Benoy | COVID-19 - Ein Virus nimmt Einfluss auf unsere Psyche | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 178 Seiten

Benoy COVID-19 - Ein Virus nimmt Einfluss auf unsere Psyche

Einschätzungen und Maßnahmen aus psychologischer Perspektive

E-Book, Deutsch, 178 Seiten

ISBN: 978-3-17-040592-9
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



In kürzester Zeit hat das neue Coronavirus die Welt auf den Kopf gestellt. Zur Eindämmung der Infektionen werden seit mehr als einem Jahr rund um den Globus bisher ungekannte restriktive Maßnahmen angeordnet, die Gewohnheiten und Bedürfnisse massiv einschränken. Die 2. Auflage bündelt die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, wie sich die Pandemie und die einhergehenden Maßnahmen auf unsere Psyche auswirken und wie mit der außergewöhnlichen Situation umgegangen werden kann. Dabei wird auf besonders gefährdete Gruppen eingegangen, wie Kinder und Jugendliche, ältere Menschen, pflegende Angehörige oder das Gesundheitspersonal, und es werden spezifische gesellschaftliche Aspekte der Pandemie beleuchtet, wie etwa das Maskentragen, der soziale Zusammenhalt, Medienkonsum oder Verschwörungstheorien. Das Buch beschreibt psychologische Interventionen und gibt Empfehlungen für den Umgang mit Ängsten, Ärger oder Aggressionen sowie eine erfolgreiche Gestaltung des Homeoffice.
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Weitere Infos & Material


1          Psychologische Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und der einhergehenden Maßnahmen
Charles Benoy
1.1       Einleitung
Am 31. Dezember 2019 wurde der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmals von einer Häufung unbekannter Lungenerkrankungen in Wuhan, der weitläufigen Hauptstadt der zentralchinesischen Provinz Hubei, berichtet. Bereits einige Tage später meldeten die chinesischen Behörden, ein bisher unbekanntes und neuartiges Coronavirus als Erreger für die Lungenerkrankungen identifiziert zu haben, welches den Namen SARS-CoV-2 erhielt. Am 30. Januar 2020, lediglich einen Monat nach der erstmaligen Meldung aus Wuhan, stufte die WHO die neuartige Epidemie als internationale Notlage ein. Die ersten bestätigten Neuerkrankungen außerhalb Chinas wurden Ende Februar 2020 gemeldet. Nur ca. zwei Wochen später, am 11. März, erklärte die WHO den Ausbruch schlussendlich zur Pandemie, was mit weitreichenden weltweiten Maßnahmen einherging. Infektionserkrankungen dieses globalen Ausmaßes, einhergehend mit den weitreichenden Maßnahmen und Einschränkungen, die uns allen (immer noch) gegenwärtig sind, sind für die Psyche eine sehr bedeutsame Belastung. Diese außergewöhnliche Situation trifft unsere Psyche unvorbereitet, die Maßnahmen sind unvergleichlich. Wir Menschen haben für diese Situation keine gelernten Verhaltensmuster, auf die wir zurückgreifen können. Die Situation ist zudem unvorhersehbar und langandauernd. Für unsere Psyche, die auf das Streben nach Sicherheit und Kontrolle eingestellt ist, bedeutet das in erster Linie sehr ausgeprägten Stress und die Notwendigkeit einer umfassenden Anpassungsleistung. Aus vorhergehenden Epidemien wissen wir um die psychischen Belastungen und Folgen dieser Stressreaktionen. Neben der Eindämmung aller somatischen Folgen des neuartigen Coronavirus sollten die psychologischen Risiken nicht außer Acht gelassen werden. Vorherige Epidemien sind im Ausmaß zwar nicht vergleichbar, weisen aber gleichwohl auf beträchtliche psychische Folgen hin (z. B. Barbisch et al. 2015). Die vielzähligen weltweiten Untersuchungen über die psychischen Folgen der COVID-19-Krise und den damit zusammenhängenden Maßnahmen bestätigen die vorhergesagten ausgeprägten Auswirkungen auf die menschliche Psyche. Untersuchungen aus früheren Epidemien erlauben uns zudem, die langfristigen Folgen abzuschätzen. In der vorliegenden 2. Auflage wurden die Struktur des Kapitels an die vielen neuen Erkenntnisse angepasst und die Inhalte vollständig überarbeitet und ergänzt. So werden aufeinanderfolgend erst die wichtigsten negativen Faktoren für die menschliche Psyche, die in Studien ermittelten Auswirkungen auf die menschliche Psyche sowie die spezifischen gesellschaftlichen Risikogruppen ausgeführt, um schlussendlich Empfehlungen und Maßnahmen zu beschreiben, die die psychischen Belastungen mindern können. 1.2       Negative Einflussfaktoren der Pandemie auf die menschliche Psyche
Einschränkung menschlicher Kontakte
Im Gegensatz zu den meisten Erkrankungen, unter denen vor allem die direkt Betroffenen und deren Angehörige leiden, hat COVID-19 Auswirkungen auf das Leben der gesamten Gesellschaft. Auch wenn sich die Maßnahmen länderübergreifend unterscheiden, so haben alle das gleiche Ziel: die direkten zwischenmenschlichen Kontakte einzuschränken, um die Übertragung des Virus einzudämmen. Diese Einschränkung von direkten sozialen Kontakten stellt jedoch für unsere Psyche eine der wohl größten Herausforderungen dar. Der Mensch ist nämlich ein soziales Wesen. Wie kein anderes Lebewesen wissen wir uns mit einer großen Anzahl anderer Menschen (und über weite Distanzen) zu vernetzen. Die Verbindung zu Artgenossen herzustellen und aufrechtzuerhalten, ist in gewissem Maße ein Teil unserer genetischen Aufgabe und löst im menschlichen Gehirn positive Gefühle wie Verbundenheit, Glück und Sicherheit aus. Wir brauchen den direkten Austausch zu anderen Menschen, um uns zugehörig zu fühlen, Feedback einzuholen und uns sicher zu fühlen. Die menschliche Kommunikation funktioniert vielschichtig und nicht lediglich über die Sprache. Hier spielen direkter Körperkontakt, Körpersprache, Mimik und vieles mehr eine sehr wichtige Rolle. Schränken wir gewisse Kommunikationskanäle der zwischenmenschlichen Kommunikation ein, fehlt es dem Menschen an zwischenmenschlichem (Beziehungs-)Feedback, wie beispielsweise der Rückmeldung, auch weiterhin geliebt, gebraucht, geschätzt oder gesehen zu werden. Fehlen dem menschlichen Hirn diese wichtigen Informationen, reagiert es mit Stress und Unsicherheit. Emotionen wie Einsamkeit, Trauer, Angst oder auch innere Unruhe, Wut oder Aggressionen können die Folge sein. Die aus den reduzierten zwischenmenschlichen Kontakten resultierenden negativen emotionalen Folgen betreffen alle gesellschaftlichen Bereiche. Zu Beziehungsängsten im privaten Bereich kommen meist auch Ängste bzgl. der Zugehörigkeit oder Leistungsängste im beruflichen Kontext aufgrund fehlenden Feedbacks oder unzureichendem Kontakt zum Arbeitgeber im Homeoffice dazu. Es fallen zudem viele weitere gemeinschaftliche, religiöse oder spirituelle Unterstützungsangebote weg, die Zugehörigkeitsgefühle vermitteln und sich so nachweislich positiv auf das psychische Wohlbefinden auswirken (z. B. Reger et al. 2020). Viele wissenschaftliche Untersuchungen rund um den Globus bestätigten diesen negativen Effekt. So stellte beispielsweise eine internationale Studie aus 78 Ländern fest, dass soziale Unterstützung ein Schutzfaktor (sog. protektiver Faktor) gegen psychisches Leiden seit Beginn der Pandemie ist (Gloster et al. 2020). Eine Studie mit über 20.000 Teilnehmenden während des ersten Lockdowns unterstrich gleichermaßen den in sehr bedeutsamem Maße verstärkenden Faktor von sozialer Isolation und Einsamkeit auf die psychischen Belastungen der COVID-19-Pandemie (Fiorillo et al. 2020). Eine große deutsche Studie stellte ergänzend fest, dass stärkere Maßnahmen und stärkere Einschränkungen der sozialen Kontakte wie erwartet mit stärkeren Einsamkeitsgefühlen, ausgeprägterem psychosozialem Stress und größerer Lebensunzufriedenheit einhergingen (Benke et al. 2020). Wenngleich die Maßnahmen nicht direkt mit psychischen Störungen in Verbindung zu bringen sind, so sind Einsamkeitsgefühle und psychosozialer Stress als begünstigende Faktoren für die Entwicklung von psychischen Störungen bekannt (Benke et al. 2020). So musste der Faktor Einsamkeitsempfinden während des ersten spanischen Lockdowns als stärkster Vorhersagefaktor (sog. Prädiktor) für psychische Symptome wie Depression, Angst oder auch posttraumatischen Stress festgestellt werden (González-Sanguinoa et al. 2020). Und längst vor den pandemischen Entwicklungen des letzten Jahres waren die starken Zusammenhänge von Einsamkeit und sozialer Isolation zu Suizidgedanken und suizidalem Verhalten bekannt (Reger et al. 2020), weswegen von der Einschränkung der sozialen Kontakte und der damit einhergehenden potenziellen Vereinsamung wohl eine der größten Gefahren für die menschliche Psyche ausgeht. Einschränkung der (Bewegungs-)Freiheit
Neben dem zuvor beschriebenen Grundbedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit und Vernetzung haben Menschen ebenfalls Grundbedürfnisse nach Freiheit und Kontrolle. Fühlt sich der Mensch in seiner Bewegung, Mobilität oder in seinen Handlungsalternativen eingeschränkt, so führt dies zu innerem Widerstand, der sich in psychischem Stress, innerer Unruhe, Anspannung bis hin zu Aggressionen äußern kann. Dies ist ganz besonders dann der Fall, wenn er oder sie sich zu Unrecht oder unfreiwillig eingeschränkt fühlt. Die Art und Weise, wie eine Einschränkung verstanden oder interpretiert wird, spielt somit eine wichtige Rolle in Bezug darauf, wie viel psychisches Leiden diese auslöst. So wirkte sich eine subjektiv angenommene, aber nicht offiziell verkündete Anordnung, zuhause zu bleiben, beispielsweise ganz besonders negativ auf das psychische Wohlbefinden aus (Benke et al. 2020). Unabhängig davon, in welchem Ausmaß die Maßnahmen einschränken, löst nämlich bereits alleine das Gefühl der Fremdbestimmung in Bezug auf das menschliche Grundbedürfnis nach Freiheit und Kontrolle Stress im menschlichen Hirn aus. Um dies aber nicht unnötig zu verstärken, sollten die Einschränkungsmaßnahmen effektiv und transparent kommuniziert und begründet werden, da es sonst ggf. zu den beschriebenen unnötigen Verstärkungsprozessen kommen kann. Zusätzlich...


Dr. phil. Charles Benoy ist Psychologe und Psychotherapeut in der Rehaklinik des Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique in Luxemburg und am Zentrum für Psychosomatik und Psychotherapie der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel.
Mit Grußworten des deutschen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn, des Schweizer Bundesrats Alain Berset und des luxemburgischen Premierministers Xavier Bettel.

Mit Beiträgen von:
Charles Benoy, Jean-Marc Cloos, Claudia De Boer, Olivier Del Fabbro, Lena Frischlich, Daniel Gassmann, Gassan Gradwohl, Miriam-Linnea Hale, Elisabeth Holl, Andreas Kruse, Annika Lutz, André Melzer, Gilles Michaux, Violaine Neuser, Jean Reuter, Tim Schatto-Eckrodt, Harmut Schulze, Frank Schumann, Philipp Sischka, Daniel Sollberger, Christina Stadler, Georges Steffgen, Gabriele Tammen-Parr, Claus Vögele, Susanne Walitza, Marc Walter, Johann Weichbrodt, Kira Wolff, Sylvia Nikolaus, Laetitia Mindel-Aebischer, Paul Konsbruck und Kai Unzicker.


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