Beushausen | Therapeutische Entscheidungsfindung in der Sprachtherapie | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 325 Seiten

Beushausen Therapeutische Entscheidungsfindung in der Sprachtherapie

Grundlagen und 15 Fallbeispiele

E-Book, Deutsch, 325 Seiten

ISBN: 978-3-497-61338-0
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



SprachtherapeutInnen sollen Entscheidungen im Therapieprozess professionell treffen und fundiert begründen. Sie erhalten mit diesem Buch das nötige Handwerkszeug: Kriterien zur Entscheidungsfindung, Anleitungen zur Reflexion der Vorgehensweise in Diagnostik, Therapie und Beratung. In 15 Fallbeispielen machen Spezialisten der Sprachtherapie den Prozess der Entscheidungsfindung für verschiedene Störungsbilder nachvollziehbar, z.B. bei Sprachentwicklungsstörungen, Aphasie, Stottern, Hör-störungen und Stimmstörungen bei Kindern und Erwachsenen. Die AutorInnen reflektieren und kommentieren jeweils ihre Entscheidungen im Therapieverlauf. So können SprachtherapeutInnen jedes Fallbeispiel als Fundgrube für aktuelles Fachwissen, Übungsbeispiele und Vorgehensweisen für ihre Arbeit nutzen.
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Zielgruppe


LogopädInnen, SprachtherapeutInnen, klinische LinguistInnen, Atem-, Sprech- und StimmlehrerInnen, PatholinguistInnen

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1Grundlagen der therapeutischen Entscheidungsfindung Von Ulla Beushausen 1.1Clinical Reasoning – was ist das? Clinical Reasoning bedeutet frei übersetzt „klinisches Begründen, Entscheiden, Beurteilen“. Clinical Reasoning umfasst die Denkvorgänge klinisch tätiger Therapeutinnen bei der Entscheidungsfindung, wenn sie Diagnostik, Therapie und Beratung planen, durchführen und evaluieren. Es dient somit der Problemanalyse. Clinical Reasoning ist der Denkprozess, aufgrund dessen eine klinische Entscheidung getroffen wird. Für die Physiotherapie definiert Jones (1998, 6) Clinical Reasoning als „die Denkvorgänge und die Entscheidungsfindung des Therapeuten während der Untersuchung und Behandlung eines Patienten.“ Für Jones (1997, 1998) ist der Begriff des Clinical Reasoning zunächst neutral. Jeder Therapeut denkt und entscheidet auf der Grundlage bestimmter und unbestimmter Parameter: „Damit soll aber nicht gesagt werden, dass diese Denkvorgänge immer gut ausgeführt werden oder sie nicht besser erlernt werden könnten“ (1998, 3). Das Ausmaß bewussten Denkens, der Grad der Reflexion des Gedachten und die Güte der Denkprozesse und ihrer Resultate können bei verschiedenen Therapeuten variieren. Der Begriff Clinical Reasoning ist daher eng mit dem Begriff der Reflexion verbunden. Dem ganz ähnlich definiert Fleming (2003, 2) – aus ergotherapeutischer Perspektive – „die verschiedenen Gedankengänge und Strategien, die Therapeuten anwenden, wenn sie, involviert in den therapeutischen Prozess, über ihre therapeutische Arbeit nachdenken und als Folge dieses Denkens Entscheidungen treffen und Maßnahmen durchführen“ als Gegenstand des ergotherapeutischen Clinical Reasoning. McAllister und Rose (2008, 112) konstatieren für die Sprachtherapie, dass „Sprachtherapeuten über Clinical Reasoning nicht sprächen“. In der Tat finden sich zwar diverse Veröffentlichungen in der sprachtherapeutischen Literatur zu Entscheidungsfindung in einzelnen Störungsbildern, klinischen Fähigkeiten, Differenzialdiagnosen, Problemlösen, kritischem Denken, professionellem Urteilen sowie zu Reflexion/Supervision, aber nur wenige zum Clinical-Reasoning-Prozess selbst. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Lehr- und Lernbarkeit klinischen Wissens (Hoben et. al. 2007). Die Autorinnen erklären sich diesen Mangel zum einen durch eine outputorientierte Sichtweise auf den klinischen Fall, auf die Entscheidung selbst – und zum anderen durch die Annahme der Berufsgruppe, Entscheidungsprozesse in der Sprachtherapie verliefen logisch und linear. Diese logischen Zusammenhänge wurden z. B. durch Flussdiagramme, in Form von „Wenn-dann-Verknüpfungen“ von Symptomen, Ursachen und Maßnahmen (sog. Entscheidungsbäume für klinische Fälle; z. B. Yoder/Kent 1988) dargestellt. Sprachtherapeuten führen tatsächlich Clinical Reasoning durch und denken auch darüber nach. Ihre Begrifflichkeit ist in der Regel der Kognitions-, der Wahrnehmungspsychologie und der Schule des kritischen Denkens entlehnt. Brauchen wir also eine neue Begrifflichkeit? McAllister und Lincoln (2005) stellen fest, Sprachtherapeuten müssten sich – in Ermangelung einer eigenen Begrifflichkeit – die Sprache der anderen Gesundheitsdisziplinen ausborgen, wenn sie über ihr Clinical Reasoning diskutieren wollten. Doch „Ausborgen“ allein genügt nicht, die Begriffe müssen an das spezifisch logopädisch-sprachtherapeutische Wissen adaptiert und klinische Entscheidungsfindungsprozesse qualitativ und quantitativ beforscht werden, bis eine eigene Begrifflichkeit sprachtherapeutischer Arbeit entsteht. Die Vorteile dieser neuen Begrifflichkeit liegen in der Kommunizierbarkeit kognitiver Prozesse, denn erst wenn Kategorien und Beschreibungsmöglichkeiten für sprachtherapeutisches Handeln zur Verfügung stehen, kann das therapeutische Vorgehen reflektiert und anderen mitgeteilt werden. Die Theorie zum Clinical Reasoning anderer Gesundheitsfachberufe bietet zunächst ein derartiges Kategoriensystem, das an die Sprachtherapie adaptiert werden kann. Entscheidende Parameter des Clinical-Reasoning-Prozesses in der Sprachtherapie sind die Therapeutin, die Patientin bzw. der Klient und das klinische Problem, das es zu lösen gilt (Aufgabenstellung). Hinzu kommt die Umgebung oder das therapeutische Setting – der Rahmen, in dem die Therapie stattfindet. 1.2Wie alles begann: Forschung zum Clinical-Reasoning-Prozess Der Begriff Clinical Reasoning entstammt der Lernpsychologie. Seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde in vielen Bereichen – wie Physik, Computerwissenschaft, Medizin – erforscht, wie sich beispielsweise Experten von Anfängern unterscheiden. Vorangetrieben wurde die Entwicklung des Clinical Reasoning aufgrund des explosionsartigen Anstiegs wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Medizin. Der neu gewonnene Wissenszuwachs war mit den alten Lehrmethoden den Studierenden nicht mehr zeitgemäß zu vermitteln. Aufgrund dessen suchte man nach einer alternativen Unterrichts- und Studienmethode und entwickelte ein Konzept, das ein lebenslanges Lernen ermöglichen sollte. Zur Umsetzung war es jedoch notwendig, zu klären, welche Denkprozesse bei der Speicherung und Aneignung von Wissen auftreten (Beushausen/Walther 2010). Die erste Forschungsphase war die sog. präkognitive Ära. Ganz im Sinne der vorherrschenden behavioristischen Haltung beobachtete man das Verhalten von Experten – den Output der Denkprozesse –, ohne den eigentlichen Entscheidungsprozess näher zu betrachten. Als „Black Box“ war dieser zunächst noch nicht von Interesse. Es stellte sich heraus, dass viele Experten effizienter Probleme lösen als Anfänger (Elstein et al. 1979). In dieser Zeit suchte man vor allem nach geeigneten Messinstrumenten, um das Clinical Reasoning näher zu erforschen. So wurden beispielsweise Simulationsmethoden entwickelt, um Therapiesituationen nachzustellen (PC-gestützte Falldatenbanken); Schauspieler wurden als Patienten eingesetzt und Computersimulationen für klinische Fälle erstellt. Anhand der simulierten Patienten versuchte man, den Entscheidungsprozess zu rekonstruieren. Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre lag die Forschung zum Clinical Reasoning auch in den Händen der Computerwissenschaften. Mit der kognitiven Wende der Verhaltensforschung stand nun die Frage im Vordergrund, welche Denkprozesse der Experten den therapeutischen Entscheidungen zugrundeliegen. Derart motivierte Studien ergaben, dass Experten über eine besser organisierte und breitere Wissensbasis verfügen als Anfänger. Zudem treffen sie viele ihrer Entscheidungen mittels Mustererkennung (Norman et al. 1990). So entscheiden Ärzte vielfach aufgrund ihrer Erfahrung mit früheren Patienten, deren Geschichte direkt zugänglich im Gedächtnis gespeichert ist. Das theoretische Wissen, das man sich während der Ausbildung aneignete, wird zunehmend in klinische Erfahrungen eingebettet und tritt in den Hintergrund. Ein Forschungszweig, der sich mit der Beschreibung kognitiver Prozesse befasste, war Ende der 1980er Jahre die „Cognitive Science“ (Ryan/McKay 1999). Eine dieser Forschergruppen wurde unter dem Namen „Decision making school“ bekannt. Insbesondere die menschliche Wahrnehmung und Informationsverarbeitung standen nun im Fokus der Forschung. Menschen benutzen unterschiedliche Strategien und sind individuellen Neigungen im Rahmen ihrer kognitiven Informationsverarbeitung unterworfen. Aus diesen Arbeiten leitete sich eine Theorie der Wahrnehmungsphänomene ab. In anderen Studien wurde versucht, das logische Denken unter Ausschluss jeglicher individueller Neigung, bezogen auf die kognitive Informationsverarbeitung, zu untersuchen. Vor diesem Hintergrund wurden mathematische Formeln entwickelt, die z. T. benutzt wurden, um Entscheidungsprozesse zu „berechnen“ und Entscheidungsbäume entworfen, die in Wenn-dann-Zusammenhängen Entscheidungsprozesse bildlich darstellen. Die ersten PC-gestützten Diagnosesysteme für Ärzte entstammen diesen Forschungsansätzen. Die „Concept learning school“ (Ryan/McKay 1999), die sich aus der kognitiven Psychologie entwickelte, legte ihren Forschungsschwerpunkt besonders darauf, wie mentale Konzepte entstehen und wie diese im menschlichen Gedächtnis organisiert sind – also auf den prozesshaften Aspekt des Clinical Reasoning. In verschiedenen Kontexten, wie der Medizin, der Pflege, der Ergo- und Physiotherapie und der amerikanischen Sprachtherapie wurden seit Ende der 1990er Jahre vermehrt interpretative, kognitive Funktionen untersucht. Diese Art der Clinical-Reasoning-Forschung belegt, dass außer hypothesengesteuertem Clinical Reasoning auch andere Formen von Reasoning existieren, die insbesondere bei direkten Interaktionen mit Menschen von Bedeutung sind. Die Betrachtung der gesamten Therapeut-Patienten-Interaktion rückte in den Mittelpunkt, da die Entscheidungsfindung eben nicht nur auf den Therapeuten allein begrenzt ist. Die Rolle der persönlichen Wissensbasis, Gefühle und Aspekte der Intuition gerieten in den...


Prof. Dr. Ulla Beushausen, Psycholinguistin, Logopädin, lehrt Logopädie an der HAWK Hildesheim.


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