Baysha / Bosshard / Crome | Kriegsfolgen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 220 Seiten

Baysha / Bosshard / Crome Kriegsfolgen

Wie der Kampf um die Ukraine die Welt verändert

E-Book, Deutsch, 220 Seiten

ISBN: 978-3-85371-904-6
Verlag: Promedia
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die blau-gelbe Fahne steht für Freiheit, das ominöse russische Zeichen "Z" für Unterdrückung. So einfach ist der Krieg um die Ukraine nicht erklärbar, obwohl sich unter europäischen Staatskanzleien und Leitmedien nur diese eine Erzählung festgesetzt hat. Der Band "Kriegsfolgen" will jenseits von Propaganda die Motive und die Folgen dieser seit Generationen gefährlichsten Weltkrise durchleuchten.
In mehreren Kapiteln werden die Vorgeschichte des Konflikts, der Kriegsgang selbst, die Beteiligung des westlichen Bündnisses über Waffenlieferungen für die Ukraine und Sanktionen gegen Russland, das Erstarken der politischen Rechten in Kiew und Moskau sowie die Rolle der Medien im transatlantischen Raum durchleuchtet. Dem Vormarsch der NATO und dem wirtschaftlichen Ausgriff der EU in Richtung Osten steht das Konzept "russki mir" gegenüber, das die Zusammenführung der "russischen Welt" betreibt. Die Ukraine ist zwischen Ost und West – nicht zum ersten Mal in der Geschichte – zum Spielball im geopolitischen Ringen geworden.
Die von Brüssel ausgerufene Parteinahme für Kiew hat in Windeseile zu einer russophoben Stimmung im Westen geführt, die selbst vor verstorbenen russischen Künstlern – und erst recht vor lebenden – nicht Halt macht. Das Canceln russischer Kultur stellt der sogenannten "Wertegemeinschaft" ein katastrophales Zeugnis aus und erinnert in Vielem an ein längst überwunden geglaubtes Feindbild Russland. Dem entgegenzutreten und die Hintergründe des Krieges vorurteilsfrei zu bewerten, haben sich die Autorinnen und Autoren dieses Bandes zur Aufgabe gemacht.
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Andrea Komlosy
Historische Momente der ukrainischen Staatsbildung (1917-1991)
Als Tod, Nahrungsmittelknappheit und Hunger, Epidemien und Aufstände im Jahr 1917 die alten Mächte immer mehr unter Druck setzten, begannen sich die Verhältnisse zu ordnen – und zwar in sozialer, politischer und territorialer Hinsicht. Neben den Forderungen nach Brot und Frieden, die massenhaft und eruptiv zum Ausdruck kamen, wurden in den Imperien der Romanows, Habsburger und Hohenzollern konkrete Utopien greifbar: der Umsturz der alten Ordnung, die soziale Revolution, die nationale Befreiung und damit einher gehende Vorstellungen neuer politischer Verfasstheit. Gleichzeitig mobilisierten die kriegführenden Parteien alle Kräfte, um ihre Ziele zu erreichen und die aufbrechenden Bewegungen für ihre Interessen einzuspannen. Daraus ergaben sich seltsame Allianzen und unübliche »Bettgenossen«. Das Generalität des Deutschen Reichs vereinbarte mit den russischen Revolutionären im Schweizer Exil, ihren Anführer Lenin im plombierten Zug nach Petrograd zu bringen, damit eine von diesen betriebene Revolution den Zusammenbruch des zaristischen Feindes bewirke. Die Verschwörung ging auf, und Deutschland und die bolschewistische Regierung vereinbarten am 15. Dezember 1917 einen Waffenstillstand. Am 3. März 1918 wurde in Brest-Litowsk der Friede zwischen den Mittelmächten und Russland geschlossen. Deutsche und österreichisch-ungarische Truppen standen zu diesem Zeitpunkt in den baltischen und ukrainischen Gebieten Russlands. Diese Länder setzten auf ukrainische Getreidelieferungen als letzte Chance, angesichts der akuten Versorgungskrise die Menschen daheim ernähren und den Krieg gegen die Alliierten im Westen fortsetzen zu können. In Brest-Litowsk erhielten ihre Delegierten die Möglichkeit, direkte Verhandlungen mit der Delegation der Kiewer Zentralrada zu führen, die die Vertretung der ukrainischen Bevölkerung für sich reklamierte. Der russische Verhandlungsleiter Leo Trotzki gestand der aus Kiew angereisten ukrainischen Delegation selbstständigen Verhandlungsstatus zu.1 Tatsächlich erweisen sich die Jahre 1917 bis 1920 als Moment der Entstehung eines ukrainischen Staates, genauer: gleich mehrerer ukrainischer Staaten. Auf ehemals zaristischem Gebiet erstand die Ukrainische Volksrepublik mit Zentralrada in Kiew. Im mehrheitlich von Ukrainern – die in der Habsburgermonarchie als Ruthenen geführt wurden – bewohnten Ostgalizien entstand die Westukrainische Volksrepublik mit Sitz in Lwiw/Lwow/Lemberg. Unter dem Druck der polnischen Ansprüche auf ihr angestrebtes Staatsgebiet kam es trotz unterschiedlicher staatspolitischer Konzeptionen zur Vereinigung der Westukrainischen mit der Kiewer Volksrepublik. Obwohl die ukrainischen Volksrepubliken in den Folgejahren dem militärischen Druck Polens, der Roten und Weißen Armeen im Bürgerkrieg nicht standhielten, wird der 22. Jänner 1919 heute als Tag der Einheit gefeiert. Unbestritten ist, dass bereits 1917 unter dem Eindruck der zerfallenden Reiche eine – von ihren Proponenten so bezeichnete – ukrainische Staatlichkeit Gestalt anzunehmen begann. Das geschah allerdings in einander überlagernden und bekämpfenden Formen, von bürgerlich-national, bäuerlich-sozialrevolutionär, in allen möglichen Schattierungen von sozialistisch, kommunistisch und anarchistisch geprägten Projekten ukrainischer Eigenstaatlichkeit auf der einen Seite, oder als (autonomer) Teil des aus der bürgerlichen Februarrevolution oder der bolschewistischen Oktoberrevolution hervorgegangenen zaristischen Nachfolgestaates auf der anderen Seite. Dieser Möglichkeitsmoment, in dem sich neue politische Projekte herauskristallisierten, war überschattet von Kämpfen, Erschöpfung, Desertion, Hunger und gewaltsamer Nahrungsmittelrequirierung. Er wurde weniger von Berufsrevolutionären, Nationalisten und Parteistrategen als von verzweifelten Massen geprägt, die ihren eigenen Widerstand lebten, dabei jedoch von den Kriegsparteien und den Truppen der sich formierenden neuen Armeen bzw. Verwaltungen in den Dienst genommen bzw. funktionalisiert wurden. Dass dies nur begrenzt funktionierte, zeigt die große Zahl von kleinen »Republiken«, die sich jeder Administration entzogen und in einer Mischung aus bäuerlichem Gemeindegeist, Bandenkommando und anarchistischer Freiheitsliebe selbstverwaltet wurden. Dieser Beitrag will der Offenheit der Situation gerecht werden, von der sämtliche Bemühungen um politische, soziale und nationale Neuordnung geprägt waren. Dabei kann es nicht darum gehen, legitime von illegitimen Projekten zu unterscheiden. Das Handeln war sowohl von der Notwendigkeit geprägt, so rasch wie möglich das durch den Krieg in Frage gestellte Überleben der Menschen vor Ort zu sichern, als auch von dem Bestreben beflügelt, den allgemeinen Zusammenbruch zur Durchsetzung neuer politischer Projekte zu nutzen. Der Raum der Ukraine
Eine politische Einheit namens Ukraine gab es bis 1917 nicht. Die heterogenen Gebiete mit mehr oder weniger starker ukrainischer Bevölkerung als solche zu bezeichnen, ergibt retrospektiv nur dann Sinn, wenn man sie einer Finalität eines ukrainischen Nationalstaates unterordnen will. Die Nachbarschaft zu den Mongolen verlieh dem Gebiet im Osten der Kiewer Rus, der ersten ostslawisch-orthodoxen Reichsgründung (9.–13. Jahrhundert) mit Sitz in Kiew, damals die Bezeichnung ukraina (»Grenzland«). Mit der Zurückdrängung der Goldenen Horde und der Verlagerung des Reichszentrums nach Moskau entfiel die Aufgabe der Grenzsicherung. Das Gebiet blieb jedoch Grenzland zwischen dem polnischen Einfluss im Westen und dem russländischen Einfluss im Osten und als solches im Laufe der Geschichte zwischen den beiden Großmächten umkämpft und geteilt. Aber es war auch ein besonderer Zwischenraum mit Brückenfunktionen zwischen West und Ost. Das heutige Russland und die Ukraine teilen sich die Nachfolge der Kiewer Rus, auch wenn im Jahr 2022 die Staats- und Kirchenführung Russlands die Vorherrschaft beansprucht und jene der Ukraine alles nur Erdenkliche unternimmt, die daraus erwachsene kulturelle Verbundenheit zu zerstören. Die Teilgebiete der späteren Ukraine weisen unterschiedliche Geschichte, ethno-kulturelle Bevölkerungszusammensetzung und staatliche Zugehörigkeit auf, insbesondere zum Königreich Polen-Litauen (bis zu den polnischen Teilungen ab 1772), zu Russland und zu Österreich-Ungarn. Uns interessieren hier insbesondere die Umstände, wie sich in diesen Gebieten nach dem Zusammenbruch der Reiche der Wunsch nach politischer Neuordnung entwickelt hat und wie dieser mit der Etablierung ukrainischer Staatlichkeit verbunden war. Nach der Vorstellung der Staatsbildungsprojekte 1917-1920 folgt ein Ausblick auf die Nationalbewegungen in der Zwischenkriegszeit und ihre Bemühungen, den Russlandfeldzug der Wehrmacht 1941 erneut als Chance für die Erringung ukrainischer Eigenstaatlichkeit zu nutzen. Der Beitrag schließt mit der Auflösung der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik im Jahr 1991. Die Frage der ukrainischen Nationsbildung kann hier nur kurz angeschnitten werden. Da es keinen historischen Vorläuferstaat gab, kristallisierte sich die Vorstellung einer eigenen ukrainischen Nationalität erst im Zusammenhang mit dem »nationalen Erwachen« anderer Völker im 19. Jahrhundert heraus, insbesondere dem polnischen Nationalismus, von dem sich das Ukrainische abhob. Durch die Annexion des polnischen Teilungsgebiets am Ende des 18. Jahrhunderts herrschten die Habsburger im Kronland Galizien über eine multiethnische und multikonfessionelle Bevölkerung von katholischen Polen (im Westen), die den Adel und die Oberschicht stellten, griechisch-katholischen Ukrainern (in Ostgalizien) aus vorwiegend klein- und unterbäuerlicher Herkunft sowie jüdischen Stadtbewohnern. Im russischen Vielvölkerstaat stand der russische Nationalismus gegenüber der allrussischen Idee einer gemeinsamen ostslawischen Völkerfamilie zurück. In Österreich-Ungarn wurde die Entwicklung der regionalen Variante des ostslawischen Sprachkontinuums zum Ukrainischen unter der Bezeichnung »Ruthenisch« nicht zuletzt deshalb unterstützt, weil es ein Gegengewicht zum dominanten Polentum im Kronland Galizien darstellte. Auch in Russland förderte man die ukrainische Sprache in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Gelehrten- und Literatengesellschaften, während der polnische Aufstand von 1863 den allrussischen Anspruch stärkte, Ukrainer ebenso wie Weißrussen als kleinrussische Spielart des Russischen zu sehen. Die Verwendung des Ukrainischen als Schriftsprache wurde seither im öffentlichen Leben stark zugunsten des Russischen eingeschränkt.2 Abgesehen von der Sprache zeichnet sich ukrainische Identität durch die Zugehörigkeit zu der mit Rom unierten Kirche aus, die auf die Union von Brest im Jahr 1596 zurückgeht und die Orthodoxen im Königreich Polen-Litauen dem Papst in Rom unterstellte. Im polnischen Teilungsgebiet Galizien blieben die Ruthenen unter Habsburg uniert, während in dem Teil Polens, der von Russland okkupiert wurde, die unierte zugunsten der russisch-orthodoxen Kirche zurückgedrängt wurde. Trotz des unterschiedlichen Umgangs in der Sprachförderung in den beiden Reichen bildete sich im 19. Jahrhundert, vorangetrieben durch LiteratInnen, LehrerInnen und Geistlichkeit, dies- und jenseits der habsburgisch-zaristischen Grenze eine ukrainische Schriftsprache heraus. Die Masse der ländlichen Bevölkerung kann hier wie dort in nationaler Hinsicht als indifferent bezeichnet werden, wozu auch die Vielfalt der ostslawischen Sprachvarianten beitrug....


Hannes Hofbauer, geboren 1955 in Wien, Studium der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Publizist und Verleger. Von ihm ist u.a. erschienen: "Feindbild Russland. Geschichte einer Dämonisierung" (2016) sowie "Zensur. Publikationsverbote im Spiegel der Geschichte" (2022).
Stefan Kraft, geboren 1975 in Wien, Verleger und Publizist. Von ihm erschien u.a. (als Herausgeber) "Der junge Marx".


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