jänner 1815 nur mehr von kleineren Reisen und allem voran unverdrossener wissenschaftlicher Tätigkeit gekennzeichnet. 1805 von Lemberg nach Krakau umgezogen, erhält er 1809 an der dortigen Universität den Lehrstuhl für Chemie, Botanik und Naturkunde. Noch im gleichen Jahr stirbt seine Frau, deren Verlust er laut eigener Aussage nicht überwinden konnte.9 Das Leben des um 1739/40 zu Leoncquet in der Basse-Bretagne Geborenen prägten von frühester Jugend Reisen und das stete Interesse an neuem Wissen. Das Lesen ‚guter Bücher‘ war für ihn eine lebenslange Aufgabe und die Basis all seiner Ausbildung wie Studien: ... Ich habe niemals weder eine Wissenschaft noch eine Kunst durch den Besuch von Kollegien studiert; das wenige, das ich lernte, habe ich nie durch Vermittlung eines Professors mir angeeignet, mit Ausnahme von einigen Vorträgen über Anatomie und Experimental-Physik; ich verdanke meine Bildung einzig und allein dem Lesen guter Bücher...10. Seit seiner Jugend – ausgestattet mit mehreren Fremdsprachen und einer dem Rationalismus verschriebenen, kritischen Geisteshaltung – beschäftigte sich Hacquet mit der Heilkunde. Die Teilnahme an vielen der zahlreichen europäischen Kriege seiner Zeit führte ihn durch ganz Europa. Wenngleich er seine universitären Studien, die er in Paris begonnen hatte, offiziell nie beendete, vervollständigte er seine Kenntnisse laufend durch die Lektüre und die praktische Erfahrung als Militärchirurg. Dabei verlor der junge Mann aber nie den Blick auf und das Interesse für naturwissenschaftliche Fragen und Probleme. Die Zeit zwischen den Feldzügen nutzte er oftmals zum Besuch von Bergwerken und zur Erwanderung von Gebirgsgegenden. 1763 als Chirurg aus dem Militärdienst entlassen – ohne Stelle – geht er enttäuscht nach Bessarabien. Ein Gebiet, das im Europa des 18. Jahrhunderts durch seine Kriegsschauplätze in den Konflikten zwischen dem Russischen, dem Habsburger und dem Osmanischen Reich vielfach Bekanntheit erlangt hatte. Eine schwere Erkrankung an der ‚Pest‘ zwang ihn über längere Zeit auszusetzen und sich kräftesparenderen Studien zuzuwenden. 1764 nach Wien zurückgekehrt machte Hacquet alsbald die Bekanntschaft des kaiserlichen Leibarztes, Beraters und persönlichen Vertrauten von Maria Theresia Gerhard van Swieten. Aus der daraus entstandenen Freundschaft ergab sich für ihn eine neue Arbeitsmöglichkeit, die ihn als Lehrer für Chirurgie und Hebammenkunde nach Laibach (heute Ljubljana, Slowenien) führte, wo er zeitweise – ganz im Sinne seiner humanistischen Allgemeinbildung – in den Bergwerksdienst trat. Die Jahre bis zu seinem endgültigen Ruf als Professor für Naturwissenschaften an die 1784 gegründete Universität in Lemberg (heute L’viv, Ukraine) 1787 – einen zwei Jahre zuvor ergangenen Ruf schlug er aus – waren mit zahlreichen Reisen ausgefüllt.11 Diese Erkundungen – die meiste Zeit auf den Rücken der Pferde oder über weite Strecken zu Fuß – machten ihn bis ins Detail mit den naturgeographischen Verhältnissen der Ostalpen bekannt, führten ihn aber auch nach Böhmen, Sachsen und bis an die Grenze des türkischen Reiches auf der westlichen Balkanhalbinsel. Die Ergebnisse dieser für ihn sehr fruchtbaren Reisen zeigten sich nicht nur in den Publikationen, deren umfangreichste wohl die Physikalisch-Politische Reise ... durch die Alpen war, sondern auch in der Anerkennung seiner Leistungen durch die führenden wissenschaftlichen Gesellschaften seiner Zeit, die ihm ihre Mitgliedschaften antrugen. Selbst Johann Wolfgang von Goethe bezieht sich mehrmals in seiner Italienischen Reise bei der Alpenüberquerung auf Hacquet.12 Als Professor in Lemberg setzte er sich bis zu seinem Tod intensiv mit dem Karpatenraum und der slawischen Bevölkerung des Habsburgerreiches auseinander. Die während seiner Ostalpenforschungen gewonnenen Erkenntnisse ermöglichten es ihm, Vergleiche zwischen den so ähnlichen europäischen Gebirgszügen anzustellen. Damit ist Balthasar Hacquet als einer der Begründer einer vergleichenden Erforschung von Gebirgsräumen anzusehen, die durch ihren weit gespannten Betrachtungsansatz in Vielem der heutigen Kulturlandschaftsforschung eine bedeutende Basis gibt. Georg Jakob charakterisiert Baltasar Hacquet in seiner Biographie sicherlich zutreffend als...eine ganz eigenartige, starkwillige, etwas cholerisch veranlagte...


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