Buch, Deutsch, Band 28, 72 Seiten, Format (B × H): 210 mm x 297 mm, Gewicht: 380 g
Reihe: gutleut A4
Ein Projekt der Werkbundakademie Darmstadt
Buch, Deutsch, Band 28, 72 Seiten, Format (B × H): 210 mm x 297 mm, Gewicht: 380 g
Reihe: gutleut A4
ISBN: 978-3-948107-50-5
Verlag: gutleut verlag
In ihrem Vorwort beschreibt die Herausgeberin Jula-Kim Sieber Ablauf und Zielsetzung des Wettbewerbs u. a. wie folgt: »›The Medium is The Message‹, sagte einst Arthur McLuhan. Ich möchte dies übertragen im Sinne von ›Die Struktur bestimmt den Output‹. Das heißt: konventionelle Strukturen machen konventionellen Output. Das heißt, im konkreten Fall habe ich den Rahmen gesetzt, indem ich explizit keinen Rahmen gesetzt habe. Dieser grenzenlose Nicht-Raum fordert die Teilnehmenden heraus, sich selbst neu zu orientieren, um sich dann zusammen mit Tandem-Partner*innen neu strukturieren zu können. Auf diese Weise muss Eigenständiges und Neues entstehen, weil vorhandene Strukturen und Gesetzmäßigkeiten aufgehoben wurden.
Ich hörte Ihnen zu, versuchte zu verstehen, erlaubte mir weiterzutragen und hoffte, sie zu motivieren. Immer mit dem Anspruch, die entsprechende Idee klarer werden zu lassen, Einheitsbrei und Standard ausgeschlossen.
Nichtzuletzt sollte diese Philosophie des Aufeinander-Zugehens und des Sich-Öffnen-Müssens über die vorgegebene Arbeitsstruktur der Tandems ermöglicht werden.
Mein Verständnis des künstlerischen Forschens besteht aus freiem, intuitivem Improvisieren über ein vorher definiertes, stark minimalistisches Regelwerk, kurz zusammengefasst: die Solo-Idee, das Auswahl-Tandem und der Nicht-Raum.
Parallel zu konventionellen Designprozessen muss eine solche Herangehensweise eine Daseinsberechtigung erhalten! Auf dem Weg hin zur Weltdesignhauptstadt Frankfurt RheinMain wünsche ich mir, dass radikale Offenheit ihren Stein hinzufügt und weder im Keim erstickt noch gar belächelt wird. Der Kunstpreis ist eine Chance für alle, Ideen einzubringen.«
Der vorliegende Band versammelt Beiträge von: Thomas Georg Blank, Tobias Bölkow, Johannes Bruns, Nina Bruns, Meike Deichelbohrer, Jeremy Fast, Hartmut Jahn, Alexander Kueller, Paula Mohr, Anna Moritz, Jonas Müller-Ahlheim, Silvia M. Philipp, Max Otto, Lasse-Marc Riek, Vitus Saloshanka, Philipp A. Schäfer, Katja Schlamp, Tobias Schmitt, Jula-Kim Sieber, Daniel Sorgatz,
Daria Spiridonov, Theo Steiner und Reinhard Treue.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
kunstpreis RegionalGestalt RheinMain
jula-kim sieber
Die Werkbundakademie Darmstadt stiftet anlässlich ihres 20. Jubiläums den Kunstpreis RegionalGestalt RheinMain. Während unserer Initiative zur Weltdesignhauptstadt-Bewerbung Frankfurt RheinMain stellte sich immer wieder die Frage: Was ist die Region Rhein-Main? Ein bewusstes Selbstverständnis gibt es nicht.
Städte, Landkreise sowie das Bundesland Hessen engagieren sich im Marketing für eine blühende Wirtschaft in ihren einzelnen Gebieten. Für die Region Rhein-Main gibt es weder ein kulturelles noch ein regionalverbundenes Selbstverständnis. Unser Kunstpreis RegionalGestalt RheinMain geht dies nun an.
erster schritt: auswahl der jury
Politische und sonstige Grenzen werden bewusst übergangen: eine Vielzahl von Disziplinen wie Musik-Komposition, Visuelle Kultur, Digitale Gestaltung, Designtheorie, Performance, Kunst, Grafik und Architektur werden berufen. Jurymitglieder für den ersten Durchlauf sind Il-Ryun Chung, Kerstin Cmelka, Verena Kuni, Jula-Kim Sieber, Theo Steiner, Anja Stöffler und Michael Wagener.
zweiter schritt: erste abgabenrunde solo-idee
Und genau zum Datum unseres 20-jährigen Jubiläums wurde der Aufruf zum Kunstpreis RegionalGestalt RheinMain veröffentlicht. Im Dezember 2020 skizzierten die Regional-Gestaltenden der ersten Runde ihre Ideen: Die Clownin Ieda Melo zum Beispiel schlägt den Mein Rhein-Main-Vogel vor, der nach Lösungen, nach mehr Beteiligung sucht. Alle Vögel sollen zum RheinMain-Turm zu Babel kommen und Verantwortung für sich selber übernehmen. Ein blauer Vogel mit gelbem Schal hüpft als Fluglotse vor den Hochhäusern, den vorurteilsbeladenen, angeblichen sozialen Brennpunkte … Exemplarisch verkörpert ihre Idee diesen Kunstpreis. Die Vielfalt der Einreichungen von jung und alt, von Anarchist über Professor zu Bewegerin, von audiovisuellen Beiträgen über Utopie zu Bildender Kunst. Es wurde nach Region gesucht. Es wurde ihr zugehört. Sie wurde sozial betrachtet und gefühlt. Jede Idee – obwohl eigenständig – wächst empor aus der Forderung, der Herausforderung die Region zu treffen.
dritter schritt: auswahl-tandems für eine gemeinsame RegionalGestalt
16 Teilnehmer*innen kamen weiter in die zweite Runde. Im Januar 2021 wurden Tandems – manchmal auch Tridems bestimmt – die Arbeit begann: das Gegenüber kennenlernen, die Ideen der Anderen verstehen, die Anderen annehmen – nicht immer ganz reibungslos …
Monatliche Online-Meetings sollten verhindern, dass einerseits wegen Corona und andererseits wegen der persönlichen Unbekanntheit der Teilnehmenden untereinander irgendeine Isolation eintritt. Die absolute Freiheit, diese conditio sine qua non dieses Kunstpreises, sollte weder als Ignoranz verstanden noch als nicht zu überwindende Provokation empfunden werden, wie schon Friedrich von Schiller wusste: »Freiheit kann man einem zwar lassen, aber nicht geben.«
Die Kommunikation nur über Bildschirm – wir befanden uns im totalen Corona-Lockdown – machte mir Sorgen. Wie unterstütze ich so ein Wagnis? Keine feste Zeitschiene, kein definitives Outputformat, keine vorgegebene Zielsetzungen, sondern immer nur die Aufforderung: eine, nämlich ›die eigene‹ RegionalGestalt zu entwickeln. Wie überbrücke und wie überspiele ich diese Zumutungen? Wie geht das: Jede Störung als kreatives Potenzial zu verstehen?
Die Tandems aber haben einfach begonnen: Vertieften ihre Ideen im Privatem und gingen dabei sehr unterschiedliche Wege. Die gute Präsenz in den freiwilligen Online-Meetings beruhigte mich: Zu spüren war jedoch eine positive Unruhe. Gedankenblitze sprühten von Bildschirm zu Bildschirm, von Tandem zu Tandem – hierarchielos und immer stärker die eigenen Ideen herauskitzelnd.
Es hatte sich ein Raum von Offenheit und Zugewandtheit gebildet. Wir hatten Spaß! Sind das nicht die notwendigen Bausteine für visionäre und eigenständige Ideen?
Es ist genau diese Struktur und genau diese Herangehensweise: ein Sprung ins Schwarze, ein Eintauchen ins Ungewisse und doch ›sensibler‹ für das Umfeld, ›achtsamer‹, da ohne die bekannte Struktur verunsichert, ›offener‹, was die Intuition aktiviert. Komplexe Systeme wie eine Region könnten so funktionieren. Aber derzeit gibt es Regeln und Gesetze, die einen schützen – behindern – ausbremsen, die überwunden werden müssen, um einen Schritt in die Zukunft zu machen.
Dabei haben wir uns erlaubt, diese vorerst komplett beiseite zu lassen! Aufgabe war es nicht, eine umsetzbare RegionalGestalt mit vorgegebenem Budget zu realisieren. Aufgabe war es, die Region zu berühren.
»The Medium is The Message«, sagte einst Arthur McLuhan. Ich möchte dies übertragen im Sinne von ›Die Struktur bestimmt den Output‹. Das heißt: konventionelle Strukturen machen konventionellen Output. Das heißt, im konkreten Fall habe ich den Rahmen gesetzt, indem ich explizit keinen Rahmen gesetzt habe. Dieser grenzenlose Nicht-Raum fordert die Teilnehmenden heraus, sich selbst neu zu orientieren, um sich dann zusammen mit Tandem-Partner*innen neu strukturieren zu können. Auf diese Weise muss Eigenständiges und Neues entstehen, weil vorhandene Strukturen und Gesetzmäßigkeiten aufgehoben wurden.
Ich hörte Ihnen zu, versuchte zu verstehen, erlaubte mir weiterzutragen und hoffte, sie zu motivieren. Immer mit dem Anspruch, die entsprechende Idee klarer werden zu lassen, Einheitsbrei und Standard ausgeschlossen.
Nichtzuletzt sollte diese Philosophie des Aufeinander-Zugehens und des Sich-Öffnen-Müssens über die vorgegebene Arbeitsstruktur der Tandems ermöglicht werden.
Mein Verständnis des künstlerischen Forschens besteht aus freiem, intuitivem Improvisieren über ein vorher definiertes, stark minimalistisches Regelwerk, kurz zusammengefasst: die Solo-Idee, das Auswahl-Tandem und der Nicht-Raum.
Parallel zu konventionellen Designprozessen muss eine solche Herangehensweise eine Daseinsberechtigung erhalten! Auf dem Weg hin zur Weltdesignhauptstadt Frankfurt RheinMain wünsche ich mir, dass radikale Offenheit ihren Stein hinzufügt und weder im Keim erstickt noch gar belächelt wird. Der Kunstpreis ist eine Chance für alle, Ideen einzubringen:
• amoeba regionalis
Die Region als Wechseltierchen, Krafttierchen verstanden, lebt sie als fluide Form, die sich immer wieder neu gestaltet. Die amoeba regionalis ist allgegenwärtig und unsichtbar.
Thomas Georg Blank und Jonas Müller-Ahlheim sowie Jeremy Fast meditieren über Identität und Grenzen.
• denkstrukturen
Büsten dienen oft einer ideologischen Identifikationspolitik. Umso interessanter wie Johannes und Nina Bruns die Selbstwahrnehmung als regionales Kollektiv mit einer Büste realisieren. Die Verkehrslinien als Lebensadern überspannen den Kopf und erweitern den Horizont, im besten Fall ändern sie festgefahrene Denkmuster.
• die brücke
Eine quietschlebendige Utopie: wach, schillernd und aktivierend – so alltäglich wie nahbar, eigentlich machbar. Katja Schlamp und Reinhard Treue präsentieren ein Kaleidoskop an Ideen, dass man kaum widerstehen kann. Worauf warten wir?
• resonanz region
Wie hört sich die Region an? Was hören wir aus ihr heraus? Während des Lockdowns hat sich die Eigenfrequenz der Region verändert. Hartmut Jahn, Lasse-Marc Riek und Tobias Schmitt rufen zu einer akustischen Bestandsaufnahme der Region auf. Lasst uns verweilen, lasst uns hinhören!
• mobilefuture fusing artsteps
Aus buntem Wirrwarr der Region entsteht über Partizipation ein Abbild dieser, ein neues Verständnis von Wir – Wir-Rhein-Main. Meike Deichelbohrer, Paula Mohr, Anna Moritz, Max Otto und Maria S. Philipp sind die Verbindung eingegangen und bieten Mit-Gestalten an.
• what’s your rhein-main?
Dieser Zauberwürfel kombiniert Geräuschaufnahmen mit den Facetten der Region, denn sie ist Vieles. Philipp Alexander Schäfer und Daniel Sorgatz ermöglichen über die interaktive Plattform sich Schritt für Schritt ein individuelles Klangbild der Region zu erschaffen.
• hessen classics
Das Fundament der Region sind die Persönlichkeiten der Vergangenheit. Sie haben die Region geprägt. Auf Plakaten mit Zitaten werden nicht nur sie umrissen, sondern auch die Region. Tobias Bölkow und Alexander Kueller regen an, zeitgenössische Klassiker zu unterstützen, sodass die Region weiterhin plakativ in der Zukunft steht.
• flussreise
Eine feinfühlige Analyse historischer Flüsse in der Region treibt einen wie im Geheimen von Tönen zu Bildern zu Worten. Tief versunken nimmt man Überlagerung und Dichtheit wahr, erahnt wie aktuell die Themen sind. Vitus Saloshanka und Daria Spiridonova verknüpfen Vergangenheit und Gegenwart, die Region Rhein-Main mit ihrer eigenen, weiter entfernten Herkunft.
www.rg21.wba-darmstadt.de
Die oft multimedialen RegionalGestalten RheinMain 2021 können auf unserer Webseite vollumfänglich eingesehen werden.