Alghisi | Deutsche und italienische Verwaltungssprache im digitalen Zeitalter | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 22, 547 Seiten

Reihe: Europäische Studien zur Textlinguistik

Alghisi Deutsche und italienische Verwaltungssprache im digitalen Zeitalter

Textlinguistische Untersuchungen zu kommunikativen Praktiken der öffentlichen Verwaltung in der Schweiz

E-Book, Deutsch, Band 22, 547 Seiten

Reihe: Europäische Studien zur Textlinguistik

ISBN: 978-3-8233-0359-6
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Bürgernähe, Verständlichkeit, Transparenz und Digitalisierung sind Prinzipien, nach denen öffentliche Verwaltungen heute ihre Tätigkeiten auszurichten versuchen. Der Band untersucht Dokumente von Schweizer Behörden auf Deutsch und Italienisch. Er fokussiert die kommunikativen Aufgaben der Verwaltungen im komplexen Umfeld von Rechtsetzung und Politik und arbeitet den allgemein als unbefriedigend bezeichneten Forschungsstand auf. Thematisch liegt der Schwerpunkt auf der Einbürgerung in der Schweiz, einem Vorgang, der verschiedene Verwaltungsebenen berührt. Der Band ermittelt relevante Texte und Textsorten in ihren Relationen und Vernetzungen. Er leistet einen wichtigen Beitrag zu intra- und interlingualen Vergleichen von Texten, die das öffentliche Leben und den Alltag von Bürgerinnen und Bürgern mitbestimmen, deren systematische Erforschung bisher jedoch nur in geringem Maße erfolgt ist.
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Einleitung

I Ansätze zur Erforschung der Verwaltungssprache
1 Einführung in die Verwaltungssprache
2 Textlinguistische Theorie
3 Bürgernähe

II Empirische Studien: Die Einbürgerung in der Schweiz
1 Methodik
2 Analyse des Subkorpus 1: Bürgerrechtsgesetz von 1952 (Bund)
3 Analyse des Subkorpus 2: Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes von 1952
4 Analyse des Subkorpus 3: Bürgerrechtsverordnung von 1978 (Kanton Zürich)
5 Analyse des Subkorpus 4: Legge sulla cittadinanza ticinese e sull'attinenza comunale von 1994 (Kanton Tessin)
6 Empirische Studien im Überblick

Zusammenfassung

Verzeichnis der Abkürzungen
Verzeichnis der Korpustexte
Literatur
Namenregister
Sachregister
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis


1.2 Der Begriff Verwaltungssprache
Mit den vorangehenden Ausführungen zur Rolle der Sprache in der Verwaltung tritt das zweite Element der hier im Mittelpunkt stehenden Wortbildung in den Fokus. Durch die Fokussierung auf den Kopf rückt nun das ganze Kompositum ins Blickfeld: Es ist die Sprache der Verwaltung bzw. die Verwaltungssprache, um die es in diesem Abschnitt geht. Meine Überlegungen setzen an der linguistischen Definition von Verwaltungssprache an, die sich im HSK 14.2 zu den Fachsprachen befindet: Verwaltungssprache ist wegen seiner Zusammensetzung ein mehrdeutiger Begriff, der in unterschiedlichen Verwendungszusammenhängen verschiedene Bedeutungen hat. Er nimmt einmal Bezug auf das abstrakte System der (Fach-) Sprache für die Verwaltung, d. h. auf die allgemeinen Prinzipien von Verwaltungsäußerungen. Verwaltungssprache erfaßt aber auch die konkreten Äußerungen, die durch und in Verwaltungen hervorgebracht werden. Damit verweist er auf die Wirklichkeit der Sprachverwendung und erfaßt so alle empirischen Äußerungen von Verwaltungen. […] Unter Verwaltungssprache wird […] im folgenden eine spezifische Auswahl sprachlicher Mittel verstanden, derer sich die Verwaltung für die Realisierung ihrer Zwecke bedient (Becker-?Mrotzek 1999: 1391; Kursiv im Original; Fettdruck A.A.). In dieser Begriffsbestimmung fasst Becker-?Mrotzek verschiedene Sichtweisen zusammen, die sich auf den Ausdruck Verwaltungssprache anwenden lassen. Dabei geht es um die verschiedenen Auffassungen, die die Diskussion in der Fachsprachenforschung prägen. Sie entsprechen Schwerpunksetzungen, die auf verschiedenen Abstraktionsebenen liegen und sich nur analytisch voneinander abgrenzen lassen: Verwaltungssprache ist ein (Sub-)System innerhalb einer Gesamtsprache. Es handelt sich um eine Sprachvarietät, insbesondere um eine Fachsprache; Verwaltungssprache bezeichnet die parole, den konkreten Sprachgebrauch, von Verwaltungsakteuren in Verwaltungen. Wir haben es zu tun mit empirischen Äußerungen, die bestimmten Kategorien entsprechend zur Erstellung von Korpora für die linguistische Analyse zusammengestellt werden können. Verwaltungssprache besteht in einer charakteristischen Auswahl aus den sprachlichen Möglichkeiten eines Systems. In diesem Sinne liegt der Akzent auf einer Menge stilistischer Merkmale, die funktional sind; d. h. die zur Erfüllung der Zwecke der Verwaltung dienen. Im Folgenden werden diese Sichtweisen näher behandelt bzw. miteinander in Verbindung gebracht und aufeinander bezogen. 1.2.1 Verwaltungssprache als Sprachvarietät
Wie oben angeführt, ist Sprache ein „hochentwickeltes Instrument“ (Otto 1978: 11) der Verwaltung. Es gibt in Verwaltungen ein reales Sprachverhalten, das man empirisch ermitteln und beschreiben kann. Dies hat in den 1970er Jahren Wagner unternommen, die eine Auswahl aus Verwaltungen stammender Texte auf ihre sprachlichen „Sonderformen“ (Wagner 1970: 10) untersuchte. Zur Bezeichnung ihres Untersuchungsgegenstandes bzw. des sprachlichen Wirklichkeitsausschnittes, auf den sie ihr Augenmerk richtete, benutzte die Autorin den Ausdruck Verwaltungssprache. Dabei nahm sie auf Karl Korns kultur- und gesellschaftskritisches Buch „Sprache in der verwalteten Welt“ (1959) Bezug, von dessen Ansatz sie sich absetzte. Ihre Monographie, die die erste „umfangreichere Analyse eines Corpus aus Verwaltungstexten“ (Heinrich 2014: 49f.) darstellt und in nahezu allen (sprach)wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema zitiert wird, trug bei zur Verbreitung des Kompositums in den heute allgemein vorherrschenden und schon genannten Lesarten. Im 19. Jahrhundert bezeichnete das Wort stattdessen überwiegend „die in einem Land regierende, auch für anderssprachige Bewohner im Verkehr mit Ämtern verbindliche Sprache“ (Asmuth 2012: 1417), wobei es besonders in „von einer fremden Macht besetze[n] Gebiete[n]“ (ebd.) gängig war. Wenn man die Sonderformen bzw. Besonderheiten eines bestimmten Sprachgebrauchs fokussiert, bedeutet das, dass man sich um den Begriff Varietät herum bewegt und damit operiert. Was mit diesem Begriff gemeint wird, ist allerdings in der Forschung umstritten. Varietät ist bisher in der Linguistik schlecht definiert (vgl. Adamzik 2018b: 52), wie auch Berruto feststellt: Obwohl es sich um einen der Kardinaltermini der Soziolinguistik handelt, ist es schwierig, eine eindeutige und allseits befriedigende Definition des Varietätsbegriffs zu geben (Berruto 2004: 189). Berrutos Ausführungen zu Sprachvarietät lehnen sich an ein bekanntes Modell an, das besonders einflussreich war. Es handelt sich dabei um den Ansatz von Coseriu zur Systematisierung des Varietätenspektrums. Im Anschluss an die Überlegungen des norwegischen Linguisten Leiv Flydal (1951) führt Coseriu den Begriff funktionelle Sprache ein und rechnet mit drei Variationsdimensionen, nach denen sprachliche Formen geordnet werden können: diatopische (geographische Variation), diastratische (soziale Variation) und diaphasische (situationsbedingte, stilistische Variation) Dimension. Dabei geht es um außersprachliche Faktoren, die in wechselseitiger Beziehung zu sprachlichen Faktoren stehen. Auf beiden Seiten gibt es Variablen, die Varianten einschließen. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu bemerken (a) dass es nicht ganz klar ist, welche Menge und welche Typen sprachlicher Merkmale erforderlich sind, um von einer eigenständigen Varietät zu sprechen. […] (b) dass die sozialen und/oder situationsspezifischen Faktoren, die in signifikanter Weise mit einer gewissen Menge sprachlicher Merkmale kookkurrieren, sehr breit gespannt und mannigfaltig sind. Hinzu kommt die Tatsache, […] dass erhebliche Probleme bestehen bezüglich der genauen Abgrenzung, Einordnung und Unterscheidung von Sprachvarietäten (Berruto 2004: 189). Angesichts dieser problematischen Lage spricht sich Berruto (2004: 190) dafür aus, „Varietäten als (konventionell bestimmte, unscharf abgegrenzte) Verdichtungen in einem Kontinuum zu verstehen“. Varietäten sind somit kognitive Konstrukte, „stereotype Vorstellungen von Sprechweisen“ (Adamzik 2018b: 71). Dieser Perspektive schließt sich auch Adamzik an, die eine eigene Definition für Varietäten vorschlägt: Varietäten sind unscharf begrenzte Mengen von sprachlichen Varianten, die mit außersprachlichen Faktoren assoziiert sind. Sie haben eine prototypische Struktur. Im Zentrum stehen Varianten, die traditionell als Schibboleths bezeichnet werden (Adamzik 2018b: 71; Fettdruck im Original gelöscht; Hervorhebungen hier A.A.). Man kann einen bestimmten außersprachlichen Faktor als dominant betrachten. Dialekte können z. B. als Varietäten angesehen werden, bei denen die räumliche Dimension im Vordergrund steht. Allerdings wirken immer alle Dimensionen zusammen, sie können daher nur theoretisch gegeneinander abgegrenzt werden. Es gibt also zugleich „Korrelationen zwischen Variationsdimensionen“ (Adamzik 2018b: 66; Hervorhebungen im Original): Dialekte korrelieren [beispielshalber] mit der medialen Dimension (mündlich), sind diasituativ (nicht-?formelle Situationen), diasozial (heute tendenziell niedrige Bildungsschicht und eher Ältere) und hinsichtlich des Gegenstandsbereichs (v. a. Alltagssphäre) charakterisierbar (ebd.). Auch für Coseriu sind bei einer funktionellen Sprache alle Dimensionen gleichzeitig mit im Spiel. Nach ihm ist der wirkliche Gegenstand der linguistischen Beschreibung […] die Varietät einer bestimmten sozialen Gruppe, in einer bestimmten Region und einer bestimmten Klasse von Situationen (Berruto 2004: 190). Die funktionelle Sprache entspricht demnach „eine[r] syntopische[n], synstratische[n] und symphasische[n] Sprache“ (Becker 2001: 77). Auf die ursprünglich auf Coseriu zurückgehenden Kategorien greifen Linguisten im italienischsprachigen Raum zurück, wenn es darum geht, die italienische Verwaltungssprache, l’italiano...


Dr. Alessandra Alghisi studierte Anglistik und Germanistik an der Universität Bergamo und promovierte in deutscher Linguistik an der Universität Genf.


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