Addyman | Das lachende Baby | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Addyman Das lachende Baby

Fröhliche Wissenschaft: Was Babys glücklich macht

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-95614-447-9
Verlag: Kunstmann
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Das erste Lachen von Babys ist ein magischer Augenblick. Eltern erinnern sich immer daran. Wir wissen, dass ein Baby in den ersten zwei Jahren mehr lacht als in allen folgenden, aber warum sie so viel lachen, ist wenig erforscht. Der Entwicklungspsychologe Caspar Addyman ist diesem Phänomen mit einer großangelegten Studie nachgegangen und kommt zu dem Schluss, dass Lachen evolutionär tief in uns verwurzelt und wichtig für unsere frühe Entwicklung ist. Mit dem Lachen, das ist seine Erkenntnis, teilt uns das Baby seine Erfolge mit, und es lohnt sich, innezuhalten und zu betrachten, wie Babys gedeihen und sich anstrengen, größere Ziele zu erreichen.
Addyman berichtet von der vorgeburtlichen Entwicklung, macht deutlich, wie sich gleich nach der Geburt die Bindung zwischen Mutter und Kind aufbaut, dass das erste Lächeln immer authentisch ist und Ausdruck davon, dass das Baby glücklich ist, satt und zufrieden. Er befragt psychoanalytische und philosophische Konzepte, erklärt, wie sich Babys durch einfache Vergnügungen wie Kitzeln und beim Baden mit Wasserspritzen ihres Körpers bewusst werden, was Lächeln im Schlaf bedeutet, wie wichtig Berührungen und Musik sind, und dass das Kuckuck-Spiel, das alle Babys begeistert, die reine soziale Interaktion ist.
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Kapitel eins
Eine Zeit vor dem Lächeln
Als das erste Baby zum ersten Mal lachte, zerbrach sein Lachen in tausend Stücke, und die hüpften alle herum, und so nahmen die Elfen ihren Anfang. J. M. Barrie, Peter Pan, 1904 Das erste Lachen eines Babys ist ein magischer Augenblick. Eltern erinnern sich noch nach Jahren daran. Es passiert irgendwann nach den ersten Wochen bis zum Alter von vier oder fünf Monaten, und das erste Lachen wird sehr wahrscheinlich klein und fein sein, ein leichtes, gehauchtes Glucksen. Ein Baby kann die schnellen Kontraktionen der Zwischenrippenmuskeln noch nicht koordinieren, die nötig sind, um richtig zu lachen, aber der Klang ist trotzdem eindeutig. Für den griechischen Philosophen Aristoteles ist der Moment, in dem wir zum ersten Mal lachen, der Zeitpunkt, an dem die Seele in den Körper einzieht und wir wirklich zu Menschen werden. Er meinte, das Lachen unterscheide uns von den Tieren. Damit irrte er sich natürlich. Auch Tiere können lachen und tun es, die Grenze zwischen uns und anderen Arten ist graduell, eine Sache von Genen und Kultur. Statt von Seele würden wir heute wohl von »Bewusstsein« sprechen, und wir wissen, dass es langsam entsteht. Das erste Lachen eines Babys ist ein ganz besonderes Ereignis, das als große Veränderung erlebt wird. Manchmal ist es eine spontane Bekundung des Wohlbefindens und der Zufriedenheit: »Ich habe es warm und bin glücklich und voll mit Muttermilch.« Oder es ist die Reaktion auf etwas, das das Baby sieht, etwa einen Schatten an der Wand. Am allerbesten ist es, wenn das Lachen durch etwas ausgelöst wird, was ein Elternteil macht – ins Zimmer zurückkommen oder dem Baby einen Kitzelkuss geben. Wie flüchtig das erste Lachen auch sein mag, Eltern werden darin erkennen, dass Lachen »ein aufgeplatztes Lächeln« ist. Zum ersten Mal bringt ein Baby sein absolutes Entzücken über die Welt zum Ausdruck. Die meisten Eltern vergessen diesen Augenblick nie. Als ich 2012 eine weltweite Umfrage zum Babylachen durchführte, machte sich eine Mutter, Mary, die Mühe, mir ausführlich über den »engelsgleichen Ton« zu schreiben, den ihre kleine Tochter von sich gab, als sie ihren Bauch küsste. Das Ereignis lag mittlerweile 42 Jahre zurück, aber für Mary war es immer noch ganz präsent, und der Gedanke dar an ließ sie »lächeln vor GLÜCK«. Viele Geschichten klangen ähnlich. Das ist ziemlich erstaunlich, weil die Erinnerung von Erwachsenen im Allgemeinen sehr vage und unbestimmt ist. Was haben Sie gestern zu Mittag gegessen, was haben Sie an Ihrem letzten Geburtstag gemacht? Nicht viele Ereignisse in unserem Erwachsenenleben prägen sich wirklich gut ein. Selbst Hochzeitstage verschwimmen. Aber das erste Lachen unserer Kinder, ihre ersten Schritte, die ersten Worte bleiben uns im Gedächtnis und bringen uns noch Jahrzehnte später zum Lächeln. Erinnerungen an das erste Lächeln können schlechter fassbar und diffus sein. Eltern fällt es meistens schwer, zu sagen, wann das Kind zum ersten Mal lächelte, und noch schwerer, sich daran zu erinnern. Dabei spielen mehrere Dinge eine Rolle. Ein Lächeln ist nicht nur unmerklicher und flüchtiger, den Eltern wurde auch vielfach beigebracht, an ihrem eigenen Urteil zu zweifeln. Immer wieder hört man, ein Lächeln vor der sechsten Lebenswoche habe nichts zu bedeuten; es sei nur aufgestaute Luft oder ein Zeichen, dass das Baby gerade in die Windel macht, und nicht wirklich ein Ausdruck von Vergnügen oder Zufriedenheit. Dieser Mythos ist weitverbreitet und hält sich hartnäckig. Ich bin ihm sogar auf Hebammenseiten im Internet begegnet. Ich lehne diese Auffassung radikal ab. Natürlich ziehen Babys komische Gesichter, wenn sie rülpsen oder pupsen. Doch sie lächeln auch aus echter Zufriedenheit. Die Eltern, die ich befragt habe, waren überzeugt, dass sie bei ihrem Baby schon ganz früh echtes Lächeln gesehen hatten, und ich glaube ihnen. Zweifellos sind Eltern ein bisschen voreingenommen, aber sie beobachten ihr Baby auch genauer als jeder andere. Niemand bezweifelt, dass die ersten Schreie und die ersten Tränen echt sind. Wenn ein Baby unglücklich ist, erkennt das jeder. Doch seltsamerweise bestreiten Experten oft, dass frühe positive Gefühle echt sind, und behaupten, das erste Lächeln sei kein »richtiges Lächeln«. Das macht es noch schlimmer: Frischgebackene Eltern hören von Experten, dass sie sich bei einer so grundlegenden Sache irren. Weil sie ohnehin unsicher sind, ist das nicht gerade hilfreich. Die Schlüsselbotschaft dieses Buchs lautet, dass Eltern und ihre Babys das meiste selbst herausfinden. Niemand ist auf ein Baby perfekt vorbereitet. Aber Eltern wissen mehr, als sie denken, und sie lernen schnell. Für das Baby sind die ersten Lebenswochen sogar noch anstrengender und verwirrender, aber ihr zaghaftes Lachen und Lächeln sind Zeichen, dass sie Fortschritte machen. Niemand sollte ihnen das wegnehmen. Glücklicherweise werden wir feststellen, dass die Eltern recht haben und nicht die Experten, denn Babys können Freude sogar schon vor der Geburt empfinden und ausdrücken. Ein weiterer Meilenstein für junge Mütter wird oft übersehen. Wann hat das Baby seine Mutter zum ersten Mal zum Lachen gebracht? Das passiert früher, als man gemeinhin denkt. Natürlich kann es ganz am Anfang ein breites Lächeln geben. Vielleicht, wenn die Mutter erstmals vermutet, dass sie schwanger ist. Oder wenn der zweite blaue Strich auf dem Schwangerschaftstest die Vermutung bestätigt? Oder vielleicht ein bisschen später, wenn sie eine andere Mutter mit ihrem neugeborenen Baby sieht und ihre Zukunft dadurch für sie konkreter wird? Heimliche Freude
Aber ich meine nicht diese Augenblicke. Mir gefällt die Vorstellung, dass ein Baby seine Mutter zum ersten Mal direkt zum Lachen bringt, wenn sie spürt, dass es sich in ihrem Bauch bewegt. Eine gute Freundin hat mir erzählt, dass sie lachen musste, als sie merkte, dass ihre ungeborene Tochter Schluckauf hatte. Doch auch viel harmlosere Dinge bringen eine Mutter zum Lächeln. Oft ist es einfach die Freude über eine greifbare neue Realität. An Chitra Ramaswamys Buch Expecting über ihre Schwangerschaft gefällt mir eine Passage ganz besonders. Darin schildert sie, wie sie mit Freunden zum Abendessen ausgeht, um ihren Geburtstag zu feiern. Im fünften Monat schwanger, kann sie die exotischen Köstlichkeiten auf der Speisekarte nicht wirklich genießen, und die Bewegungen ihres Babys lenken sie vom Gespräch mit ihren Freunden ab. Ich nippte am Champagner, der eher wie Apfelmost schmeckte, und tat so, als würde ich der Unterhaltung folgen, während das Baby in meinem Bauch strampelte. Ich erzählte nichts von diesem kurzen Feuerwerk. Ich hatte nicht das Bedürfnis, dar über zu sprechen. Niemand anderer konnte es spüren, niemand anderer konnte es verstehen. Es war mein geheimer Morsecode, der eine Botschaft an mein Inneres sandte. Freude durchströmte mich. Es war einer der glücklichsten Augenblicke in meinem Leben, ich kann ihn zurückrufen, wann immer ich will, und ich tue es oft (Ramaswamy 2016, S. 84f.). Diese ganz private Freude wurde zu einem der glücklichsten Augenblicke in ihrem Leben. Ramaswamy zitiert dazu auch eine Schlüsselszene aus Tolstois Anna Karenina, einem Meisterwerk des Realismus. Anna ist schwanger mit dem Kind ihres Geliebten Wronski, aber zwischen ihnen stehen hohe Hindernisse, denn sie ist mit einem anderen verheiratet. Sie hat geträumt, dass sie bei der Geburt sterben wird, und erzählt es Wronski, was zu einer weiteren angespannten Diskussion über ihre aussichtslose Affäre führt. Doch plötzlich werden Annas große Ängste von einem Glücksgefühl in den Hintergrund gedrängt, als sie spürt, wie sich das Baby in ihrem Bauch bewegt. Jahrtausendelang waren die ersten Kindsbewegungen das erste große Ereignis in der Schwangerschaft. Bevor es Schwangerschaftstests und moderne medizinische Methoden gab, konnte eine Frau erst von da ab mit Sicherheit sagen, dass sie schwanger war. Die alten Griechen und Römer glaubten, in dem Augenblick ziehe die Seele in den Körper ein. Sie dachten, die Bewegungen zeigten den Zeitpunkt an, in welchem dem Fötus Leben »eingehaucht« werde – animus und anima sind die lateinischen Wörter für Geist und Seele, und beide haben ihre Wurzeln in einem noch viel älteren proto-indoeuropäischen Wort für Atem oder Atmen. In der Rechtsordnung sind die ersten Kindsbewegungen ebenfalls der Zeitpunkt, der Leben von potenziellem Leben trennt. Im englischen Common Law war Abtreibung bis zu diesem Augenblick zulässig, und Angriffe auf eine Frau, die zu einer Fehlgeburt nach den ersten Kindsbewegungen führten, wurden schwerer bestraft. Bis 1869 vertrat sogar die katholische Kirche diese Auffassung; Abtreibungen vor den ersten Kindsbewegungen galten als Vernichtung von potenziellem Leben und nicht von tatsächlichem Leben. Die juristischen Definitionen drehen sich heute darum, ob der Fötus außerhalb des Mutterleibs lebensfähig ist. Das englische Recht geht davon aus, dass ein Fötus ab der vollendeten 24. Woche »lebensfähig geboren werden kann«, und juristisch zur Person wird ein Baby in dem...


Dr. Caspar Addyman ist Dozent für Psychologie und Direktor des InfantLab an der Goldsmiths, University of London. Er hat Mathematik und Psychologie studiert und an dem renommierten Birkbeck Babylab promoviert. Wie Babys Sprache und Konzepte erwerben und ein Zeitgefühl entwickeln, war Gegenstand seiner Forschung. Seit 2012 untersucht er, was Babys zum Lachen bringt und warum. Er lebt in London.


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