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E-Book, Deutsch, 148 Seiten

Vieweg genius loci

An-Sichten großer Philosophen in Text und Bild

E-Book, Deutsch, 148 Seiten

ISBN: 978-3-650-73787-8
Verlag: Lambert Schneider in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg)
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Philosophische Ansichten – Ansichten von Philosophen: Die in diesem Band versammelten Fotografien aus der Serie ›German Photographs (1724–2005)‹ von Patrick Lakey zeigen Ausschnitte der Welt, wie sie 10 berühmte deutschsprachige Philosophen von Kant bis Wittgenstein gesehen haben. Sie halten fest, was ihnen ins Auge sprang, was ihnen ansichtig werden konnte. Der Philosoph Klaus Vieweg verbindet eine Auswahl dieser Fotos in seinen Essays mit den Weltbildern der Denker und ihren Biographien. Anschauung und Interpretation, Bild und Deutung kombinierend, wird so auf ungewöhnliche Art und Weise etwas vom genius loci eingefangen: von der geistigen Atmosphäre der einzigartigen philosophischen Metropolen von Kants Königsberg, Wittgensteins Cambridge oder dem Jena Fichtes, Schillers und Hegels.
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Friedrich Schiller
‚Das Reich der Vernunft ist ein Reich der Freiheit‘ –
Schillers ‚philosophische Bude‘ in Jena
Drunten liegst du im Tal, auf sonnigen Höhn wächst die Ernte
weinreicher Gärten dir zu: Glück dir dein Name verheißt.   Sei den Studien gewogen, die Kunst und Wissenschaft zeugen,
besser und günstiger fällt wahrlich nimmer dein Los.   Unter der Wissenschaft Schutz erweiterst du Macht dir und Ansehn,
dank ihrer Güter wirst du glückliches Jena genannt. Auf die Stadt Jena
von Professor Johannes Stigel,
Hymnus auf die Universitätsgründung in Jena 1558 Wenn man ‚im heutigen Jena umherstreift, so entdeckt man bald an vielen Häusern viereckige kleine Steintafeln, die über Türen eingemauert sind; sie versetzen uns in eine Zeit dieser Stadt zurück, in welcher sie die regste Werkstätte deutscher Kunst und Wissenschaft war, denn wir lesen auf jenen bescheidenen Denksteinen die Namen der großen Geister, die hier zwei Decennien hindurch, den tiefsten Schöpfungen der Phantasie und des Gedankens sich in glühendem Wetteifer widmeten – hier in diesem Gasthof Zur Sonne hatte Goethe sein Absteigequartier, in jenen Häusern wohnten Reinhold, W. v. Humboldt und Fichte, in jenem Zimmer des ersten Stockes eines Eckhauses schrieb Hegel die Phänomenologie des Geistes, hier in diesem Garten dichtete Schiller seinen Wallenstein‘ (K. Rosenkranz). Im Mai 1797 zog Schiller mit Familie für die Sommermonate in diese ‚Laube‘, gelegen am Flüsschen Leutra, vor den Toren Jenas, mit schönster Aussicht aus der Mansarde, im Garten gedeihen Blumen und Spargel, Zwetschgenbäume sowie Apfel- und Birnquitte. Der von Schiller als besonders angenehm empfundene Duft von überreifen Äpfeln durchzog das Haus. Den Garten zierten ein alter Steintisch, an welchem es die „Butterbrodgesellschaften“ gab und mit Goethe „manches gute und große Wort miteinander gewechselt“ wurde, sowie ein über Treppen zu erreichendes zweites Schreibzimmer, in welchem er am Wallenstein arbeitete – die „schöne Gartenzinne, von wannen er der Sterne Wort vernahm“ (Goethe). Im benachbarten Gasthof Zum Gelben Engel trafen sich Professoren wie Schiller, Niethammer, Fichte und Schelling zum Wein aus Frankreich oder Madeira, aus Franken oder dem Rheinland, das ‚ganze Gebiet des menschlichen Wissens wird bacchantisch taumelnd durchwandert‘, ähnlich Hegels phänomenologischer Entdeckungsreise ins Wissen. Schillers Refugium außerhalb der Stadtmauern zählt zu den in Jena hochgeschätzten ‚philosophischen Gärten‘, neben dem Garten von Griesbach und dem am Gebäude Zur Rose, neben Spaziergängen, Fahrten in die Umgebung oder winterlichen Schlittenfahrten war der Jardin philosophique eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Für Schiller war Mitte der 90er-Jahre das poetische Schaffen wieder ganz ins Zentrum seiner Tätigkeit gerückt, schon 1795 berichtete er an Goethe, dass er „die philosophische Bude schließe“, sechs Jahre nach dem spektakulären Debüt an der Jenaer Academie. Am späten Abend des 26. Mai 1789 war diese ‚Bude in Jena‘ eröffnet worden. Man konnte in der Saalestadt eine Nachtmusik der Studenten hören, es wurde von ihnen dreimal Vivat gerufen – eine Novität für die altehrwürdige hohe Schule und dies zu Ehren der akademischen Antrittsrede von Friedrich Schiller Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? Die Vorlesung des neu berufenen Professors der Philosophie beschreibt in eindrucksvollen Worten die „Weltgeschicht als Weltgericht“ und zeichnet eine faszinierende und zeitlos geltende Charakteristik des Brotgelehrten, die ins Stammbuch aller Nachfolger auf Lehrstühlen geschrieben werden sollte. Dieser Brotgelehrte behindert den Fortgang im Reiche des Wissens am heftigsten, mit Erbitterung und Heimtücke jagt er nach Ehrenstellen statt nach „Gedankenschätzen“, er giert nach „Zeitungslob und Fürstengunst“, er gleicht der „Hyäne Eigennutz“, Dienstwege sind ihm wichtiger als Denkwege, es gibt keinen „unversöhnlicheren Feind“ der Wissenschaft, keinen „bereitwilligeren Ketzermacher“. Mit diesem fulminanten Auftritt begann das für Schiller kreativste Dezennium seines Schaffens; für zehn Jahre prägte er das intellektuelle Geschehen in der ‚Stapelstadt des Wissens‘ wesentlich mit und schuf einen unschätzbaren Beitrag zur klassischen Literatur und Philosophie. Der 1759 im schwäbischen Marbach am Neckar geborene Schiller hatte sich schon vor seiner Jenaer Zeit im literarischen Betrieb einen außerordentlichen Namen erworben, besonders mit einer Reihe seiner Dramen von den Räubern bis zum Don Carlos, im Sächsischen wird er das Lied an die Freude verfassen, das in seiner Vertonung durch Beethoven zu einer Art Hymne Europas avancierte. Aber der ehemalige Stuttgarter Medizinstudent konnte weder in Mannheim, Bauerbach, Dresden oder Rudolstadt bloß als Dichter seinen Lebensunterhalt bestreiten. Die Buchhonorare waren nicht sehr üppig, es gab in Deutschland noch kein elaboriertes Urheberrecht und die geistige Piraterie war gang und gäbe. Der junge Poet sprach deshalb von der ‚Schriftstellergaleere‘, ähnlich wie Hegel über seine Redakteurstätigkeit in Bamberg von der ‚Zeitungsgaleere‘. „Noch nie ist mirs in einem fremden Orte so behaglich gewesen“, wie in „einer ziemlich freien und sicheren Republik“ – so die Hommage an Jena nach seiner ersten Stippvisite im Sommer 1787. Das war etwas voreilig und blauäugig; nach seinen ersten Wochen an der Saale fühlt sich der Dichter „wie an eine fremde Küste verschlagen und die Sprache des Landes nicht verstehend“. Die „grimmigen Gesichter der Gelehrten verscheuchen alles, was Freiheit und Freude athmet“. Trotzdem würde ihm kein anderer Ort das sein, was ihm Jena bedeutet, nirgends könne er eine so „wahre und vernünftige Freiheit“ genießen. Nachdem es im September 1788 in Rudolstadt ein noch geistig wenig folgenreiches Treffen mit Goethe gab, wird Schiller im Revolutionsjahr 1789 an die Alma Mater Jenensis berufen; man hatte ihm eine Professio Philosophiae extraordinaria angedeihen lassen. Obschon er ein distanziertes Verhältnis zur Revolution der Franzosen hatte, ernannte der Pariser Nationalkonvent 1792 den Poeten zum Citoyen der französischen Republik: Der Schöpfer des Don Carlos habe durch seine „Schriften und seinen Mut der Sache der Freiheit gedient und die Befreiung der Völker vorbereitet“, so das Begleitschreiben des französischen Innenministers Jean Marie Roland de La Platière. Obschon er die hochgebildete und geistreiche Caroline von Beulwitz wohl mehr liebte, heiratete Schiller 1792 deren Schwester Charlotte von Lengefeld in der kleinen Kirche von Wenigenjena, in der heutigen ‚Schiller-Kirche‘, die Trauung erfolgte echt schillersch durch einen ‚Kantischen‘ Theologen. Der Neuberufene war ganz in der Saalestadt angekommen und doch begann mit seiner schweren Erkrankung schon Ende 1790 auch die Tragik seines Lebens. Ungeachtet des riesigen Handicaps einer damals nicht heilbaren Krankheit – wie Prometheus an den Felsen des Leidens gekettet – steuerte Schiller mit schier übermenschlicher Anstrengung Entscheidendes zum Aufstieg Jenas zur geistigen Metropole Europas bei, nicht nur auf seinem Hauptterrain der Dichtung, sondern auch auf dem Gebiet der Philosophie. Nach seiner Lektüre der Kantischen Kritik der Urteilskraft gibt er kund, dass „die alte Lust zu Philosophie wieder erwacht sei“. Die metaphysisch-kritische Zeitepoche, welche besonders in Jena herrschte, habe ihn ergriffen. Schiller erkannte die Einmaligkeit dieser geistigen Situation und beschloss ein aktives Eingreifen: „Was man von der Minute ausgeschlagen, gibt keine Ewigkeit zurück“. Der philosophierende Poet gehörte zu den wichtigen Stimmen in der produktiven intellektuellen Gemengelage von Jena, zum durchaus heterogenen Kreis der dort ansässigen ‚Kantischen Evangelisten‘, dessen Spektrum vom Protagonisten der ‚Philosophie ohne Beinamen‘ Reinhold über die schwäbischen Landsleute Niethammer und Immanuel Carl Diez, den scharfsinnigen Medizinerkollegen Johann Benjamin Erhard, den Klagenfurter Baron von Herbert bis zu den Alt- oder Buchstabenkantianern Schmid und Schütz reichte. Es tobte nun der Streit darüber, wer als ‚wahrhaftiger‘ Kantianer gelten könne. Schiller ist „ganz in den Geist des Kantischen Systems eingedrungen“ (Erhard) und votierte für ein ‚neues Evangelium‘ aus dem Geiste Kants – ‚wer da (an die Königsberger Erleuchtungen) glaubt, der wird selig, wer aber nicht glaubt, der läßt es bleiben‘, so sein ironischer Kommentar über das Warten mancher Buchstabentreuer auf die allerneuesten Verlautbarungen aus Königsberg. Die Resultate seines philosophischen Nachdenkens finden sich in besonders treffender Weise in den 1795 veröffentlichten...


Vieweg, Klaus
Klaus Vieweg ist Professor für Klassische Deutsche Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Philosophie des Deutschen Idealismus, insbesondere Hegel und der Skeptizismus.

Klaus Vieweg ist Professor für Klassische Deutsche Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Philosophie des Deutschen Idealismus, insbesondere Hegel und der Skeptizismus.

Klaus Vieweg ist Professor für Klassische Deutsche Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Philosophie des Deutschen Idealismus, insbesondere Hegel und der Skeptizismus.


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