Kische / König / Wick-Rentrop | Strafrecht in polizeilichen Ermittlungen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 220 Seiten

Kische / König / Wick-Rentrop Strafrecht in polizeilichen Ermittlungen

Fälle und Lösungen aus dem Strafrecht Allgemeiner Teil

E-Book, Deutsch, 220 Seiten

ISBN: 978-3-7832-4057-3
Verlag: Kriminalistik Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Dieses Buch vermittelt die Methodik der strafrechtlichen Fallbearbeitung und des anwendungsorientierten „Abrufens“ erlernter Grundlagen einer Straftat anhand polizeipraktischer Originalsachverhalte. Erläutert werden:

- die für das Hochschulstudium und auch Ermittlungspraxis notwendigen Kenntnisse des Strafrechts Allgemeiner Teil,

- Falllösungen mit Praxis(aus)blick, die den hochschuldidaktischen Vorgaben folgen, und

- die Konsequenzen des Handelns von Polizeibeamtinnen und -beamten als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 152 GVG) für den Strafprozess und auch für sie selbst.

Die Inhalte können ergänzend zu Lehrveranstaltungen an den Polizeihochschulen oder im Selbststudium zur Übung eingesetzt werden. Gleichermaßen bietet es Praktikern die Gelegenheit zur kurzweiligen Wiederholung und Vertiefung
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Kapitel 1 Methodik, Tatbestand
1. Fall: Kausalität, obj. Zurechnung und Vorsatz (mit Grundlagen zu §§ 223, 224 StGB sowie den §§ 1, 3 JGG)
Sachverhalt[1] Eine 20-Jährige (im Folgenden: A) aus dem Bezirk Braunau fuhr am Freitag gegen 23:30 Uhr mit ihrem Auto am Erlachweg auf einen Parkplatz, der laut Polizei regelmäßig von der Tunerszene und von Jugendlichen als Treffpunkt genutzt wird. Auf der Motorhaube saß ihr 19-jähriger Bekannter (B) aus dem Bezirk Braunau, der sich kurz zuvor selbst auf die Motorhaube gesetzt hatte. Die 20-Jährige lenkte ihren Wagen mit hoher Geschwindigkeit über den Parkplatz. In einer Linkskurve wurde der 19-Jährige von der Motorhaube geschleudert und prallte auf dem Asphalt auf. Er wurde verletzt und musste in das Krankenhaus Braunau eingeliefert werden. Strafbarkeit der A? §§ 315b ff. und § 240 StGB sind nicht zu prüfen. Vorüberlegungen
Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des Wach- und Wechseldienstes, insbesondere aber auch der Kriminalpolizei, treffen anfangs auf eine unübersichtliche Lage, die zunächst einen präsumtiven Täter und ein bzw. mehrere mögliche Opfer bereitzuhalten scheint. Erste Befragungen und (ggf. Zeugen-)Vernehmungen lassen aber auch mögliche Rückschlüsse auf vermeintliches Opfer(-mit-)verschulden zu. Der im Studium erlernte systematische Aufbau einer Straftat und die gesetzlichen Voraussetzungen tragen dazu bei, einen Sachverhalt unter die Vorschriften zu subsumieren und auch hinreichend zu ermitteln. Notwendig und zugleich ausreichend ist es, sich durch gutachterliche Überlegungen leiten zu lassen, aber gerade nicht auf ein „gewünschtes“ Ergebnis vorab festzulegen. Gutachten
I. Strafbarkeit wegen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB
Indem A mit hoher Geschwindigkeit über den Parkplatz fuhr, könnte sie sich wegen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. 1. Objektiver Tatbestand
Es müsste eine körperliche Misshandlung oder eine Gesundheitsschädigung gegeben sein. Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, welche das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt. Durch die hohe Geschwindigkeit fällt der B von der Motorhaube auf die Straße und erleidet nach erhebliche Schmerzen, die mit den im Sachverhalt erwähnten Verletzungen einhergehen. Diese führen zu einer Beeinträchtigung sowohl seiner körperlichen Unversehrtheit als auch seines körperlichen Wohlbefindens, die beide in der Folge erheblich vermindert sind. Eine körperliche Misshandlung liegt vor. Eine Gesundheitsschädigung liegt immer dann vor, wenn ein pathologischer, d. h. gegenüber dem vorherigen nachfolgend, nachteilig abweichenden Zustand geschaffen oder noch gesteigert wird. Bei dem Sturz von der Motorhaube zieht sich der B Verletzungen zu, die vorher nicht vorgelegen haben. Dies sind unzweifelhaft nachteilige Abweichungen seines körperlichen Normalzustandes und damit eine Gesundheitsschädigung im Sinne der Vorschrift. Das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit (also die Tathandlung) müsste kausal für die dem B zugezogenen Verletzungen gewesen sein. Kausal ist die hier vorgeworfene Handlung, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Wäre A nicht mit überhöhter Geschwindigkeit auf dem Parkplatz ein- und umhergefahren, so wäre B in der Linkskurve auch nicht infolge der dadurch bewirkten hohen Fliehkräfte von der Motorhaube gestürzt und hätte sich nicht die Verletzungen zugezogen. Das Verhalten der A war also kausal für den konkreten tatbestandlichen Verletzungserfolg bei B. Fraglich könnte aber sein, ob der Verletzungserfolg bei B auch der A objektiv zuzurechnen ist. Der Erfolg ist einem kausalen Verhalten stets dann zuzurechnen, wenn durch letzteres eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen worden ist, die sich im konkreten tatbestandlichen Erfolg eben realisiert hat. Durch zu schnelles Fahren mit B auf der Motorhaube des Pkw bestehen unweigerlich Gefahren für die körperliche Unversehrtheit dieser Personen, die vom (Straf-)Recht insbesondere durch die § 223 ff. StGB und auch an anderen Stellen der Rechtsordnung geschützt sind. An der konkreten Gefahrrealisierung ließe sich aber zweifeln, wenn B eigenverantwortlich für seine Verletzungen einzustehen hätte und sein eigenes Fehlverhalten ein selbst zurechenbares Fehlverhalten bewirkt, die eine (rechtliche) Verantwortung der A in den Hintergrund rücken ließe. Dass hier ein mitverantwortliches Handeln des B vorliegt, dürfte unzweifelhaft sein. Allerdings fragt es sich, ob dieser Umstand allein genügt, das Handeln der A außer Betracht zu lassen. So etwa soll die Verantwortung eines Erstverursachers grundsätzlich dann enden, wenn das Opfer oder ein Dritter vollverantwortlich eine neue, selbstständig auf den Erfolg hinwirkende Gefahr begründet, die sich dann allein im Erfolg realisiert. Die Ausnahme (und damit wieder für den Erstverursacher zurechenbar) soll sein, wenn die vom Erstverursachenden ursprünglich gesetzte Ursache eines Erfolges wesentlich fortwirkt. Angesichts dieser Prämissen wird deutlich, dass A durch ihr zu schnelles Fahren eine Ursache gesetzt hat, die sich im Verletzungserfolg bei B entscheidend fortwirkt, gerade weil B auf der Motorhaube keinerlei Einfluss- und eigene Handlungsmöglichkeiten mehr hat. Anderes lässt sich nur vertreten, wenn feststünde, dass B etwa auf eine zunehmend höhere Geschwindigkeit bei A drängte und somit einen wesentlichen Eigenbeitrag leistet, was ein Eigenverschulden dann gewiss überwiegen ließe. Das aber ist hier nicht ersichtlich. Insoweit scheidet die ausnahmsweise Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs aus. Die Verletzungen bei B sind der A objektiv zuzurechnen (a.A. sicherlich vertretbar). 2. Subjektiver Tatbestand
Die A müsste auch mit Vorsatz (vgl. § 15 StGB) gehandelt haben. Vorsätzlich handelt, wer den Willen zur Straftatverwirklichung in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände gefasst hat. A wusste um die Gefährlichkeit ihres übermäßig schnellen Fahrens und ist sich des dadurch bedingten Umstandes, dass B bei hoher Geschwindigkeit von der Motorhaube fällt sowie auf den Asphaltboden aufschlägt und sich erhebliche Verletzungen zufügt, durchaus bewusst. Sie handelt vorsätzlich. 3. Rechtswidrigkeit
Anhaltspunkte für eine (nicht per Vorschrift im StGB normierte) rechtfertigende Einwilligung bestehen nicht. Fragwürdig wäre zudem, ob die Tat der A sogar gegen die guten Sitten verstößt (vgl. § 228 StGB als einzig kodifizierten Hinweis auf die Berücksichtigung von etwaig einwilligendem Verhalten des Opfers in die Körperverletzung) und danach auch als rechtswidrig zu erachten wäre. Für das Handeln der A sind sonstige Rechtfertigungsgründe ebenso wenig ersichtlich. 4. Schuld
A müsste auch schuldhaft gehandelt haben. Ein Ausschluss der Schuldfähigkeit gemäß § 19 StGB scheidet von vornherein aus, da A nicht mehr als Kind unter 14 Jahren gilt. Nach § 1 Abs. 2 JGG ist A als Heranwachsende einzustufen, wobei der Ausschlussgrund der strafrechtlichen Verantwortlichkeit wegen fehlender sittlicher oder geistiger Reife für Heranwachsende gerade nicht gilt (vgl. § 3 JGG). Nicht zuletzt durch den Erwerb der Fahrerlaubnis ist bei A die Einsicht gegeben, das Unrecht des zu schnellen Fahrens mit dem B auf der Motorhaube zu erkennen, und entsprechend nach dieser Einsicht zu handeln, so dass ihr Unrechtsbewusstsein gegeben ist. 5. Ergebnis
A hat sich wegen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Bliebe es hierbei, ist noch an einen Strafantrag durch B bzw. bejahende Umstände für ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung (vgl. § 230 Abs. 1 StGB, ggf. i.V.m. Ziff. 234 RiStBV) zu denken. II. Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 StGB
A könnte zudem den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB verwirklicht haben. Hierfür müsste zumindest eines der in den enumerativ aufgeführten Alternativen, mithin den Tatbestand der Körperverletzung qualifizierende Merkmale erfüllt sein. 1. Objektiver Tatbestand
a) Vorliegen einer Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeuges, § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB
Es stellt sich die Frage, ob A. etwa die Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs begangen hat. Waffe i.S.d. Norm ist jeder Gegenstand, der nach der Art seiner Anfertigung oder nach der Verkehrsauffassung allgemein dazu bestimmt und geeignet ist, erhebliche Verletzungen von Menschen zu verursachen. Dazu zählt ein Pkw nicht. Es könnte sich hierbei aber um einen als „gefährliches Werkzeug“ einzuordnenden Gegenstand handeln, der nach Art seiner Beschaffenheit und konkreten Verwendung dazu geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Auf den ersten Blick scheint dies der Fall, doch darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Pkw gerade nicht zweckbestimmtes Mittel zur...


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