Barry | Freefall – Die Wahrheit ist dein Tod | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 432 Seiten

Barry Freefall – Die Wahrheit ist dein Tod

Thriller

E-Book, Deutsch, 432 Seiten

ISBN: 978-3-423-43611-3
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Wenn dein Leben eine Lüge ist, kann die Wahrheit dich töten
Als Einzige überlebt die 30-jährige Ally einen Flugzeugabsturz in den Rocky Mountains. Völlig auf sich gestellt kämpft sie sich durch die Wildnis. Doch jemand ist ihr auf den Fersen – jemand, der sicherstellen will, dass niemand das Unglück überlebt. Tausende von Kilometern entfernt kann Allys Mutter Maggie nicht glauben, dass ihre Tochter tödlich verunglückt sein soll. Jahrelang hatte sie keinen Kontakt zu ihr, jetzt setzt sie alles daran, mehr über ihre Tochter zu erfahren: Ally führte ein glamouröses Leben – aber wie viel davon war echt? Während sie in die Vergangenheit ihrer Tochter eintaucht, gerät Maggie selbst in größte Gefahr.
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Maggie
»Maggie. Maggie.« Ich hörte die Stimme durch das Dröhnen in meinen Ohren. Mein Blickfeld war weiß, die Ränder aber verschwammen, wurden dunkler und vertrauter. »Maggie.« Es war Jim. »Maggie, sie befand sich in einer viersitzigen Maschine, die aus Chicago kam. Man vermutet, dass sie irgendwo über den Rockys in Colorado abgestürzt ist.« »Willst du damit sagen, dass meine Tochter tot ist?« Das war nicht meine Stimme. Da sprach jemand anders in einer Realität, die auch nicht meine war. »Das wissen wir noch nicht«, sagte er. »Sie konnten die Absturzstelle noch nicht ausfindig machen, aber nach den Funksignalen zu urteilen, bevor die Verbindung abbrach …« Das veränderte alles. Sie konnte noch am Leben sein. Die Hoffnung erblühte wie eine Sonnenblume in meiner Brust. »Woher weißt du überhaupt, dass sie in der Maschine war?« Vielleicht war sie gar nicht in Gefahr. Vielleicht war sie zu Hause, in Sicherheit. »Ihr Name stand im Flugregister – ihrer und der des Mannes, der die Maschine geflogen hat. Ich habe die Unterlagen des Flughafens gesehen, sie hatten ein Foto von ihr in den Akten … Sie ist es.« »Schon gut. Schon gut.« Mein Verstand kam in Gang. Meine Kleine wurde in den Bergen vermisst. Sie war verängstigt und allein und vermutlich verletzt. Aber nicht tot. »Wie kann ich euch helfen? Wir stellen einen Suchtrupp zusammen. Soll ich herumtelefonieren? Oder hinfliegen?« Jim sprach ganz langsam. »Man sucht schon nach ihr, Maggie.« »Aber wer?« Es gefiel mir nicht, dass Fremde nach ihr suchten. Sie würden nicht wissen, wie sie sie finden sollten, würden Fehler begehen, weil sie sie nicht so gut kannten wie ich. »Ich will wissen, wer da draußen nach meiner Tochter sucht. Sie ist ganz allein, Jim. Ich will ihre Namen erfahren.« »Sie tun alles, was sie können, Maggie. Die Ranger suchen überall in den Bergen nach der Absturzstelle. Die örtliche Polizei ist auch eingebunden. Aber du musst mir zuhören. Es war ein Flugzeugabsturz. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie überlebt hat … ist nicht groß.« Ich schaute ihn eindringlich an und sah die Traurigkeit in seinen Augen. »Sie ist am Leben«, sagte ich überzeugter, als ich mich fühlte. »Ally ist zäh. Ich bin mir sicher, dass sie noch lebt.« Er nickte bedächtig. »Wir tun, was wir können, um sie zu finden. Das verspreche ich dir. Shannon, schau doch mal, ob du irgendwo Schnaps findest.« Er dachte, ich stünde unter Schock. Ich sei nicht ganz bei mir. »Es geht mir gut, Jim«, fauchte ich. »Er wird dir helfen.« Er drehte sich um und zeigte mit dem Finger. »Da oben, im Fach über dem Kühlschrank. Weiter nach rechts – genau, da ist er.« Shannon hielt eine Flasche Baileys in die Höhe. »Ist das alles, was da steht?« Sie nickte. »Mist, wo ist denn der Brandy? Ihr habt doch sonst welchen im Haus.« Er goss den Likör in meinen benutzten Kaffeebecher und drückte ihn mir in die Hand. »Trink.« Ich kam mir vor wie ein Kind, das seine Milch bekommt. Zögernd nahm ich einen Schluck. Das Zeug war zu süß, wie ein Milchshake. Ich stellte den Becher auf den Tisch und legte die Hände auf die abgenutzte Platte. »Verdammt, wie schwer kann es denn sein, ein Flugzeug zu finden? Können die keinen Satelliten benutzen? Hubschrauber?« Ich versuchte, den Gedanken an Ally zu verdrängen, die verängstigt und allein dort draußen war. Das half mir nämlich überhaupt nicht. Fakten würden helfen. Ich musste die Fakten kennen. »Es wird alles Menschenmögliche getan, das verspreche ich dir.« Ich überlegte fieberhaft. Jim hatte gesagt, sie seien zu zweit im Flugzeug gewesen. »Wer war der Mann? Der Pilot, meine ich. Wie hieß er?« Er rutschte auf dem Stuhl herum. »Sie suchen noch nach seinen nächsten Angehörigen, um sie zu verständigen.« Aus dem Augenwinkel sah ich die kleine Polizistin, wie sie mit einem Küchenhandtuch auf der Arbeitsplatte herumwischte. Mich packte die Wut. »Aber du weißt es? Du weißt es und sagst es mir nicht.« »Ehrlich, Maggie, ich weiß nicht mehr als du.« Ich stand auf, nahm der Frau das Tuch weg und bearbeitete damit eine kleine Stelle auf der Fläche. Der Teig auf dem Holzbrett fiel langsam in sich zusammen. »Ich muss weiterkneten«, murmelte ich vor mich hin. Es kam mir wie eine unerträgliche Verschwendung vor, den Teig wegzuwerfen. Ich bemehlte Hände und Brett und fing an, den Teig mit den Handballen von mir wegzudrücken und wieder zurückzufalten. Hin und her. Hin und her. Hin und her. Jim stand auf und berührte meine Schultern. »Warum legst du dich nicht hin? Shannon kann dir einen Tee machen – würdest du mal Wasser aufsetzen?« »Ich will mich nicht hinlegen, und ich will auch keinen Tee, vielen Dank, Shannon. Ich will diesen Teig zu Ende kneten, sonst geht er im Ofen nicht richtig auf.« Jims Hände verkrampften sich, und ich hörte, wie er seufzte. »Maggie, lass den verdammten Teig. Bleib eine Minute sitzen und beruhige dich. Atme mal tief durch.« Ich schoss herum. »Mein kleines Mädchen ist irgendwo da draußen, und du sagst mir, ich soll mich beruhigen?« Jim sah mich lange an. »Es tut mir leid«, sagte er leise, »aber es ist nicht gut, wenn du dich so aufregst.« Ich blieb still. Er nahm seine Mütze und hielt sie in beiden Händen. »Ich rufe den Arzt an und erkundige mich, ob er dir etwas zur Beruhigung verschreiben kann. Ich werde Linda bitten, es unterwegs für dich abzuholen.« »Jim, ich bin nicht verrückt. Meine Tochter ist mit dem Flugzeug abgestürzt. Es tut mir leid, wenn dir meine Reaktion unangenehm ist.« Ich konnte ihm ansehen, dass er verletzt war, und schon tat es mir leid. Ich versuchte es noch einmal. »Hast du’s Linda schon erzählt?« »Ich bin sofort hergekommen, aber ich dachte, du würdest –« Er seufzte. »Sie wird dir helfen wollen, und, falls ich das sagen darf, du brauchst jetzt dringend eine gute Freundin.« In diesem Augenblick wollte ich keinen Menschen auf der Welt außer meiner Tochter sehen, aber ich wusste, es hatte keinen Sinn, mich gegen Linda Quinns Hilfsbereitschaft zu wehren. Ich nickte. »Sag ihr, sie soll kommen, wenn sie ein bisschen Zeit hat.« »Ich fahre jetzt zu ihr.« Er nahm die Schlüssel vom Tisch. Er konnte es gar nicht abwarten, zu gehen, die Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Sie wird sich beeilen. Bis dahin bleibt Shannon hier.« Ich betrachtete die kleine Polizistin, die am Saum der Tischdecke herumfummelte. Sie lächelte nervös. Etwas an ihr – die runden, von langen Wimpern umrahmten Augen, der kecke Pferdeschwanz, ihre glatte, faltenlose Haut – beleidigte mich. Sie war so jung. Jünger als Ally. Welches Recht hatte sie, hier zu sein? »Ich komme allein zurecht«, sagte ich kühl. Jim umklammerte die Krempe seiner Mütze. »Da bin ich mir sicher, aber es wäre mir trotzdem lieber, wenn jemand bei dir bleibt. Nur bis Linda hier ist. Du hast einen furchtbaren Schock erlitten, und ich würde einfach –« Er schaute mich flehend an. »Bitte, damit ich beruhigt sein kann.« Ich nickte. »Na schön.« Ich ließ den Teig in eine eingeölte Glasschüssel fallen, deckte ihn mit einem Geschirrtuch ab und stellte ihn zum Gehen in die Vorratskammer. Dort verharrte ich eine Minute, betrachtete die säuberlich eingeräumten Regale mit Mais, Olivenöl und Nudeln und lehnte den Kopf an die kühle Wand. Ich hörte die beiden im Raum nebenan über mich flüstern. Noch nie im Leben hatte ich mich so hilflos gefühlt. Ich holte tief Luft und kehrte in die Küche zurück. Jim umarmte mich unbeholfen. »Ich melde mich, sobald ich etwas höre. Und was immer du brauchst, sag Bescheid.« »Finde einfach nur mein Mädchen.« Er nickte. »Bis bald. Shannon, du kümmerst dich um sie.« Shannon nickte, und wir beide hörten, wie die Tür hinter ihm zufiel. Ihre Wangen waren rosig. Sie trug einen Claddagh am Ringfinger der rechten Hand, die Spitze des Herzens deutete nach außen. Am liebsten hätte ich sie geschlagen. »Möchten Sie wirklich keinen Tee?«, fragte sie besorgt. »Oder noch Kaffee?« Ich schüttelte den Kopf. »Mir geht’s gut, ehrlich. Sie können jederzeit gehen. Sie haben sicher Besseres zu tun.« Ich wusste nicht, wie lange ich ihr unschuldiges kleines Gesicht ertragen konnte, ohne zu schreien. »Chief Quinn hat mir befohlen, hierzubleiben, also mache ich das auch.« Ihre Stimme klang fest, und sie sah mir die Überraschung wohl an. »Es ist mein erster Monat«, fügte sie entschuldigend hinzu. »Ich will keinen Ärger mit dem Boss.« »Verstehe.« Ich drehte mich um und stützte mich an der Spüle ab. Ich bemühte mich, ruhig zu atmen. Es war wichtig, dass sie meine Tränen nicht sah. Reiß dich zusammen, Margaret. Reiß dich um Himmels willen zusammen. Ich weiß nicht, wie lange ich so dastand. Eine Minute? Zehn? Dann sagte sie: »Wissen Sie was?« Ich drehte mich um. Ihr Gesicht verriet mir, dass sie die Risse in meiner Fassade bemerkte. »Ich warte einfach draußen vor der Tür. Wenn Sie was brauchen, rufen Sie. Und sobald Mrs Quinn hier ist, mache ich mich auf den Weg, versprochen.« Das war freundlich von ihr, und ich wusste das Angebot zu schätzen. »In Ordnung«, erwiderte ich. Sie ging nach draußen, ließ die Tür aber mit einem bedauernden »Vorschrift, Ma’am« angelehnt. Ich hatte genügend Romane gelesen, um zu wissen, dass ich nun, da ich mit meinen Gedanken allein war, eigentlich auf die Knie fallen und einen archaischen Schrei ausstoßen sollte. Doch ich saß nur da und starrte ins Nichts und...


Goga-Klinkenberg, Susanne
Susanne Goga-Klinkenberg lebt als Übersetzerin und Autorin in Mönchengladbach und ist Mitglied des deutschen PEN-Zentrums. Sie studierte Literaturübersetzen in Düsseldorf und ist seit 1995 freiberuflich für verschiedene renommierte Verlage tätig. Für dtv hat sie unter anderem Chris Cleave, Wendy Walker und Jessica Barry übersetzt.

Barry, Jessica
Jessica Barry wuchs in einer Kleinstadt in Massachusetts auf und studierte an der Boston University und am University College London Englisch und Kunstgeschichte. Heute ist sie in der Verlagsbranche tätig und lebt mit Ehemann und zwei Katzen in London.

Jessica Barry wuchs in einer Kleinstadt in Massachusetts auf und studierte an der Boston University und am University College London Englisch und Kunstgeschichte. Heute ist sie in der Verlagsbranche tätig und lebt mit Ehemann und zwei Katzen in London.


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