Becker / Kuhn / Ossenkop | Zwischen Pluralität und Präskription: Sprachnormen in der Romania in Geschichte und Gegenwart | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 36, 243 Seiten

Reihe: Romanistisches Kolloquium

Becker / Kuhn / Ossenkop Zwischen Pluralität und Präskription: Sprachnormen in der Romania in Geschichte und Gegenwart

E-Book, Deutsch, Band 36, 243 Seiten

Reihe: Romanistisches Kolloquium

ISBN: 978-3-381-11093-3
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Der Band versammelt ausgewählte Beiträge des XXXVI. Romanistischen Kolloquiums, die aktuelle sprachnorm(en)bezogene Fragestellungen aus der romanistisch-linguistischen Forschung behandeln. Historische Zusammenhänge und Entwicklungen stehen dabei ebenso im Fokus wie aktuelle Gegebenheiten. Die Beiträge, die sich sowohl in der europäischen Romania als auch in der außereuropäischen Frankophonie und Hispanophonie bewegen, behandeln ein breites Spektrum an Themen: Neben der Rolle von Sprachnormen in Standardisierungsprozessen wird das Spannungsverhältnis von Sprachgebrauch und -normen im Kontext verschiedener Konstellationen sowie die gesellschaftliche, mediale oder öffentliche Diskussion von Sprachnormen exemplarisch untersucht. Der Band unterstreicht die Bedeutung der Erforschung von Sprachnormen romanischer Sprachen in ihren vielfältigen Erscheinungsformen, Kontexten und Wirkungen.
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Weitere Infos & Material


Einleitung
Sprachnormen und Standardisierung
Georg Kremnitz: Über die Veränderungen der Ausrichtung von Referenzformen dominierter romanischer Sprachen. Überlegungen anhand vor allem des Okzitanischen und Katalanischen
Felix Tacke: Die Rekonfiguration und Modernisierung romanischer Standardsprachen: Zu einem doppelten Paradigmenwechsel im Italienischen, Spanischen und Katalanischen

,Alte' und ,neue' Sprecher:innen, Sprachgebrauch und -perzeption in der außereuropäischen Frankophonie und Hispanophonie
Imane Capelle: Normes linguistiques en contexte de langue minoritaire: le cas du Francais Louisianais
Clara Comas Valls: Pluralidad de normas en espanol: discurso normativo y percepción en torno a tres estructuras morfosintácticas
Rabea Fröhlich: Usos del pretérito perfecto compuesto (PPC) en la provincia de Arequipa: entre usos canónicos y tendencias innovadoras

Diskurse und Debatten in Gesellschaft, Medien und Öffentlichkeit
Agustin Corti: La ideologia del estándar y su impacto en ELE. Un análisis de documentos normativos, manuales y representaciones de futuros ensenantes
Dietmar Osthus: Sprachnormenkonzepte in der öffentlichen Auseinandersetzung: die Debatte um die écriture inclusive in Frankreich
Benjamin Peter: Typologie de normes communicatives et démarcatives : analyse de discours acadiens


Einleitung
Sprachnorm(en)bezogene Fragen beschäftigen die romanistisch-linguistische Forschung aus unterschiedlichsten Perspektiven und in verschiedensten Zusammenhängen, z. B. in der Sozio-, Varietäten-, Medien- und Diskurslinguistik, Studien zur Sprachpolitik oder den Forschungen zur Räumlichkeit der romanischen Sprachen (z. B. Plurizentrik, Sprachgeographie, Linguistic Landscapes). Sprachnormen und sprachnormative Diskurse sind ein zentrales Moment für unser Verständnis sowohl historischer Entwicklungen und Standardisierungsprozesse als auch aktueller (mitunter konflikthafter) Situationen. Von dieser zentralen Bedeutung zeugt allein ein kursorischer Blick auf Handbücher der romanistischen Linguistik (cf. z. B. Holtus/Metzeltin/Schmitt 1990 und 1992; Ernst et al. 2003–2008; Kolboom/Kotschi/Reichel ²2008; Born et al. 2012; Ayres-Bennett/Carruthers 2018; Ridruejo 2019; Lebsanft/Tacke 2020; Eckkrammer 2021), neben unzähligen Einzelstudien auf verschiedenen Maßstabsebenen. Die vielfältigen, oftmals von impliziten Normen bestimmten gesellschaftlichen Zusammenhänge, in denen romanische Sprachen verwendet werden, bieten schier unerschöpfliche Forschungsfragen, ebenso das beständige Ringen um ‚die richtige Norm‘ – und nicht zuletzt das Spannungsverhältnis zwischen beiden Dimensionen, das sich u. a. auch in den (bisweilen kontroversen) Diskussionen innerhalb einer breiteren Öffentlichkeit oder in Lehr-/Lernkontexten romanischer Sprachen in Schule oder Universität spiegelt (cf. z. B. Bertrand/Schaffner 2010; Leitzke-Ungerer/Polzin-Haumann 2017). Dem zentralen Thema der Sprachnormen in ihren vielfältigen Erscheinungsformen, Kontexten und Wirkungen widmete sich das XXXVI. Romanistische Kolloquium. Angesichts der COVID-19-Pandemie fand das Kolloquium im Wintersemester 2021/22 als wöchentliche Vortragsreihe statt, organisiert an der Universität des Saarlandes. Der vorliegende Band versammelt ausgewählte Beiträge des XXXVI. Romanistischen Kolloquiums, die verschiedene der eingangs skizzierten sprachnorm(en)bezogenen Fragestellungen behandeln. Dabei zeigen sich einmal mehr die engen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Dimensionen, zwischen historischen Entwicklungen und aktuellen Gegebenheiten. Die Beiträge bewegen sich sowohl in der europäischen Romania als auch in der außereuropäischen Frankophonie und Hispanophonie. Sie wurden insgesamt drei Schwerpunkten zugeordnet, zwischen denen durchaus auch Querbezüge bestehen: Zwei Beiträge sind primär der Rolle von Sprachnormen in Standardisierungsprozessen gewidmet. Es schließen sich drei Beiträge an, die an verschiedenen Sprachen und im Kontext verschiedener Konstellationen das Spannungsverhältnis von Sprachgebrauch und -perzeption untersuchen. Schließlich beleuchten drei weitere Beiträge die gesellschaftliche, mediale oder öffentliche Diskussion von Sprachnormen. Georg Kremnitz eröffnet den Band mit Überlegungen zu grundlegenden Aspekten des Sprachausbaus in der Romania, die er v. a. am Ausbau des Okzitanischen vom Spätmittelalter bis in die Gegenwart exemplifiziert. Die Orientierung an wechselnden Vorbildern geht mit einer stärkeren Annäherung des Okzitanischen an oder seiner Entfernung von diesen Bezugssprachen einher. Der Beitrag bietet damit Anknüpfungspunkte für die Betrachtung weiterer dominierter romanischer Sprachen in Geschichte und Gegenwart. Felix Tacke befasst sich aus vergleichender Perspektive mit der Standardisierung des Italienischen, Spanischen und Katalanischen. Dabei zeichnet er einen grundlegenden Wandel in der Entwicklung der drei Standardsprachen nach, der letztlich mit einer Neukonfiguration der normgebenden Kriterien verbunden ist und auch von den mit der Normierung befassten Akteuren entsprechende Anpassungen verlangt. Diese nach Tacke neue Form der „Standardsprachlichkeit unter den Bedingungen der Spätmoderne“ (55) charakterisiert sich durch eine Öffnung des formellen Standards für traditionell als nicht dem Standard zugehörig eingestufte Domänen. Der Autor plädiert für eine systematische Beschreibung der neuen Standardsprachen im Rahmen „einer vergleichenden Standardologie“ (29). Im zweiten Abschnitt präsentiert zunächst Imane Capelle einen aktuellen Blick auf die Situation des Louisianischen Französisch. Nach einem einleitenden Überblick über die Gesamtsituation der Sprache, verbunden mit einer ausführlichen Beschreibung der sprachplanerischen Arbeiten des Council for the Development of French in Louisiana (CODOFIL), werden erste Ergebnisse einer Studie zu den Einstellungen verschiedener Sprecher:innengruppen vorgestellt. Der Beitrag zeigt die Probleme im Zusammenhang mit der Wahl der Sprachnorm in Louisiana, macht aber auch deutlich, dass der Konsens über die Notwendigkeit der Sprachbewahrung die divergierenden Normauffassungen überlagert. Die beiden folgenden Artikel führen in die hispanophone Welt. Vor dem Hintergrund der Plurizentrizität des Spanischen setzt sich Clara Comas Valls mit drei zentralen morphosyntaktischen Variablen in Mexiko und Spanien auseinander: dem Gebrauch von pretérito perfecto simple/compuesto, der (fehlenden) Pluralisierung des direkten Objektpronomens (Typ „se lo(s) compró“) und der Temporalpräposition hasta. Dabei stellt sie den normativen Diskurs verschiedener sprachlicher Referenzwerke und die Wahrnehmung der Sprecher:innen einander gegenüber. Es wird gezeigt, dass trotz einer allgemeinen Kenntnis der diatopischen Spezifika v. a. im Hinblick auf Mexiko die Beschreibungs- und Kodifikationsarbeit noch nicht umfassend geleistet wird. Auch das metasprachliche Wissen der Sprecher:innen aus beiden Ländern divergiert. Die Ergebnisse lassen laut Comas Valls insbesondere unter den mexikanischen Informant:innen eine gewisse Unsicherheit im Hinblick auf Fragen der Sprachnormen erkennen. Auch Rabea Fröhlich setzt sich mit der Opposition von pretérito perfecto simple/compuesto auseinander, fokussiert dabei allerdings auf letzteres. Ihr Beitrag ist den zentralen Funktionen und Verwendungskontexten des pretérito perfecto compuesto (PPC) in der Provinz Arequipa (Peru) gewidmet. Nach einer Darstellung des Forschungsstands zu den Vergangenheitstempora in den andinen Varietäten (Bolivien, Ecuador, Peru) arbeitet Fröhlich anhand von umfassendem Datenmaterial sog. „usos canónicos“ und „usos innovadores“ des PPC in Arequipa heraus. Die Daten werden vor dem Hintergrund der Spachkontaktsituation mit amerindischen Sprachen und andinen Varietäten einerseits und den spezifischen kommunikativen Funktionen des PPC andererseits, die nicht zuletzt stark mit der Person des Sprechenden zusammenhängen, interpretiert. Die Beiträge im dritten Abschnitt behandeln Diskurse und Debatten rund um Sprachnormen in Gesellschaft, Medien und Öffentlichkeit. Auch hier sind der hispanophone und der frankophone Sprachraum präsent. Agustín Corti analysiert die Standardsprache als Ideologie inklusive damit verknüpfter kultureller Praktiken im Kontext des Spanischen als Fremdsprache. Dabei unterscheidet er eine Makroebene der normativen Arbeit verschiedener Akteure auf europäischer Ebene und eine Mikroebene, die sich u. a. über Curricula und Lehrwerke und in Repräsentationen und Handlungen von (angehenden) Lehrenden manifestiert. Es wird deutlich, wie die Setzung der Ideologie des Standards auf der Makroebene in der Folge die Mikroebene bestimmt, jenseits des nicht präskriptiven Charakters des Modells. So manifestiert sich im gegebenen Fall ein nicht unbedingt mit linguistischen Beschreibungen konform gehender peninsulär bestimmter Standard, von dem ausgehend das lateinamerikanische Spanisch als Variante konzeptualisiert wird. Dietmar Osthus widmet sich der öffentlichen Debatte um geschlechts-/gendergerechten Sprachgebrauch in Frankreich, insbesondere jüngsten Debatten zur inklusiven Sprache. Im Mittelpunkt stehen dabei weniger die bekannten Argumente für und gegen die inklusive Schreibweise an sich, sondern die unterschiedlichen Sprachnormenkonzepte, die in den Debatten zutage treten. An ausgewählten Beispielen werden die Kriterien dessen, was als sprachlich ‚korrekt‘ gilt, sowie die damit verbundenen normativen Instanzen herausgearbeitet, ebenso die Gewichtung der sozialen Aspekte der Geschlechtergleichstellung gegenüber der sprachlichen Ebene der morphologischen Paradigmen. Die Studie strebt damit einen Beitrag zum besseren Verständnis des sozialen Rahmens sprachnormativer Diskurse in der heutigen Zeit an. Benjamin Peter schließlich greift mit der aktiven Aushandlung von Normen auf einer metapragmatischen Ebene eine in der Forschung eher wenig beachtete, gleichwohl insbesondere im Kontext minorisierter Sprachen wichtige Frage auf. Ausgehend von vorliegenden Forschungsarbeiten zum akadischen Französisch wird der Begriff der ‚demarkativen Normen‘ eingeführt und als metapragmatische Kategorie im Kontinuum der Sprachproduktionen von den kommunikativen Normen abgegrenzt. Das entworfene Modell wird anschließend für eine Analyse ausgewählter Diskurse über das akadische Französisch verwendet. Im Sinne der citizen sociolinguistics wird gezeigt, wie sprachliche Elemente – unabhängig von ihrer tatsächlichen Bedeutung – zur umfassenden Identitätskonstruktion in einem sprachlichen und sozialen Normenhierarchiegefüge genutzt werden. Die Studien in diesem Band unterstreichen nicht nur die Aktualität und hohe gesellschaftliche Relevanz sprachnorm(en)bezogener Fragen, sondern einmal mehr die Vielfältigkeit der romanistisch-linguistischen Forschung zum Komplex der Sprachnormen, sei es die ausgewählten Sprachen oder Sprachräume betreffend, seien es die gewählten...


Prof. Dr. Lidia Becker ist Professorin für Romanische Sprachwissenschaft/Hispanistik an der Universität Hannover.

Prof. Dr. Julia Kuhn ist Professorin für Romanische Sprachwissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Prof. Dr. Christina Ossenkop ist Professorin für Romanische Sprachwissenschaft an der WWU Münster.

Prof. Dr. Claudia Polzin-Haumann ist Professorin für Romanische Sprachwissenschaft an der Universität des Saarlandes.

Prof. Dr. Elton Prifti ist Inhaber des Lehrstuhls für Romanische Philologie an der Universität des Saarlandes.


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