Asbrand / Schmitz / Hasselhorn | Lehrbuch Klinische Kinder- und Jugendpsychologie und Psychotherapie | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 626 Seiten

Asbrand / Schmitz / Hasselhorn Lehrbuch Klinische Kinder- und Jugendpsychologie und Psychotherapie

E-Book, Deutsch, 626 Seiten

ISBN: 978-3-17-040356-7
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Dieses neue Lehrbuch gibt einen breiten und empirisch fundierten Ein- und Überblick in das Gebiet der Klinischen Kinder- und Jugendpsychologie und Psychotherapie. Es zielt insbesondere auf die Vermittlung von theoretischem Fachwissen und praktischen Kompetenzen für Studierende im Bachelor- und Masterstudium der Psychologie in der Vertiefung der Klinischen Kinder- und Jugendlichenpsychologie ab. Spezifische Lernfragen leiten Studierende durch die Kapitel und geben Orientierung für Prüfungen.
Erfahrene Autorinnen und Autoren geben zunächst einen Überblick über zentrale Themen wie Entwicklungspsychopathologie, Diagnostik, Psychotherapieforschung sowie die wichtigsten, in Deutschland zugelassenen, Psychotherapieverfahren. Im Fokus des Lehrbuchs werden folgend die wichtigsten Störungsbilder in ihrem klinischen Erscheinungsbild, Epidemiologie, Diagnostik, ätiologischen Modellen zur Entwicklung, Verlauf und Behandlungsansätze dargestellt. Das gesamte Spektrum von emotionalen und Verhaltensstörungen, Entwicklungsstörungen, Sucht und somatoformen Störungen wird abgedeckt.
Ein weiterer störungsübergreifender Teil stellt relevante Grenzgebiete der Klinischen Kinder- und Jugendlichenpsychologie dar, indem auf Prävention, Pharmakologie, rechtliche Grundlagen, Jugendhilfe sowie verschiedene Settings eingegangen wird. Anschauliche Fallbeispiele geben einen Einblick in die Praxis.
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Weitere Infos & Material


2          Entwicklungspsychopathologie
Anika Werner, Arnold Lohaus & Sakari Lemola
2.1        Lernfragen
1.  Was bedeutet der Begriff Entwicklungspsychopathologie? 2.  Was ist der Unterschied zwischen Äqui- und Multifinalität? 3.  Was sind Risiko- und Schutzfaktoren und auf welchen Ebenen können sie wirken? 4.  Was ist der Unterschied zwischen homo- und heterotypischer Kontinuität? 5.  Welche Rolle spielen Entwicklungsaufgaben bei der Entstehung von Psychopathologien? 6.  Wie erklärt die Netzwerktheorie die Entstehung von Psychopathologien? 2.2        Fallbeispiel
Marie (9 Jahre) zeigte schon als Kleinkind immer wieder Schlafprobleme und wirkte auf ihre Eltern häufig traurig. Diese Problematik hat sich bis heute chronifiziert und ihre Eltern merken, dass sie sich immer mehr zurückzieht. Maries Mutter leidet seit ihrer Jugend an einer wiederkehrenden depressiven Störung, die nach Maries Geburt in einer postpartalen Depression mündete. Daher lernte Marie schon früh die Symptome ihrer Mutter kennen und hatte Schwierigkeiten, den häufig niedergeschlagenen Gesichtsausdruck der Mutter richtig zu deuten. Im Kindergarten wurde Marie immer wieder von anderen Kindern geärgert und ausgeschlossen. Im Schulalter entwickelte sie eine anhaltende Schulangst, die mit schlechten Schulleistungen einherging. Maries Eltern bemerkten außerdem, dass Marie ein Kind mit eher sensitiven Empfindungen gegenüber ihrer Umwelt und äußeren Reizen zu sein scheint. Dies hat zur Folge, dass sie zwar positive Reize und Erlebnisse besonders intensiv und dankbar annehmen kann, jedoch auch, dass sie in der Schule häufig abgelenkt wird und dem Unterricht schlechter folgen kann. Außerdem scheint sie oft niedergeschlagen zu sein, u. a. aufgrund von negativem Feedback ihrer Lehrerin. Im weiteren Entwicklungsverlauf merkt Marie während der Pubertät, dass sie anfälliger als die meisten ihrer Freundinnen für gewisse Stressoren (z. B. Klassenarbeiten) ist und darauf immer wieder mit verschiedenen Symptomen wie Kopf- und Bauchschmerzen reagiert. 2.3        Begriffsdefinitionen
Die Entwicklungspsychopathologie beschäftigt sich mit normativen1 und abweichenden Entwicklungsverläufen und legt dabei einen Fokus auf die Ursachen psychischer Störungen, den Verlauf dieser sowie die daran beteiligten Wirkmechanismen (Petermann & Noeker, 2008). Dabei untersucht sie jene Prozesse, die eine Entstehung bzw. Vermeidung psychischer Störungen bedingen können (Heinrichs & Lohaus, 2020). Eine bestehende Psychopathologie trägt dazu bei, dass die betroffene Person gewisse Entwicklungsaufgaben nicht oder nur unzureichend erfüllen kann (Israel et al., 2021), was wiederum zusätzliche Probleme nach sich zieht und den weiteren Verlauf einer Störung beeinflusst. Es wird eine Wechselwirkung biologischer, soziokultureller und psychologischer Faktoren angenommen, die die Entwicklung einer Person über die Zeit hinweg beeinflussen (Weis, 2018). Wegen der Vielzahl der potenziellen Einflussfaktoren und ihrer Wechselwirkungsverhältnisse ist die Vorhersage der kindlichen Entwicklung sowie ihrer kontinuierlichen Veränderung schwierig und herausfordernd (Weis, 2018). Daher wird die komplexe Formung der Entwicklung durch unterschiedlichste Faktoren als probabilistische Epigenese bezeichnet (Weis, 2018). Definition
Mit dem Begriff der probabilistischen Epigenese wird zum Ausdruck gebracht, dass Entwicklung nur mit gewissen Wahrscheinlichkeiten durch mögliche Einflussfaktoren bestimmt wird. 2.3.1      Normative und abweichende Entwicklung
Obwohl die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen individuell unterschiedlich ist, können dennoch bestimmte Entwicklungsschritte und Verhaltensweisen als normgerecht und altersangemessen bezeichnet werden, wohingegen andere Verhaltensweisen eher davon abweichen (Lohaus & Vierhaus, 2019). Entwicklungsabweichungen bezeichnen dabei Abweichungen von normgerechter Entwicklung. Um Aussagen darüber zu treffen, ob gewisse Verhaltens- und Erlebensweisen von normaler Entwicklung abweichen, ist ein grundlegendes Wissen über eine normale kindliche Entwicklung essenziell (Weis, 2018). Hierbei spielen besonders die jeweiligen Entwicklungsaufgaben in den verschiedenen Altersstufen eine wesentliche Rolle ( Kap. 2.5.1). Entwicklungsabweichungen sind dann psychische Störungen, »wenn das Verhalten und/oder Erleben bei Berücksichtigung des Entwicklungsalters abnorm ist und/oder zu einer Beeinträchtigung führt« (Steinhausen, 2019, S. 21). Israel et al. (2021) führen mehrere Faktoren auf, anhand derer eine Entwicklungsabweichung bestimmt werden kann. Dazu gehören Entwicklungsverzögerung, Entwicklungsrückschritt oder -verschlechterung, extrem hohe oder niedrige Häufigkeit oder Intensität eines Verhaltens, über die Zeit anhaltende Verhaltensprobleme, der Situation unangemessenes Verhalten, abrupte Änderungen des Verhaltens, mehrere Verhaltensprobleme und Verhalten, das qualitativ von normalem Verhalten abweicht. Für die Bestimmung von normativem und abweichendem Verhalten ist der Grad wichtig, in dem ein Verhalten kindliche Kompetenzen fördert, in dem es dazu dienlich ist, sich den eigenen Lebensumständen anzupassen, und in dem es die Entwicklung fördert (Israel et al., 2021; Weis, 2018). Dabei wird adaptives Verhalten als funktional für die Entwicklung sozialer, emotionaler und verhaltensbezogener Kompetenzen definiert, wohingegen maladaptives Verhalten diese Entwicklung behindert bzw. den wechselnden Bedingungen der Umgebung nicht entgegenkommt (Weis, 2018). Aus den dargestellten Überlegungen folgt gleichzeitig, dass nicht jedes normabweichende Verhalten problematisch ist. So kann grundsätzlich beispielsweise eine Hochbegabung als normabweichend gelten, da sie von der typischen Entwicklungsnorm abweicht. Dennoch liegt in der Regel keine Beeinträchtigung des Erlebens und Verhaltens vor und auch eine Maladaptation muss damit nicht verbunden sein. Eine hohe Intelligenz beispielsweise ist meist förderlich bei der Adaptation an die jeweiligen Umgebungsbedingungen, während eine hohe musische Begabung es einfacher macht, Musikinstrumente spielen zu lernen. 2.3.2      Grundkonzepte der Entwicklungspsychopathologie
Im Kontext der Entwicklungspsychopathologie existieren verschiedene Grundkonzepte, die zum Verständnis von Entwicklung und Entwicklungsabweichungen essenziell sind. Verschiedene Entwicklungsbedingungen können ähnliche Entwicklungsergebnisse bewirken (Äquifinalität) und umgekehrt können ähnliche Erlebnisse in der Entwicklungsgeschichte zu unterschiedlichen Verhaltens- und Erlebensweisen führen (Multifinalität; Weis, 2018). So können zwei völlig unterschiedliche Kinder mit verschiedenen Entwicklungsbedingungen (bei Kind 1 lassen sich z. B. gerade die Eltern scheiden, wohingegen Kind 2 die depressive Erkrankung der Mutter miterlebt) später das gleiche Problemverhalten aufweisen (z. B. eine depressive Symptomatik; Äquifinalität). Andersherum können auch gleiche Entwicklungsbedingungen (beispielsweise die Alkoholabhängigkeit des Vaters) bei unterschiedlichen Kindern zu verschiedenen Problemverhaltensweisen beitragen (z. B. entwickelt Kind 1 eher ängstliche Symptome, wohingegen Kind 2 im Jugendalter mit einem Substanzmissbrauch beginnt; Multifinalität). Besonders im Kindes- und Jugendalter kommt der Entwicklungspsychopathologie aufgrund der rasanten Entwicklung kognitiver, emotionaler und verhaltensbezogener Aspekte eine besondere Bedeutung zu. Da sich einige psychische Störungen bis ins Erwachsenenalter chronifizieren, spielt die Entwicklungspsychopathologie eine große Rolle (Beauchaine & Hinshaw, 2017). Es existiert weiterhin eine fortwährende Debatte darüber, ob die menschliche Entwicklung einer kontinuierlichen (quantitativen) oder einer diskontinuierlichen (qualitativen) Entwicklung unterliegt. Grundsätzlich kann angenommen werden, dass einige Bereiche der Entwicklung einer qualitativen Veränderung unterliegen. So markiert der Übergang vom vorsprachlichen in ein sprachliches Denken eine qualitative Veränderung, da dadurch Denkvorgänge wesentlich effektiver vonstattengehen können (Lohaus & Vierhaus, 2019). Auf der anderen Seite gibt es Aspekte, die eher einem kontinuierlich quantitativen Verlauf folgen (z. B. die Wortschatzentwicklung, die durch eine quantitative Zunahme über die Zeit hinweg charakterisiert ist). Vor allem wenn zentrale Entwicklungsschritte nicht oder deutlich verzögert eintreten, ist mit gravierenden Konsequenzen...


Prof. Dr. Julia Asbrand, Dipl.-Psych., Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Professur für Klinische Psychologie des Kindes- und Jugendalters, Leiterin der Spezialambulanz für Kinder, Jugendliche und Familien, Friedrich-Schiller-Universität Jena. Prof. Dr. Julian Schmitz, Dipl.-Psych., Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Professur für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie, Leiter der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz für Kinder und Jugendliche, Universität Leipzig.

Mit Beiträgen von:
Julia Asbrand, Lorenz Deserno, Manfred Döpfner, Monika Equit, Nina Haid-Stecher, Charlotte Hanisch, Daniela Hartmann, Tanja Hechler, Judith Höning, Tina In-Albon, Inge Kamp-Becker, Henriette Katzenstein, Susanne Knappe, Laura Kraus, Anika Langmann, Sakari Lemola, Katajun Lindenberg, Arnold Lohaus, Wolfgang Lutz, Simone Munsch, Belinda Platt, Lukka Popp, Hannah Rach, Corinna Reck, Rüdiger Retzlaff, Julian Rubel, Cedric Sachser, Angelika Schlarb, Silvia Schneider, Johanna Schoppmann, Christina Schwenck, Sabine Seehagen, Kathrin Sevecke, Michael Simons, Sanna Stroth, Thomas Ufer, Ulrike Urban-Stahl, Kirsten v. Sydow, Paula Viefhaus, Kai von Klitzing, Lutz Wartberg, Anika Werner, Lars White, Katrin Woitecki, Andrea Wyssen, Martina Zemp und Anna-Lena Zietlow.


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