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E-Book, Deutsch, 184 Seiten

Bey / Batra / Philipsen Zwangsstörungen

Ein evidenzbasiertes Behandlungsmanual

E-Book, Deutsch, 184 Seiten

ISBN: 978-3-17-041787-8
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Kontrollieren, Zählen, Waschen: Die Zwangsstörung ist eine komplexe psychische Erkrankung und ihr vielgestaltiges Erscheinungsbild stellt Behandelnde vor besondere Herausforderungen. Wie unterscheidet sich die Therapie von Waschzwängen und Kontrollzwängen? Was ist zu beachten, wenn Zwangserkrankte unter tabuisierten Gedanken oder magischem Denken leiden? Und wie müssen Interventionen angepasst werden, wenn Betroffene im Zusammenhang mit ihren Zwängen keine Angst empfinden, sondern Ekel oder ein Gefühl von Unvollständigkeit? Dieses Manual umfasst sowohl theoretische Grundlagen zu Erscheinungsformen, Diagnostik, Entstehung und Aufrechterhaltung der Zwangsstörung als auch eine Zusammenstellung evidenzbasierter Psychotherapiemaßnahmen. Ziel ist es, Behandelnden dabei zu helfen, indikationsspezifisch aus globalen Techniken und individuellen Interventionen zur wirksamen Behandlung von Zwängen auszuwählen.
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3 Diagnostische Maßnahmen
Grundlage der Diagnostik der Zwangsstörung ist das klinische Interview, das möglichst durch Verhaltensbeobachtungen, idealerweise auch in der natürlichen Umgebung des Patienten, ergänzt werden sollte (Reinecker 2005). Darüber hinaus ist es sinnvoll, die Erstellung von Selbstbeobachtungsprotokollen anzuregen (? Kap. 6.3.2). Zur Validierung des klinischen Eindrucks können Screenings und Checklisten sowie strukturierte und standardisierte Interviews herangezogen werden. Instrumente zur Messung des Schweregrades der Erkrankung (? Kap. 3.3) sind erst relevant, wenn die Diagnose gesichert ist (Voderholzer et al. 2022a). Sie können zur Verlaufsbeobachtung eingesetzt werden, sollten jedoch nie die alleinige Grundlage einer Diagnosestellung darstellen. 3.1 Screening und Checklisten
Um eine schnelle initiale Einschätzung bzgl. des Vorliegens einer Zwangserkrankung zu erhalten, können folgende fünf Screening-Fragen des Zohar-Fineberg Obsessive Compulsive Screen (ZF-OCS; Fineberg und Roberts 2001) herangezogen werden: • Waschen und putzen Sie sehr viel? • Kontrollieren Sie sehr viel? • Haben Sie quälende Gedanken, die Sie loswerden möchten, aber nicht können? • Brauchen Sie für Alltagstätigkeiten sehr lange? • Machen Sie sich Gedanken um Ordnung und Symmetrie? Wenn mindestens eine der Fragen bejaht wird und die vermeintlichen Zwänge zudem das Alltagsleben beeinträchtigen, ist das Vorliegen einer Zwangserkrankung wahrscheinlich. In der englischen Originalversion weist der ZF-OCS eine Sensitivität von 94?% und eine Spezifität von 85?% auf. Wenngleich die Spezifität im deutschsprachigen Raum deutlich geringer auszufallen scheint, überwiegt der Nutzen dieses Screening-Verfahrens, da das Instrument ohne großen Aufwand in allen denkbaren Beratungs- und Behandlungskontexten einsetzbar ist. Ein positives Screening kann eine ausführliche Diagnostik veranlassen. Damit kann eventuell eine verzögerte Diagnosestellung vermieden werden, die zur Chronifizierung von Zwängen beitragen könnte (Voderholzer et al. 2022a). Bei der ausführlicheren Diagnostik nach positivem Screening werden weitere Messinstrumente verwendet, um die Diagnose zu validieren. Hierzu zählen beispielsweise die Internationalen Diagnosen Checklisten (IDCL; Hiller et al. 1995) sowie strukturierte Interviews. 3.2 Strukturierte und standardisierte Interviews
Bei strukturierten oder standardisierten Interviews sind Reihenfolge und Inhalte der Fragen zu diagnoserelevanten Merkmalen vorgegeben, was in einer hohen Durchführungsobjektivität resultiert. Trotz Sprunganweisungen, die das Auslassen einzelner Fragen erlauben, sofern die entsprechende Diagnose bereits auszuschließen ist, ist der zeitliche Aufwand für die Durchführung allerdings relativ hoch. Sofern das gesamte Interview durchgeführt wird, ist die gleichzeitige Überprüfung von Differentialdiagnosen und komorbiden Störungen möglich. Die am häufigsten verwendeten strukturierten bzw. standardisierten Interviews sind das SKID-I (Strukturiertes Interview für DSM-5 Achse I Störungen), das DIPS (Diagnostisches Interview für Psychische Störungen; Margraf et al. 2017; 2021) sowie das CIDI (Composite International Diagnostic Interview; Wittchen und Semmler 1990). SKID-I und DIPS basieren auf dem DSM-5. Während das SKID vor allem im Forschungskontext eingesetzt wird, wurde das DIPS für verhaltenstherapeutische Zwecke, allerdings zu Lasten des Umfangs der zu prüfenden Störungen, ausdifferenziert (Voderholzer et al. 2022a). Es folgt im Wesentlichen der Struktur des SKID-I und erlaubt eine sehr reliable Diagnostik der Zwangsstörung (Suppiger et al. 2009). Das CIDI weist einen weitgehend standardisierten Ablauf auf und ermöglicht Diagnosestellungen sowohl nach ICD-10 als auch nach DSM-5. Die Retest-Reliabilität wird als sehr hoch bewertet (Wittchen et al. 1998). Ein strukturiertes Interview auf Basis der ICD-11 liegt zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht vor. 3.3 Schweregraderfassung
Sowohl in der Forschung als auch in der klinischen Praxis stellt die Yale-Brown Obsessive-Compulsive Scale (Y-BOCS; Goodman et al. 1989; deutsche Version: Hand und Büttner-Westphal 1991) den internationalen Goldstandard zur Erfassung der Symptomschwere bei Zwängen dar. Die Y-BOCS ist ein halbstrukturiertes Interview, das den Ausprägungsgrad von Zwangsgedanken und Zwangshandlungen in den letzten sieben Tagen anhand von Fragen zu Zeitaufwand und Häufigkeit, Beeinträchtigung im sozialen und beruflichen Bereich, Leidensdruck, Widerstand und anhand der wahrgenommenen Kontrolle über die Symptome jeweils auf einer 5?-?stufigen Skala erfasst. Darauf basierend werden zwei Subskalenwerte für Zwangsgedanken und für Zwangshandlungen sowie ein Gesamtwert gebildet, die sich durch gute psychometrische Eigenschaften auszeichnen (Goodman et al. 1989; Woody et al. 1995). Anhand weiterer Interviewfragen kann der Ausprägungsgrad von Einsicht in die Zwangssymptomatik, Vermeidung, Entscheidungsschwierigkeiten, einem übertriebenem Verantwortungsgefühl, Langsamkeit sowie pathologischem Zweifeln bestimmt werden. Die Gesamtdauer des Interviews beträgt etwa 30?–?60 Minuten (? Zusatzmaterial 1). Ferner steht im Rahmen des AMDP-Systems zur Erhebung des psychopathologischen Befunds ein Modul zur Erfassung von Zwangssymptomen (Grabe et al. 2002) zur Verfügung, das insgesamt 57 Differenzierungen der Symptomatik ermöglicht. Die drei Dimensionen des Moduls umfassen inhaltliche, formale und kognitiv-emotionale Aspekte der Zwangssymptomatik. 3.4 Erfassung der Symptomdimensionen
Die verschiedenen Symptomdimensionen der Zwangsstörung lassen sich neben der freien anamnestischen Exploration gut anhand von Selbstbeurteilungsfragebögen erfassen. Um einen detaillierten Überblick über das aktuelle sowie frühere Vorliegen einzelner Symptome zu erhalten, eignet sich insbesondere die Y-BOCS Symptom-Checkliste, welche einen langen Katalog diverser potenzieller Zwangshandlungen und -gedanken umfasst. Insgesamt enthält die Checkliste 70 Items, die in 15 Kategorien eingeteilt sind (? Zusatzmaterial 2). Eine strukturierte Schweregraderfassung verschiedener Dimensionen ermöglicht die Dimensionale Skala für Zwangsstörungen (Dimensional Obsessive-Compulsive Scale; DOCS; Abramowitz et al. 2010; Fink-Lamotte et al. 2021). Ihr Auflösungsgrad ist weniger feinkörnig, erlaubt dafür aber eine über das dichotome Antwortformat der Y-BOCS Symptom-Checkliste hinausgehende Beurteilung der Ausprägungsstärke einzelner Symptombereiche. Die vier Skalen der DOCS sind faktorenanalytisch validiert und bilden folgende Dimensionen ab: »Verantwortung«, »Symmetrie«, »Inakzeptable Gedanken« und »Kontamination«. Der Fragebogen ist frei zugänglich und kann in verschiedenen Sprachen von der Homepage der Autoren heruntergeladen werden: https://docs.web.unc.edu/downloads-and-translations/ Das Zwangsinventar Obsessive-Compulsive Inventory Revised (OCI-R; Foa et al. 2002; Gönner et al. 2007) ist eines der international gängigsten Selbstbeurteilungsinstrumente der Zwangsstörung, das die Ausprägung der sechs Symptomdimensionen »Kontrollieren«, »Waschen«, »Ordnen«, »Horten«, »Mentales Neutralisieren« und »Zwangsgedanken« mittels 18 Items erfasst (je drei Items pro Skala). Wenngleich der Summenwert über alle Skalen oftmals zur Schweregradmessung der Zwangssymptomatik herangezogen wird, eignet er sich nur bedingt zum Vergleich zwischen verschiedenen Personen, da der Summenwert nicht nur von der Schwere der Störung, sondern maßgeblich auch von der Anzahl der vorliegenden Symptomdimensionen abhängig ist. Ein Zwangserkrankter, der auf allen Skalen eine leichte Beeinträchtigung angibt, kann so z.?B. einen höheren Gesamtwert erzielen als ein anderer, der unter extremen Waschzwängen leidet, dafür aber keine Beeinträchtigung auf den anderen Symptomdimensionen aufweist. Entsprechend sollte bei der Auswertung des OCI-R immer auch die Ausprägung der sechs Subskalen berücksichtigt werden. Dann bietet das Inventar aufgrund seiner Kürze ein effizientes Maß zur dimensionalen Beurteilung der Zwangssymptomatik. Auch die Kurzform des Hamburger Zwangsinventars (HZI-K; Klepsch et al. 1993) erfasst die erlebte Zwangssymptomatik anhand verschiedener Subskalen: »Kontrollhandlungen«, »Reinigung«, »Ordnung«, »Zählen«, »Berühren«, »Sprechen«, »Gedankliche Rituale« sowie »Gedanken, sich oder...


Dr. phil. Katharina Bey ist Psychologin und Leiterin der Spezialambulanz für Zwangsstörungen am Universitätsklinikum Bonn.


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