Ahrend / Wallmoden / König | Wir bauen Archen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 408 Seiten

Ahrend / Wallmoden / König Wir bauen Archen

Essays und Reden

E-Book, Deutsch, 408 Seiten

ISBN: 978-3-8353-8511-5
Verlag: Wallstein
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Verantwortung für Autoren und Werke zu übernehmen, sich für literarische Qualität einzusetzen und diese auch gegen den herrschenden Trend durchzusetzen, persönlich für sie zu haften – das ist es, was Verleger immer ausgezeichnet hat. Zum erfolgreichen Verlegen gehört aber auch die Kontinuität der Zusammenarbeit und die Pflege eines Werkes. Das Bewahren der literarischen Tradition ist für Thedel v. Wallmoden ebenso wichtig wie langfristige Beziehungen zu Autorinnen und Autoren. Mit dem Bild der Arche ist ein kulturelles Erbe gemeint, das es zu bewahren gilt.
Leidenschaftlich schreibt Thedel v. Wallmoden über Fluch und Segen der Arbeit des Verlegers, über wichtige Autoren, Freunde und Wegbereiter wie Ruth Klüger, Heinz Ludwig Arnold oder Walter Pehle, über Ringelnatz, Rosa Luxemburg und Ernst Toller. Vorbilder wie Kurt Wolff und Samuel Fischer werden gewürdigt ebenso wie die Rolle des oft verkannten »unsichtbaren Zweiten« – der Lektorin oder des Lektors. Außerdem wird die Frage diskutiert, weshalb Klassikerausgaben auch heute noch sinnvoll und notwendig sind und warum wir wissenschaftliche Editionen brauchen.
In Aufsätzen, Vorträgen und kurzen Reden zu Buchpräsentationen kann man dem Verleger über die Schulter schauen und beginnt zu verstehen, was es bedeutet, ein leidenschaftlicher Büchermacher zu sein. Was es heißt, in »Büchern zu denken« (Eugen Claassen).
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Weitere Infos & Material


»Offen sein für das Heutige,
offen bleiben für das Gestrige«
Die Anfänge des Kurt Wolff Verlags
zwischen Goethezeit und Expressionismus
Nicht erst seit der grundlegenden Studie von Wolfram Göbel[1] hat sich das Interesse an Kurt Wolff und seinem Verlag ganz überwiegend auf Aspekte der »Wirkungsgeschichte«[2] konzentriert. Dabei stand die Frage nach der Bedeutung dieses Verlags im »literarischen Leben«[3] und besonders im Hinblick auf die Verbreitung und Durchsetzung der Literatur des Frühexpressionismus im Vordergrund. Bereits im Zuge der Wiederentdeckung der im Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Autoren wurde der Kurt Wolff Verlag als der Verlag des Expressionismus schlechthin angesehen. Seither steht die Buchreihe Der Jüngste Tag gleichsam als pars pro toto für die programmatische Ausrichtung dieses Verlags. Zwar bietet Der Jüngste Tag mit seinen 86 Nummern in 73 Bänden, die zwischen 1913 und 1921 erschienen, einen »repräsentativen Querschnitt durch die expressionistische Literatur«[4] und ist mit seiner großen Zahl von literarischen Debüts zweifelsohne die wichtigste expressionistische Buchreihe, dennoch greift die Fokussierung auf den Jüngsten Tag für eine Beschreibung des Kurt Wolff Verlags in seiner literaturhistorischen und literatursoziologischen Bedeutung und besonders für eine verlagsökonomische Betrachtung entschieden zu kurz. Dass sich allerdings auch für die Buchreihe Der Jüngste Tag inzwischen eine verkürzende Sichtweise eingebürgert hat, zeigt allein schon der Umstand, dass als verbindliches Ausstattungskennzeichen heute üblicherweise der schwarze Umschlagkarton mit den geklebten farbigen Titelschildern angesehen wird. Tatsächlich waren die Bände aber sowohl in ihrer Umschlagtypographie als auch in der gesamten Ausstattung zunächst durchaus heterogen. Während es in den ersten Jahren Umschläge gab, die auf hellem Karton mit Lithographien gestaltet waren, kamen daneben auch rein typographische Umschläge vor. Als Ausstattungsvarianten finden sich Broschuren neben Papp- und Halbpergamentbänden. Die Verwendung des einheitlichen schwarzen Umschlagkartons war erst eine Reaktion auf die Materialknappheit während des Ersten Weltkriegs. Ebenso wie sich die historische Perspektive in der Betrachtung des Kurt Wolff Verlags auf die schwarzen Hefte des Jüngsten Tags verengt hat, ist es evident, dass auch das ökonomische Geschehen in den Jahren zwischen der Übernahme des Ernst Rowohlt Verlags durch Kurt Wolff am 1. November 1912 bis zum Verkauf des Verlags im Jahr 1930 wesentlich von anderen Titeln und Reihen als ausgerechnet von der Buchreihe Der Jüngste Tag bestimmt war. Der überraschende Bestsellererfolg von Gustav Meyrinks Roman Der Golem (1915) etwa, von dem bis 1924 mehr als 160.000 Exemplare verkauft wurden, oder die Werke Rabindranath Tagores, die sich nach der Zuerkennung des Nobelpreises 1913 zunächst durchaus gut, nach Kriegsende dann aber bis 1923 in der damals geradezu unvorstellbaren Zahl von über einer Million Exemplaren verkauften, oder schließlich der große Erfolg von Heinrich Manns Roman Der Untertan – diese und andere Titel haben zweifelsohne mehr zum Erfolg des Verlags beigetragen als die legendäre Reihe Der Jüngste Tag. Kurt Wolff selbst hat in seinen letzten Lebensjahren oft abwehrend auf die verengende und vereinnahmende Zuschreibung reagiert, vor allem der »Verleger des Expressionismus«[5] gewesen zu sein. Mehr noch: Er nannte dies seinen »verfluchten, verhaßten Ruhm«.[6] Dennoch hat er im Gespräch mit Herbert G. Göpfert eingeräumt: Ich will auch gar nicht abstreiten, der Verleger des Expressionismus gewesen zu sein, aber ich möchte mir doch erlauben, daran zu erinnern, daß unter dem Namen Kurt Wolff Verlag eine Fülle von Büchern erschienen ist, die aber auch gar nichts mit dem Expressionismus zu tun haben.[7] Im weiteren Gesprächsverlauf führt Wolff dann aus, ihn fasziniere der Gedanke, dass für seine intellektuelle Biografie maßgebliche Anregungen und Einflüsse aus der persönlichen Anknüpfung und familiären Verbindung in die Goethezeit herrührten. »Da war ich ja durch meine Großmutter noch in den Freundeskreis der goetheschen Welt einbezogen.«[8] Damit waren sowohl die bildungsbürgerlichen Reminiszenzen seiner Familie mütterlicherseits an den Freundeskreis um Goethes Schwiegertochter Ottilie und Adele Schopenhauer gemeint als auch frühe Lektüreeindrücke und die vielfältigen Verbindungen seines Elternhauses in das Musikleben des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, die Verbindung von literarischer Gegenwart und Vergangenheit also, scheint Wolff angezogen zu haben. Einerseits ist es sein Wunsch, in seinem Verlag »Geist und Herz seiner Zeit«[9] literarisch repräsentiert zu finden, andererseits empfindet er Stolz auf die Teilhabe an einer lebendigen Tradition. Einerseits ist Wolff von dem Wunsch begeistert, die Gegenwart literarisch »in der ganzen Vielfältigkeit ihrer Erscheinungen, ihrer Hysterie und Bizarrerie, ihrer Sehnsucht nach Brüderlichkeit und Güte, ihrer Liebe zum Menschen, und ihrem Haß gegen den Bürger«[10] zu erfassen, andererseits ist er überzeugt, dass es keine Entwicklung ohne Vergangenheit gibt und der Künstler, »um selbst Stil zu geben, erst Ergriffenheit von historischem Stil empfunden«[11] haben muss. In dieser Formel von »Liebe zum Menschen, und ihrem Haß gegen den Bürger«,[12] die Kurt Wolff bereits 1917 in einem Brief an Rilke als Maßstab seines verlegerischen Handelns nennt, erfasst er das soziale Pathos von Revolution und Veränderung und die Phantasie vom Weltende als den inneren Zusammenhang der expressionistischen Literatur vermutlich zutreffender, als ein pauschalisierender Epochenbegriff dies könnte. Zugleich ist er aber stolz auf die Bildungstradition seiner Herkunft, die sich durch die Verbindung zu seiner ersten Ehefrau, Elisabeth Merck, noch mehr der Welt Goethes annähert. Begeisterungsfähigkeit und Aufnahmebereitschaft für das Neue, das »Heutige« und gleichzeitig »offen bleiben […] für das Gestrige. Jedenfalls ist das das Wunschbild für mich als Verleger.«[13] Dieser Ambivalenz zwischen den Polen der radikalen Moderne und der Goethezeit korrespondiert in Kurt Wolffs Biografie zunächst auch eine Ambivalenz der Berufsentscheidungen. In Marburg beginnt er 1906 das Studium der Germanistik, unterbricht es dann aber für den einjährigen Militärdienst, den er beim Großherzoglich Hessischen Artillerieregiment in Darmstadt ableistet. Dort lernt er die wohlhabende Chemiefabrikantenfamilie Merck kennen, direkte Nachfahren des Sturm-und-Drang-Dichters und Goethefreundes Johann Heinrich Merck. Auch knüpft er Verbindungen zu Friedrich Gundolf, durch dessen Vermittlung er Stefan George begegnet. Ein erster Kontakt zu Karl Wolfskehl entsteht. Nach der Militärzeit, auch das vermutlich ein Zeichen seiner beruflichen Unentschlossenheit, volontiert Kurt Wolff für ein halbes Jahr in einer Bank in São Paulo. Im Sommer 1908 setzt er das Studium in München fort und wechselt im Winter 1908/09 an die Universität Bonn. Im September 1909 heiratet er, zweiundzwanzigjährig, die achtzehnjährige Elisabeth Merck. Das Paar übersiedelt nach Leipzig und etabliert dort einen großbürgerlichen Haushalt, während Kurt Wolff sein Studium fortsetzt. Zunächst sprechen alle Anzeichen dafür, dass Kurt Wolff eine akademische Laufbahn einschlagen wird. 1909 gibt er im Insel Verlag eine zweibändige Ausgabe der Schriften und Briefe von Johann Heinrich Merck heraus.[14] Die Auswahl ist kenntnisreich und umsichtig getroffen, wenn auch besonders auf das Interesse an Merck als dem gebildeten Freund und Berater des jungen Goethe konzentriert, die »gute Zeit, als er mit Merck jung war, und die deutsche Literatur noch eine reine Tafel war, auf die man mit Lust viel Gutes zu malen hoffte«.[15] Diese Edition ist die erste umfassende Ausgabe von Mercks Werken und Briefen und geht deutlich über frühere Editionen hinaus. Noch im selben Jahr erscheinen, ebenfalls von Kurt Wolff nach der Handschrift ediert, im Insel Verlag die Tagebücher der Adele Schopenhauer.[16] Die beiden Bände in Kleinoktav sind mit entzückenden »winzigen, komplizierten, vielverästelten« Reproduktionen der von ihr selbst geschnittenen Silhouetten illustriert. Jeder Band enthält ca. 30 Seiten mit knappen und äußerst kenntnisreichen Anmerkungen von Wolff. Ob Kurt Wolff tatsächlich 1908 im Insel Verlag volontierte oder ob sich die Zusammenarbeit mit Anton Kippenberg auf die Arbeit an den beiden Editionen beschränkte, ist schwer zu entscheiden. Im Rückblick hat Kurt Wolff seinen Weg in den Beruf des Verlegers gerne besonders gradlinig dargestellt, und die Zusammenarbeit mit dem renommierten Insel-Verleger wird ihm zweifelsohne Einblicke in den Verlagsbuchhandel eröffnet haben. In den Winter 1908/09 fällt vermutlich auch der Beginn von Kurt Wolffs Engagement als stiller Teilhaber im Ernst Rowohlt Verlag, der allerdings von den Geschäftspartnern zunächst wohl kaum mit professioneller Absicht betrieben wird, denn Rowohlt lässt den Verlag erst zweieinhalb Jahre später, nämlich am 30. Juli 1910, in Leipzig ins Handelsregister...


Wallmoden, Thedel v.
Thedel v. Wallmoden, geb. 1958, studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie; Gründer und Verleger des Wallstein Verlags. 1997 war er Berater der Verlage Suhrkamp, Insel und DKV. Von 2004-2011 war er Vorsitzender der Stiftung Buchkunst. Seit 2013 ist er Honorarprofessor an der Universität Heidelberg. Er engagiert sich im Vorstand des Literarischen Zentrums Göttingen sowie im Beirat der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt a. M. / Leipzig und ist Vorsitzender der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Veröffentlichungen zu literatur- und buchwissenschaftlichen Themen.

Medenwald, Nikola
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König, Christoph
Christoph König, geb. 1956, Professor für deutsche Literatur an der Universität Osnabrück, 2008 /9 Fellow im Wissenschaftskolleg zu Berlin, 2011 /12 Fellow im Forscherkolleg »Fate, Freedom and Prognostication« der Universität Erlangen-Nürnberg, 2019 Professeur invité an der École normale supérieure, Paris. Mitglied des internationalen PEN.
Veröffentlichungen u. a.: Lektüre und Geltung (Mithg. 2020); Jean Bollack. The Art of Reading (Mithg., 2017); L`intelligence du texte. Rilke - Celan - Wittgenstein (2016); »O komm und geh«. Skeptische Lektüren der »Sonette an Orpheus« von Rilke (2014).

Ahrend, Thorsten
Thorsten Ahrend, geb. 1960 in Wittenberge, Studium der Germanistik in Leipzig, 1989 Promotion an der Universität Rostock, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Leipzig, 1990–1994 Lektor für deutschsprachige Literatur im Reclam Verlag, Leipzig, danach Lektor im Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig, 1998–2004 Lektor für neuere deutschsprachige Literatur am Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main; seit 2005 Programmleiter Belletristik im Wallstein Verlag, Göttingen. Lehraufträge an den Universitäten Marburg (2003), Erlangen (2006) und Rostock (2011).

Thedel v. Wallmoden, geb. 1958, studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie; Gründer und Verleger des Wallstein Verlags. 1997 war er Berater der Verlage Suhrkamp, Insel und DKV. Von 2004-2011 war er Vorsitzender der Stiftung Buchkunst. Seit 2013 ist er Honorarprofessor an der Universität Heidelberg. Er engagiert sich im Vorstand des Literarischen Zentrums Göttingen sowie im Beirat der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt a. M. / Leipzig und ist Vorsitzender der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Veröffentlichungen zu literatur- und buchwissenschaftlichen Themen.

Thorsten Ahrend, geb. 1960 in Wittenberge, Studium der Germanistik in Leipzig, 1989 Promotion an der Universität Rostock, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Leipzig, 1990–1994 Lektor für deutschsprachige Literatur im Reclam Verlag, Leipzig, danach Lektor im Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig, 1998–2004 Lektor für neuere deutschsprachige Literatur am Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main; seit 2005 Programmleiter Belletristik im Wallstein Verlag, Göttingen. Lehraufträge an den Universitäten Marburg (2003), Erlangen (2006) und Rostock (2011).

Christoph König, geb. 1956, Professor für deutsche Literatur an der Universität Osnabrück, 2008 /9 Fellow im Wissenschaftskolleg zu Berlin, 2011 /12 Fellow im Forscherkolleg »Fate, Freedom and Prognostication« der Universität Erlangen-Nürnberg, 2019 Professeur invité an der École normale supérieure, Paris. Mitglied des internationalen PEN.


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