Becker / Kuhn / Ossenkop | Geschlecht und Sprache in der Romania: Stand und Perspektiven | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 35, 398 Seiten

Reihe: Romanistisches Kolloquium

Becker / Kuhn / Ossenkop Geschlecht und Sprache in der Romania: Stand und Perspektiven

E-Book, Deutsch, Band 35, 398 Seiten

Reihe: Romanistisches Kolloquium

ISBN: 978-3-8233-0458-6
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die hier versammelten Beiträge des XXXV. Romanistischen Kolloquiums widmen sich aktuellen Fragestellungen zum Thema ,Geschlecht und Sprache' unter besonderer Berücksichtigung der Diskussion in unterschiedlichen Gebieten der Romania. Dabei wird auch der gesellschaftspolitischen und interdisziplinären Dimension des Themas Rechnung getragen. Nach einer kritischen Präsentation aktueller Debatten und Forschungsfelder der Genderlinguistik und Queeren Linguistik befassen sich drei Beiträge aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit Leitfäden zur sprachlichen Gleichbehandlung der Geschlechter. In fünf weiteren Artikeln wird die Geschlechterreferenz in der italienischen und französischen Pressesprache sowie in galicischen Urkunden des Spätmittelalters untersucht, bevor abschließend der Zusammenhang zwischen Genderdiskursen und Ideologien in unterschiedlichen Kontexten thematisiert wird.
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Einleitung
Das XXXV. Romanistische Kolloquium, das im Wintersemester 2020/2021 aufgrund der Coronapandemie als öffentliche Online-?Ringvorlesung von der WWU Münster aus organisiert wurde, griff mit Geschlecht und Sprache in der Romania: Stand und Perspektiven zum zweiten Mal in der Geschichte des Kolloquiums das Thema einer vergangenen Tagung wieder auf. Bereits 1994 waren im Rahmen des X. Romanistischen Kolloquiums relevante Beschreibungsansätze und Fragestellungen diskutiert worden, die sich am Beispiel unterschied­licher romanischer Sprachen mit der Wechselbeziehung zwischen Genus und Sexus in Sprach­system und Sprachgebrauch befassten (cf. Dahmen et al. 1997). Seitdem hat sich der sprachwis­senschaftliche Blick auf die Kategorie ‚Geschlecht‘ zunehmend weiterentwickelt. Der Fokus liegt mittlerweile nicht mehr ausschließlich auf der Wechselbeziehung zwischen dem gramma­tischen und dem biologischen Geschlecht, sondern auch und vor allem auf der Beziehung zwischen Sprache und soziokulturellen Geschlechterrollen sowie Geschlechtsidentitäten (Gender), die als Teil eines umfassenden Konzeptes der soziokulturellen Vielfalt (Diversity) betrachtet werden. Standen in den 1990er Jahren, zumindest mit Bezug auf die Romania, noch die Referenz auf Frauen und die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Sprachgebrauch von Männern und Frauen im Mittelpunkt linguistischer Forschung, so rückt aktuell immer stärker die Überwindung einer strikten Zweigeschlechtlichkeit in Sprachgebrauch und Sprachsystem in den Fokus, womit auch gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung getragen wird. Darüber hinaus hat auch die diskursive Ebene immer stärker an Relevanz gewonnen. Mit Geschlecht und Sprache: Stand und Perspektiven wird ein Thema in den Mittelpunkt des Romanistischen Kolloquiums gestellt, das nicht nur in der Linguistik, sondern aufgrund seiner gesellschaftspolitischen Dimension in unterschiedlichen Fachkreisen und auch interdisziplinär diskutiert wird und darüber hinaus eine hohe gesellschaftliche Sichtbarkeit genießt. In Deutsch­land hat das im November 2017 verkündete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Einführung eines dritten positiven Geschlechtseintrags im Personenstandsrecht (cf. BVerfG 2017) sicherlich maßgeblich dazu beigetragen, dass zunehmend Formulierungen in der offiziellen und öffentlichen Kommunikation verwendet werden, die die Intention verfolgen, alle Geschlechter einzubeziehen, wofür Bezeichnungen wie geschlechter- bzw. gender­gerechter, -sensibler, -neutraler oder inklusiver Sprachgebrauch verwendet werden. Was unter der jeweiligen Bezeichnung zu verstehen ist und wie das dahinterstehende Konzept sprachlich umgesetzt werden kann, wird u. a. in den Medien öffentlichkeitswirksam diskutiert. Erinnert sei an die Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit einem Referentenentwurf zum Sanierungs- und Insolvenzrecht vom Oktober 2020, der weitgehend im generischen Femininum verfasst war, oder an die im November 2021 an Ministerien und Bundesgerichte gerichtete Empfehlung der damaligen Bundesjustiz- und Familienministerin, Sonderzeichen wie den Stern oder den Unterstrich in der offiziellen Kommunikation zu vermeiden und stattdessen auf neutrale Formulierungen oder Beidnennungen zu rekurrieren (cf. Zimmermann 2021). Ähnliches lässt sich auch in der Romania beobachten: Genannt seien u. a. der 2021 veröffentlichte Runderlass des französischen Erziehungsministers zum Gebrauch nichtdiskriminierender Formulierungen in Schriftstücken der Verwaltung sowie im Unterricht (cf. MENJS 2021), die Aufnahme des nichtbinären Personalpronomens iel in den Dico en ligne Le Robert (cf. Bimbenet 2021) oder die Stellungnahme der Real Academia Española (2020) zu einer Anfrage der Vizepräsidentin der spanischen Regierung hinsichtlich der Notwendigkeit, den Text der Verfassung durch nichtdiskriminierende Formulierungen zu modifizieren. Die hier versammelten Beiträge des XXXV. Romanistischen Kolloquiums widmen sich aktuellen Fragestellungen und Forschungsansätzen zum Thema ‚Geschlecht und Sprache‘ unter besonderer Berücksichtigung der Diskussion in unterschiedlichen Gebieten der Romania, wobei die Perspektive zu Beginn interdisziplinär erweitert wird. Thematisch gliedert sich der Band in vier Teile: In den ersten beiden Beiträgen werden aktuelle Debatten und Forschungsfelder der Genderlinguistik und Queeren Linguistik aufgezeigt und diskutiert. Es schließen sich drei Beiträge an, die sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit Leitfäden zur sprachlichen Gleichbehandlung der Geschlechter befassen: erstens ausgehend von der Textsorte selbst, zweitens ausgehend von ihrer Funktion innerhalb der Institution Kirche und drittens mit Bezug auf das Dolomitenladinische. Fünf weitere Beiträge sind der Untersuchung der Geschlechterreferenz in der italienischen und (aktuellen oder historischen) französischen Pressesprache sowie in galici­schen Urkunden des Spätmittelalters gewidmet. Den Abschluss des Bandes bilden zwei Beiträge, in denen der Zusammenhang zwischen Genderdiskursen und Ideologien untersucht wird. Susanne Günthner gibt zu Beginn einen Überblick über die Debatte um eine gendergerechte deutsche Sprache und setzt dabei den Schwerpunkt auf aktuelle Tendenzen innerhalb der deut­schen Diskussion, die sie sowohl aus linguistischer Perspektive als auch aus dem Blickwinkel der Öffentlichkeit beleuchtet. Dabei geht sie u. a. den Fragen nach, ob und inwiefern Androzen­trismus und Binarität als im System der deutschen Sprache ‚eingeschrieben‘ angesehen werden können und wie die Beziehung von Sprache, Kognition und Wirklichkeitskonstruktion zu charakterisieren ist. Auch stellt sie die Referenzproblematik des ‚generischen Maskulinums‘ dar und diskutiert verschiedene Realisierungsmöglichkeiten gendergerechter und -neutraler Alternativen im Deutschen. Es schließt sich ein Beitrag von Martin Stegu mit Überlegungen zu einer allgemeinen, angewandten und romanistischen Queeren Linguistik an. Dabei geht er von den Fragen aus, ob sich Queere Linguistik auf ein bestimmtes Forschungsobjekt richtet oder ob sie als methodischer Ansatz, als eigene Disziplin oder als Subdisziplin innerhalb der Wissenschaft und speziell der Linguistik zu betrachten ist. Zur näheren Bestimmung von Rolle, Status, Funktionen und Aufgabenfeldern der Queeren Linguistik dienen die theoriebezogene Erläuterung des Begriffs queer, die wissenschaftliche Verortung der Queer Studies sowie die Auseinandersetzung mit der Konstruktion von ‚Identität‘ im queeren Kontext. Die Textsorte der Leitfäden für geschlechtergerechte/?inklusive Sprache steht im Mittelpunkt des Beitrags von Daniel Elmiger. Auf der Basis einer selbst angelegten Leitfadensammlung, die zum Zeitpunkt der Abfassung des Beitrags 1.654 Referenzwerke zu über 40 Sprachen um­fasste, legt der Verfasser ausführlich dar, welche Kriterien er der Auswahl und Abgrenzung einzelner Leitfäden für die Aufnahme in die Sammlung zugrunde legt. Anhand einer Analyse der in der Sammlung vertretenen Leitfäden für Spanisch, Französisch, Katalanisch/?Valencia­nisch und Italienisch zeigt er einzelsprachlich und sprachvergleichend Tendenzen auf, die widerspiegeln, wie viele Leitfäden von 1980 bis 2021 für die vier genannten Sprachen(paare) veröffentlicht wurden und mithilfe welcher Attribuierungen der in den Leitfäden heran­gezogene Gegenstand im zeitlichen Verlauf bezeichnet wurde. Kristina Bedijs nimmt in ihrem Artikel eine länder- und sprachenvergleichende Bestands­auf­nahme zum Gebrauch gendersensibler Sprache in der evangelischen Kirche vor. Zunächst geht sie auf die Bedeutung von Gleichstellung und deren enge Verbindung zu gendersensibler Spra­che innerhalb der Institution Kirche ein. Daran anknüpfend untersucht sie die Bemühungen um Gleichstellung und einen gendersensiblen Sprachgebrauch im spirituellen, juristischen und ad­ministrativen Bereich der deutschen, französischen und schweizerischen evangelischen Kirche. Ruth Videsott setzt sich in ihrem Beitrag mit der sprachlichen Gleichbehandlung in der Minderheitensprache Dolomitenladinisch auseinander und fokussiert, mit Vergleich zum Deutschen und Italienischen, die Bildung und den Gebrauch von Berufsbezeichnungen in den drei Varietäten Gadertalisch, Grödnerisch und Fassanisch. Nach der detaillierten Betrachtung der Bildung von Berufsbezeichnungen aus morphologischer Perspektive führt sie auf der Grundlage von Zeitungsartikeln der ladinischen Wochenzeitung La Usc di Ladins von 2019 und 2020 sowie journalistischer Texte des Corpus general dl ladin eine exemplarische Korpusanalyse zu drei Bezeichnungen aus den Bereichen Politik, Recht und Handwerk durch. Ziel der Untersuchung ist es, Aussagen zum Gebrauch und zur Akzeptabilität der Bezeichnungen in den drei ladinischen Varietäten abzuleiten. Im ersten von vier Beiträgen, die sich mit geschlechtergerechtem Sprachgebrauch in der Presse befassen, nimmt Antje Lobin eine aktuelle Bestandsaufnahme italienischer Personenbezeich­nungen vor. Am Beispiel einer Fallstudie zur Darstellung der EU-?Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Artikeln der Tageszeitungen La Repubblica und Corriere della Sera von 2019 vergleicht sie die aktuellen Formen der Personendarstellung mit den Ergebnissen einer früheren Studie von Burr (in: Dahmen et al. 1997). Der Fokus der Untersuchung liegt auf ausgewählten Personenbezeichnungen zur Referenz auf Ursula von der Leyen, auf verschiedenen Realisierungsmöglichkeiten bei der Bezeichnung mit Eigennamen sowie auf weiteren Be- und Zuschreibungen...


Prof. Dr. Lidia Becker ist Professorin für Romanische Sprachwissenschaft/Hispanistik an der Universität Hannover.

Prof. Dr. Julia Kuhn ist Professorin für Romanische Sprachwissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Prof. Dr. Christina Ossenkop ist Professorin für Romanische Sprachwissenschaft an der WWU Münster.

Prof. Dr. Claudia Polzin-Haumann ist Professorin für Romanische Sprachwissenschaft an der Universität des Saarlandes.

Prof. Dr. Elton Prifti ist Inhaber des Lehrstuhls für Romanische Philologie an der Universität des Saarlandes.


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