Zurstrassen | "Ein Stück deutscher Erde schaffen" | Buch | 978-3-593-38638-6 | sack.de

Buch, Deutsch, Band 931, 295 Seiten, Format (B × H): 141 mm x 218 mm, Gewicht: 420 g

Reihe: Campus Forschung

Zurstrassen

"Ein Stück deutscher Erde schaffen"

Koloniale Beamte in Togo 1884 - 1914

Buch, Deutsch, Band 931, 295 Seiten, Format (B × H): 141 mm x 218 mm, Gewicht: 420 g

Reihe: Campus Forschung

ISBN: 978-3-593-38638-6
Verlag: Campus Verlag GmbH


Die Kolonie Togo galt im Reich als Musterkolonie. Berichte über Prügelexzesse der Beamten gefährdeten diesen Ruf. Die Beamten betrachteten eine 'gewisse Ellenbogenfreiheit ' als notwendig. Dennoch waren sie keine 'entgleisten Existenzen', sondern karriereorientierte Männer aus dem Bürgertum. Bettina Zurstrassen zeigt, wie die Reichsregierung deren Verhalten zu kontrollieren versuchte. Dabei vermittelt sie Einblicke in den Alltag einer deutschen Kolonie sowie in die Bedeutung des Kolonialismus für die Innenpolitik im Reich.
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Danksagung

1. Einleitung
1.1 Zur Quellenlage und Quellenauswahl

2. Die Errichtung und Funktionsweise des kolonialen Verwaltungsapparates in Togo

3. Die Kolonialbeamtenschaft
3.1 Zur Bestimmung des Begriffs "Kolonialbeamter"
3.2 Die Sozialstruktur der Kolonialbeamtenschaft

4. Die "koloniale Gesellschaft" als Kontroll- und Steuerungsinstanz
4.1 Sozialstruktur und Sozialpsychologie der kolonialen Gesellschaft
4.2 Die Inszenierung einer "deutschen Kultur": Geselligkeit, Alkoholgenuss und Nationalismus
4.3 Einsamkeit als Gefahr für die koloniale Herrschaft
4.4 Krankheit, Sterben und Tod als gemeinschaftsstiftende kollektive Grenzerfahrung
4.5 Das Tabu der "romantischen Liebe"
4.5.1 Deutsche Frauen in der Kolonie Togo: Kontrolle durch die sittliche Disziplinierung der weißen Männer
4.6 Soziale Kontrolle durch den "Küstenklatsch"

5. Die Steuerung und Kontrolle durch die Reichsregierung und durch die Kolonialzentrale
5.1 Aufbau und Entwicklung der Kolonialverwaltung im Deutschen Reich
5.2 Personalpolitische Maßnahmen zur Kontrolle der Kolonialbeamten in Togo
5.2.1 Die Karriereambitionen der Beamten als Disziplinierungs- und Steuerungsinstrument
5.2.2 Die Ausbildung der Beamten für den Kolonialdienst: Soziale Disziplinierung durch die Herausbildung eines ehrbaren Standes
5.2.3 Die dienstrechtliche Stellung der Kolonialbeamten: oziale Disziplinierung durch Privilegierung
5.2.4 Das Disziplinarverfahren: Die Aushöhlung er Disziplinargewalt
5.3 Schriftlichkeit als Kontrollinstrument
5.4 Die Kontrolle des "Raumes"
5.4.1 Siedlungspolitik: Kontrolle durch die räumliche entralisierung der Kolonialbeamten
5.5 Die Finanzkontrolle: Maßnahmen zur Aushebelung des Kontrollrechts des Reichstages
5.5.1 Die Intensivierung der Kontrolle durch die Dezentralisierung der Finanzverwaltung
5.6 Die Strafgerichtsbarkeit über die Afrikaner: "Die Grenzen zur Pädagogik nicht überschreiten"
5.6.1 "Streng, aber gerecht": Die Rechtfertigung der Prügelstrafe aus der Perspektive der Kolonialbeamten
5.6.2 Der Konflikt um das Gewaltmonopol: Die Domestizierung der Strafgewalt
5.6.3 Die bürokratische Kontrolle der Strafgerichtsbarkeit
5.6.4 Die Kontrolle der Beamten durch die Kodifizierung des Eingeborenenrechts
5.7 Der Konflikt um das Legislativrecht zwischen der Kolonialzentrale und der Schutzgebietsverwaltung

6. Die politische Kontrolle und Steuerung der Beamten durch die Kolonialkritiker im Reichstag und in der Presse
6.1 Die öffentliche Meinung als politischer Machtfaktor: Das Pressewesen im Deutschen Reich
6.2 Das "System Hammann": Strategien der staatlichen Pressearbeit
6.3 Der Kolonialskandal in Atakpame: Fallbeschreibung
6.3.1 Das Skandalmanagement der Kolonialabteilung: Diffamierungskampagnen gegen kritische Beamte
6.4 Verwaltungsinterne Reaktionen auf die Kolonialskandale
im Bereich des Pressewesens
6.5 Die Reaktion der Kolonialbeamten in Togo auf die Kolonialskandale
6.6 Die innenpolitische Instrumentalisierung der Kolonialskandale
6.6.1 Kolonialpolitik als Mittel der Systemkritik
6.6.2 Das Abebben der Skandalberichterstattung

7. Schlussbetrachtung

Zusammenfassung

Quellen

Literatur

Tabellen Biographische Anmerkungen zu den Kolonialbeamten

Abkürzungen


Mit der Entsendung von Kolonialbeamten in die Schutzgebiete entstand das Problem der sozialen und dienstrechtlichen Kontrolle und Steuerung der Kolonialverwaltung und ihrer Beamten. In der Frühphase der kolonialen Eroberung sah die Reichsregierung, soweit überhaupt ein Problembewusstsein bestand, keinen Handlungsbedarf. Übergriffe gegen Afrikaner bezogen sich zumeist auf das Dienstpersonal. Sie hatten noch keine politische Dimension. Die geringe personelle Besetzung der Kolonialverwaltung in Togo zwang die Kolonialbeamten in den ersten zehn Jahren zum defensiven und kooperativen Handeln gegenüber den Afrikanern. Noch fühlten sich die Kolonialbeamten nicht als Herrscher über die Kolonie. Mit dem personellen und infrastrukturellen Ausbau des kolonialen Verwaltungsapparates und der Stabilisierung der kolonialen Herrschaft im Schutzgebiet Togo veränderte sich jedoch das Selbstverständnis der Kolonialbeamten. Sie schrieben sich einen Expertenstatus zu, aus dem sie für sich einen gesonderten Herrschaftsanspruch ableiteten. Die Kolonialbeamten, vor allem die höheren Beamten, definierten sich als die wahren Herrscher der Kolonie, was zu Konflikten mit der Zentralregierung im "Mutterland" führte. Bereits die spanischen Encomiendabesitzer brachten dieses Herrschaftsverständnis auf eine kurze Formel, indem sie sagten: "Gott ist im Himmel, der König weit fort und ich bin hier." In der Literatur wird die Kontroll- und Steuerungsproblematik immer wieder aufgegriffen. So schreibt Hannah Arendt:

"Überall fühlten die imperialistischen Verwaltungsbeamten, daß die Kontrolle der Nation und des Mutterlandes eine unerträgliche Last und Bedrohung ihrer Herrschaft darstelle. Und die Imperialisten hatten recht. Sie kannten in der Tat die Bedingungen moderner Herrschaft über die Völker ferner Erdteile besser als jene Staatsmänner, welche […] gegen die gesetzlose Herrschaft auf dem Verordnungswege und die Willkür der Bürokraten protestierten […]".

Zur Begründung ihrer These führt Arendt weiter aus:

"Hierfür gibt es kein beredteres Zeugnis als die nicht enden wollenden Klagen und Beschwerden aller kolonialen Beamtenhierarchien an die Regierungen ihrer Mutterländer über die dauernde Einmischung ›einer unerfahrenen Mehrheit‹, nämlich der Nation, in die Geschäftsführung jener ›Minderheit von Experten‹, welche sie selbst repräsentieren, Einmischungen, in denen man immer wieder versuche, sie zu ›einer Imitation der Institutionen‹ der Mütterländer zu bewegen, nämlich dazu, nach gesetzlich festgelegten Standards von Gerechtigkeit und individueller Freiheit zu regieren."

Eine umfassende quellengestützte Aufarbeitung der Problematik, die Arendt aufgeworfen hat, ist jedoch bisher nicht erfolgt, wenn auch in der Togo-Literatur der letzten 20 Jahre Teilaspekte der Kontroll- und Steuerungsproblematik bearbeitet worden sind. So hat Schröder die Kontrollkonflikte um die Eingeborenenstrafgerichtsbarkeit in Togo aufgegriffen und von Trotha tiefgehender die Strategien der Schutzgebietsverwaltung beleuchtet, welche angewandt wurden, um sich der bürokratischen Kon-trolle durch die Kolonialverwaltung im Reich zu entziehen. Die Studien von Sebald, eingeschränkt auch die von Erbar, werfen die Kontrollproble-matik über die Kolonialverwaltung ebenfalls auf. Die drei letztgenannten Autoren haben jedoch in ihren Studien den Schwerpunkt auf die Analyse der Entstehung und des Aufbaus des kolonial-staatlichen Verwaltungsapparates im Schutzgebiet Togo gelegt und in diesem Kontext das Verhältnis zwischen der Kolonialadministration und der afrikanischen Bevölkerung untersucht.

Die Tatsache, dass nahezu in jeder Publikation zum kolonialen Verwaltungsapparat in Togo die Kontroll- und Steuerungsthematik aufgegriffen wird, ist ein Indiz dafür, dass es sich um ein Kernproblem kolonialer Herr-schaft oder noch weitgreifender um das klassische bürokratische Dilemma von Delegation und Kontrolle in Verwaltungen handelt.

Die leitende Fragestellung der Arbeit lautet: Welche Steuerungs- und Kontrolldefizite bestanden innerhalb der Kolonialverwaltung in Togo? Wie und mit welchen Zielsetzungen wurde den Verselbstständigungstendenzen der Kolonialverwaltung und ihrer Kolonialbeamten im Schutzgebiet durch soziale, dienstrechtliche, legislative und politische Maßnahmen von Seiten der kolonialen Gesellschaft, der Reichsregierung und der aufsichtsführenden Kolonialzentrale in Berlin sowie des Parlamentes und der Reichsöffentlichkeit entgegengewirkt?

Die Untersuchung erfolgt am Beispiel der Kolonie Togo, was einerseits aus methodischen Gründen geschieht. Die Fülle des Quellen- und Datenmaterials kann auf diese Weise eingegrenzt werden und so eine dichtere Untersuchung und Darstellung erfolgen. Sie ist andererseits aber auch sinnvoll, weil die deutschen Schutzgebiete hinsichtlich der Zusammen-setzung der afrikanischen Bevölkerung, der politischen Ordnung der Kolonisierten, der infrastrukturellen Entwicklung, der Vegetation und der sozialstrukturellen Zusammensetzung der kolonialen Gesellschaft sehr heterogen waren. Der Herrschaftsanspruch der Kolonialbeamten wurde in den Verwaltungskolonien weniger in Frage gestellt als in den Siedlungsko-lonien, wo es zu erheblichen Konflikten zwischen den Siedlern und den Kolonialbeamten kam, da die Siedler die Administration mehr in der Funktion eines Dienstleisters sahen. Die Administration sollte nach Ansicht der Siedler lediglich die Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Erschließung des jeweiligen Schutzgebietes schaffen und ansonsten die Rolle eines Nachtwächterstaates einnehmen. Vehementer als die weißen Handelsagenten in Togo forderten die weißen Siedler in Deutsch-Südwestafrika eine Begrenzung der kolonialstaatlichen Verwaltungstätigkeit und eine stärkere Partizipation bei politischen Entscheidungen ein. Es bestanden deshalb Unterschiede in der spezifischen Ausprägung der Kontroll- und Steuerungsprobleme in den einzelnen Schutzgebieten.


Bettina Zurstrassen, Dr. phil., studierte Sozialwissenschaften und Geschichte und ist Juniorprofessorin für Didaktik der Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum.


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