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E-Book

E-Book, Deutsch, 220 Seiten

Berger Der Kiberer

Herz aus Stein

E-Book, Deutsch, 220 Seiten

ISBN: 978-3-7546-1249-1
Verlag: via tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Das hat ihm gerade noch gefehlt. Gerade erst wieder gesundgeschrieben und dann diese Schnapsidee. Der Kriminalbeamte Major August Meixner, ein "Kiberer" wie er im Buche steht, wird mit der Leitung einer neuen Sonderkommission beauftragt. Die ihm unterstellten Mitarbeiter könnten unterschiedlicher nicht sein. Da sind Konflikte vorprogrammiert. Der erste Fall der Sonderabteilung für Schwerkriminalität - interne Angelegenheiten - kurz SASK/IA - führt die ungleiche Truppe in die Justizanstalt Stein bei Krems. Dort verschwinden offensichtlich junge Häftlinge spurlos. Was als Hirngespinst einer verwirrten Hochschwangeren begann, entwickelt sich zu einem perfiden Konstrukt aus Machtgelüsten, Gier und Hinterlist. Und Meixner stolpert mitten hinein, in diesen Sumpf seelenloser Abgründe, wo der Mensch zur Ware degradiert und das Gewissen zweitrangig wird.
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2. Perspektiven
Montag, am Vormittag Es gibt in Wien nur eine Möglichkeit, wo der beißend kalte Herbstwind weicht. Wenn es regnet. Durchnässt betritt Meixner das kleine Lokal am Eck gegenüber seiner Wohnung. Der Mantel ist alles andere als wetterfest, auch die abgenutzten italienischen Schuhe haben gegenüber den regennassen Straßen aufgegeben. Bei jedem Schritt klingt es, als ob man in einem Fass voller Schlamm herumstapft. Das Lokal hat keinen besonderen Charme, es ist ein einfaches Wiener Beisl. An der Theke sitzen wie immer um diese Zeit dieselben Bauarbeiter bei ihrem fünften Mittagsbier, diskutieren wie jeden Tag über dieselben Themen. Flüchtlinge, Fußball und Frauen. Im hintersten Eck sitzt wie jeden Tag der alte Mann mit seinem Hund und nuckelt an seinem Kaffee. Besonders heute drängt sich der Geruch des nassen Tieres Meixners Nase auf. Herr Bund heißt der alte Mann, und wie immer sitzt er mit aufgeschlagener Zeitung an dem Tisch, unter dem ein Wassernapf für seinen Hund Wasti steht. Jeden Tag ist Meixner im letzten Jahr hier gewesen. Und jedes Mal betrachtet er den alten Mann mitleidig. Am heutigen Tage mit besonderem Mitleid. Denn er sah sich kurzzeitig schon selbst in dem alten Mann. Falls man ihn in den vorzeitigen Ruhestand geschickt hätte. So gesehen ist die SOKO vielleicht nicht die schlechteste Sache, die ihm heute widerfahren ist. Meixner hängt seinen triefend nassen Mantel an einen Haken der Garderobe gleich hinter der gläsernen Eingangstür und lässt sich auf seinem Stammplatz nieder. »Wie immer, Herr Inspektor?«, fragt Elfi, die Betreiberin des Beisls. Wie er diese Bezeichnung doch hasst. Inspektor. Immer wenn Elfi ihn so begrüßt, drehen sich die restlichen Gäste um und mustern ihn. Gleich darauf senken die beiden Bauarbeiter an der Theke ihre Stimme, denn die Polizei hört ja mit. »Ja, Elfi, wie immer«, antwortet Meixner. Er nickt den beiden Bauarbeitern zu und wirft ihnen einen direkten Blick entgegen. »Brauchts ned leiser reden, i kenn eure Gschichtln eh schon auswendig!«, sagt Meixner zu den beiden. Elfi bringt Meixner seine Melange, das obligatorische Glas Wasser und ein Stück vom hausgemachten Apfelstrudel. Heute ist Montag, also ist er wirklich frisch. Mit dem Apfelstrudel verhält es sich wie mit Elfi selbst. Über die Woche wirft er immer mehr Falten und wirkt etwas weniger frisch. Elfis Gesicht ist gezeichnet von einer bewegten Vergangenheit. Trotz dicker Schminke lässt sich erkennen, dass diese Frau schon einiges erlebt hat. Ihre Haare hat sie wohl schon länger nicht mehr schwarz nachgefärbt, der weißgraue Nachwuchs ist deutlich zu erkennen. Früher selbst Stammgast in diversen Gaststätten, dem Alkohol nicht abgeneigt, ist sie irgendwann an den falschen Mann geraten. Und doch hat sie sich wieder aufgerappelt, nachdem ihr damaliger ihr zugemuteter Ehemann sie mehrmals krankenhausreif geprügelt hat. Sie hatte Meixner zu jener Zeit um Hilfe gebeten, und dieser verschaffte mit seiner direkten Art, Konfrontationen zu lösen, dem prügelnden Ehegatten eine neue Weltanschauung. Nun gut, ein paar Wochen schaute er auf die Zimmerdecke eines Krankenhauses. Oft erscheint es Meixner, Elfi sei mit diesem Lokal verwachsen. Es passt einfach zu ihr. Elfi setzt sich gegenüber von Meixner. »Und, Herr Inspektor, sind wir wieder im Dienst? Verlier ich jetzt einen Stammgast?«, fragt Elfi mit einem leichten Lächeln. »Wie oft soll i dir noch erklären, sag ned Inspektor. I bin der Gustl. Und ja, bin wieder in Amt und Würden, mehr oder weniger, weiß das selbst noch nicht so genau…«, antwortet Meixner leicht genervt, während er sich seine Umschläge zurechtlegt. War vielleicht nicht die schlaueste Idee, mit den Kartonumschlägen durch den Regen zu spazieren, schießt es Meixner durch den Kopf. »Du bist auch a Stehaufmandl, Inspektor, wie ich. Unkraut vergeht ned«, sagt Elfi, tätschelt leicht die Hand von Meixner und geht zurück hinter die Theke. »Chefin, ans nemma no!«, ruft ihr bereits einer der Bauarbeiter entgegen. Meixner nimmt den ersten Umschlag, öffnet ihn und widmet sich dem Inhalt, um seine zukünftigen Kollegen in Augenschein zu nehmen. >>Gratzer, Michael, Leutnant<< steht auf dem ersten. 34 Jahre alt, Polizeiausbildung mit Auszeichnung abgeschlossen, ein Jahr lang beim Einsatzkommando Cobra. Stammt aus einer Polizistenfamilie, Vater war bis zur Pension Postenkommandant in einem kleinen steirischen Ort. Hat per Abendschule die Matura nachgeholt. Einige Auffälligkeiten fallen Meixner beim Überfliegen der Akte auf. Es gab einige Dienstaufsichtsbeschwerden, meist von seinen direkten Kollegen. Ließ sich vom Einsatzkommando zu einem Kommissariat in einem Wiener Arbeiterbezirk versetzen. Von dort schaffte er es zur Kriminalpolizei, Abteilung Raub. Auch hier wurde eine Beschwerde eingereicht, von einer Beamtin. >>Liebmann, Mag, Brigitte, Leutnant<< titelt der nächste Personalakt. 31 Jahre, Jusstudium abgeschlossen, danach direkt zur Rechtsabteilung im Innenministerium. Von dort Blitzkarriere, eine der jüngsten Kriminalbeamtinnen des Landes. Vater Richter am Wiener Landesgericht für Strafsachen, Mutter Professorin an der Wirtschaftsuniversität. Zuletzt in der Abteilung für organisiertes Verbrechen tätig, Pressesprecherin und zuständig für Öffentlichkeitsarbeit. >>Sarif, Dipl. Ing, Rashid<< So lautet der Name des Polizeiangestellten. 29 Jahre alt. Hat in Amerika IT-Wissenschaften studiert, arbeitete zuletzt an der Technischen Universität in Hamburg, danach in Wien. Seine Eltern stammen aus Palästina, er selbst wurde in Wien geboren und ist hier aufgewachsen. Verheiratet, zwei Töchter im Alter von 6 und 8 Jahren. Ein Paradepolizist, jedoch Sorgenkind, eine karrieregeile Juristin und ein Computerfuzzi. Na bravo, das kann was werden, denkt Meixner, während er den letzten Schluck seiner inzwischen kalt gewordenen Melange trinkt. Er zückt sein Handy und versucht wieder einmal verzweifelt die Bildschirmsperre zu entfernen. Dieses neumodische Gerät hat ihm seine Tochter letzte Weihnacht besorgt, denn damit kann man auch videotelefonieren. Ohne dieses Argument hätte er es nie in Betrieb genommen, aber die Möglichkeit, seine in London lebende Tochter zumindest hin und wieder auf dem Bildschirm zu sehen, war es mehr als wert, sich mit dem Ding herumzuschlagen. Endlich entsperrt, sucht er in den Kontakten nach Fen.z. Der Tippfehler war ihm passiert, als er versuchte die Nummer einzuspeichern. Wenn Pia das nächste Mal in Wien auf Besuch ist, muss sie ihm das ändern. Selbst wird er es nicht versuchen. Beim letzten Versuch, sich durch die unendlichen Weiten des Smartphones zu klicken, waren auf einmal sämtliche Menüs auf Türkisch umgestellt. Nur dank Ömer, dem Dönerladenbesitzer seines Vertrauens, kann er nun zumindest die grundlegenden Funktionen wieder in Muttersprache bedienen. »Josef, das wird nix…«, eröffnet Meixner das Telefonat. »Red gar ned weiter. Entweder leitest du die SOKO und fügst dich oder such um Frühpension an. Schau dir morgen die Leute an und behandle sie anständig, ich kenn dich!«, bremst Fenz Meixners Beschwerde. Meixner legt einfach auf. Früher konnte er seinen Vorgesetzten meistens in die Richtung biegen, die ihm gelegen war. Doch das Wort Frühpension alleine reichte aus, um ihn in die Knie zu zwingen. Meixners Blick fällt sofort wieder auf den alten Mann in der Ecke, der gerade seinen Hund tätschelt, um gleich danach wieder die einstudierte Bewegung mit dem Kaffeehäferl zu den Lippen zu vollziehen. Zum gefühlten millionsten Mal. »Was soll´s, lang wird’s die SOKO ned geben, danach geht’s wieder an richtige Arbeit, von mir aus geh ich dann auch zu den Giftlern!« denkt Meixner und meint damit die Abteilung für Suchtmittelmissbrauch. »Elfi, zahlen bitte!«, ruft Meixner in Richtung Theke. »Komm schon, Herr Inspektor!«, antwortet Elfi. Meixner bezahlt seinen Kaffee und den Apfelstrudel, schnappt sich seinen nach wie vor triefend nassen Mantel und verlässt mit noch immer nassen Schuhen das Lokal. »Jetzt geh ich mir neue Schuhe kaufen!« fasst Meixner einen festen Entschluss. Irgendwie fühlt er sich besser. Er kann es nicht einordnen, ist es die bevorstehende Aufgabe oder dass er endlich diese verhassten italienischen Schuhe loswird. Montagabend Meixner sitzt in seiner kleinen Wohnung. Zum ersten Mal seit einem Jahr hat er es geschafft anständig Ordnung zu schaffen. Keine herumliegenden Zeitungen, kein schmutziges Geschirr, keine vollen Aschenbecher, keine schmutzige Kleidung auf dem orangefarbenen Sofa. Das Sofa passt gar nicht in die Wohnung. Pia hat es ausgesucht, nachdem sie es im Internet gefunden hatte. Für ihn war nur der funktionelle Nutzen von Interesse, also dass man darauf fernsehen und schlafen kann. Doch für eine Tochter, die noch dazu Kunstgeschichte studiert, war es ein farbenfroher Tupfer in der sonst trostlosen Wohnung. »Ein Kontrast zum Grau!«, nannte es Pia. Ganz hatte Meixner das nicht verstanden, jedoch war es um sein Kunstverständnis allgemein nicht gut bestellt. Im Badezimmer surrt die Waschmaschine vor sich hin. Er konnte sich an die Bedienung des Gerätes gar nicht sofort erinnern. Meixner geht in die Küche, öffnet das Fenster und steckt sich zufrieden eine Zigarette an. Bisher war es ihm egal, dass der blaue Dunst überall in der Wohnung hing und es morgens immer nach kaltem Rauch stank. »Irgendetwas ist heute geschehen«, denkt Meixner. Es steckt ja doch noch ein normaler Mensch in dieser Hülle. Er streicht sich mit der Hand über das...


Peter Berger wurde 1982 in Bruck an der Mur geboren und wuchs im beschaulich ruhigen Mariazell auf. Inmitten einer Polizistenfamilie regte sich früh das Interesse an "Gut-gegen-Böse-Geschichten". Heute lebt er im steirischen Wechselland. Beruflich sehr facettenreich gestreut, war das Schreiben seit jeher eine nicht zu bändigende Leidenschaft. "Herz aus Stein" ist der erste Teil aus seiner Kriminalroman-Serie "Der Kiberer". Und definitiv nicht der letzte Einsatz für Major August "Gustl" Meixner!


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