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E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Angetter-Pfeiffer Pandemie sei Dank!

Was Seuchen in Österreich bewegten. Mit einem Vorwort von Christoph Wenisch

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-903217-81-2
Verlag: Amalthea Signum
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



'Nicht alles ist hin.' (Der liebe Augustin 2.0) Wussten Sie, dass Wiens berühmte Trinkwasserqualität, seine Kanalisation und die Gemeindebauten durch Pandemien entstanden? Dass Maria Theresia sich bereits im 18. Jahrhundert für Gratisimpfprogramme einsetzte oder die k. u. k. Armee einst als sicherstes Mittel zur Seuchenabwehr galt? Seit Jahrhunderten verändern Epidemien unsere Gesellschaft, doch zieht so manche Krise bleibende positive Resultate nach sich. Auch sind das Tragen von Masken, Quarantäne und Social Distancing keine Phänomene des 21. Jahrhunderts, sondern bereits seit dem Mittelalter bekannt. Medizinhistorikerin Daniela Angetter-Pfeiffer präsentiert zahlreiche Errungenschaften aus Österreichs Geschichte, die wir Pest, Cholera & Co. zu verdanken haben - mit überraschenden Parallelen zur Gegenwart. Mit zahlreichen Abbildungen Mit einem Vorwort von Christoph Wenisch, Leiter der Infektionsabteilung an der Klinik Favoriten/Wien

Daniela Angetter-Pfeiffer, Dr., geboren in Wien, studierte Geschichte und Germanistik und ist am Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage der Österreichischen Akademie der Wissenschaften tätig. Die aktive Notfallsanitäterin befasst sich intensiv mit Medizin-, Militär-, (Natur-) und Wissenschaftsgeschichte, Notfall- und Katastrophenmedizin.
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Einleitung:
Wie Seuchen Österreich bewegten
Nicht erst seit Corona weiß man, dass Seuchen unser Leben verändern. Plötzlich wird das Wohnzimmer zum Büro, in dem Kinder spielen und unsere Aufmerksamkeit sowie Hilfe beim Schulalltag verlangen, während man sich auf Zoom-Meetings, Telefonkonferenzen oder virtuelle Tagungen konzentrieren sollte. Noch schlimmer ist es, wenn der einzige PC im Haushalt für Homeoffice und Homeschooling geteilt werden muss. Aber eigentlich muss man froh sein, wenn das Berufsleben während einer Pandemie weitergeht, denn die Schließung von Dienstleistungsbetrieben, Geschäften, Gaststätten, Hotels, Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen bewirkt eine steigende Arbeitslosigkeit, ein sinkendes Wirtschaftswachstum und die Schwächung der Regierung sowie der staatlichen Verwaltung. Darüber hinaus kursieren Meldungen von überfüllten Spitälern, knappen Intensivbetten, einer notwendigen Triage bei der Aufnahme und Behandlung von Patienten und einem Mangel an Ärzten und Pflegepersonal. Dazu kommen strenge Gesundheits- und Grenzkontrollen. Auch wenn Maskenpflicht, Hygienevorschriften, Abstandsregeln, Quarantäne, Lockdown, Homeoffice, Homeschooling, Diskussionen um Impfpflicht und die Suche nach wirksamen Medikamenten sofort an Corona denken lassen, sind diese Auswirkungen von Pandemien keine Maßnahmen des 21. Jahrhunderts, sondern finden sich reihenweise in der Geschichte wieder. Bei zahlreichen Erkrankungen waren Masken, Quarantäne und Social Distancing die einzige Chance, eine Ansteckung zu verhindern oder zumindest einzudämmen, wusste man doch bis zum 19. Jahrhundert kaum etwas über Viren oder Bakterien. Doch Viren und Bakterien hielten die Menschheit seit jeher in Atem, sie kennen keine Grenzen, weder territoriale noch soziale, schon gar keine politischen. Insbesondere ab dem Zeitpunkt, als Europa mit der ganzen Welt in Kontakt getreten war, stieg die Verbreitung von infektiösen Krankheiten, denn Viren reisen gerne, und so wurde der weltweite Personenverkehr mehr und mehr zum Infektionsüberträger, ohne dass man es bewusst wahrnahm. Bereits am 14. Juni 1875 schrieb das Neue Wiener Tagblatt treffend: »Epidemien reisen gewöhnlich inkognito, ohne sich zuvor beim löbl[ichen] Sanitätsrath zu melden.« Am 22. September 1928 hieß es im Allgemeinen Tiroler Anzeiger: »Die Verbreitung der Seuchen erfolgte nicht etwa durch die Luft, sondern nur durch den Verkehr. Seuchen reisen nie schneller als der menschliche Verkehr.« Bei Seuchen wie der Pest oder der Cholera dauerte es viele Wochen, bis sie von Asien nach Mitteleuropa kamen. Heute können Fernreisende hochinfektiöse und exotische Krankheiten innerhalb weniger Stunden global verbreiten. Eine Epidemie wird damit rasch zur Pandemie. Kurz gesagt gibt es Infektionskrankheiten, seitdem die Menschen sesshaft wurden, Pandemien, seitdem sie verstärkt reisen. Zeiten, in denen Epidemien oder Pandemien grassierten, waren stets Zeiten der sozialen und wirtschaftlichen Veränderung, prägten ganze Landstriche und Stadtbilder sowie Bevölkerungsstrukturen, nicht zuletzt deshalb, weil Menschen vor den Krankheiten flohen und ganze Gebiete dadurch verödeten. Ist es heute Covid-19, so beeinflussten und veränderten früher Pest, Pocken, Cholera, Tuberkulose, Syphilis, Ruhr, Fleckfieber oder die Spanische Grippe, um nur einige Beispiele zu nennen, das Leben. Bereits aus der Antike gibt es Aufzeichnungen über epidemische Krankheiten. Sie wurden damals unter dem Überbegriff »Pest« zusammengefasst, worunter man allerlei Infektionskrankheiten verstand. Dazu kamen Patienten mit diversen Hautkrankheiten, die sogenannten Aussätzigen. Sie waren beispielsweise vom Gottesdienst ausgeschlossen. Die Berührung eines solchen »Unreinen« war strengstens verboten, denn durch Körperkontakt bestand die Gefahr, selbst unrein zu werden und diese Unreinheit auf andere Menschen, Lebensmittel und Gegenstände zu übertragen. Absonderung und Meldepflicht galten daher schon in der Antike als die wesentlichsten Maßnahmen, um sich vor Ansteckung zu schützen. Vielfach bekannt ist bis heute das Verhalten gegenüber Leprakranken. Sie vegetierten völlig ausgegrenzt und rechtlos an den Stadträndern, zusammengepfercht in den Leprosorien, und mussten sich durch auffällige Kleidung, mit Schellen oder Glocken öffentlich kennzeichnen. Darüber hinaus verurteilte man ganze Völker, schuld an Pandemien zu sein, darunter vor allem die Juden, die angeblich für den Ausbruch der Pest verantwortlich waren genauso wie für den der Spanischen Grippe. Der Geologe Ami Boué (1794–1881) beschrieb dies in seinem Buch Die Europäische Türkei, erschienen auf Deutsch bei der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien 1889, folgendermaßen: »Die Juden gelten für die schmutzigsten Leute, hauptsächlich wegen ihrer Gewohnheit die Speisen unmässig mit Knoblauch und Zwiebel zu würzen und wegen ihrer Unsitte, in übergrosser Anzahl unter demselben Dache zu wohnen.« Seine Beschreibung war kein Einzelfall, solche Verhaltensmuster sind bis heute erkennbar. Zu Beginn der Corona-Pandemie verdammte man asiatisch aussehende Menschen, weil sie die Infektion nach Europa gebracht hatten, danach wurden die Nachbarn in Südtirol zum Sündenbock, und letztlich schaute man jeden schief an, der im Supermarkt, bei der Bushaltestelle oder auf einem öffentlichen Platz hustete, nieste oder sich schnäuzte. Neben der Isolation von Kranken und der Ausgrenzung von potenziell Gefährdeten oder Infektiösen aus der Gemeinschaft war die Flucht vor ihnen lange Zeit eine bewährte Vorsorgemaßnahme. Nicht nur zu Zeiten der Pest flohen Mitglieder des Kaiserhauses, hochrangige Persönlichkeiten, aber auch Ärzte aus Epidemiegebieten. Zurück ließen sie die sozial niedriger gestellten Einwohner, einzig und allein dem Schutz Gottes anvertraut. Ihnen blieb nur, durch Gebete, Beschwörungen, Opfergaben und Spenden an die Kirchen, um Heilung für die Kranken und Erhaltung der Gesundheit zu bitten. Epidemien und Pandemien sowie der Umgang mit ihnen begleiteten uns bis ins 21. Jahrhundert, denn Infektionen verschwanden selten: 2003 verängstigte SARS die Welt. 2009 war die Furcht vor der Schweinegrippe groß. Da nur wenige Tausend Menschen in Österreich an der Schweinegrippe erkrankten, wurde Kritik laut, für nichts und wieder nichts Angst geschürt und unnötig Steuergelder für das Medikament Tamiflu verschleudert zu haben. 2020 kam Covid-19. Selbst wenn wir uns dank diverser am Markt befindlicher Medikamente und vor allem zahlreicher Impfstoffe lange Zeit in Österreich sowie in Mittel- und Westeuropa kaum mit Pandemien befassen mussten, gab es wohl keine Phase in der Geschichte, in der weltweit nicht irgendwo irgendeine Seuche grassierte. Nicht selten werden bestimmte Gegenden mit Epidemien in Verbindung gebracht. So wurde die »Spanische Grippe« oft fälschlicherweise mit dem beliebten Urlaubsland assoziiert, während sie vermutlich in den Vereinigten Staaten oder in China ausgebrochen war. In Indonesien hingegen wurde sie als »Russische Grippe« bezeichnet. Die Polen titulierten sie als »bolschewistische Krankheit«, die Dänen dachten, sie käme »aus dem Süden«, die Bewohner Brasiliens nannten sie die »Deutsche Grippe«, während sie umgekehrt für die Senegalesen als »Brasilianische Grippe« bekannt war. Die Syphilis war in Frankreich als »Spanische Krankheit«, in Deutschland als »Französische Krankheit« und in Polen als »Deutsche Krankheit« namhaft. SARS-CoV-2 galt wahlweise als amerikanisches oder als »Wuhan-Virus« »made in China« oder auch als »kung flu«. Dieser Stigmatisierung einzelner Länder setzte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eigentlich ein Ende, denn seit 2015 dürfen sich laut WHO Krankheitsnamen nicht mehr auf Orte, Menschen, Tiere oder Nahrungsmittel beziehen – eine Regel, die für US-Präsident Donald Trump 2020 in Bezug auf Corona nur Schall und Rauch war. Anhand ausgewählter historischer Beispiele soll in diesem Buch der Ausbruch von Seuchen in Österreich und Mitteleuropa sowie ihr Einfluss auf medizinische, gesellschaftliche, aber auch soziale Entwicklungen aufgezeigt werden. Jede Epidemie hat, wenn man so will, ihre eigenen Gesetze, ihre eigene Geschichte, eng verbunden mit den gesellschaftlichen Voraussetzungen, den jeweiligen historischen Ereignissen, mit dem Stand der medizinischen Forschung und mit den Möglichkeiten der Kommunikation. Aber sie hat auch ihre eigenen Verschwörungstheorien: von der Geißel Gottes über ein Geheimprogramm biologischer Kriegsführung bis hin zu gefälschtem Aspirin oder der Schuldhaftigkeit der Impfungen. Selbst während Corona verbreiteten sich manche Fake News schneller als das Virus selbst, wie etwa die Aussage, Chinesen, Amerikaner oder Juden hätten das Virus bewusst in die Welt gesetzt und mit der Impfung würde den Menschen ein Chip eingesetzt werden. Dennoch waren es gerade Seuchen, die in Österreich immer wieder die Anregung für innovative...


Daniela Angetter-Pfeiffer, Dr., geboren in Wien, studierte Geschichte und Germanistik und ist am Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage der Österreichischen Akademie der Wissenschaften tätig. Die aktive Notfallsanitäterin befasst sich intensiv mit Medizin-, Militär-, (Natur-) und Wissenschaftsgeschichte, Notfall- und Katastrophenmedizin.


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